Glück auf Umwegen von Traumschreiberin ================================================================================ Kapitel 6: Endlich in Sicherheit -------------------------------- Disclaimer: siehe Prolog Kapitel 6: Endlich in Sicherheit Die Reise nach London war für Marian lang und beschwerlich. Die meiste Zeit war sie gezwungen, langsam zu fahren, denn die Straße war uneben und sie wollte ihr Baby auf keinen Fall gefährden. Immer wieder unterbrach sie die Reise durch längere Aufenthalte in Gasthöfen, um sich zu schonen. Trotz aller Anstrengung genoss die junge Frau das Gefühl der Freiheit, das sie erfüllte, seit sie das Schloss ihrer Eltern verlassen hatte. Zwar mußte sie noch immer auf der Hut sein, um sich nicht zu verraten, aber während der langen Stunden, die sie in der Kutsche saß, konnte sie einzig und allein für ihr ungeborenes Kind da sein. Oft streichelte sie gedankenverloren ihren Bauch und jedes Mal ging ihr das Herz auf vor Glück, wenn ihre Zuwendung mit einem kräftigen Tritt belohnt wurde. Seit jener Nacht im Gasthof bewegte das Kleine sich häufiger, vor allem nachts, wenn Marian im Bett lag. Immer wieder überwältige es sie von Neuem, das winzige Leben in sich zu spüren. Es gab ihr Kraft und Zuversicht zu wissen, dass sie nicht allein war. Zwei Wochen später hatte die junge Frau endlich ihr Ziel erreicht. Während die Kutsche langsam durch die Straßen von London fuhr, hielt sie angestrengt nach dem Haus Ausschau, das Cleo ihr in einem ihrer Briefe beschrieben hatte. Kurz darauf hielt die Kutsche vor einem schönen zweistöckigen Haus mit weißer Fassade und einer kunstvoll verzierten Tür. Das Herz schlug Marian bis zum Hals, als sie ausstieg. Nun war es soweit: zum ersten Mal würde sie jemandem von ihrem Kummer erzählen. Im Stillen war sie froh, dass Cleo zur Zeit allein war, denn wenn Gilbert die ganze Geschichte erfuhr, fürchtete sie ernsthaft um Robins Leben. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie lange und hart der junge Ritter um ihre Liebe gekämpft hatte, bevor er schließlich einsehen mußte, dass ihr Herz allein Robin gehörte. Seitdem war er ihnen beiden ein treuer Freund geblieben, aber die junge Frau konnte sich lebhaft vorstellen, wie weit Gilbert gehen würde, um ihre Ehre zu verteidigen. Am Ende würde er Robin gar noch zu einem Duell fordern! Das konnte sie unmöglich riskieren! Sie würde Cleo ausdrücklich darum bitten müssen, ihrem Bruder gegenüber zu schweigen. Mit vor Aufregung noch immer heftig schlagendem Herzen hob Marian schließlich ihre Hand und zwang sich, an die Tür zu klopfen. Einen kurzen Moment fragte sie sich, ob ihre Freundin überhaupt daheim war oder ob sie wohl gerade in der Stadt unterwegs sein mochte. Ihre Sorge erwies sich jedoch als unbegründet, denn gleich darauf wurde die Tür geöffnet und die beiden Frauen standen einander gegenüber. "Marian?" entfuhr es Cleo überrascht und sie schaute ihre Freundin an, als hätte sie einen Geist gesehen. "Wie kommst du denn hierher? Und warum?" "Um dich zu besuchen, natürlich", erwiderte Marian lächelnd und gab sich alle Mühe, unbeschwert zu klingen. "Schließlich hast du mir oft genug geschrieben, wie einsam du dich fühlst. Also dachte ich, du würdest dich über etwas Gesellschaft freuen." Nun löste sich Cleo aus ihrer Erstarrung, trat auf ihre Freundin zu und schloss sie in eine herzliche Umarmung. "Natürlich freue ich mich", antwortete sie. "Aber am besten kommst du erst einmal ins Haus. Ich denke, wir haben uns einiges zu erzählen." Kurz darauf saßen die beiden Frauen einander in einem geräumigen, gemütlichen Salon gegenüber. Unter den forschenden Blicken ihrer Freundin wurde es Marian mehr als unbehaglich zumute und sie spürte, dass sie ihr unangekündigtes Erscheinen irgendwie erklären mußte. Aber wo sollte sie anfangen? Ihr war klar, dass sie Cleo die Wahrheit schuldete, doch es fiel ihr so unendlich schwer, all das auszusprechen, was sie schon so lange belastete. "Also heraus mit der Sprache", begann Cleo schließlich, als das Schweigen zwischen ihnen immer unangenehmer wurde. "Was ist passiert? Ganz bestimmt hast du dich nicht allein deshalb auf eine so weite Reise gemacht und stehst nun ohne Vorwarnung vor meiner Tür, weil du mich so sehr vermisst hast." Marian schluckte schwer und nickte kaum merklich. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. "Du hast Recht", gestand sie zögernd. "Aber das ist eine lange Geschichte." "Dann schlage ich vor, du erzählst mir allen von Anfang an", erwiderte Cleo freundlich. "Und ganz gleich was dich bekümmert, ich werde dir helfen." Im Stillen hegte die junge Frau starke Zweifel, dass es irgendeine Hilfe für sie gab, doch die Worte ihrer Freundin machten ihr Mut und so begann sie zu erzählen. "Vor ungefähr einem Jahr, kurz nachdem König Richard nach England zurückgekehrt war, hat Robin sein Schloss wieder aufbauen lassen und ist mit Will, Winniefred und Barbara dort eingezogen. Auch ich bin ihm damals gefolgt. Bald darauf gestanden wir einander unsere Liebe und wurden ein Paar. Leider war unser Glück nur von kurzer Dauer, denn ich war gezwungen, sein Schloss ohne ein Wort der Erklärung zu verlassen. Robin holte mich zurück, doch sein Herz war zu Stein geworden und in seinen Augen war keine Wärme mehr. Glaub mir, ich hatte meine Gründe, die mich so handeln ließen und es sind gute Gründe. Aber ich konnte Robin unmöglich die Wahrheit sagen, denn dann wäre er genauso in Gefahr gewesen wie ich. Seit jenem Tag hatte er kein liebes Wort, keine Zärtlichkeit mehr für mich übrig. Insgeheim hoffte ich, er würde mir irgendwann verzeihen, doch vergebens. Schließlich konnte ich seine Kälte und Lieblosigkeit nicht länger ertragen und bin zu meinen Eltern zurückgekehrt." Nachdem Marian geendet hatte, rückte Cleo näher zu ihr und nahm ihre Freundin tröstend in die Arme. "Du Ärmste", flüsterte sie mitfühlend. "Das muß eine schlimme Zeit für dich gewesen sein." "Das ist noch nicht alles", entgegnete die junge Frau und legte zögernd eine Hand auf ihren Bauch, den sie bislang unter ihrem Kleid und dem weiten Reisemantel versteckt hatte. Cleos Augen weiteten sich erstaunt, als sie die inzwischen deutliche Rundung sah, doch der Rest der Geschichte war für sie nun leicht zu erraten. "Du warst mit Robin zusammen, nicht wahr?" wollte sie behutsam wissen. "Und jetzt trägst du sein Kind unter dem Herzen." Die junge Frau sah ihre Freundin erstaunt an, gleichzeitig war sie jedoch erleichtert, dass Cleo sie nicht erzürnt oder empört, sondern mit fühlend anschaute. "Ja, ich bin guter Hoffnung", gestand sie verlegen. "Ich werde in etwa vier Monaten niederkommen." "Das ist doch wundervoll!" rief Cleo erfreut aus und überraschte Marian damit noch mehr. "Du bist nicht wütend?" fragte sie zaghaft. "Und du hälst mich nicht für ehrlos und sündhaft?" "Natürlich nicht", beruhigte Cleo ihre Freundin lächelnd. "Sicher habt ihr beide leichtsinnig gehandelt, als ihr unverheiratet das Bett miteinander geteilt habt. Aber ich weiß, dass du dich nur dem Mann hingeben würdest, den du von ganzem Herzen liebst. Außerdem ist ein ind doch etwas Wunderbares." Erneut stieg eine Welle der Traurigkeit in Marian auf. Trotz aller widrigen Umstände war dieses Baby für sie das wunderbarste Geschenk, das sie sich denken konnte. Alles könnte so schön sein, wenn es nur einen Weg gäbe, das Herz ihres Geliebten zurückzugewinnen. "Weiß Robin, dass du guter Hoffnung bist?" fragte Cleo behutsam weiter. "Oder deine Eltern?" Die junge Frau schüttelte den Kopf. "Ich habe es selbst erst bemerkt, als ich wieder auf Schloss Lancaster war", antwortete sie aufrichtig. "Und von dort bin ich abgereist, bevor meine Eltern mir meinen Zustand anmerken konnten. Ich weiß, dass es nicht richtig war, etwas so Wichtiges zu verheimlichen, aber mir fehlte der Mut, mich jemandem anzuvertrauen. Über die Situation, in der ich mich als schwangere, unverheiratete Frau befinde, brauche ich dich sicher nicht erst zu belehren. Ich hatte solche Angst, dass meine Eltern mich verstoßen oder mir mein Kind wegnehmen würden, sobald es geboren ist, Das könnte ich nicht ertragen. Ich will es behalten, egal wie." "Das kann ich gut verstehen", stimmte Cleo ihr verständnisvoll zu. "Ich glaube auch nicht, dass es richtig ist, ein Kind von seiner Mutter zu trennen. Aber eben deshalb solltest du zu Robin gehen und ihm alles erzählen. Immerhin ist er der Vater und hat somit das Recht, sowohl von seinem Kind als auch den Grund deiner Flucht zu erfahren. Wie soll er dich sonst verstehen? Außerdem liebt er dich und wird überglücklich sein, wenn du ihm von dem Baby erzählst." "Das glaube ich nicht", entgegnete Marian traurig und ohne jede Hoffnung. "Du hast ihn nicht erlebt. Ich habe seine Liebe auf ewig verspielt und alles zerstört, was jemals zwischen uns hätte sein können. Damit muß ich leben. Wahrscheinlich würde Robin mich aus Pflichtgefühl heiraten, mich in seinem Schloss aufnehmen und für sein Kind aufkommen, aber wir würden niemals eine Familie werden." Nun brach die Selbstbeherrschung, die Marian die ganze Zeit über mühsam aufrecht erhalten hatte, endgültig zusammen. Sobald die ersten Tränen sich ihren Weg über ihre Wangen bahnten, spürte sie, wie die Umarmung ihrer Freundin sich verstärkte und weinte sich an deren Schulter aus. Endlich mußte sie ihre Gefühle nicht länger verstecken und hatte offen aussprechen können, was sie die letzten Monate bedrückt hatte. Sie wimmerte leise, als auch das Baby in ihrem Bauch begann, kräftig zu strampeln und sich heftig über den Gefühlsausbruch seiner Mutter zu beschweren. "Ganz ruhig", redete Cleo ihr sanft zu. "Du solltest dich in deinem Zustand möglichst nicht aufregen. Beruhige dich und mach dir keine Sorgen mehr. Du kannst hier bleiben, solange du willst. Dir und deinem Kind wird es gut gehen, das verspreche ich dir. Aber denk auch darüber nach, was ich gesagt habe. Bestimmt sehnt Robin sich genauso nach dir, wie du dich nach ihm. Es gibt einen Weg zurück zu ihm und wir werden ihn finden." Marian nickte und schniefte noch eine Weile leise vor sich hin, bevor sie sich langsam beruhigte. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)