Lightning puncture von abgemeldet (Blitzschlag) ================================================================================ Kapitel 1: Up ------------- „Oberst Volgin? Die neuen Männer sind eingetroffen, der Hangar kann wieder vollständig verteidigt werden.“ „Gute Arbeit, Illia, gute Arbeit.“ Volgin brummt anerkennend, auf diese Nachrichten hatte er nur gewartet. Illia neigte den Kopf, salutierte und zog sich stumm zurück, seine Stiefel klackend gegen den metallenen Boden der Lagerhalle. Kein Wort umsonst. Es stimmte schon, die Speznas-Einheit war das Beste, das Geld ihm ermöglichte. Seine Hände hinter dem Rücken verschränkt besah sich der Oberst sein kleines Reich, seine Untertanen und wie Gott selbst, fand er, dass alles gut war. --- In Ivans Leben hatte es nicht viel gegeben, was er als wirklich bewegend oder wichtig bezeichnet hätte. Er hatte früh gelernt, zu arbeiten, auch, wenn offiziell niemand Arbeit fand. Seine Mutter roch ständig nach Fisch, sein Vater stank nach Öl. Er teilte sein Zimmer mit einem jüngeren Bruder, Faddei, der ihm nicht ähnlich sah und ihn biss, wenn er schlecht gelaunt war. Seine Eltern waren Fabrikarbeiter in der Nähe des Ural, sein Großvater, der nach langen Jahren als Waldläufer und Jäger bei seinem Sohn eingezogen war, schlug ihn, wenn er nicht gerade schlief und eine Schule hatte er meist nur von außen gesehen. „Alles Schweine“ hatte sein Vater gesagt, nachdem Ivan seine erste Woche absolviert hatte. Er behielt die leeren Hefte und begann sich Skizzen zu machen. Von seiner Mutter, seinem Bruder… Als er seinen Großvater bat, ihn zeichnen zu dürfen, wurde dieser wütend, nannte ihn Pidor, eine Schwuchtel, und brabbelte von der guten alten Zeit in den Wäldern. Am nächsten Tag waren die Hefte verschwunden. Ivan stellte keine Fragen, er lernte stattdessen mit seinen Schulbüchern, wenn ihm Zeit dazu blieb. Die blonden Haare rasierte seine Mutter ihm ab. Auch, wenn während der Woche niemand zu Hause war, der nicht gerade aß oder nach einem harten Tag schlief, kamen Sonntags sämtliche Verwandte zu Besuch. Es wurde gefeiert und getrunken, während Ivan seinem Bruder an dessen Bett von Baba Jaga erzählte und später die vergessenen Reste Alkohol und Räucherfisch auf trockenem Brot vom Esstisch stahl. Am nächsten Tag ging dann die ganze Familie, teilweise noch verkatert, in die Kirche um zu beten. Ivan hasste das, er hatte den Fisch und das Brot so satt. Kaum in der Pubertät, trat er der Armee bei und verlies seine Familie für immer. Speznas entdeckte sein Talent für sich. Über unzählige Irrungen und Wirrungen war er quer durch Russland gereist, hatte salutiert, gearbeitet, Stiefel geleckt und war schließlich ein Teil der russischen Elite geworden, kaum so alt wie sein Vater gewesen war, als er ihm ‚passiert’ war. Die Ausbildung verlangte ihm viel ab, doch Ivan glänzte, strahlte als Soldat, lies keine Gnade zu. Weder mit sich, noch mit dem Rest der Welt, bis die militärischen Ränge nur noch an ihm vorbei flogen. Er sah nicht zurück. Ein Telegram erreichte ihn, teilte ihm das Dahinscheiden seines Großvaters mit und die Forderung nach Geld für die Beerdigung. Er ignorierte beides und studierte seine dritte Fremdsprache, während er insgeheim über den Tod des großen Waldläufers in einem wilden Bett mit gefährlichen Medikamenten und brutaler Windel lachte. Seine Mutter schrieb ihm wenig später, er solle kommen um seinen Vater zu sehen. Lungenkrebs, er ersticke innerlich und wenn er sprach, schimpfte er nur. Sie erhielt seine knappe Antwort und das aufrichtige Beileid, aber das Geld, das er beigelegt hatte, war und blieb verschwunden. Faddei konnte direkt den Job seines Vaters übernehmen und fing in der Fabrik an. Wahrscheinlich am gleichen Platz. Nach dem Sieg über eine Bande ungewaschener Rebellen nahe, dem heutigen, Kirgisien ernannte man Raikov zum Offizier und er stellte mit grimmiger Zufriedenheit fest, wie viel besser die Uniform zu seinem Haar passte, das er nun wieder länger tragen konnte. Er hatte es schließlich von seinem verstorbenen Großvater geerbt. Mittlerweile sprach er vier Sprachen, wusste einen Dolch ebenso zu führen wie ein Sturmgewehr und hatte wieder zu malen begonnen. Sein Leben lief ruhig und geplant ab. Dann kam Groznji Grad. --- Die Anreise zum Sammelpunkt der Truppen hatte viel Zeit in Anspruch genommen. Ivan hatte nur einen Teil seiner Einheit behalten, der Rest schien aus ganz Russland anzukommen. Schon diese Reisevorbereitungen dauerten gute zwei Wochen und der Transport selbst fast drei weitere. Ihn hatte man während der Fahrt bei seiner Einheit belassen und dazu ermuntert, seine Männer zu ermuntern. Ein leises Gefühl sagte ihm, dass er scheiterte. Zusammengekauert hatten sie tagelang in Lastwagen, dann einem Zug und schließlich wieder in Geländewägen verharrt, still bis auf gelegentliche Versuche eines Gesprächs, die sich wenig später im Sand oder in kurzen Pointen verliefen. Durch die Rationen bekamen einige der Männer Durchfall oder Blähungen, was das Reden weiter erschwerte. Die Tage zogen sich, an ihnen rasten Steppen, Wälder und die Berge vorbei, nur um sie schließlich durch einen dichten, sumpfigen Dschungel zu führen. Hätte er noch Interesse an seiner Umgebung gehabt, wären Raikovs Skizzen sicher bemerkenswert und abwechslungsreich geworden. Stattdessen sah er seiner Einheit beim Verdrecken und sich selbst beim Muskelabbau zu. Jeder einzelne schien zu einem Philosophen zu werden, stumpfsinnig starrend, mit der ganzen Welt im Zwist. Am Tag vor der Ankunft machten sie in einem kleinen Lager Rast, aßen richtige Nahrung, zweifelhaften Ursprungs, und bekamen die Chance, sich gründlich zu waschen. Gerade noch rechtzeitig: Gleich am ersten Tag im neuen ‚Job’ lies man die Einheit antreten, herausgeputzt und gezügelt wie Zirkuspferde. Ihr Auftraggeber, selbst Oberst, hatte sich vor sie gestellt und jeden einzelnen drohend begutachtet, seine Augen streifen lassen und bei jeder Imperfektion die Fäuste geballt und das Gesicht verzogen. Die Luft um ihn schien zu flimmern und Raikov neigte unwillkürlich den Kopf, sah zu Boden wie ein ertappter Schuljunge. Seine Wangen brannten und er musste sich, sehr zu seinem Missfallen, eingestehen, dass er sich für jeden seiner Männer schämte. Sogar für sich selbst. Die Augen des Oberst brannten, er konnte alles und jeden zu sehen. ‚Ein echter Soldat hätte den Umständen trotzen, sich korrekt verhalten müssen. Sie waren eine Schande’; all das schienen die geringschätzigen Blicke zu sagen und noch tausend Verwünschungen mehr. Egal wie schlecht die, schnell aufgebauten, Lagerhallen gefertigt waren, er betrachtete sie als sein Königreich und Ivan wusste instinktiv, dass alles außer „Ja“ und „Sehr wohl“ blutig enden würde. Seine Hände zitterten und er atmete auf. Den Blick zu heben kostete ihn noch mehr Kraft und ein kleiner Teil von ihm hoffte, der Oberst habe ihn nicht gesehen, seine Fehler, seine Angst. Er hoffte zu Unrecht. Vor ihm standen zwei Wachposten, sichtlich gelangweilt, aber bemüht dies zu verbergen und Volgin, die Arme verschränkt und die Lippen zu einem sadistischen Lächeln verzogen. Sie sahen einander an, herausfordernd und abschätzend. Dann war die Tortur plötzlich vorbei, man hieß sie offiziell willkommen und Volgin wand sich ab. Er verschwand durch die offene Tür des Westgeländes. Die Posten wiesen Ivan kurz ein und bemühten sich, Abstand von ihm zu halten, ihn nicht unnötig zu reizen, wenn sogar der Oberst sich still zurückzog. Raikov selbst war in einem Zustand milden Schocks gefangen, ihm lief eine Gänsehaut quer über den Rücken, Angstschweiß übers Gesicht und, sehr zu seiner Beunruhigung, ein Gutteil seines Blutes südwärts. --- Im nahe gelegenen Wald schrieen Vögel als Raikov am nächsten Morgen zu sich kam. Er fühlte sich zerschlagen. Irgendetwas an dem Auftreten des Oberst’ hatte ihn lange davon abgehalten zu schlafen und er war schließlich in bunte, erschreckende Fieberträume versunken. Schweiß lag auf seinen Armen und der Brust und er stolperte schon, als er das Fenster öffnen wollte. Seine Verfassung war alles andere als präsentabel, während sich draußen der Ansatz des Morgengrauens blicken lies. Ivan lächelte grimmig. Eigene Quartiere brachten den Vorteil einer eigenen Waschmöglickeit. Der Schmutz musste zumindest oberflächlich weg. Er machte sich auf die Suche nach einem Waschlappen. Kein Soldat durfte den Ruf seiner Kompanie gefährden, sei es auch nur durch unsauberes Auftreten. Ihm war noch immer zu warm, als er das Bad wieder verließ. Trotz der kühlen Luft, die ihm vom offenen Fenster aus entgegen floss und seine, noch feuchte, Stirn prickeln lies. Er überlegte kurz, dann ergänzte er das Unterhemd, in dem er geschlafen hatte, mit dem Rest seiner schon getragenen Uniform und überlegte weiter, welcher Weg ihn in den Kraftraum führte. Sonst bevorzugte er lange Geländeläufe, aber das Terrain war ihm unbekannt und wahrscheinlich mit Fallen gespickt… Egal was es kostete, er musste nach draußen, brauchte Bewegung. Ivan zupfte sich die Haare zu Recht und wandte sich zur Uhr um. Richtig duschen würde er, wenn er fertig war, seine Besprechung mit Volgin lies ihm zwei gute Stunden dafür und er war sicher, dass er jede freie Minute brauchen würde. Die fast physische Brutalität die der Mann am vergangenen Tag ausgestrahlt hatte, konnte kein Mensch auf nüchternen Magen durchstehen und die Übelkeit, die er in ihm erregte wirkte sogar jetzt noch schwach nach. Das Innere der Quartiere war schlechter ausgeleuchtet als die großen Lagerhallen und Labors der Wissenschaftler, hier und da fehlten oder flackerten Glühlampen. Auch der Linoleumboden hatte zu viele schwere Armeestiefel gesehen. Die Luft roch abgestanden und der Offizier fragte sich, welches Genie gute zweihundert Männer (und Wissenschaftler) auf so kleinem Raum zusammenpferchte. Er hatte schon ganz andere Lager gesehen, aber von der Unterkunft einer Elitearmee konnte man doch wohl einen Anflug von… Lebensbedingungen erwarten. Das Inspizieren der Mannschaftsräume seiner Einheit war geradezu erschreckend gewesen und er fragte sich, wie sie unter diesen Umständen perfekte Leistungen erzielen sollte. Wahrscheinlich war das ohnehin nicht vorgesehen, man denke nur an die Sabotage durch Froschfilet und Rationen. Er war sich allerdings noch unsicher, welchem er mehr Ekel entgegenbrachte. Auch seine Professionalität hatte Grenzen. Ein kleiner Teil der Nachtwache kam ihm entgegen, müde von den langen Stunden des Aufmerksam-Tuens. Es war kein Geheimnis, dass die Konzentration der Männer zunehmend abnahm, sie sich zwischen den Reporten miteinander unterhielten, manchmal auch einfach anderwärtig beschäftigten. Immerhin war das noch so, wie Ivan es in Erinnerung hatte… Aus der Zeit vor seinem Aufstieg in die oberen Ränge, natürlich. Was einem Soldaten blühte, der hier bei dienstfremden Tätigkeiten erwischt wurde, wollte er sich nicht ausmalen, aber alles deutete auf einen dritten Weltkrieg hin. Und Volgin war diesmal der mit der Atombombe. Er seufzte. Seine eigene Einheit war schon aufgeteilt und stationiert worden, der Oberst würde ihm seinen, zweifellos genialen, Plan allerdings erst später mitteilen, was Raikov für sehr unprofessionell befand, durch die ständige Präsens besagten Sprengkörpers aber eisern für sich behielt. Die Posten sahen ihn kommen, schlossen die geöffneten Helme, spannten die Hinterteile und Schultern an und gaben sich noch mehr Mühe, die Augen offen zu halten. Ivan salutierte, die Soldaten versuchten es ihm, tapsig wie Welpen, gleichzutun und sie trennten sich wieder. Hinter sich konnte der Offizier das Klicken der, nun wieder offenen, Helme hören und er fragte sich, wie schnell seine Männer zu solchen halbmenschlichen Hüllen verfallen würden. Wenigstens hatten diese Posten alle Richtlinien, zumindest minimal, eingehalten. Wie er es hasste, nicht korrekt arbeiten zu können, aber nach seinem tragischen Auftritt anderntags... Wer wäre er sich zu beschweren? Außer dem nächsten Bombenopfer… Neben ihm ging die Sonne auf, kämpfte sich den steilen Berghang nach oben. Verhielt sich so der befehlshabende Offizier des ganzen Himmels? Ivan schüttelte den kindischen Gedanken ab und genoss kurz die ersten Strahlen auf seinem Gesicht, orange-adrig durch die geschlossenen Lider. Der Auftrag versprach nichts als Ärger und Probleme, aber wenigstens sah die Landschaft ansprechend aus. --- Er fand den Kraftraum nicht auf Anhieb, aber in respektabler Zeit. Auf seinem Weg bemühte er sich nicht mehrmals das gleiche Gebäude, beziehungsweise denselben Wachposten, zu passieren um ihnen keinen Anlass zu Verdacht oder dem Gerücht, er ginge auf dem Areal verloren, zu geben. Das Letzte, dass er in seinem ersten Einsatz als hochrangiger Offizier brauchte, war ein Spitzname alla ‚Alice im Wunderland’. Er war im Westflügel mehrfach falsch abgebogen, hatte salutiert und sich selbst dafür gescholten, kein besserer Spurenleser zu sein, doch schlussendlich führte ihn sein Weg bis in den Keller hinunter und vor eine abgenutzte Tür. Jemand hatte ein kleines Schild darauf angebracht, das die Worte: „Trainingshalle-Offiziersklasse“ verkündete. Es stimmte schon, für einen höheren Offizier war ein Auftrag wie dieser eher eine Art Urlaub. Die Koordination und Kommunikation der Truppen beschränkte sich auf ein Minimum und, ganz anders als er es von seinen andern Einsätzen gewohnt war, blieb ihm schon am ersten Tag genug Zeit, sich über so sinnlose Dinge wie den Kraftraum Gedanken zu machen. Die Türe hatte nicht zuviel versprochen und knarrte schicksalhaft als sie sich, nur fast unwillig, für Raikov öffnete. Nachdem sie lange seine Marke und seine Daten gescannt, verglichen und schlussendlich für würdig befunden hatte, muss man dazu anfügen. Der Raum war nicht viel weniger provisorisch als der Rest der Lagerhallen, aber die Anzahl an Kraftsportgeräten lies Ivan kurz Hoffnung für den Tag schöpfen. Er seufzte zufrieden und entledigte sich seiner Uniformjacke und der schweren Stiefel. Turnschuhe waren keine bereitgestellt, allerdings waren eine, fabrikneue, Dusche und drei Schließfächer in greifbarer Nähe. Allein das schon mehr, als er sich erwartet hatte. --- Ivans Oberarme schmerzten, das Unterhemd klebte träge an seinem Rücken und der Brust. „Stress und Wut brennen viel besser in den Muskeln als im Herzen eines Mannes…“ Irgendjemand hatte ihm davon erzählt, aber er wusste beim besten Willen nicht mehr, wer das gewesen war. Er sah sich nach einer Uhr um und fluchte. Ihm blieben zwanzig Minuten um zu duschen und sich geistig auf sein Treffen mit dem Oberst vorzubereiten. Die Suche nach den Räumlichkeiten eingerechnet. Raikov schnaubte, wütend über seine schlechte Planung und die fehlende Zeit, dann sortierte er seine Gedanken. Er musste schnell eine Entscheidung treffen, ihm blieb die Wahl zwischen einer Besprechung in klammer Uniform oder einer, möglicherweise tödlichen, Verspätung… Es hatte wohl noch nie jemand einen Raum so schnell verlassen, wie Ivan. Er konnte nicht quer über das Areal laufen, darum bemühte er sich um einen zackigen Marsch, nur hin und wieder von Saluten durchbrochen. Die Glückshormone nach dem Work-out rauschten durch seinen Körper und er hatte Schwierigkeiten, seine Gedanken zu strukturieren. Ihm war schwindlig. --- Wie er es geschafft hatte, pünktlich und präsentabel vor dem Büro des Obersts zu stehen, wusste Raikov selbst nicht. Seine Haare klebten noch feucht und ihm schlug da Herz bis in den Hals, aber er war bis zu einem bescheidenen Grad stolz auf sich. Der Raum an sich war von außen schmucklos, die Tür in das Allerheiligste des Obersts durch einen Scanner und ein kompliziertes Schloss gesichert. Tief atmend zog er die Schultern zurück und präsentierte sein Dienstabzeichen. Der Oberst hatte sich sein Büro möbliert, aber kaum eingerichtet, was leichter zu erheiternde Gesellen wohl mit „er lebt nicht, er wohnt noch“ tituliert hätten. Ivan war keiner davon. Er schätzte seine Umgebung ab, die weißen Wände, das geschlossene Fenster, den massiven Arbeitstisch und die diversen technischen Apparaturen auf einer Art umfunktionierter Anrichte im hinteren Bereich des Zimmers. Volgin war nicht anwesend, trotzdem erlaubte er sich nicht, die formelle Haltung aufzugeben. Seine Hände zitterten. Er hielt sein Erscheinung aufrecht, bis der Oberst durch die Tür trat und ihn kurz belustig musterte. Dann salutierte er. Der Schmerz des Trainings und der Anspannung in seinen Schultern traf ihn unerwartet und er wusste, dass er das Gesicht verzogen hatte. Womöglich zu sehr. „Ah… Ivan. Ich war schon in Sorge, du könntest nicht kommen.“ Volgin lächelte, halb erkennbar, halb narbenüberzogen, seine Zähne drückten gegen den spärlichen Rest seiner Wange. Er hatte Alles gesehen. Um Fassung bemüht neigte Raikov den Kopf und antwortet: „Entschuldigt mein Verhalten, Oberst. Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr enttäuscht.“, während sein Verstand ihm befahl, weniger aufsässig zu klingen. Volgin schritt hinter seinen Tisch und sah ihn abschätzend an, bevor er meinte: „Das wird sich noch zeigen. Setz dich.“ Bemüht langsam nahm der junge Offizier Platz und lies sich unzählige Karten und Dienstprotokolle erklären, immer wieder zustimmend nickend. Übelkeit nagte an seinem Magen, während sein geschulter Blick unbewusst wichtige Punkte und Details notierte. Als Alles gesagt schien, lehnte Volgin sich zurück und sah sein Gegenüber an, Alles an ihm, wertend und abschätzend. Die Stille summte noch vor Zahlen und Daten, während Ivan geschworen hätte, sein Herz bliebe stehen. Seine Augen hatte er starr nach vorne gerichtet und eine fast exhibitionistische Freude an der Situation breitete sich in seinem Körper aus, kriechend und schleimig. Dann war der Oberst zufrieden. Er zog einen Mundwinkel nach oben und stand auf. „Habt Ihr jemals jemanden gefoltert, junger Offizier ?“ Die Frage war weniger zufällig, als sie aussehen sollte und die Antwort darauf war sicher eine weitere Probe seiner Person. Ivan schüttelte den Kopf, den Ärger über den herablassenden Tonfall hinter seinem Titel ignorierend. Volgin nickte daraufhin und meinte: „Dann lass mich dir etwas zeigen.“ Oberst Volgins Welt stank. Ivan spürte seinen Magen an seiner Speiseröhre aufwärts klettern, erstickte beinahe an seinem eigenen Würgereflex und den verschiedenen Botenstoffen von Angst, Aufregung und Flucht in seinem Nervensystem. Der Boden klebte und er wollte nicht wissen, wovon. Der Deckel des Abflusses klapperte unter seinen Stiefeln und er beeilte sich, zurückzutreten. Ivan stand auf Schlachthausfliesen. Der Raum war schmucklos, leer und wurde ziemlich sicher regelmäßig gereinigt. Er roch zumindest so. Die Wände ließen sich allerdings schon gar nicht mehr richtig säubern. Dezente braune Flecken und schlecht angebrachte Ausbesserungen der Wandfarbe sprachen sehr für diese Theorie. „Hier siehst du mein Allerheiligstes.“ Volgin durchschritt den Raum, die Hände sorgsam hinter dem Rücken verwoben. Jeder Schritt schien voller Erinnerungen und wollte für sich allein genossen werden… Vor einem Seil, das an einem Haken von der Decke hing, blieb er erstmals stehen, aufrecht, der perfekte Soldat. „Ich zeige diesen Raum nur wenigen, noch weniger davon können danach noch darüber reden… Selbst die mit Zunge verlieren kein Wort darüber. Die meisten dieser Schwächlinge sterben sogar lieber. Welche Enttäuschung…“ Er ballte die Hände hinter seinem Rücken zu Fäusten, während er seinen Monolog hielt und Raikov wagte es nicht, auch nur zu nicken. Die Tür hatte sich hinter ihnen geschlossen und er wusste nicht, welche Sicherheitsstufe das Schloss hatte. Genauso gut hätte Volgin vor seiner Nase den Schlüssel verschlucken können. Dann beendete er seine kurze Rede: „Ich bin sicher, du weißt wovon ich spreche. Nicht wahr Raikov?“ Der Offizier zwang sich, seine Haltung beizubehalten, während Volgin vor ihm auf und ab schritt, unter seinen Narben lächelnd. Zu mehr sah er sich nicht in der Lage. Allerdings war der Abstand zwischen ihnen geschmolzen und der Gestank von Desinfektionsmittel und Scheuermilch wurde vom fast lächerlich männlichen Geruch des Obersts sauber zusammengeschlagen und aus Ivans Nase gekratzt. Der gesamte Raum war auf die kurze Distanz zwischen ihnen geschrumpft. „Warum willst du mir denn nicht antworten?“ Der Tonfall des Obersts war bedrohlich und schuf mit der Umgebung zusammen das Gefühl puren Terrors. Der blonde Soldat gestattete sich nicht, nach einem Fluchtweg zu suchen, von dem er wusste, dass er nicht da sein würde. Er hielt den Kopf gerade und antwortete knapp: „Entschuldigen Sie Sir. Ich glaube, ich kann Ihnen folgen.“ Er würde sterben. Tief in seinem Inneren wusste er, dass der Gedanke idiotisch war, der Oberst nichts anderes als sein Vorgesetzter war, ihm vielleicht Angst machen wollte, um ihn zu Höchstleistungen anzuspornen, und dass er den Tag sehr wohl überleben würde. Aber die Angst und Aufregung fühlten sich zu gut an, Adrenalin und Dopamin, Unterwerfung und Einschüchterung peitschten die Übelkeit und den Schwindel durch seine Adern. Alles, was ihn noch zusammenhielt, war das Training und das Gefühl, am Leben zu sein. „Dann weißt du ja, was ich von dir erwarte.“ Volgin war einen Schritt zurückgetreten, während er sprach und wartete auf seine Reaktion. Ivan zeigte keine Regung. Er würde sterben, wenn nicht durch das Seil, dann durch den Haken, von dem es hing. Er würde sterben und mit Scheuerbürsten in den Abfluss geputzt werden. Und er konnte rein gar nichts dagegen tun. „Ja, Oberst.“ Der Raum war schalldicht, hielt Geräusche wie Opfer gefangen. Sogar der Atem des vernarbten Offiziers war hörbar, so wenig drang von draußen herein. „Du bist ein guter Mann, Ivan. Enttäusch mich nicht...“ Raikov schauderte. Er sollte eigentlich sein Herz schlagen hören, des Blut in seinen Ohren, aber da war nichts. Seine Sinne spielte verrückt und alles wartete auf die Schmerzen, die er zweifellos gleich ertragen musste. Leises Ausatmen. Leises Einatmen. Dann waren nur noch Schritte hörbar und schließlich das Geräusch der Tür, die sich öffnete. Der Geruch von Desinfektionsmittel füllte den Raum. Dann Stille. Ivan atmete wieder, stoßweise. Er verlies den Raum hastig, ohne sich den Luxus von Hysterie oder einem Zusammenbruch zu gönnen. Die Stufen in den oberen Stock bewegten sich unter seinen Stiefeln und er suchte mit der rechten Hand an der Wand Halt. Er zitterte. Vor der Halle waren drei Soldaten stationiert, die ihn kurz ansahen, als er ins Freie trat. Raikov wusste nicht weshalb, aber er holte aus und schlug den nächstbesten Mann sauber ins Gesicht, küsste dessen Kiefer mit seiner Faust. Sein linker Ellenbogen grub sich in den Magen des Mannes, dann sein Stiefel und wieder die Faust. Ivan kam zu sich, schluckte und zog die Faust gegen seinen Körper. Vor ihm lag ein blutender, ungläubig aussehender junger Soldat und der Offizier beeilte sich, ihn anzuschreien. Er hatte nie die Beherrschung verloren, der Idiot vor ihm hatte nur seine Ausbildung vergessen. Wie konnte er es wagen, ihn so lächerlich zu machen? Langsam kam der Soldat wieder auf die Beine, salutierte und bat förmlich um Entschuldigung, schockiert und hilflos. Ivan zitterte, erst jetzt spürte er den Schmerz seiner Hände und Füße, den Druck des gestauten Blutes gegen seine Hose, klamm und klebrig. Seine Ohren rauschten. Der Verfall hatte eingesetzt und er wusste nicht, was er davon halten sollte. -X- AN: Weil es zu wenig Raikov-Fanfiction gibt. Erschreckend wenig. Reviews und Kritik sind sehr willkommen, hoffentlich hattet ihr Spaß mit der FF. :) Danke übrigens an Sakura, die sich mutig dadurch gekämpft hat! baba Kapitel 2: Break-even --------------------- “Ivan? Ivan, komm her. Lass dich anschaun.” Der Oberst hat große Hände mit breiten Fingern. Das weiß Raikov, nur zu gut. Und wenn Volgin von anschauen spricht, meint er berühren, mit eben jenen Händen, erkunden, erobern. Ivan lässt sein Haar offen fallen als er vor dem Armstuhl des Obersts stehen bleibt, die Schatten davon schneiden ihm Muster ins Gesicht. Er muss den Kopf neigen, um Volgin anzusehen. Ein kleines Stückchen Dominanz, das ihm besser gefällt, als er zugeben will. Dann erwacht der Oberst, wischt die Haare, die falschen Narben weg. Streift über das Gesicht des jungen Offiziers, nicht in der Lage ihm damit keine Schmerzen zuzufügen. Seine Hände sind zu vernarbt und taub dafür. Raikov seufzt trotzdem, pflichtbewusst, hungrig. Sein Atmen ist viel zu warm für die Kälte die mit der Nacht hereinbricht, sogar gegen taube Haut. „Immer noch so schön wie gestern… Ivan, Ivan.“ Er liebt den Klang seines Namens. Und er liebt es, schön zu sein. „Lass mich dich ganz genau betrachten…“ Sie küssen einander nie. Es will und soll nicht sein. Nur das hier ist ihr Spiel, ihre Routine die es nie versäumt Raikovs Magen auf den Kopf zu stellen. Er tritt einen Schritt zurück, einen Schritt, den er ganz genau kennt, und breitet die Arme aus. Dann wendet er sich ab. Volgins Ausdruck im Gesicht, seine gierigen Bewegungen will er nicht sehen. Beide interessiert nur der Druck, des erwartungsvolle Ziehen in ihren Unterbäuchen, den Hüften und Lenden. Danach bleibt genug Zeit für Schönheit und Wahrheit. Genug Zeit für Hass. Fast feierlich knöpft der Oberst jeden einzelnen Kopf von Ivan Weste auf, legt Schichten aus Stoff beiseite, drückt und reißt an Fleisch, Haut und Muskeln. Der junge Offizier weiß besser, als sich zu bewegen. Sein Atem wird lauter, hallt in seinem Kopf wieder und übertönt den Herzschlag in seinen Ohren. Er mochte das Gefühl der Macht, der Überlegenheit aber nur in der Unterwerfung kann er sich vergessen. Und er kennt keine größere Schande, als sich alleine nackt zu zeigen, vor vollkommen angezogenen Körpern, schwitzend und nur von einer Gänsehaut bedeckt. Seine Knie werden ihm untreu. Dann fühlt der nur noch die harte Rosshaarmatratze hinter sich, das Gefühl zu fallen dringt kaum zu ihm durch. Dunkelheit, Halbschatten… er kann kaum etwas sehen, aber er will auch nicht. Vernarbte Haut schließt sich um seine beiden Handgelenke und er spürt nur gestärkten Stoff über Muskeln gegen seine Oberschenkel drücken, die Kraft mit der seine, immer noch schwachen, Knie auseinander gedrückt werden. Ohne seine Gegenwehr würden beide zu schnell das Interesse verlieren, aber er fühlt sich zu schwach dafür, zu weit weg, zu kochend heiß. Dann scheint der Oberst zufrieden und lässt Ivan los, um sich sein Werk zu besehen. Die Eroberung beginnt und ist kampflos erfolgreich. Der blonde Offizier streckt seine Rippen nach vorne, drückt den Rücken durch, sucht hoffnungslos die Aufmerksamkeit abzulenken um sich verstecken zu können, mit all seinem Hass, der Scham und der Lust. Volgin sieht ihm in die Augen, kurz, aber lange genug um alles mitzuteilen. Alles zu spiegeln, was er sieht. Erst danach öffnet er den ersten Knopf seiner egenen Hose. Viel verstecken kann der Stoff nicht mehr und Ivans Augen verharren darauf. Er liebt diesen Moment, hasst aber das Gefühl, dass der nächste noch so weit entfernt scheint. Sein Bein zuckt. Als sich ihre Haut berührt, denn nur soweit bemüht sich ein Oberst, weiß Ivan kaum mehr wohin mit seinen Händen, seinen Blicken. Er weiß was er will und was er braucht, aber darum betteln will er nicht. Ganz im Gegenteil dazu scheint Volgin sich gut zu amüsieren. Er tastet, grabscht und greift schließlich zu. Sein Griff ist fest, schmerzt und kennt keine Gnade. Außerdem bewegt er sich viel zu langsam. Frustration drückt gegen Ivans Bewusstsein und er fühlt die noch vorhandene Kontrolle abflauen und einem unbändigen Wunsch nach Erlösung und Vergessen weichen. Er hasst sich dafür. „Oberst…?“ Seine Stimme klingt selbst für ihn zu tief, er verzieht das S fast bis zu Unkenntlichkeit. Volgin sieht ihn abschätzend an, stoppt aber die Bewegung nicht, drückt auch nicht weniger erbarmungslos zu. „Schon? Ich bin enttäuscht von dir, Ivan.“ Er lacht bellend und besieht sich seine zweite Hand. Dann lächelt er und Ivan hasst sie beide. Ihn und seine Hand, sich selbst und die Geräusche, die er von sich gibt. Er hasst den schnellen Rhythmus, das scharfe Stechen und Ziehen und die Spannung in seiner Magengrube, die sich langsam aufbaut, dann löst und ihn kurzzeitig lähmt. Er hasst Volgin dafür, dass er ihm die Lähmung nimmt, ihm keine Ruhe gönnt, hasst jede Minute und jedes Wort das er flüstert. Alles Lügen. Er lügt. Beide lügen. Trotzdem finden sich inmitten von Militärdecken wieder, müder als sie sein sollten und stinkend. Das, was Volgin der Welt nun präsentiert ist verschwitzt und dreckig, sowohl an den Händen, dem Mund als auch an den meisten Bereichen dazwischen. Er leckt sich die Finger. Raikov sieht zur Decke. Sie lassen das Licht aus, aber der Schein der Sterne und der Flutlichtbeleuchtung im Hof leuchtet heller, als es beiden lieb ist. „Wunderschön… Nicht wahr, Ivan?“ AN: Kinder merkt euch; Rape ist nicht sexy! Dominanz dagegen... :) Ja, egal. Die zufällige yaoi-Ladung für heute. Habt Spahaß! ~baba Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)