Bittersweet Rhapsody von Saria-chan (Link x Shiek) ================================================================================ Kapitel 9: Wahrheit ------------------- Zeit. Es war ein Wort, ein Konzept und allem voran Shieks Hoheitsgebiet. Niemand sonst wohl verstand die Ambiguität ihres Wesens so gut wie er – war sie doch Sinnbild seines eigenen Seins. Aber noch nie hatte sich der siebte Weise so außer Takt mit ihrem Voranschreiten, so verloren in ihrem Fluss gefühlt. Wenn er das Rot seiner Augen zum Fenster richtete, so schien der prasselnde Regen gleichsam ihren Strom zu bezeugen, und das tiefe, donnernde Grollen, welches das gesamte Erdreich und die Luft erfüllte, ließ sie wie ein kostbares, verschwenderisches und nur allzu endliches Gut erscheinen, das sich viel zu schnell verbrauchte. In jenem kleinen Raum jedoch stand sie still. In jenem kleinen Raum, in dem der Heroe ruhte und der Shiekah am Rande seines Bettes wachte, war die Zeit erstarrt. Minuten, Tage oder gar Jahrhunderte hätten sich jenseits der unbeweglichen Ewigkeit innerhalb dieses Zimmers erheben und wieder fallen können – und doch hätten sie allesamt nichts an diesen Gefühlen ändern können. Ob er damit jene Links oder seine eigenen bedachte, wann immer er den Gedanken hinauf beschwor, vermochte der siebte Weise noch nicht einmal genau zu sagen –das Resultat war bei jedweder Betrachtung doch ohnehin immer ein und das Selbe: Eines, das kein Barde je mit einem glücklichen Ende besingen würde, so märchenhaft eine Geschichte zwischen dem Feenjungen aus dem Land der Kokiri, und dem Schatten einer Herrscherin, der nie hätte existieren sollen, auch klingen mochte. Denn die Sagen dieses Landes erzählten von einer Prinzessin mit göttlichem Erbe und ihrem treuen Ritter. Eines Ritters, der… Beinahe unweigerlich kehrte Shieks Blick zurück zu Link. Das blaue Leuchten Navis, die sorgenvoll über seinem Bett kreiste, verlieh dem reglosen Gesicht des Schwertkämpfers etwas Geisterhaftes und machte es umso schwerer zu vergessen, wie viel Link für ihn riskiert hatte – und womöglich immer wieder riskieren würde. Nein, sogar mit Sicherheit riskieren würde. Als die Dorfhexe Asa dem Helden die letzten Reste ihres kostbaren, blauen Trankes eingeflößt hatte, hatte sie selbst gesagt, dass wohl einzig der Segen der Göttinnen ihn vor dem sicheren Tod bewahrt hätte. Shieks Lippen wurden schmal, in seiner Brust ein enggeschnürter Zwist aus Emotionen. Das… war nicht was er wollte. Obgleich es ihm mit jeder Faser seines Wesens widerstrebte, erhob er sich langsam und kehrte Link den Rücken zu. Er war erst wenige Schritte gegangen als ein helles Stimmchen ihn innehalten ließ. „Was tust du?“ „Gehen. Bitte sag Link, dass es nicht anders ging. Hyrule… braucht seinen Helden.“ So schwerlich Shiek die Worte auch über die Lippen kamen und so die Enge um sein Herz mit jedem einzelnen auch wuchs, so waren sie doch die einzige, unumstößliche Wahrheit. „… aber Link braucht dich.“ Da war eine Gravität in Navis Erwiderung, die ahnen ließ, dass sie nicht leichthin gesprochen war und vielmehr eine Feststellung als alles andere. Nie hätte er gedacht, dass er selbst einmal Zentrum ihres Starrsinns werden würde und fast schon wollte sich ein Lächeln auf seine Lippen stehlen. Der Dekubaum hatte gut daran getan, sie Link zur Seite zu stellen. „Er hat dich, kleine Freundin.“ „Ich bin nur eine Fee.“ Shiek blickte zurück zu dem schimmernden Lichtpunkt, der nun still über dem ruhenden Körper des jungen Kriegers verharrte. Was sollte er dem entgegnen – er, der nur der fleischgewordene Traum einer schlafenden Prinzessin war? Auf der Suche nach einer Antwort schlug er die Lider nieder und hoffte etwas von der Weisheit beschwören zu können, derer er sich einst so meisterlich verstanden hatte. Es war schwierig, überhaupt irgendetwas in dieser Kakophonie von Gefühlen auszumachen, die immer noch in ihm tobte, und noch schwerer, sich nicht völlig in ihr zu verlieren. Mühsam zwang er den Aufruhr zurück und mit dem Verebben der zahlreichen Stimmen seiner selbst wurde eine andere laut. Impas Stimme. Klarer und heller noch als zuvor über das Knistern der Flammen hörte er den Widerhall ihrer Worte in seiner Erinnerung – und mit ihrem Verstehen begann sich etwas Schweres in seiner Brust zu lösen. „Die Fee des größten Helden, den Hyrule je gesehen hat.“ Sie waren was sie waren – und durch Link gleichzeitig so viel mehr. Der Heroe hatte in Navi so viel mehr gesehen als eine einfache Fee – Begleiterin, Vertraute, Ratgeberin – und in Shiek selbst… zwar war da immer noch Schmerz, aber auch eine zarte Wärme, wenn der Shiekah daran dachte, wieviel reicher seine Tage durch Link geworden waren. Heller. Lebendiger. Menschlicher. Es würde die Sache sicher nicht einfacher machen, aber fernab all dieser verwirrenden und schwierigen Gefühle war er es Link als Freund schuldig zu bleiben. Link verdiente so viel. Mehr noch, die Wahrheit. Link träumte. Link musste träumen, denn es war unmöglich, dass er sich auf dem sonnendurchfluteten Marktplatz von Hyrule befand. Gerade noch hatte er doch gekämpft. Und... dunkel... es war dunkel gewesen... und... er versuchte sich zu erinnern, aber die Bilder waren verschwommen, gleich Schemen im Nebel. Er blinzelte, es war so unwahrscheinlich schwer den Gedanken zu halten, irgendwas... irgendetwas stimmte nicht. Er sah sich um, das Saphir seiner Augen über die Stände mit ihren bunten Segeltüchern streichend. Wie Blumen blühten sie gegen das Grau der Stadtmauer, und vor ihnen herrschte ein emsiges Treiben. Menschen kamen und gingen, kauften und feilschten...und waren alle so groß? Verwirrt sah er an sich herunter, fand das grüne Gewand der Kokiri an sich und... richtig, sie waren aus Kokiri hier her gekommen, er und... sein Herz machte einen Sprung, als sich ein etwa dreizehnjähriger Junge in blauem Wams und mit blondem Haar aus einer der Mengen vor den Warenauslagen hervorschob, behutsam zwei glasierte Äpfel durch das Getümmel manövrierend. Das rote Augenpaar, welches ihn nach wenigen Momenten der Suche fand, war voller Wärme, und Shieks Lippen teilten sich, Worte formend, die er jedoch nicht verstand. Das Rauschen des Brunnens in seinem Rücken war plötzlich um ein vielfaches lauter, wusch den Klang der hellen Jungenstimme hinfort, so sehr er sich auch konzentrierte, sie über das Plätschern auszumachen... und plötzlich war alles wieder dunkel. Doch das Rauschen blieb. Es dauerte einen Moment, bis Link begriff, dass es kein Brunnen, sondern das Prasseln von Regen war, welches an seine Ohren und in seinen erwachenden Geist drang. Er stand auch nicht, er lag, und obwohl ein schmerzhaftes Feuer in seinen Muskeln zu lodern schien, fühlte er sich sicher und geborgen. Er nahm einen tiefen Atemzug und hätte sich fast an ihm verschluckt; ein scharfes Stechen schoss durch seinen Brustkorb, welches ihm sagte, dass einige seiner Rippen auch nicht völlig in Ordnung waren. Mit einem leichten Husten kam er schließlich vollends in der Wirklichkeit an und als er die Augen aufschlug, fand er das gleiche, sanfte Rot, in das er wenige Sekunden zuvor noch in seinem Traum geschaut hatte. „Shiek“ erwiderte der Hylianer heiser und mit solch einer Wärme und einer glücklichen Erleichterung in den saphirblauen Iriden, dass es dem Angehörigen des Schattenvolkes schwerfiel, den Blickkontakt zu halten, befeuerten sie seine eigenen Gefühle doch nur noch mehr. Er war fast schon dankbar, als Links Aufmerksamkeit für einen Moment abglitt, um sich dem blauen Licht der Fee über seinem Gesicht zuzuwenden. „Navi“, flüsterte er und hob den Arm in ihre Richtung, nicht ohne allerdings schmerzhaft aufzuwimmern. „Wie fühlst du dich?“, fragte Shiek vorsichtig, während Link die Hand wieder sinken ließ. Überraschen huschte über die Züge des Hylianers, gefolgt von einem leidenden Ausdruck, als der Heroe offensichtlich kurz die Muskeln anspannte. „Furchtbar“, erwiderte er schließlich, zwang seinen Oberkörper aber trotzdem nach oben. „Was war das?“ „Ein mächtiges Schattenwesen aus Hyrules dunkler Vergangenheit, geboren aus Hass und Verrat.“ Ein Gedanke manifestierte sich auf Links Zügen, als dessen Iriden für einen flüchtigen Augenblick den Fokus verloren – die Räson, die ihm vor seiner waghalsigen Rettungsaktion viel besser genützt hätte, vermischt mit einer Spur fast schon verlegener Erkenntnis. Dann merkte er, wie der Blick des Heroen wieder auf ihn zurückfiel, eine unausgesprochene Frage auf den Lippen. Schuldig senkte Shiek die Lider. „Du träumst nicht. Ich bin wirklich hier.“ Auch wenn er Links Reaktion nicht unmittelbar sah; das Aufflackern dieser dem jungen Krieger so eigenen, unschuldigen Freude war geradezu spürbar – gleich der hellen Aura einer Flamme. Und dann verebbte es wieder. Obwohl sie sich direkt gegenüber saßen, standen so viele unausgesprochene Dinge trennend zwischen ihnen. Shiek hob den Blick wieder. Bereit, die Wahrheit zu sehen, die er Link und sich selbst versprochen hatte. Und doch fehlten ihm die Worte. Während der Regen vor dem Fenster mit vielen Stimmen sein Lied sang, versagte dem Angehörigen des Schattenvolkes die eigene. Und so war es Link, welcher schließlich die Stille innerhalb des Raumes durchbrach. „Shiek“, begann der Hylianer unsicher und biss sich auf die Unterlippe, während Angst sich in das Blau seiner Augen schlich. Er wirkte verloren inmitten der Laken auf der strohgefüllten Matratze, deren Linnen sich unter Links Faust zusammenzog. Noch ehe er sein Handeln selbst begriff, hatte Shiek die Hand in Richtung des Hylianers ausgestreckt. Er stockte einen kurzen Moment, als sein Verstand seine Muskeln einholte und mit seinem Instinkt stritt, doch dies war genug für den Heroen, um die Geste zu erwidern. Die Gesamtheit von Links Fingern schloss sich um die seinen, der Griff fast schon ein wenig zu fest; furchtsam. Der Schattenkrieger konnte die Worte, die der Schwertkämpfer hinter geschlossenen Lippen hin und her wälzte, regelrecht spüren – doch viel quälender noch war der Schmerz, der mit jedem Augenblick in den Iriden des jungen Kriegers wuchs. „Link“, hörte sich Shiek sagen, nachdem ein weiterer, unerträglicher Moment verstrichen war, und dies schien den Bann endlich zu brechen. Nach einem kurzen Blick auf die Verbindung ihrer Hände bahnte sich das erste Wort den Weg über seine Lippen. „Warum...“ – ein tiefer Atemzug, das Blau seiner Augen so zerbrechlich wie Glas – „Shiek, warum… läufst du vor mir davon? Wenn ich irgendetwas Falsches getan oder gesagt habe, dann tut es mir leid. Ich... ich wollte dir keine Angst einjagen... ich... ich...“ Links sich zunächst überschlagende Stimme verlor sich jäh, obwohl seine Hand unvermindert über jener des Shiekah verweilte. Etwas Falsches getan? Nur eines... sich in den Shiekah zu verlieben. Die bittere Linie seiner Lippen war ein Spiegelbild der traurigen Ironie von Links Frage. Es wäre ein Einfaches gewesen, Link irgendeine schöngeschmückte Lüge darzubieten, welche der Hylianer mit seinem grenzenlosen Vertrauen in den Shiekah sicherlich eifrig angenommen hätte. Ihm die falsche Hoffnung zu geben, dass, so er nur alle Siegel brach, ihr beider Weg danach ein gemeinsamer werden könnte. Der Hylianer nur noch ein klein wenig länger warten müsste. Es wäre so einfach gewesen. Aber Shiek wusste auch, wenn er jetzt vor diesem Gespräch davonlief, dann würde er die verbleibende Zeit seiner Existenz davonlaufen – vor den Konsequenzen seines Handelns, vor seinen Gefühlen und der Wahrheit, welche mit bleierner Schwere auf seiner Zunge wohnte. „Ich bin derjenige, der einen Fehler gemacht hat.“ Er und sein närrisches, schwaches Herz, das hätte stark sein sollen und es doch nicht konnte. „Ich… könnte deinen Wunsch unmöglich erfüllen.“ So sehr es ein Teil von ihm auch wollte. Das kurze Aufflackern von Hoffnung in Links Augen brannte wie tausend heiße Nadelstiche in seiner Brust. „Wenn es darum geht, dass es zu gefährlich ist, dann warte ich eben, bis alles vorbei ist“, erwiderte der Heroe eifrig. Ein wenig atemlos beinahe, als könne der kleinste Hauch den schwachen Schimmer der Zuversicht wieder löschen. „Du verstehst nicht, Link.“ Noch während er die Worte mühsam hervor presste, senkte er den Kopf erneut, konnte den Blickkontakt des Neunzehnjährigen nicht länger halten. Seine Finger zogen sich enger um jene Links, und noch ein wenig mehr, während dieser wieder die Stimme erhob. „Dann erklär es mir ... bitte.“ Shiek sah das gnadenlose Schwert der Wahrheit deutlich über ihnen schweben – und schließlich den hauchdünnen Faden, der es hielt, reißen. „Es ist unmöglich, weil… ich nicht mehr existiere werde, wenn dies alles vorbei ist.“ Er spürte, wie sich Links Griff lockerte, während Shiek selbst die bandagierten Finger zu einer Faust ballte. „Mein Dasein ist an die Finsternis in Hyrule gebunden. Wenn sie schwindet, dann schwinde ich mit ihr.“ Da war ein Zittern, welches den Körper des jungen Kriegers durchlief und Shiek durch die nunmehr lose Verbindung ihrer Hände spürte. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie zersplittertes Saphir sein Gesicht suchte, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, das Shieks Worte als Lüge entlarvte. Doch alles, was er dem Heroen anbieten konnte, war ein verzagtes Kopfschütteln. Besser jetzt und besser so, ehe Link noch mehr unnötigen Schmerz erlitt. „Es tut mir leid.“ „Das… will ich nicht“, protestierte Link und plötzlich war da ein Flackern in den blauen Augen, ein Schimmer von Wut. „Das ... das ist nicht fair!“, sagte er, jene Worte wiederholend, die vor so vielen Tagen, welche dem Schattenkrieger nunmehr wie Jahre vorkamen, auf der Steppe zwischen ihnen gefallen waren. So viel hatte sich verändert, doch sie waren immer noch wahr, und konnten trotz allem immer noch nichts an der Realität ändern. „Aber es ist mein Schicksal“, erwiderte Shiek stumpf. Es war schon immer sein Schicksal gewesen und wenn das Licht nach Hyrule zurückkehren sollte, musste er sich ihm ergeben. Und Link ebenso. „Dein Schicksal? Was ist mit meinem…“ „Dein Schicksal ist an das der Prinzessin geknüpft und nicht an meines“, fiel ihm Shiek ins Wort, wenngleich der selbstsüchtige Wunsch, dass es anders wäre, mit quälender Hitze in ihm brannte. “Das entscheide immer noch ich selbst!“, antwortete Link trotzig. „Aber ich bin nichts weiter als ein Schatten, der…“, begann Shiek jene Worte zu sprechen, die er bereits für sich selbst so oft wiederholt hatte, hoffend, sie würden auch den Schmerz betäuben, der sein Inneres nunmehr zu zerreißen drohte. Doch mehr denn je kamen sie ihm wie der leere Widerhall einer Lüge vor. „Nein“, unterbrach ihn Link. „Du kannst kein Schatten sein. Du stehst doch hier direkt vor mir und…“ Da war das scharfe Stechen mühsam zurückgehaltener Tränen in Shieks Augenwinkel. „Meine Zeit, dieser Körper… all das ist nur geborgt. Sobald du das letzte Siegel brichst…“ Es war eine Wahrheit, die er schon vor so langer Zeit gelernt hatte zu akzeptieren, doch was einst tröstende Hoffnung gewesen war, schlang sich nun gleich bleierner Ketten um seine Brust, nahm ihm die Luft zum Atmen und drückte auf sein Herz, das, wie Link mit seiner sturen Logik festgestellt hatte, fernab davon war, eine Illusion zu sein. Es war durch und durch echt. Und zudem etwas, für das der Heroe nicht aufhören würde zu kämpfen. „Dann werde ich meine Reise abbrechen. Wir gehen weg. Irgendwohin…“ Es mochte verlockend klingen. Verwegen, egoistisch und doch so unaussprechlich verlockend. Ihrer beider Schicksal schlicht hinter sich lassen, zwei einfache Männer in einem fremden Land zu sein, die niemandem verpflichtet waren außer sich selbst. Er… ein Teil von ihm wollte das so sehr, doch als er den Blick hob und Links saphirblauen Iriden begegnete, da wusste er, dass er es nicht konnte. Hyrules Volk, Prinz-… sein Volk, würde weiter leiden, Ganondorfs Schatten wachsen und alsbald auch die Länder jenseits der Grenzen verdunkeln. Er konnte nicht gehen, genauso wenig, wie es Link konnte. Er sah die Erkenntnis, die er selbst so deutlich spürte, in das Blau des Hylianers sickern und die Entschlossenheit seiner vorangegangenen Worte untergraben. „Ich werde einen Weg finden“, setzte Link an und in die starrköpfige Unnachgiebigkeit seiner Stimme mischte sich Verzweiflung. Er hob die Arme in einer Geste, als könne sein Körper die Frustration nicht mehr halten. Und dann war da Angst, welche sie wieder sinken ließ. „Ich… ich will dich nicht verlieren.“ Eine Hoffnungslosigkeit verdüsterte die Züge des Hylianers, wie sie Shiek noch nie dort gesehen hatte. Einmal mehr schien die Zeit in diesem kleinen Raum still zu stehen, und doch war da der beständige Rhythmus von Shieks Herz, das von ihrem Verstreichen kündigte. Ein Herz, das immer noch schmerzte. Aber auch ein Herz, welches der Heroe durch und durch für sich gewonnen hatte. Er konnte und wollte Link nicht so sehen. Er atmete tief ein und ein Entschluss formte sich in ihm. „Ich will das auch nicht“, sagte er leise, und dann, etwas lauter und Links vorangegangen Worte aufnehmend, „Ich … möchte auch nicht, dass du mich verlierst.“ Denn auch das war eine Wahrheit, und sie vermochte neben Erstaunen den leichtesten Hauch eines Lächelns auf Links Lippen zu zaubern. Und nach einem weiteren Moment der Stille war da sogar etwas Zuversicht. Shieks Blick war beinahe schon scheu, als Link ihm erneut begegnete. Und gleichzeitig lag eine Wärme darin, die der Neunzehnjährige fast schon verloren geglaubt hätte. Eine Wärme, die sein Herz trotz aller Schwermut, die ihr Gespräch begleitete, einen Takt schneller schlagen ließ. Dann sickerte Reue in das sanfte Rot und Shiek schloss die Lider kurz, ehe er sie wieder öffnete. Seine Augen verweilten nun auf der losen Verbindung ihrer Hände. „Verzeih, dass ich dich gestern so verletzt habe und… dir nicht den gleichen Mut entgegenbringen konnte, den du mir entgegengebracht hast. Dass ich mich von meiner Furcht habe beherrschen lassen.“ Links Lippen teilten sich, um die Entschuldigung auszusprechen, die auf ihnen lag, doch Shiek hob die Hand und bedeutete ihm zu schweigen. Dann schüttelte der Schattenkrieger den Kopf, die Mundwinkel kaum wahrnehmbar gekräuselt. „Nicht vor dir. Ich … hatte Angst vor meiner Antwort auf deine Frage.“ „Wie meinst du das?“, erwiderte Link auf Shieks kryptische Worte. Ihm war das mehrfache Zögern in Shieks Stimme nicht entgangen, und auch diese seltsame Art von neuer Tiefe, wenn der junge Mann von sich selbst sprach. Dennoch konnte der Hylianer sich keinen wirklichen Reim darauf machen, was der Shiekah meinte – hatte es etwas damit zu tun, wie Link sich kaum erst getraut hatte, jene bedeutungsschweren Worte gegenüber dem Schattenkrieger auszusprechen? „Ich…“, begann Shiek, doch dann verzagte der sonst so redegewandte junge Mann und wirkte in sich gekehrt, schien nach der Antwort zu suchen. „Ich denke, was er damit sagen will, ist, dass er dich auch liebt“, mischte sich Navi ein, das helle Stimmchen überquellend vor Stolz über die Tatsache, dass sie von selbst zu dieser Erkenntnis gekommen war. „NAVI!“ Links und Shieks Stimmen vermischten sich in einem erschreckten Aufruf. Blut schoss brodelnd in seine Wangen und färbte sie in das gleiche, verlegene Rot wie Shieks, ehe der Neunzehnjährige vorsichtig fragte, „Stimmt das?“ In der Brust des Hylianers kribbelte und brannte es, aber es war keine Pein, die von seinen verletzten Rippen kam. Er war sich noch nicht mal sicher, ob er es überhaupt als Qual bezeichnen mochte, denn es war vielmehr, als wäre sein Innerstes mit einer Vielzahl heller Bänder durchwirkt, Linien aus reinem Licht und Feuer, die eng gespannt allesamt über seinem Herzen zusammenliefen; unter jedem einzelnen Schlag vibrierten und ein neues Schaudern durch seinen Körper sandten. Und atemlos wartete er auf die Antwort, welche diese Ketten vielleicht sprengen würde. Shiek lächelte. Warm. Offen. „Es… ist schwer, dich nicht zu lieben, Link.“ Da war eine Leichtigkeit in Link, die allen Schmerz vergessen machte. Ihm war schwindelig, nahezu trunken vor Glück. Er hatte das Gefühl, dass seine Brust eigentlich viel zu klein war, um diese große Emotion in sich zu behalten - alles in ihm schien zu leuchten und war warm, erfüllte ihn bis in den letzten Winkel seiner Seele. Mit einem hellen Auflachen zog er Shiek gegen seine Brust in eine Umarmung. „Ich bin so glücklich“, atmete er gegen die Schulter des Shiekah. Er nahm wahr, wie sich die Arme des anderen Mannes hinter seinem Rücken verschränkten, ein Paar Hände sich fest in den Stoff seiner Tunika vergrub und Shiek gegen seinen Körper sank. „Ich auch.“ Shieks Worte waren leise, aber voller Ehrlichkeit – heilend und erhebend, denn vielmehr noch als dass der Hylianer sein Glück in Shiek fand, war es noch eine unbeschreiblich größere Freude zu hören, dass der Shiekah dessen eigenes Glück in ihm fand. Link erlaubte sich, diesen endlos wirkenden Sekunden, die ihm das Gefühl gaben, die gesamte Welt in seinen Armen zu halten während Navis blaues Leuchten funkelnd um sie beide tanzte, noch einige mehr hinzuzufügen; sie ein wenig länger auszukosten – ehe er seine Umarmung zaghaft löste, damit er Shieks Gesicht sehen konnte. Und auch, wenn Link noch viel über Liebe zu lernen hatte, so konnte er doch ganz genau sagen, dass es Liebe war, die er in den Zügen des Sheikah fand. Das sanfte Lächeln, das bis in das warme Rot von Shieks Iriden reichte und eine zarte, fast schon zerbrechliche Offenheit in seinem Blick, die Links Knie schwach werden ließ, obwohl er immer noch saß, ließen keinen Zweifel daran. Und der Hylianer konnte nicht anders, als es zu erwidern – denn auch, wenn die Zukunft noch unbestimmt vor ihnen lag, für diesen einen Moment war alles perfekt. Doch nur allzu schnell hielt die Realität wieder Einzug in seine Gedanken. Plötzlich waren dort so viele Worte, die aufgeregt über seine Zunge tanzten, doch in dem übereinanderstürzenden Chaos schafften es lediglich eine Handvoll, jenseits seiner Lippen Form zu finden. „Aber heißt das dann…“ Schmerz sickerte in den glücklichen Ausdruck auf Shieks Gesicht und er senkte den Blick. Schüttelte den Kopf. „… mein Schicksal ist immer noch dasselbe.“ Link hatte fast schon erwartet, dass es nicht so einfach sein würde. Dennoch… „Ich sagte doch, ich werde einen Weg finden.“ Die Hoffnung brannte heller in Link als je zuvor. Es war eine gewaltige Aufgabe, aber ihr würde nicht in ihrem Angesicht verzagen. Mehr denn je galt es, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Für Shiek. Für ihn selbst. Für sie beide. „Ich möchte gerne glauben, was du sagst, aber…“ Er senkte den Blick und spürte, wie dunkle Gedanken begannen, den Jubelchor seiner Gefühle zu ersticken und nur allzu schnell mischten sich Zweifel in die unverfälschte Reinheit seiner Empfindungen. Für einen kurzen, glorreichen Augenblick war er frei gewesen – frei von sämtlichen Erwartungen, Pflichten und seinem Schicksal – und erfüllt von solcher Liebe, dass die Gewaltigkeit der Emotion ihm beinah selbst die Luft zum Atmen genommen hatte. Für einen Lidschlag war das tiefe Blau von Links Auge sein Horizont gewesen, endlos und voller Möglichkeiten… voller Zuversicht. Und dennoch war es gerade diese Zuversicht, die nunmehr wieder in seinem eigenen Herz verblasste. Denn Link kannte nicht die ganze Wahrheit und es war zu gefährlich, ihm mehr zu erzählen. Der Hylianer konnte nicht wissen – durfte nicht wissen, wie sehr Shieks Dasein mit jenem Zeldas verquickt war und wie uralte Magie, mächtiger als alles, was Link sich vorzustellen vermochte, dafür sorgen würde, dass die ruhende Seele der Prinzessin erwachte, so der auserwählte Held das letzte Siegel brach. So sehr er sich auch wünschte, dass Link recht behielt und es schaffte, das Unmögliche möglich zu machen. „…warst du schon einmal während eines Sonnenaufgangs auf dem Gipfel das Todesberges?“ Links Worte schnitten unvermittelt in seine schweren Gedanken und ließen ihn verwirrt aufschauen. „…was?“ „Los, sag, warst du schon einmal während eines Sonnenaufgangs auf dem Gipfel das Todesberges?“ Shieks Kopfschütteln zauberte ein aufgeregtes Lächeln auf Links Lippen und es war offenbar, dass das Gespräch den gewünschten Verlauf nahm. „Warum fragst du?“, erwiderte der Angehörige des Schattenvolkes und da war der gleiche Ausdruck wie damals auf Links Gesicht, als der junge Krieger ihn zur Feenquelle geleitet hatte. „Weil sie einzigartig sind!“ „Einzigartig?“ „Ja! Zuerst wird der Himmel lila, sodass er an fast reife Brombeeren erinnert, dann langsam golden wie das Sonnenlicht, das durch Baumkronen fällt und ganz zum Schluss blau wie das klare Wasser einer Waldquelle.“ Shiek konnte ob der ungeschliffenen Poesie Links nicht anders als schwach zu lächeln. Ein Barde hätte die Worte des Hylianers wohl lediglich belacht, aber mit dem Ernst, der Leidenschaft und der Liebe, mit der Link sie aussprach, berührten sie Shieks Herz mehr als jede noch so schöne Lyrik. Und aus der Erinnerung der Prinzessin kannte er viele. Er bemerkte, wie der Heroe die saphirblauen Iriden zu seinen Händen wandern ließ, die immer noch auf Shieks Schultern ruhten; eine zarte Röte auf den Wangen, die umso mehr wuchs, als eben jene an den Armen des Shiekah hinab wanderten, um sich sanft über Shieks Finger zu legen. Liebliche Verlegenheit vermischte sich mit Entschlossenheit und einer Spur kindlicher Aufregung in Links Stimme und Zügen, während er sprach und wieder zum Angehörigen des Schattenvolkes zurücksah. „Wenn das hier alles vorbei ist ... dann lass uns gemeinsam dort hingehen und ihn anschauen, ja?“ „Link, du weißt...“ „Versprich es mir, bitte. Dann verspreche ich dir, dass ich einen Weg finde, dein Schicksal abzuwenden.“ „Link...“ „Ich... werde dich auch nie wieder um etwas bitten.“ Ein bittersüßer Schmerz durchflutete Shieks Herz. Wie oft hatte Link diese Lüge nun schon gebraucht? Und dennoch… für den Moment wollte er an Links Wahrheit glauben. Für ihn. Für sich selbst. Für sie beide. “… dann zeig mir diesen einzigartigen Sonnenaufgang, wenn wieder Frieden in Hyrule eingekehrt ist. Ich komme mit dir.“ „Versprochen?“ „... versprochen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)