Lost and Found von Earu (Wenn dich die Vergangenheit einholt ...) ================================================================================ Kapitel 6: Take the pain away ----------------------------- Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich das nächste Mal die Augen öffnete. Ich wusste auch nicht, wo ich war. Es war weder dunkel noch hell. Ich konnte nicht richtig sehen und alles war so verschwommen. Muster aus Licht zeichneten sich um mich herum ab und ich drehte den Kopf sachte, um zu sehen, wo sie hinführten. Dann entdeckte ich noch etwas ... irgendetwas ... irgendjemanden. Die Gestalt war größer als ich, sie beugte sich zu mir herunter und flüsterte: „Gackt?“ „Hnn?“ „Bist du wach, Gackt?“ „Ich ...“ Ich blinzelte, um meine Sicht zu klären, kniff die Augenbrauen zusammen, konzentrierte mich, aber ich konnte weiterhin kaum etwas erkennen. „Ich weiß nich ... was is ... uh ...“ Mein Kopf fühlte sich schwer an und der Rest meines Körper war irgendwie taub; gerade so, als ob ich eben ohne Pause einen ganzen See durchschwommen hätte. Ich konnte jeden einzelnen Knochen und jeden einzelnen Muskel spüren. „Nicht überanstrengen, G-kun, lass dir Zeit.“ Dann endlich erkannte ich die Person, die bei mir war. „You?“, fragte ich schwach. „Ja, ich bin's.“ „Okay ...“ Es beruhigte mich, dass er hier war. Das Wissen, einen Freund bei mir zu haben, sorgte dafür, dass ich mich gleich viel weniger allein fühlte, als wenn es ein Fremder gewesen wäre. Ich entspannte mich, atmete einfach nur tief ein und aus und konnte fühlen, wie der Schmerz ganz langsam nachließ. Unterdessen bekam ich mit, dass You neben mir mit irgendetwas zu hantieren schien. Es hörte sich an, als ob er Tasten drückte. Aber was es war, konnte ich nicht ausmachen, da er ansonsten schwieg. „You ...“, krächzte ich nach einer Weile wieder, „was is passiert? Wo bin ich?“ „Im Krankenhaus“, erklärte er mir mit leiser und ein wenig zittriger Stimme und atmete dann erst einmal durch, ehe er weiterredete, „du bist im Hotel die Treppe runtergefallen und hast dir dabei den Unterarm und drei Rippen gebrochen. Eine Gehirnerschütterung hast du auch und ... ziemlich viele blaue Flecken. Aber die Ärzte sagen, dass es schlimmer aussieht als es ist. Du wirst wieder ganz gesund.“ Als er diesen letzten Satz sagte, klang er selbst schon viel erleichterter. Im Krankenhaus also ... Das Letzte, woran ich mich erinnerte, waren Hydes vor Schreck weit aufgerissene Augen und seine Rufe nach Hilfe. Aber ob das mit dem Sturz, von dem You mir eben erzählt hatte, zusammenhing, wusste ich nicht. „Was is mit ... mit der Tour und ...“ „Abgesagt. LA und San Francisco hast du schon verschlafen und mit deinen Verletzungen werden wir ganz sicher nicht weitermachen.“ „Hm ... Wie geht’s den anderen?“ „Sie sind besorgt.“ Wie auch anders? „Wir hatten echt Angst um dich, als sie dich hier eingeliefert haben; besonders Hyde. Wir haben ihn gar nicht mehr beruhigen können.“ „Hyde? Ehrlich?“ „Ja. Ihm geht’s wieder einigermaßen gut, aber sie haben ihm ein Beruhigungsmittel gegeben und ihn eine Nacht zur Beobachtung hierbehalten, weil er nach dem ganzen Stress zusammengebrochen ist. Er macht sich solche Vorwürfe, dass er fast die ganze Zeit hier ist. Wir müssen ihn jedes Mal von deinem Bett wegzerren, damit er wenigstens ein bisschen Schlaf bekommt.“ „Das is ...“ Das klang nicht nach dem Hyde, den ich hier kennengelernt hatte, sondern nach Hideto, wie ich ihn von früher kannte. Es war paradox. Draußen auf dem Gang ertönten Schritte, das Klackern von hochhackigen Damenschuhen, und dann konnte ich hören, wie die Tür zu meinem Zimmer aufgemacht wurde. „Sie haben geklingelt? Ist er wach?“, wollte eine weibliche Stimme wissen. „Ja, seit ungefähr zehn Minuten“, antwortete You darauf. Ich drehte meinen Kopf ein Stück und öffnete die Augen erneut. Dieses Mal konnte ich schon ein wenig mehr sehen, zwar immer noch nicht vollkommen klar, aber zumindest konnte ich den Raum und seine Einrichtung ausmachen: Neben meinem Bett stand hier auch noch ein zweites, was aber nicht belegt zu sein schien. Die Vorhänge waren zugezogen, damit die Sonne nicht direkt hineinstrahlte. Jemand hatte Blumen für mich mitgebracht und sie in einer Vase auf meinen Nachttisch gestellt. Darauf standen außerdem noch eine volle Flasche Wasser und ein leeres Glas. You hatte einen Stuhl für sich an mein Bett geholt, von dem er sich allerdings erhoben hatte, als die Ärztin eingetreten war. Sie kam auch gleich auf mich zu, verzichtete dabei auf jegliche Begrüßung oder Höflichkeit und widmete sich stattdessen sofort meiner Gesundheit. „Wie fühlen sie sich?“, fragte sie mich. „Als ob mein Kopf voller Watte wäre.“ „Das kommt von den Medikamenten, sonst würde sich Ihr Kopf noch ganz anders anfühlen.“ Sie machte sich ein paar Notizen auf dem Klemmbrett, das sie mitgebracht hatte. „Haben Sie irgendwelche Schmerzen?“ „Nein, keine ... is nur alles so ... bewusst.“ „Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen, das ist in einem Fall wie Ihrem völlig normal. Sie haben einen Bruch der Elle, Speiche, der unteren beiden Rippenbögen auf der linken und dem letzten Rippenbogen auf der rechten Seite erlitten. Außerdem haben Sie eine leichte Gehirnerschütterung“, erläuterte mir die junge Frau meine Lage, auch wenn es eigentlich unnötig war, da ich das ja alles bereits gehört hatte. „Wissen Sie noch, was Sie getan haben, bevor der Unfall passierte, oder fehlen größere Teile Ihrer Erinnerung?“ „Uhm ... der Sturz is nich mehr da ... aber sonst weiß ich alles noch ...“ Jedenfalls kam es mir so vor. Ich war am Morgen in Hydes Zimmer aufgewacht, hatte mich mit ihm gestritten und war dann zurück in unser Zimmer gegangen, um den anderen zu erklären, was ich angestellt hatte. Danach hatte ich meine Sachen gepackt, mir die DVD angeschaut, mit Hima-san gesprochen und war anschließend zu Kaz gegangen, um mit ihm zu reden. Und dann hatte ich Hyde auf den Treppen im Foyer getroffen, wo unser Gespräch erneut zu einem Streit geworden und schließlich eskaliert war. Da erst setzte meine Erinnerung aus und nachdem, was You erzählt hatte, war dort auch der Unfall passiert. „Das ist ebenfalls nicht verwunderlich.“ Sie machte sich dennoch wieder ein paar Notizen und richtete sich dann an You. „Ich muss ihn jetzt untersuchen und würde Sie dazu bitten, draußen zu warten. Es wird nicht lange dauern.“ You nickte und lächelte mir noch einmal zu, ehe er mich schließlich mit der Ärztin allein ließ, die auch keine Zeit verlor und sofort mit der Untersuchung begann. * Eine knappe Stunde später war ich umringt von Menschen. You hatte während des Wartens wohl die anderen angerufen, die sich sofort ins Krankenhaus aufgemacht hatten und nun um mein Bett herum standen: Chacha, Junji, Ju-Ken, Hima-san und natürlich You selbst. Sie hatten mir frisches Obst, Schokolade und etwas zur Beschäftigung mitgebracht (ein englisches Buch, welches sie hier gekauft hatten; meine eigene PSP hatten sie absichtlich in meinem Koffer gelassen, weil das viele Knöpfedrücken nicht gut für meinen Arm gewesen wäre). Wir unterhielten uns über dies und das aber hauptsächlich eben über meinen Sturz von der Treppe und die Tour, die wir absagen mussten. Wir hatten die Fans, die wir bereits vor unserer Reise hierher Fans waren, damit sicher enttäuscht. Auch wenn wir bzw. ich im Grunde nichts dafür konnte, ärgerte es mich doch ungemein. Ich hasste es einfach, wenn man von mir enttäuscht war. Wir waren nun auch schon seit über einer viertel Stunde in einer Diskussion darüber versunken, wann – das Ob stand außer Frage – wir die Tour am besten nachholen könnten, als es an der Tür klopfte. Sofort wurde es still, weil wir wohl alle dasselbe dachten: Oberschwester Kathryn, die meine Besucher des Zimmers verweisen würde, weil sie ihr zu laut waren. Sie hatte es vorhin schon einmal versucht, hatte aber nach meinen Beteuerungen, dass ich mich die Gesellschaft meiner Freunde in keinster Weise überanstrengen würde, nachgegeben. „Ja?“, antwortete ich dennoch auf das Klopfen. Daraufhin wurde die Tür langsam geöffnet und Hyde stand im Raum, den Blick sofort auf mir. „Hallo“, murmelte er leise, „ich hoffe, ich störe nicht.“ You hatte vollkommen Recht: Hydes Verhalten, seine Körperhaltung und besonders sein schuldbewusster Gesichtssaudruck drückten aus, wie schlecht er sich mir gegenüber fühlte. Ich schenkte ihm ein Lächeln und sagte: „Nein, tust du nicht. Komm rein.“ „Danke.“ Dann schloss er die Tür und gesellte sich zu der Meute, die sich um mein Bett scharte. Die Atmosphäre hatte sich seit seinem Eintritt auf eine seltsame Weise geändert. Es herrschte Stille, keine peinliche oder angespannte Stille, aber man konnte genau spüren, dass unter meinen anderen Besuchern etwas vorging. Ich wusste nicht, was es war, schließlich konnte ich ihnen nur bis vor die Stirn gucken und nicht dahinter. Sie schienen sich allerdings vollkommen einig zu sein, denn Chacha meldete sich nach ein paar Momenten wieder zu Wort. „Wir werden dann mal wieder gehen“, sagte er, für die Allgemeinheit sprechend, „zurück ans Reißbrett für die neue Tour, damit wir das so schnell wie möglich nachholen können.“ „Nachdem du wieder völlig gesund bist, versteht sich“, hängte You noch an und rückte dann ein Stück von meinem Bett ab. „Huh? Ihr seid doch aber gerade erst hergekommen“, merkte ich verwirrt an. „Man muss es ja nicht übertreiben“, bekam ich von von einem leicht grinsenden Chacha zur Antwort, „und Hyde ist doch da, wir lassen also nicht ganz allein.“ In dem Moment verstand ich, was sie vorhatten. Sie wollten mich mit Hyde allein lassen, damit wir miteinander sprechen konnten. Und ich musste zugeben, dass ich ihnen dafür sofort dankbar war. Einem anderen schien es jedoch höchst unangenehm zu sein: Hyde. „Aber ... ihr müsst doch trotzdem nicht gehen, ich kann auch ...“, murmelte er. „Lass mal“, meinte Ju-Ken dazu und klopfte ihm kurz auf die Schulter, schon auf dem Weg zur Tür. Sie verabschiedeten sich alle von uns beiden, egal was Hyde noch sagte, und gingen dann, ohne auf irgendwelche Proteste zu achten. Hima-san war die Letzte von ihnen, machte die Tür hinter sich zu und überließ uns damit uns selbst. Erneut kehrte Stille ein und diesmal war sie tatsächlich ein wenig drückend, denn Hyde war spürbar aufgeregt, trat von einem Fuß auf den anderen. Noch bevor seine Nervosität auf mich überspringen konnte, durchbrach ich das Schweigen: „Setz dich doch. Du musst nicht die ganze Zeit stehen.“ „Oh ... ja“, sagte er hastig und beeilte sich, einen der Stühle, die an dem kleinen Tisch hier standen, an mein Bett zu holen und sich darauf niederzulassen. Nun knetete er allerdings die Hände in seinem Schoß; ihm schien nicht wirklich zu helfen zu sein. „Wie geht es dir?“, fragte ich also, lächelte und erntete einen verwirrten Blick. „Das sollte ich eher dich fragen.“ „Ich fühl mich nicht halb so schlimm wie du aussiehst. You hat gesagt, dass du zusammengebrochen bist.“ Er schüttelte den Kopf und seufzte: „Ich bin in Ordnung.“ „Er hat auch gesagt, dass sie dich regelrecht zum Schlafen zwingen mussten ... und dass du oft hier warst.“ Die Hände in seinem Schoß verkrampften sich regelrecht. „Hyde?“ „Was soll ich denn sonst machen?“, wimmerte er nun und vermied es sorgfältig, mich anzusehen, „ich bin schließlich dran schuld, dass du ... dass du hier bist. Wenn ich nur nicht so verdammt stur gewesen und ausgerastet wäre und dich ... geschubst hätte ... Du hättest dir das Genick brechen können. Du hättest tot sein können und ... ich hätte dich fast umgebracht!“ Dann presste der die Lippen aufeinander und schien sich nur darauf zu konzentrieren, seine Tränen zurückzuhalten. Ich schwieg. Niemand hatte mir gesagt, warum ich die Treppe heruntergefallen war; entweder, weil sie es selbst nicht wussten oder nicht wollten, dass ich es schon wusste. Ich hatte angenommen, dass ich gestolpert und durch meine eigene Unfähigkeit gestürzt war, aber nicht das. Hyde war dafür verantwortlich. Er hätte mich umbringen können, wie er selbst gesagt hatte. Und doch gab ich ihm nicht die Schuld, denn ich konnte seinen Gesichtsausdruck im Moment meines Falles noch genau vor mir sehen: Schock und Entsetzen hatten sich darin wiedergespiegelt. Er hatte es sofort bereut – sofort und nicht erst nachdem er ausführlich darüber nachgedacht hatte. „Es ist okay, Hyde“, sagte ich aufrichtig. „Nein, ist es nicht“, widersprach er mir jedoch und schüttelte gesenkten Blickes den Kopf. Seine Stimme war nur noch ein Krächzen. Er glaubte mir nicht, aber ich würde keine Ruhe geben, ehe er es tat. Ich streckte die Hand nach ihm aus und berührte mit den Fingerspitzen seine Wange ganz sachte. Er zuckte kurz zusammen, ließ die Berührung aber zu. „Hyde, es ist wirklich okay. Ich weiß doch, dass du das nicht wolltest.“ „Aber-“ „Bitte glaub es mir endlich; ich bin dir nicht böse. Würde ich sonst noch mit dir reden wollen?“ Er schüttelte den Kopf: „Nein.“ „Na also. Ich sehe dich immer noch als einen meiner besten Freunde an, auch wenn du das nicht willst.“ Darauf atmete er scharf ein und zittrig wieder aus, wimmerte wieder leise. Die Tränen konnte er auch nicht mehr halten. Ich sah, wie sie langsam über seine Wangen rollten. War es für ihn tatsächlich so schlimm, dass ich so dachte? Wieso denn nur? Wir waren doch unser halbes Leben lang perfekt miteinander ausgekommen, wir waren alles füreinander gewesen. „Du musst nicht weinen, Hyde. Es ist doch alles in Ordnung.“ Er schüttelte aber wieder den Kopf. „Nein, ist es nicht. Wir ... wir können keine ... Freunde sein. Ich will nicht, dass du dich quälst.“ „Was redest du denn da? Warum sollte ich mich quälen?“ Mir fiel einfach kein Grund ein. „Na, weil ... weil du doch ...“ Er schluckte und kniff die Augen zusammen, bevor er die Worte, die so belastend für ihn zu sein schienen, förmlich ausspie: „Weil ich mich nicht in dich verlieben kann! Versteh mich nicht falsch: Du bist mir sehr wichtig, aber ich kann einfach nicht!“ Ich fiel aus allen Wolken. „Wie bitte? Warum sollte ich wollen, dass du dich in mich verliebst?“ Darauf sah er mich endlich an, verwirrt und ungläubig. „Na weil ... weil du doch in mich verliebt bist. Du hast mich geküsst ... damals, als ich weggezogen bin und ich ...“ Mir klappte die Kinnlade herunter. Er dachte wirklich, dass ich ... ich hatte monatelang darüber nachgedacht, was ich falsch gemacht haben könnte, dass er sich vom einen Moment auf den anderen so verändert hatte, aber dass es daran lag, hätte ich nie im Leben erwartet. Es war ... einfach absurd, dass Hyde gleich solche Schlüsse gezogen hatte – so absurd, dass ich einfach zu lachen begann. Darauf sah er mich endlich an, mit entgleisten Gesichtszügen. „Wieso lachst du? Es ist mir ernst!“, versuchte er mir verzweifelt klarzumachen. Ich bemühte mich, schnell aufzuhören, um ihm die ganze Sache zu erklären. „Ich weiß“, sagte ich und wurde wieder ernst, „mir auch. Aber ich bin nicht in dich verliebt. Du bist einer der wichtigsten Menschen für mich und genau deshalb hab ich dich damals geküsst. Du wolltest wegziehen und ich wollte dir zeigen, wie wie schlimm das für mich war und wie viel du mir bedeutest. Ich konnte mir in dem Moment nicht anders helfen, als dich zu küssen, um dir das alles zu sagen. Das war der Grund dafür.“ Stille, nur für einen Moment. „Und ich hab es falsch verstanden ...“, murmelte er schließlich reumütig. „Ja, hast du; und zwar gründlich.“ „Es tut mir leid, Gackt, wirklich. Ich ... ich hab dich jahrelang ignoriert und als dann auch noch die Sache mit Scott passiert ist ... ich hab euch ohne zu fragen in einen Topf geworfen ... es tut mir so leid ...“ „Ist doch jetzt alles geklärt, nicht?“ Hyde nickte: „Ist es.“ „Aber ... war er denn in dich verliebt?“ Ich war mir sicher, dass ich diesmal Antworten auf meine Fragen erhalten würde. „... ja, war er. Und ich konnte nicht damit umgehen, weil ich eben nur mit ihm befreundet sein wollte und nicht mehr. Er hat gesagt, dass er damit klarkommen würde, aber es ging trotzdem total schief. Ich kann einfach nicht mit jemandem befreundet sein, der in mich verliebt ist. Ich hab alles getan, damit das nicht nochmal passiert, deshalb war ich so zu dir. Ich hab auf Teufel komm raus versucht, dass du von selbst nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Und nach der blöden Hochzeit, hab ich Panik bekommen, dass du mich vielleicht trotz allem noch lieben könntest und alles wieder von vorne losgehen würde. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie leid es mir tut ...“ „So ist das also ...“ „Ja ...“, stimmte er mir zu, nickte abermals und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. Ich half ihm dabei, wischte die Spuren der Tränen von seinen Wangen. „Würdest du denn wieder mit mir befreundet sein wollen?“, wollte ich von ihm wissen. „Ich vermisse dich und unsere gemeinsame Zeit nämlich wirklich.“ Darauf schenkte er mir ein Lächeln, und eigentlich war das schon Antwort genug. „Sehr gern. Ich ... ich hab dich auch die ganze Zeit vermisst. Ich musste mich dazu zwingen, mich nicht bei dir zu melden, und hab mir selbst immer gesagt, dass es so besser wäre.“ „Idiot.“ „Ja, so ziemlich“, gab er zwar zu, verzog dann aber die Lippen abschätzig und funkelte mich an, „trotzdem ist das kein Grund, mich Idiot zu nennen.“ Und dann schlug er mir gegen den Oberarm. Nicht allzu fest, aber doch so plötzlich, dass ich es nicht hatte kommen sehen und unwillkürlich zusammenzuckte. Und das wiederum war nicht sonderlich gut für meine lädierten Rippen. „Auuuuu!“, jaulte ich, was Hyde sofort wieder dazu brachte, sich schuldig zu fühlen. „Oh! Es tut mir leid, Gackt. Ich wollte nicht-“ Aber ich winkte ab. Es hatte nur kurz (wenn auch heftig) gestochen und sich danach gleich wieder verflüchtigt. „Geht schon wieder. Du kannst mich übrigens ruhig wieder Ga-chan nennen; ich hab es gern gehört.“ „Und ich hab es gern gesagt ...“ Und dann kroch ein schüchternes Grinsen auf seine Lippen. Ich sah jetzt schon, dass er die Erlaubnis zum Gebrauch meines alten Spitznamens sofort nutzen würde. „Ich bin schließlich der Ältere, Ga-chan.“ „Pfft, die vier Monate. Außerdem bist du der Kleinere, Hai-chan.“ „Hack nicht immer auf meiner Größe rum! Das hast du früher schon gemacht.“ „Ist ja auch lustig, weil du dich dann immer so aufregst und anfängst zu schmollen.“ „Ich schmolle nicht.“ „Doch, tust du, genau in diesem Moment ziehst du eine Schnute, die ihresgleichen sucht.“ „Nein!“ „Doch.“ „Ga-chan!“ Es sah so aus, als ob wir uns wieder lieb hatten. * Zu den drei Tagen, die ich nach dem Unfall verschlafen hatte, kamen noch zwölf weitere hinzu, die ich zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen musste, bevor man mich mit einer langen Liste von Dingen, die ich in den nächsten Wochen nicht tun durfte, entließ. Darunter fielen natürlich auch sämtliche Arten von Bandaktivitäten, die über Songschreiben und Papierkram hinausgingen. Ob nun Bandproben, das Einsingen von Songs (das ging ja auch auf den Brustkorb) oder sonstiges Training – einfach alles hatte man mir verboten, sodass sich die Nachholtermine für die Promotiontour in Amerika noch weiter herausschieben würden. Ich sah die Langeweile jetzt schon vor mir. Wenigstens wurde der Aufenthalt im Krankenhaus nicht ganz so öde, denn nachdem ich mit Hyde wieder Frieden und Freundschaft geschlossen hatte, kam er täglich vorbei und blieb so lange, wie es die Besuchszeit zuließ. Er könne sich diese Pause leisten, da sie sowieso gerade mit Studioaufnahmen für ein neues Album beschäftigt wären und damit sehr gut in der Zeit lägen, hatte er gesagt, als ich ihn gefragt hatte, ob er denn nichts zu tun hätte. So verbrachten wir Stunden in meinem Krankenzimmer und später auch im Park, der direkt an das Hospital angrenzte, redeten, erzählten uns gegenseitig, was in der Zwischenzeit alles passiert war, und lachten sehr viel zusammen. Wir fingen auch an, uns wieder wie die besten Freunde zu benehmen – als ob der Kontakt in den letzten elf Jahren nicht abgebrochen wäre. Es war ein wirklich gutes Gefühl, ihn wieder an meiner Seite zu haben, auch wenn es nicht ganz wie früher werden konnte. Wir lebten und arbeiteten in verschiedenen Ländern, sogar auf verschiedenen Kontinenten. Wir waren erwachsen geworden und hatten Verpflichtungen. Aber so lange ich sowieso nichts anderes tun konnte, als mich zu erholen, genoss ich die Zeit und dachte nicht an den Abschied, der unweigerlich kommen würde. Auch die Nichtigkeitserklärung unserer Ehe brachten wir über die Bühne, als es mir wieder besser ging. Wir gingen zu dem Standesamt, bei dem wir getraut worden waren, unterschrieben die nötigen Formulare und hatten die Sache dann hinter uns. Nirgendwo würde auftauchen, dass wir beide jemals miteinander verheiratet gewesen waren. Der Vorfall existierte nur noch in unseren Erinnerungen, sodass wir bei Gelegenheit darüber lachen konnten (was wir erstaunlicherweise ja jetzt schon taten). Doch dann mussten wir wirklich voneinander Abschied nehmen. Der Urlaub war vorbei und das richtige Leben wollte uns zurück. Für mich bedeutete das ein Leben, in dem ich meinen besten Freund nur ab und an zu Gesicht bekommen würde. Und als Hyde und Kaz uns am Flughafen verabschiedeten, bemerkte ich, wie wenig sich dann doch in den vergangenen Jahren geändert hatte. Ich fühlte mich fast genauso wie damals, als ich mich zum ersten Mal von Hyde hatte trennen müssen – nur dass wir uns diesmal nicht ganz so gehen ließen (man musste uns nicht in aller Öffentlichkeit heulen sehen). Aber ich konnte dennoch nicht gehen, ohne ihn noch einmal in den Arm zu nehmen. „Kommt gut nach Hause“, murmelte er dabei, „wir sehen uns möglichst bald und ich ruf an. Ich versprech's.“ Damit brachte er mich zum Schmunzeln. „Aber diesmal wirklich, ne?“ „Ja, diesmal wirklich, nochmal passiert uns das nicht.“ „Nein.“ Keine Geheimnisse oder Missverständnisse mehr. Wir hatten verloren, was für uns so kostbar war, und nun, da wir es endlich wiedergefunden hatten, wollten es auf keinen Fall noch einmal missen. Nie wieder. tbc. ~~~ ** + ** ~~~ Bevor ihr wegen dem Ende mit Mistgabeln auf mich losgeht, würde ich gern noch was sagen: Ich hab's euch ja gesagt – keine typische Earu-Kitsch-Romanze ^^' Aber ich versuch's wieder auszugleichen; gibt nämlich noch nen Epilog :3 Und wer die Mistgabeln eben doch zu verführerisch findet, um sie stehen zu lassen, der teile mir seinen Ärger bitte in Form eines Kommis mit xD Ach ja: Der erste, der mir sagt, aus welchem Song die Kapiteltitel sind, kriegt was Süßes :3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)