Lost and Found von Earu (Wenn dich die Vergangenheit einholt ...) ================================================================================ Kapitel 5: Where is love? ------------------------- Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es kein sanftes, langsames Munterwerden. Nein. Es war eher ein Aus-dem-Bett-fallen, weil jemand den ganzen Raum zusammenschrie. „Was'n passiert?“, fragte ich automatisch, als ich aus dem Schlaf hochschreckte und mich in einem fremden Zimmer wiederfand – in einem fremden Bett, um genau zu sein. Wenn auch komplett angezogen. „Was passiert ist?!“, schrie die Person, die mich geweckt hatte. Der schrille Ton dröhnte in meinem Kopf, einen leichten Schmerz hinter meiner Stirn hervorrufend. Zum Glück schien ich keinen Kater zu haben, sonst würde sich das hier noch wesentlich schlimmer anfühlen. „Wir haben geheiratet, du Idiot! Ge-hei-ra-tet!“ In dem Moment flogen meine Augen förmlich auf und ich erblickte Hideto – er stand da, mit wutverzerrtem Gesicht, geballten Fäusten und funkelte mich an. Im Hintergrund lief ein Fernseher und beim zweiten Hinsehen registrierte ich, dass ich selbst dort zu sehen war, zusammen mit ihm vor einem kitschigen Altar stehend. Da fiel mir alles wieder ein. Wir waren auf dem Weg ins Hotel gewesen, als er mich auf einmal in diese Kirche geschleift hatte. Sogar zu dieser späten Stunde war noch ein Standesbeamter dort gewesen, bei dem wir ... einfach geheiratet hatten ... aus Spaß an der Freude. „Wieso hast du das mit mir gemacht?!“, schrie er weiter, „ich bin erledigt, wenn das rauskommt! Und das alles, weil du unbedingt hier aufkreuzen musstest! Du konntest mich ja nicht in Ruhe lassen. Verdammt nochmal, ich hatte meine Gründe, dass ich mich nie gemeldet habe! Gott, Gackt ... verschwinde endlich aus meinem Leben! Du bringst nur alles durcheinander; das hast du damals schon getan!“ „Moment mal!“, schaffte ich es dann endlich auch, mich zu Wort zu melden und sein Geschrei zu unterbrechen, „zum Heiraten gehören immer noch zwei! Du hast genauso Ja sagen müssen wie ich.“ „Aber ich war betrunken! Ich war unzurechnungsfähig!“ „Ja, denkst du denn, dass ich zurechnungsfähig war?“ „Wer weiß?“, schnappte er zurück. „Was soll das jetzt wieder heißen? Und überhaupt: Ich soll dein Leben durcheinandergebracht haben? Wann?“ „Als du-“ Er war drauf und dran mir endlich – nach elf Jahren – den Grund für sein abschiedsloses Verschwinden zu sagen, ich hatte es im Gefühl. Aber er brach ab und giftete stattdessen nur: „Vergiss es! Hat sowieso keinen Zweck mehr.“ „Und du scheinst nicht zu bedenken, dass ich es nicht vergessen kann!“, machte ich meinen Standpunkt klar. Ich wollte es wissen. „Ich habe es elf Jahre lang nicht vergessen können, es wird auch jetzt nicht klappen.“ „Dann ist das dein Pech!“ „Was ist nur los mit dir, Hideto?“ Meine Worte waren ruhig, eigentlich sogar schon besorgt. Dennoch passten sie ihm nicht, denn er schrie wieder. „Zur Hölle nochmal! Nenn mich nicht so! Mein Name ist Hyde, Hideto gibt es nicht mehr. Besonders für dich nicht!“ „Gestern gab es ihn scheinbar noch“, erinnerte ich ihn, „du hast mich Ga-chan genannt.“ „Das ist mir scheißegal!“ Zur Bekräftigung seines Ärgernisses versetzte er dem Bettpfosten einen Tritt und wütete dann weiter durchs Zimmer, griff sich wahllos Sachen, die wohl ihm gehörten, und pfefferte sie in eine offene Reisetasche. Als er dann seine Jacke vom Tisch nahm, stockte er und bekam darauf einen erschrockenen Gesichtsausdruck. „Gah!“, stieß er aus und starrte dann wieder böse zu mir. Ich zog fragend die Augenbrauen hoch. „Eheringe!“, grollte er und warf mir ein paar Zettel zu. Die Rechnung wie ich vermutete. „900 Dollar das Stück und ich hab sie bezahlt! Genau wie diese ganze bescheuerte Hochzeit. Verdammte Scheiße!“ „Ich geb dir das Geld zurück“, sagte ich leise, während ich mir die Blätter, die er mir 'gegeben' hatte, durchlas. Es war nicht nur die Rechnung, sondern auch unsere Heiratsurkunde. Zwar hatte ich in meinem Leben noch nie ein solches Dokument gesehen (erst recht nicht eins aus den Vereinigten Staaten), aber das hier sah ziemlich echt aus. Da waren unsere Namen, Geburtsdaten, Unterschriften und der Stempel und die Unterschrift des Standesbeamten. Es war also wirklich offiziell, ich war mit meinem ehemaligen besten Freund verheiratet. Dieses Dokument zu sehen machte die ganze Heiraterei noch einmal viel realer, auch wenn ich mich daran erinnerte, es getan zu haben. „Bezahl die Scheidung und wir sind quitt; den Rest kannst du stecken lassen. Ich will das nur so schnell wie möglich wieder rückgängig machen!“ Auf diese Worte schaute ich auf und starrte ihn an. „Was guckst du so?“, fragte er genervt, als er meinen Blick bemerkte. „Nichts. Ich hab nur noch nicht dran gedacht, dass wir das wieder rückgängig machen sollten.“ „Natürlich sollten wir das! Oder glaubst du ich bleibe aus Jux mit dir verheiratet? Vielleicht habe ich ja eine Freundin, die ich heiraten möchte.“ „Natürlich ...“, stimmte ich zu und hakte dann nach, einfach so, „hast du denn?“ „Ich wüsste zwar nicht was es dich anginge, aber nein, habe ich nicht.“ „Ich wollte nur fragen, immerhin waren wir mal beste Freunde“, begründete ich meine Frage und zuckte mit den Schultern. „Du sagst es: Wir waren beste Freunde. Du kennst mich nicht mehr und ich dich nicht. Punkt. Wir werden uns sowieso nie wieder sehen, wenn ich erstmal weg bin. Apropos ... würdest du mich dann bitte allein lassen? Ich muss noch zusammenpacken. Und du solltest dich um die Scheidung kümmern, damit das so schnell wie möglich vom Tisch ist. Danke.“ Seine Stimme hatte des gleichen kühlen und desinteressierten Ausdruck wie gestern hinter der Bühne. Er sah mich auch nicht an, während er dies sagte, sondern räumte nur weiter Sachen in seine Tasche hinein. Ich seufzte und wusste, dass ich im Moment nichts tun konnte. Er war mies drauf und das würde sich nicht ändern, wenn ich gegen seinen Willen bei ihm blieb und auf ihn einredete. Nicht, dass ich nicht genau das gern getan hätte – ich sah ihn schließlich noch immer als meinen Freund an – aber es war gerade einfach nur unpassend und falsch. Ich stand aus dem Bett auf und machte mich auf die Suche nach meinen Schuhen. Sie waren quer durch das Zimmer verstreut; einer lag vorn an der Tür und der andere unter dem kleinen Tisch, von dem ... von dem Hyde seine Jacke und die Papiere für unsere Ehe genommen hatte. Auf der dunklen Tischplatte lagen nun noch zwei goldene Ringe – beide mit einem aufwändig eingearbeiteten Muster und drei winzigen Steinchen versehen – und eine offene, leere DVD-Hülle. „Was machen wir mit dem ganzen Zeug hier?“, stellte ich die Frage in den Raum, schaute zu ihm hinüber und deutete gleichzeitig auf die Sachen. „Die Ringe bring ich zurück, ich hab sie schließlich bezahlt. Mit der DVD kannst du machen, was du willst, ich brauch sie nicht“, kam die klare Antwort, bei der er mich wieder einmal nicht eines Blickes würdigte. „Okay“, stimmte ich deshalb nur zu, nahm die DVD, die inzwischen durchgelaufen war, aus dem Player und legte sie zurück in die Hülle. Wenn er sie nicht wollte, nahm ich sie eben. In ein paar Jahren würde ich mich sicher köstlich darüber amüsieren, einmal betrunken in Las Vegas geheiratet zu haben. Nachdem ich mir die Schuhe wieder angezogen hatte, hob ich auch meine Jacke vom Boden auf und verließ dann das Zimmer. Ich murmelte noch eine kurze Abschiedsfloskel, bekam aber lediglich ein „Ja“ zurück. Draußen auf dem Gang musste ich mich erst einmal orientieren und schauen, wo ich überhaupt war. Auf der Zimmertür war ein Schild mit der Nummer 517 angebracht. Fünfter Stock also, zwei Etagen über unseren Räumen, die sich im dritten befanden. Ich machte mich auf den Weg dorthin und schaute zwischendurch auf die Uhr meines Handys. Es war kurz nach neun – kein Wunder, dass sich noch niemand Sorgen um mich gemacht hatte. Sie würden sicherlich alle ihren Rausch ausschlafen. Damit täuschte ich mich allerdings, denn just in diesem Augenblick klingelte mein Telefon. „Ja?“, fragte ich, als ich den Anruf annahm, ohne großartig darauf zu achten, wer da mit mir sprechen wollte. „Gackt, wo steckst du?“ Chacha war dran. „Im Hotel, bin schon auf dem Weg zu euch.“ „Ach so ... ich hab mir schon Gedanken gemacht, als du heute Morgen nicht in deinem Bett warst. Wann bist du aufgestanden?“ „Gestern früh.“ „Wie bitte?“, kam es verwirrt aus dem Hörer. „Ich hab woanders geschlafen.“ „Aha. Und wo genau?“ Immer noch ein gewisses Maß an Verwirrung, wenn auch weniger als eben. „Das ... erzähl ich dir später. Am besten wenn die anderen dabei sind. Es gibt da nämlich ein Problem.“ „Hast du was angestellt?“ Ich lachte bitter auf und erklärte dann: „Kann man so sagen. Du erfährst es dann, ja? Ich will nicht alles dreimal erzählen müssen, weil der Rest noch schläft.“ „Meinetwegen.“ „Danke. Bis gleich.“ „Jep.“ Keine fünf Minuten später klopfte ich an der Tür unserer Suite und wurde von Chacha eingelassen. „Die anderen sind wach und Hima-san hab ich auch schon Bescheid gegeben. Junji hängt nur gerade neben dem Klo, weil er befürchtet, sich sämtliche Getränke von gestern Abend nochmal durch den Kopf gehen zu lassen“, wurde ich mit einem wahren Wortschwall empfangen. „Wenigstens gleich das Klo und nicht der Teppich, lassen wir ihn lieber da“, murmelte ich scherzhaft und trat ein. You saß neben Ju-Ken auf der Couch im Wohnbereich unserer Suite und Hima-san hatte es wohl noch nicht geschafft, herzukommen. Dafür hatte es sich allerdings Kaz in einem der beiden Sessel gemütlich gemacht. „Morgen!“, begrüßte er mich, als ich die Augenbrauen verwundert nach oben zog. „Morgen. Wie kommst du denn hierher?“ Ich meinte es nicht böse, es kam mir nur seltsam vor. „Ich hab auf dem Sofa übernachtet. Dir hab ich den einzigen Schlüssel zu unserem Zimmer gegeben und Hyde hat mir nicht aufgemacht, als ich geklopft hab. Hat vermutlich schon geschlafen. Und wo warst du?“ „Bei Hyde.“ „Tatsächlich?“ Er klang angenehm überrascht. „Dann scheint ihr euch ja blendend zu verstehen.“ „Ja, könnte man denken.“ „Könnte man?“ „Könnte man. Erklär ich euch, sobald Hima da ist und-“ „Hier!“, rief Besagte auch schon durch den Raum und schloss die Zimmertür hinter sich, „also: Was hast du angestellt? Chacha wollte mir nichts verraten.“ „Ich wusste auch nichts, was ich dir hätte verraten können“, verteidigte sich dieser und gesellte sich zu You und Ju-Ken auf die Couch. „Dann spuck es mal aus, Gackt.“ Alle Blicke ruhten auf mir und ich kam nun wirklich nicht mehr umhin, mit der Sprache herauszurücken. Ich beschloss daher, es möglichst kurz zu machen. „Also“, begann ich und räusperte mich noch einmal, „um es auf den Punkt zu bringen: Ich hab letzte Nacht geheiratet. Und bevor ihr mich zu irgendwas beglückwünscht, sag ich euch gleich, dass wir das umgehend wieder rückgängig machen werden. Hyde hat es nicht sonderlich gefallen, dass er ungewollt zu meiner Braut gemacht wurde.“ „Hyde?!“, kam es sofort von allen Anwesenden, als ich meinen letzten Satz beendet hatte. „Ja, Hyde. Wir waren ziemlich betrunken, als wir in diese Kirche rein sind. Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte, aber es ist nun mal so und ich muss sehen, wie wir da wieder rauskommen.“ „Und das bei seiner momentanen Laune“, seufzte Kaz und fuhr sich durch die Haare. Ja, das hatte ich mir auch schon gedacht. Wenn er noch Hideto gewesen wäre, hätte ich gewusst, wie ich mit ihm umgehen musste, aber jetzt mit Hyde ... „Hast du vielleicht einen Tipp für mich?“, fragte ich den Gitarristen von VAMPS. „Kommt drauf an“, meinte dieser und zuckte mit den Schultern. „Hat er gesagt, dass du ihn in Ruhe lassen sollst?“ „Ja.“ Die Frage war noch relativ normal, jeder würde das fragen. „Hat er sich höflich bedankt, nachdem er dich weggeschickt hat?“ „Ja.“ Das wurde nun schon spezieller. „Hat er sich die ganze Zeit mit etwas anderem beschäftigt und Desinteresse an dir gezeigt?“ Okay, Kaz wusste genau, was hier vor sich ging! „Mensch, ja! Und was heißt das jetzt?“ „Nun ja“, er druckste ein wenig herum, suchte wohl nach Worten, die nicht ganz so hart klangen, „eigentlich ist das nichts Besonderes. Er reagiert immer so, wenn er ihn etwas wirklich nervt.“ „Ganz toll“, grummelte ich. „Das darf man aber nicht zu ernst nehmen. Er beruhigt sich schon wieder, wenn er lange genug geschmollt hat. Nur ... er war gestern schon so komisch, nachdem wir euch hinter der Bühne begegnet sind. Er hat schließlich erst angefangen, mit dir zu reden, als er schon nicht mehr ganz nüchtern war. Allein vom Hörensagen kann ich es allerdings schlecht einschätzen; ich muss selbst mit ihm sprechen.“ „Das würde ich ja erstmal nicht machen.“ „Keine Sorge, er wird mir den Kopf schon nicht abreißen“, entgegnete Kaz gelassen und grinste leicht. „Ich rede am besten gleich mit ihm. Könnte aber ein wenig dauern, da ich ihn sicher erst von seiner Palme runterholen muss. Komm in ... sagen wir zwei Stunden nochmal bei uns vorbei, dann dürfte ich ihn so weit haben.“ „Okay, nett von dir“, bedankte ich mich aufrichtig bei ihm. „Kein Problem. Ihr seid echt coole Jungs, da wär es schade, wenn wir wegen Launen schon zu Anfang ein schlechtes Verhältnis hätten.“ Es fühlte sich wirklich gut an, einen 'Verbündeten' in dieser Sache zu haben. Er verabschiedete sich noch freundschaftlich von uns und ging dann auch schon – um mit Hyde zu reden, wie er es angekündigt hatte. Der Rest von uns redete noch eine Weile über die Misere, in der ich mich befand, während Hima-san sich sofort hinter ihr Telefon geklemmt hatte und alles tat, um diese Blitzehe wieder rückgängig zu machen. Dabei lief sie ständig in unserer Suite hin und her und versuchte den Leuten am anderen Ende der Leitung klarzumachen, dass die Sache wirklich dringend war und möglichst schnell aus der Welt geschafft werden musste. Ab und zu stieß sie genervte Seufzer aus oder raufte sich die Haare, wenn man sie wieder einmal an die nächste zuständige Person weiterleitete. Es dauerte eine kleine Ewigkeit und das wo wir in nicht allzu ferner Zeit weiterreisen mussten Wir wurden heute Abend bereits in Los Angeles erwartet, um dort gleich morgen früh einen Promotionaufritt zu geben. „Fangt schon mal an zu packen“, meinte Hima-san und hielt währenddessen das Mikrophon ihres Handys mit einer Hand zu, „dann verspäten wir uns nicht zu sehr, selbst wenn es sich noch hinziehen sollte.“ Ihr Wunsch war unser Befehl, wir wussten schließlich, wie wichtig unser Zeitplan war. Ich räumte (wie die anderen auch) alle meine Sachen in meinen Koffer – alle bis auf die DVD, die ich aus Hydes Zimmer mitgebracht hatte. Er musste sie schon gesehen haben, sonst hätte sie heute Morgen nicht in seinem Player gelegen. Ich hingegen hatte nur ein paar kurze Blicke darauf werfen können, ehe Hyde mich erneut angeschrien hatte. „Was ist das?“, fragte You dann auch prompt, als er offenbar ebenfalls zu Ende gepackt hatte. „Die Hochzeit“, antwortete ich knapp, ohne ihn dabei anzusehen. „Das wird gefilmt?!“ „Sieht so aus. Ich hab's mir noch nicht richtig angesehen.“ „Ach so ... ich schau dann mal, was die anderen machen und wie es Junji geht.“ „Tu das.“ Es war ein Wink mit dem Zaunspfahl. Er verließ den Raum und ließ mich mit einem Fernseher und einem DVD-Player, wie sie in jedem Schlafzimmer standen, allein. Wieso diese Möglichkeit also nicht nutzen? Ich stand auf, schaltete beide Geräte ein und schob die DVD in den Player. Das Video startete von allein und ich schnappte sofort nach Luft, denn ich hatte nicht erwartet, mal mit so einer Musik zu heiraten. Eine dunkle, kalte Melodie ertönte; eine Melodie, die eigentlich so gar nicht für eine Hochzeit gemacht war: Darth Vader's Themasong aus Star Wars. Wer hatte sich das nur ausgesucht?! Eine Weile war nichts zu sehen, nur eine Art Altar, ein paar billige Blumengestecke und ein großes Holzkreuz an der Wand im Hintergrund. Dann tauchte ein ganz in weiß gekleideter Mann auf, stellte sich in die Mitte vor den Altar und winkte irgendjemandem zu. Er hatte uns zugewunken, wie sich ein paar Momente später herausstellte, denn direkt darauf erschien ich auf dem Bild, Hyde bei mir untergehakt und kichernd. Als wir schließlich direkt vor dem Herren in weiß standen, begann dieser in feierlicher Stimme mit uns zu reden. Nein, nicht wirklich mit uns. So wie Standesbeamte eben bei einer Hochzeit mit einem Paar redeten, was gleich heiraten würde. „Wir haben uns hier eingefunden, um diese zwei Menschen vor mir in den Bund der Ehe zu geleiten.“ Klasse! Wir haben uns hier eingefunden ... das Wir bestand in dem Falle aus 'dem Paar' und ihm. Aber ich konnte mich auch nicht daran erinnern, dass es mich in dieser Nacht großartig gestört hätte. Wie auch? Ich hatte schließlich sogar protestlos geheiratet! „Deshalb frage ich Sie nun ...“, er unterbrach sich, schaute zu mir und wartete wohl auf unsere Namen. Die gab ich ihm auch, nachdem ich zwei Sekunden gebraucht hatte, um zu registrieren, was er von mir wollte. „Gackt Camui und Hideto Takarai“, lallte mein Ich auf dem Bildschirm, stutzte und richtete sich an Hyde, „du heißt doch noch Takarai, oder?“ „Weiß nich genau ... bestimmt ...“, lallte dieser ebenso. Wir waren wirklich beide so dicht. „Aber du heiß' doch Ga-chan und nich ... nich ...“ „Hm, Ga-chan.“ Der Standesbeamte räusperte sich und setzte dann von Neuem an: „Deshalb frage ich Sie nun, Gackt Camui, ob Sie den hier anwesenden Hideto Takarai zu ihrem gesetzlich angetrauten Ehemann nehmen wollen und ihn lieben und ehren wollen, bis dass der Tod Sie scheidet?“ „Ich will.“ Ich saß vor dem Fernseher und konnte nur den Kopf schütteln. Was hatte ich mir dabei gedacht, so klar und deutlich Ich will zu sagen? „Und ich frage Sie, Hideto Takarai, ob Sie den hier anwesenden Gackt Camui zu ihrem gesetzlich angetrauten Ehemann nehmen und ihn lieben und ehren wollen, bis dass der Tod Sie scheidet?“ „Ich ... ich ...“ Wenn ich nicht schon gewusst hätte, wie das ganze ausgeht, hätte ich jetzt gehofft, dass Hyde mit einem Nein oder gar nicht antworten würde. Aber dem war nicht so. „Ich will.“ Und damit war es zu spät. So hatten wir also geheiratet. „Hiermit erkläre ich Sie zu gesetzlich angetrauten Ehemännern. Sie dürfen sich jetzt-“ Ich schaltete den Fernseher aus, bevor das Video zu Ende war, packte die DVD zurück in ihre Hülle und verstaute sie dann in meinem Koffer. Lieben und ehren bis dass der Tod uns scheidet ... daraus wurde ja nun nichts, wo Hyde sich doch so aufgeregt hatte und Hima-san schon seit über einer Stunde am Telefon hing, um alle Hebel in Bewegung zu setzen. Ich- „Gackt, kommst du mal bitte?!“, rief Hima-san dann auf einmal durch die geschlossene Tür, unterbrach damit meine Gedanken und erschreckte mich zu Tode. Ich atmete einmal tief durch, weil mein Herz nun förmlich raste. „Gackt!“ „Sofort!“, rief ich zurück und machte, dass ich hoch und zu ihr kam. „Hast du was erreicht?“ „Ja, du hast heute Nachmittag um 17 Uhr einen Termin bei dem Standesamt, bei dem ihr geheiratet habt. Dort wird dann alles geregelt. Hyde sollte auch anwesend sein, sonst dauert es länger, weil er seine Unterschrift erst nachreichen müsste. Sag ihm lieber gleich Bescheid, damit er es einplanen kann.“ „Mach ich sofort. Und danke, Hima.“ „Bitte bitte, wir hängen da alle mit drin.“ Da stimmte ich ihr zwar nicht ganz zu, aber ich widersprach im Moment lieber nicht. Es gab dringendere Dinge zu erledigen. Die Zeit, die Kaz sich genommen hatte, war auch langsam ran, sodass ich mich tatsächlich sofort auf die Socken machen konnte. Ich ging nach oben zu dem Zimmer, welches sich Hyde und Kaz teilten, und noch bevor ich die Hand erheben konnte, um anzuklopfen, flog die Tür direkt auf. „Ich geh eine rauchen!“, grollte die kleine Gestalt, die mit dem Rücken zu mir in der Tür stand und schimpfte, „und wenn du irgendwas rumerzählst, dann vergess ich mich! Es geht ihn nichts, aber auch gar nichts an! Lass dir das gesagt sein!“ Anschließend drehte er sich um und erblickte mich. Seine Augen wurden für eine Sekunde weit, bevor er wütend die Augenbrauen zusammenzog. „Sag nichts!“, warnte er mich, „und wag es bloß nicht, mir zu folgen ... oder irgendwas zu fragen! Verschwinde am besten wieder!“ Dann stürmte er den Gang hinunter, bog um die Ecke in Richtung des Treppenhauses und war verschwunden. „Hör nicht auf ihn“, bat mich jedoch eine sanfte Stimme von der Tür her. Kaz stand dort. „Komm rein, es geht schon in Ordnung.“ Ich nickte und betrat das Zimmer, in dem ich auch heute Morgen aufgewacht war. Wie es aussah hatte Hyde die Einrichtung in einem Stücke gelassen, sich dafür allerdings in dem Geschenkkorb, der in einer jeden Suite für die Gäste bereitstand, ausgelassen. Auf dem Couchtisch lag haufenweise Papier, in welchem die Süßigkeiten aus dem Korb eingewickelt gewesen waren. Ich wusste, dass es daraus stammte, weil natürlich auch wir so einen bekommen hatten. Ich ließ mich auf dem Sofa vor dem Tischchen nieder und wartete darauf, dass Kaz mir erzählte, was er erreicht hatte. Und er fackelte auch nicht lange. „Lief nicht sonderlich gut, wie du gesehen hast“, sagte er und kratzte sich am Kopf. „Er hat die Lunte ziemlich schnell gerochen, obwohl ich vorsichtig war und das Thema langsam angegangen bin. Es ist trotzdem wirklich ungewöhnlich, dass er gleich dermaßen hochgeht.“ „Also hast du nichts aus ihm rausbekommen?“ „Nein“, bestätigte Kaz und setzte sich vorsichtig auf den Couchtisch. „Aber mir ist da noch etwas eingefallen. Ich hab dir ja erzählt, dass er so reagiert, wenn er genervt ist. Und ein einziges Mal hat er sich haargenau so verhalten, wie bei dir jetzt.“ „Echt? Und was war da?“ „So richtig kann ich dir das auch nicht sagen, da Hyde sich auch darüber ziemlich bedeckt hält. Jedenfalls war er wesentlich offener für andere, als ich ihn kennengelernt hab. Das ging auch noch eine ganze Weile so, bis wir dann beschlossen haben, eine Band zu gründen. Wir haben uns damals mit einem Freund zusammengetan, der Schlagzeug spielen konnte, und angefangen an Songs zu arbeiten, obwohl wir noch nach einem festen Bassisten gesucht haben. Irgendwann haben sich Hyde und Scott – so hieß dieser Freund – dann furchtbar gestritten. Sie haben gesagt, dass nichts wäre, aber glaub mir: Das sah nicht nach nichts aus. Hyde ist immer verschlossener geworden und hat gerade mal so viel Zeit mit uns verbracht, wie nötig war. Ich muss auch zugeben, dass ich damals nicht sonderlich hilfreich war, als ich die beiden zusammen im Proberaum eingesperrt habe, damit sie sich aussprechen konnten. Irgendwas ist da drinnen passiert, was sie mir auch nicht erzählen wollten. Scott ist dann aus der Band ausgestiegen und Hyde hat ziemlich lange nicht mehr mit mir geredet. Er hat auch nur wieder damit angefangen, als ich ihm versprochen habe, dass wir zwei allein die Band bilden und sonst nur mit Supportmusikern arbeiten. War auch nicht ganz einfach, auf diese Art groß rauszukommen, aber ohne Hyde hätte ich auch nicht erfolgreich werden wollen; wir hatten schließlich schon eine Menge Arbeit in die Band gesteckt.“ Aufmerksam lauschte ich der Geschichte, die mir Kaz erzählte, konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Ich kannte diesen Scott nicht und ich hatte mich mit Hyde nicht gestritten – er war einfach so auf Distanz gegangen. „Ich kann dir leider auch nicht sagen, wie du dich jetzt verhalten sollst“, redete Kaz weiter, „Scott hat das Problem damals gelöst, indem er gegangen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass wir alle bald abreisen werden, wird es jetzt wohl genauso laufen. Aber auf der anderen Seite warst du Hydes bester Freund.“ Wie bitte? Mir fiel die Kinnlade herunter. „Du weißt davon?! Ich meine ... woher?“ „Hyde hat es mir erzählt“, sagte er ganz selbstverständlich, „vor der Sache mit Scott hat er ab und an von dir gesprochen. Und die Art, mit der er von dir geredet hat ... du schienst ihm ziemlich viel zu bedeuten. Na ja, danach hat er dich nicht mehr erwähnt. Eigentlich ist er nach dem Vorfall nie wieder ganz er selbst geworden.“ Ich nickte. Er hatte mich also doch nicht gleich vergessen, wie ich immer geglaubt hatte. Und er hatte sich nach diesem Ereignis komplett verändert; ich war da vielleicht nur mit hineingefallen, weil er sich von allem zurückziehen wollte. Blieb nur noch die Frage nach dem Warum. Was war passiert, dass er sich so verschlossen hatte? Wieso hatte er schon damals bei unserem Abschied so komisch reagiert? Weshalb erzählte er niemandem davon und fraß es stattdessen in sich hinein? Ich wollte es so gern wissen, denn selbst wenn er mich nicht mehr als seinen Freund ansah, ich betrachtete ihn als meinen. „Danke, Kaz, wirklich.“ „Nichts zu danken. Willst du ihn jetzt suchen?“ „Ich denke schon. Ich muss ihm zumindest sagen, dass wir heute Nachmittag einen Termin beim Standesamt haben. Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?“ „Er wollte eine rauchen, er wird also draußen vor dem Hotel sein. Und nimm lieber die Treppen; wenn er schon wieder auf dem Rückweg ist, trefft ihr euch dort eher, als im Aufzug.“ „Werd ich machen. Wir sehen uns sicher nochmal.“ „Jep.“ Dann verließ ich die Suite und machte mich auf den direkten Weg aus dem Hotel heraus. Ich nahm die Treppen, wie Kaz es mir geraten hatte, und als ich gerade die große doppelseitige Treppe im Foyer hinunterging, erblickte ich Hyde auf der anderen Seite. Ich hätte ihn tatsächlich verpasst, wenn ich den Lift genommen hätte. „Hyde!“, rief ich ihn, eilte die eine Treppe herunter und die andere wieder hinauf, ehe er wieder flüchten konnte. Er blieb zwar stehen, schaute mich aber nur kurz an und ging dann weiter. Dennoch holte ich ihn auf der nächsten Zwischenplattform ein. „Was willst du?“, maulte er genervt, als er mich hinter sich wahrnahm. „Dir sagen, dass wir heute Nachmittag um 17 Uhr einen Termin für die Scheidung haben.“ „Schön. War's das dann?“ „Nein“, sagte ich ehrlich. „Ich wollte dich bitten, mir zu sagen, wieso du dich damals nie gemeldet hast.“ „Da hast du leider Pech.“ „Warum?“ „Weil ich das so sage.“ „Hyde-“ „Lässt du mich jetzt endlich in Ruhe?!“, fuhr er mich plötzlich an und drehte sich ruckartig um, „ich will nichts mehr mit dir zu tun haben! Wann kapierst du das endlich?!“ Ich ließ mich davon jedoch nicht beeindrucken – diesmal nicht. „Sobald du mir die Wahrheit sagst“, sagte ich ernst. „Es ist unwichtig, wieso ich mich nicht gemeldet habe. Es ist Vergangenheit!“ „Dann sag es doch, wenn es so unwichtig ist. Ich will wissen, wieso du mich so behandelst. Ich hab dir schließlich nie was getan.“ „Ja, genau ...“ Er zog beide Worte abwertend in die Länge. „Hör bitte auf, Andeutungen zu machen, und rede.“ „Vergiss es!“ „Hyde, ich werde nicht aufgeben, bis ich die Wahrheit kenne“, machte ich deutlich und packte ihn am Oberarm, damit er nicht wieder weglaufen konnte. „Ich bin nicht Scott, der einfach aufgegeben ha-“ In dem Augenblick, als ich den Namen des Schlagzeuger aussprach, wusste ich, dass ich einen Fehler begangen hatte. „Was weißt du schon?! Ihr seid doch alle gleich!“, schrie er, entriss sich meinem Griff und stieß mich von sich weg, um auf Abstand zu kommen. Ich stolperte ein paar Schritte nach hinten und noch bevor ich mich wieder fangen konnte, sackte mein Fuß auf einmal ab. Viel zu spät realisierte ich, dass ich zu nahe an der Treppe gestanden hatte und jetzt keinen Halt mehr finden würde. Ich fiel. Endlos lange schien ich in der Luft zu hängen, zu schweben, denn die Sekunden dehnten sich und wollten scheinbar nicht vergehen. Ich schaute in Hydes geschocktes Gesicht, seine weit aufgerissenen Augen und auf seine ausgestreckte Hand. Er wollte mich zu fassen bekommen, schaffte es aber nicht. Und im nächsten Moment: Schmerzen. Schmerzen und Schreie. Mein eigener und die fremder Leute und schließlich auch Hydes. Trommelndes Fußgetrappel, vibrierender Boden und Hände auf meinen Schultern. Und immer wieder wurde ich gerufen. „Gackt ... Gackt, wach auf ... bitte!“ Ich öffnete die Augen ein Stück, sah Hydes Gesicht undeutlich vor mir und versuchte etwas zu sagen. Meine Lippen bewegten sich, aber es kamen keine Töne hervor. „Holt schnell einen Arzt ... holt doch endlich jemand Hilfe! ... Gackt, bitte ... bitte bleib wach ... Ga-chan!!“ Und dann wurde alles schwarz. tbc. ~~~ ** + ** ~~~ Und da wurde geheiratet x3 Hyde is hier ein wenig grantig (*husthusthust* völlig untertrieben xD), aber hey! Blitzhochzeit, sauteure Eheringe und das alles ungewollt – wer würde da nich ausrasten? Und er hat schließlich noch seine eigenen Gründe. Im nächsten Kapitel gibt’s dann auch die Auflösung für ALLES (a.k.a. Ende) :3 Die Sache mit Darth Vader's Themasong is übrigens nich auf meinem Mist gewachsen. Danke Nee-chan für die Inspiration x3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)