Dämonen und Engel von Kalea ================================================================================ Kapitel 4: Josephine -------------------- Corine fuhr nach einer langen Nacht mal wieder den Weg über die Brücke. Sie wollte einfach wissen wie es ihm ging. Schon von weitem sah sie ihn. Er torkelte über die Brücke. Als er stürzte stemmte er sich mühsam wieder in die Höhe und stolperte weiter. Sie parkte ihren Wagen und lief ihm hinterher. Es war nicht schwierig, denn er brauchte für die Strecke zwischen zwei Straßenlaternen den dreifachen Weg. Aber was ihr wirklich das Herz zerriss: Er schien noch nicht genug zu haben. Immer wieder hatte er eine Flasche am Hals. Sie wollte ihm helfen, wollte ihn mitnehmen, damit er sich seinen Rausch ausschlafen und vielleicht sogar etwas Ruhe finden konnte, doch er wehrte sich gegen sie, wehrte sich gegen jede Berührung. Er schien sogar zu wissen, was er wollte und schob sie weg. Endlich war er bei der Treppe angekommen, stolperte sie abwärts. Gut, dass es mehrere Absätze gab, sonst wäre er schon nach der dritten Stufe bis ganz nach unten gestürzt. So landete er immer nur auf Händen und Knien, einzig bedacht, dass dem Lebenselixier in seiner Innentasche nichts geschah. Er kam am Fuß der Treppe an und torkelte auf den Pfeiler zu. Wieder stürzte er. Corine hatte ihre Hände um das Geländer geklammert. Sie wollte ihm so gerne helfen, doch er ließ sie nicht. Sie war zum Zusehen verdammt, und doch konnte sie den Blick nicht abwenden. Sie wollte nicht, dass er irgendwo da draußen liegen blieb. Er kämpfte sich erneut auf die Beine und starrte auf seine Handflächen. Dann kippte er etwas aus der Flasche darüber und knurrte als der Schmerz sein Hirn erreichte. Eine ältere Frau kam auf ihn zugestürzt. „Junge, was?“, sie musste nicht weiter fragen. Sie sah den Schmerz in seinen Augen. Entschlossen nahm sie ihm die Flasche weg. Er ließ es geschehen. Corine lächelte. Es schien noch Menschen zu geben, die sich um ihn kümmerten. Josi sah ihm forschend in die Augen, er senkte den Blick, und kontrollierte dann die Flasche. Sie war zu voll für seinen Zustand. „Ethan!“, rief sie zum Pfeiler gerichtet. Der Alte kam. Sie hielt ihm die Flasche hin: „Es ist nicht seine erste heute Abend.“ Ethan holte tief Luft und nickte. Der Junge grabschte nach der Flasche. „Du hast genug, Alec!“, erklärte er und Josi steckte die Flasche in ihre Tasche. Alec knurrte protestierend. Die beiden Alten schauten sich lächelnd an. Er war also doch nicht ganz so selbstverleugnend wie er sich immer gab. Wenigstens hin und wieder schien sogar er etwas zu wollen. Diesmal mussten sie ihn leider enttäuschen. Corine drehte sich um und ging zu ihrem Wagen zurück. Heute brauchte er ihre Hilfe nicht. „Komm mit, Alec, du hattest zuviel“, sagte Josi leise und hakte ihn unter. Ethan hielt ihn auf der anderen Seite und gemeinsam brachten sie ihn zum Fluss. Sie drückten ihn auf die Knie. Er winselte leise. Die Beiden sahen sich an und schluckten hart. Es tat weh, ihm das jetzt anzutun. Sie wollten es nicht und doch musste es sein. Und ehe Alec sich versah, hatte er auch schon einen seiner Finger im Hals. Er würgte, schluckte, würgte wieder und übergab sich. Und als er einmal angefangen hatte, konnte er nicht mehr aufhören, bis er nur noch Galle spuckte. Total erschöpft kippte er zur Seite, rollte sich zusammen und blieb zitternd liegen. In Ermanglung vom etwas Besserem hielt Josi ihm die angebrochene Flasche hin: „Spül dir den Mund aus“, forderte sie leise. Er nahm einen Schluck. „Spuck es wieder aus“, sagte sie. Er schluckte und angelte erneut nach der Flasche. „Nix da!“, sie schlug ihm die Hand beiseite. Er winselte wieder. Sie drängten ihn auf die Beine und schleppte ihn mehr, als er selber lief, in seine Ecke. Dort kümmerte sich Josi um seine aufgeschürften Hände. Alec bekam es kaum mit. Er schlief sich schon seinen Rausch aus. Sie holte ihre Decke und setzte sich neben den Jungen. Sie wollte ihn jetzt nicht allein lassen. Klar wusste sie, dass er seine Ruhe wollte, aber sie wollte heute wenigstens seinen Schlaf bewachen. Irgendetwas war anders. Er hatte sich noch nie so restlos betrunken. Sie ließ ihren Blick immer wieder über den zusammengerollten Körper gleiten, strich ihm immer wieder über den Kopf und hoffte einfach, dass er ruhig schlafen würde. Er war noch nicht lange hier bei ihnen und doch hatte sie den Jungen schon in ihr Herz geschlossen. Dabei wollte sie eigentlich nie wieder jemanden so dicht an sich heran lassen, nie wieder wollte sie diesen Schmerz fühlen, wenn jemand von ihr gerissen wurde. Doch der Junge war anders. Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, als Alec bei ihnen ankam. Einige Wochen zuvor: Es hatte die ganze Nacht geregnet und auch als sie aufgestanden und aus ihrem Unterschlupf gekrochen war, regnete es noch. Er hatte am Pfeiler gehockt. Sie hatte sich mächtig erschrocken als sie um die Ecke bog. Er sah so aus, als würde er da schon ein paar Stunden sitzen. Reglos starrte er auf den Fluss. „Hallo?“, hatte sie ihn angesprochen, doch er reagierte nicht. Sie zuckte mit den Schultern. Sie konnte niemandem verwehren hier zu sitzen, aber sie wollte Ethan informieren. Der folgte ihr sofort. „Hey!“, rief er ihn an und ging auf ihn zu. Der junge Mann reagierte nicht. Ethan musterte ihn. Er trug eine Lederjacke. Seine Jeans waren an einigen Stellen zerrissen und schmutzig, die Boots abgewetzt. Er war unrasiert und sah müde aus. Ethan legte ihm seine Hand auf die Schulter. Der Mann zuckte zusammen und starrte ihn sofort an. Ethan konnte Wut und Schmerz in seinen Augen lesen. Doch noch im selben Augenblick wurde sein Blick wieder leer, er drehte den Kopf zurück zum Wasser und machte sich mit einem kurzen, aber effektiven Ruck seiner Schulter von ihm los. Der Ältere sagte nichts und ging zu ihrem Unterschlupf zurück, wo er schon von der wartenden Gruppe empfangen wurde. „Ich denke, er hat etwas sehr Wichtiges verloren und kann diesen Verlust nicht überwinden“, stellte er dann ruhig fest. „Lasst ihn in Ruhe.“ Die Gruppe nickte. Der Tag verging genauso ungemütlich wie er begonnen hatte und der Junge hockte immer noch an derselben Stelle. Sie hatte ein paar Mal versucht, ihm wenigstens einen heißen Tee zu bringen, doch er reagierte nicht. Auf nichts. Dean saß da, die Knie angezogen, die Arme um die Beine geschlungen und das Kinn darauf gelegt. Er hatte es so satt weiter zu laufen. Er konnte nicht mehr weiter. Es war so sinnlos. Denn egal wie weit er lief, er konnte nicht vor seiner Schuld weglaufen. Er hatte Sam nicht beschützt. Er den Job versaut. Den einzigen Job, den er je gehabt hatte. Er hatte versagt und es spielte keine Rolle, dass sie ihn belogen hatten, als sie ihm sagten, dass er es stoppen sollte. Am Anfang hatte er gedacht, dass er Sam stoppen sollte, nachdem er herausgefunden hatte, was der mit Rubys Hilfe tat. Dann war er überzeugt davon, dass er die Apokalypse stoppen sollte, die er ausgelöst hatte. Doch jetzt wusste er, dass er IHN stoppen müsste. Sam, oder Luzifer in Sam. Egal wie, er würde Sam töten müssen und das würde er niemals tun. NIEMALS! Er starrte weiter blicklos auf den Fluss, der langsam und träge an ihm vorbei floss. Genauso langsam und träge wie die Zeit an ihm vorbei floss. So greifbar nahe und doch so weit entfernt wie das Leben, dass ihn ausgeschlossen hatte, dass auch ohne ihn irgendwie weiter ging. Die Nacht breitete ihre Dunkelheit wie eine schützende Decke über die Stadt, die deshalb nicht weniger hektisch wurde. Doch das Leben unter der Brücke zog sich in seinen Unterschlupf zurück. „Hallo Dean!“, riss ihn plötzlich eine Stimme aus seiner Trance. Er stand auf und sah sich zwei Dämonen gegenüber. „Hallo Dean, uns ist langweilig“, spotteten sie. „Sammy sagt wir dürfen mit dir spielen.“ Der Blonde stieß einen wütenden Schrei aus. Er zog das Messer aus seinem Bund und stürzte auf einen der grinsenden Dämonen zu. Mit aller Kraft rammte er ihm den Dolch zwischen die Rippen. Doch der lachte nur. Er zog die Waffe aus seinem Körper, starrte sie abfällig an und ließ sie unbeachtet zu Boden fallen. „Es gehört mehr dazu mich zu töten, mehr als du jemals begreifen wirst“, lachte er und winkte Dean zu sich heran. Ohne dass er etwas dagegen tun konnte, rutschte der Blonde immer weiter auf den Dämon zu. „Sammy hat uns gegen den Dolch immun gemacht. Er dachte sich schon, dass du ihn noch mit dir rumschleppen würdest“, lachte das Höllenwesen und packte Dean am Shirt. Immer wieder schlugen sie zu. Deans Lippe platzte auf, seine Nase begann zu bluten. Er wehrte sich nicht. Er hatte es verdient. „Lasst ihn gehen und nehmt mich!“, krächzte Dean heiser. „Nein, Ihr seid wo ihr sein sollt“, der Dämon, den Dean hatte erstechen wollen, packte sein Opfer an der Kehle und hielt ihn ohne Anstrengung in der Luft. „Du bist nicht in der Lage Forderungen zu stellen. Dein Körper ist unnütz für unseren Meister. Nur Sammy kann ihn beherbergen, bis er einen ihm gebührenden Körper gefunden hat, oder bis sein Reich hier auf Erden vollkommen ist, dann braucht er diese Hülle nicht mehr! Dann ist auch dein Sammy nutzlos.“ Dean versuchte sich jetzt doch zu wehren. Er versuchte die Hand um seinen Hals zu lösen. „Du bleibst hier Dean. Hier, wo wir dich immer finden werden, nicht dass wir es nicht überall auf der Welt könnten, aber so ist es einfacher“, spotteten sie und der, der ihn hielt, drückte noch fester zu. Deans Widerstand erstarb und der Dämon ließ sein Opfer achtlos fallen. Doch bevor die Beiden wieder verschwanden, traten sie ihm noch ein paar Mal in den Magen. Der Regen hatte in der Nacht wieder verstärkt eingesetzt. Josi kam aus ihrem Unterschlupf geklettert und wollte ihre tägliche Tour beginnen und schob mit ihren Einkaufswagen los. Weit kam sie nicht. Wieder erschrak sie sich fürchterlich. Sofort stürzte sie zurück und rief verzweifelt nach Ethan, Mark und Pete. „Was ist?“, kamen die Männer ans Tageslicht. „Der Junge“, sie wies ihnen die Richtung. Die Männer nickten und folgten ihr. Der Junge lag auf dem Rücken. Regen hatte ihn durchgeweicht und das Blut aus seinem Gesicht gewaschen. Und doch verkündeten seine geschwollene, aufgeplatzte Lippe und die Blutergüsse in seinem Gesicht, was die Nacht passiert sein musste. Sein Shirt war hoch gerutscht und auch sein Bauch schillerte in den herrlichsten Farben. Mark packte ihn an der Schulter und rüttelte ihn. Er kam mit einem unwirschen Knurren zu sich, und wälzte sich auf dem Bauch. Der junge Mann stöhnte leise und stemmte sich auf Hände und Knie. Blind tastete er um sich und seine Hand krampfte sich um den Dolch, als sie ihn erreicht hatte. Er war nutzlos und doch war es das Letzte, was ihm geblieben war. Die Helfer schauten sich verwundert an. Den Dolch hatten sie gar nicht bemerkt. Er wollte sich auf die Beine kämpfen, doch seine ausgekühlten Muskeln streikten schmerzhaft. Mit einem erschrockenen Japsen kippte er zur Seite und blieb bewusstlos liegen. Eine kurze Geste von Ethan und sie trugen den Mann ins Trockene. Trisha räumte ganz selbstverständlich ihre Sachen etwas zur Seite, damit sie den Bewusstlosen neben Josi legen konnten. Sie war mal Säuglingsschwester gewesen und hatte auch eine medizinische Ausbildung und so kümmerte sie sich hier um alle Verletzungen. „Holt mir die Decken von Alec“, forderte sie und begann den Jungen aus seinen Sachen zu schälen. Er sah nicht gut aus. Bauch und Rippen zierten etliche dunkelblaue Flecke. Sie hoffte nur, dass er keine inneren Blutungen haben würde. Sie konnte nicht feststellen, ob er Fieber hatte, dafür war er viel zu ausgekühlt, aber er warf sich immer wieder unruhig hin und her. Sie legte ihm feuchte Tücher auf die Stirn. Er knurrte schmerzerfüllt, bäumte sich auf und nuschelte etwas Unverständliches. Dann endlich wachte er mit einem erstickten Aufschrei auf. Er stemmte sich auf die Ellenbogen, schaute sich suchend um. Wo war er, wer waren diese Leute und was war passiert? Seine Augen huschten hin und her. Dann kniff er sie zusammen. Die Dämonen! Er musste hier raus. Er durfte nicht auch noch diese Leute in Gefahr bringen. Sollten sie ihn quälen, es war ja nicht das erste Mal. Aber diese Leute sollten ihnen nicht in die Finger fallen! Mit einem Knurren drehte er sich erst auf die Seite, dann auf den Bauch. Seine Hand tastete nach dem Dolch. Josi hatte ihn neben sein Kopfkissen gelegt. „Junge bitte, du musst dich noch ausruhen. Du bist verletzt. Komm schon, beruhige dich“, redete sie auf ihn ein. Er schien sie gar nicht wahrzunehmen. Seine Finger krampften sich um den Schaft. Er stemmte sich auf Hände und Knie und wollte aufstehen, als sein Körper ihm den Dienst versagte. Mit einem frustrierten Stöhnen knickten seine Arme weg. Er fiel auf den Bauch und verlor das Bewusstsein. Sie sahen, wie er sich wieder entspannte und drehten ihn auf den Rücken. Sein Kopf rutschte zur Seite. Die Bewohner des ehemaligen Materialraumes schauten sich verwundert an. „Was war das denn?“, sprach Theresa aus, was alle dachten. Josi konnte nur mit den Schulten zucken. Sie hatte keine Ahnung. In der Nacht erwachte er wieder. Die ältere Frau saß neben ihm und legte ihm gerade wieder ein kühles Tuch auf die Stirn. Er wollte sich aufsetzen. „Du bleibst liegen!“, sagte sie bestimmt. Er musterte sie aufmerksam, fügte sich aber. „Kannst du mir sagen was passiert ist?“, wollte sie wissen. Seine Augen schienen sich in ihre zu bohren. Verzweiflung und Angst spiegelten sich darin, Angst, aber nicht um ihn. „Hier passiert dir nichts“, beruhigte sie ihn. Er schnaufte verächtlich. „Hast du Schmerzen?“, fragte sie weiter. Wieder schwieg er. „Gut“, sagte sich mit einem Lächeln, „dann finde ich es selbst heraus. Aber beschwer dich nicht, dass ich dich nicht gewarnt hätte.“ Sie tastete seine Körper ab. Sie hatte wunderbar kühle Hände. Er entspannte sich etwas. Ein Fehler. Plötzlich drückte sie an genau den richtigen Stellen fester zu. Er zuckte zusammen und knurrte durch zusammengebissene Zähne. „Du hast starke Prellungen. Nichts gebrochen. Aber du solltest ein paar Tage liegen bleiben. Du wirst nicht weit kommen, wenn du jetzt aufstehst und du bist hier wirklich sicher“, versuchte sie ihn zu beruhigen, „wie heißt du?“ Er antwortete nicht und seine Augen wurden leer. „Du willst deinen Namen nicht sagen?“ Mit schmerzerfüllten Augen sah er sie wieder an. Konnte sie nicht einfach die Klappe halten? „Jeder hat einen Namen!“, fuhr sie fort. Er verdrehte die Augen, drehte den Kopf zur Seite und schloss die Lider. „Okay, dann nennen wir dich Alec! Immer nur Junge ist auch nix! Alec ist vor ein paar Tagen mit seiner Freundin mitgegangen. Du kannst seine Decken und seinen Platz haben.“ Er bekam die letzten Worte kaum mit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)