awake von yoshi_ ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich stand wieder am Fenster des zweitklassigen Hotels und sah hinaus in die Nacht.. als hätte ich mich nicht ein einziges Mal dort fort bewegt. Ich hörte die Reifen quietschen und sah den Reporter Hals über Kopf und aufgebracht davonbrausen, er floh regelrecht.. vor mir? Es war mir egal. Wie mir alles egal geworden war. Ich dachte über die letzten Stunden nach.. warum hatte ich ihm von alldem erzählt, warum hatte ich ihn zu mir geholt? Ich wusste es nicht. Ein wehmütiges Lächeln verzerrte mein Gesicht zu einer Maske der Nostalgie, als ich an das Temperament und die Leidenschaft dachte, die ich mit den wenigen Worten der traurigen Wahrheit in dem jungen Mann ausgelöst hatte.. aber es stimmte. Claudia hatte meine Leidenschaft mit sich fort genommen.. und die Sonne, die ihr das Leben nahm, was Lestat ihr einst schenkte, hatte mich leer gebrannt. "Du hast dich geirrt, mein Freund.. ich wollte dich nicht zu meinem Gefährten machen. Zuviel habe ich bereits verloren.. nicht noch einmal." flüsterte ich und dachte an meine ewig kleine Claudia, wie ihr perfektes Puppengesicht ergraut und zu Staub zerfallen war, als ich es berührte, weil ich sie in Madeleines Hände hatte geben wollen, an den unverbesserlichen Lestat, den ich, geschwächt von den Händen des Todes, denen ich ihn zweimal überließ, und von der Neuzeit gequält zurückgelassen hatte, und an den weisen Armand, dem ich seine Heimat, seine jahrelangen Gefährten und treuen Diener, wie auch mich selbst genommen hatte.. nein, nicht noch einmal. "Was dann?" Ich schloss die Augen. Wie vertraut mir diese Stimme doch war.. dennoch drehte ich mich nicht um. Das wagte ich nicht. "Ich weiß es nicht.. vielleicht wollte ich mich selbst ein wenig ordnen. Mich und mein Leben." "Ordnen, hm? Ach Louis.. du bist wirklich immer noch derselbe." Ich öffnete die Augen wieder.. selbst sein Tonfall war noch so wie damals. Irgendetwas zwischen Enttäuschung und Zufriedenheit darüber, dass er bestätigt worden war. "Und du? Bist du auch immer noch derselbe?" "Was glaubst du denn?" Plötzlich war er neben mir, lehnte den Rücken gegen das kühle Glas. Ich sah ihn an und wurde von einer Welle voller Zuneigung, Nostalgie und Hass mitgerissen. "Nein. Du bist lediglich wieder der alte.. Lestat." Er lachte. Es war dieses sadistische Lachen, das ich von ihm kannte.. er hatte gelacht, als er begann, mich zu erschaffen.. er hatte gelacht, als er diese Mädchen tötete.. er hatte gelacht, als ich begann, Claudia zu erschaffen.. er hatte gelacht, während sie gemeinsam mordeten.. er hatte gelacht, als er von den Jungen gekostet hatte, mit denen Claudia ihn zum ersten Mal umbrachte. Ich betrachtete ihn. Ja, es war Lestat.. der wahre Lestat. Nicht der, den ich in Brand gesetzt hatte.. nicht der, den ich in der Britania Street verlassen hatte. Mein Blick glitt über seine langen, blonden Haare, seine blasse Haut... zu seinen dunkel glitzernden Augen, während sein Lachen eine Ahnung in mir weckte. Mein Lächeln war verschwunden, als hätte er es mir aus dem Gesicht gewischt. Ich streckte die Hand nach ihm aus und strich mit dem Zeigefinger über seine Kehle, die mit keiner Spur verriet, dass Claudia sie durchschnitten hatte, über seine Wangen, hinauf zu den Schläfen und berührte mit den Fingerspitzen seine Stirn. Er fing meine Hand mit seinen kühlen Fingern ab, sanfter, als ich es von ihm kannte.. dann biss er mich. Ich fühlte, wie er mein Blut kostete, ohne auch nur einen Tropfen zu vergießen, und dann meine Hand sinken ließ. Er sah lebendiger aus als je zuvor, beinahe schon menschlich. "Warum bist du hier?" wollte ich schließlich leise von ihm wissen. Ich bemerkte, wie sehr ich seinen Anblick aufsog.. endlich etwas vertrautes in dieser Welt, dieser Zeit, mit der ich stets uneins war. "Bist du nicht meine Schöpfung, mein Kind der Dunkelheit, mein Louis..?" Er trat an mich heran und hielt meinen Blick. In seinen Augen stand etwas, das ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte.. nicht das bekannte Verlangen.. nicht die Wut.. nicht die Besessenheit. Nicht einmal in der Britania Street waren derartig starke Gefühle in seinem Blick gewesen. Was war das nur? Verzweiflung? Oder Wehmut? Ich nahm sein Gesicht in meine Hände. "Louis..?" War er verunsichert? Hilflos? "Doch, Lestat." Verletzlich? Bittend? "Das bin ich." Was immer es war, ich bekam kaum genug davon.. ich spürte eine unkontrollierbar schnell wachsende Gier in mir hoch kochen.. sich drehend, windend.. wütend.. Dann fühlte ich seine kalten Lippen auf meinen, konnte sein Blut schmecken und wollte mehr davon.. So standen wir da, zwei Vampire in einem Hotelzimmer, voneinander trinkend in einen blutigen Kuss verwickelt, der uns beiden unendlichen Frieden zu bringen schien.. So wie mit Claudias goldenen Locken meine Leidenschaft erloschen war.. so vermochte mein Schöpfer sie erneut in mir zu entflammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)