Yuletide Inc. von S_ACD (Weihnachten ist auch nur ein Beruf.) ================================================================================ Kapitel 1: Oneshot ------------------ = Irgendwas, dachte Ben perplex, irgendwas muss ganz gewaltig schief laufen, wenn dein Chefingenieur dir sagt, dass du scheiße aussiehst. „Nichts für ungut“, fuhr Yasopp ungerührt fort, „Aber du solltest dich mal rasieren. Und schlafen. Du siehst aus, als könntest du Schlaf gebrauchen.“ Ben versuchte, die Kaffeemaschine mit seinen Gedanken dazuzubringen, schneller zu arbeiten. „Geht nicht“, sagte er, „In drei Tagen ist Weihnachten, zum Schlafen habe ich keine Zeit.“ „Oder ’ne Dusche“, sagte Yasopp, angelte nach zwei kaminroten Tassen und drückte ihm eine davon in die Hand, „Würde dir bestimmt auch nicht schaden.“ Ben verzichtet darauf, ihm zu sagen, dass er selber zehn Meter gegen den Wind nach Motoröl und Werkstatt stank – ganz abgesehen davon, dass er einen rußigen Handabdruck auf der rechten Wange hatte und seine Latzhose nur mehr aus schwarzen, schmierigen Flecken zu bestehen schien. Seine Dreads waren jenseits von Gut und Böse, aber das waren sie den Rest des Jahres auch, also war das kein Grund zur Sorge. Er fummelt sein Zigarettenpäckchen heraus. Die Kaffeemaschine piepste leise; Yasopp griff nach der Kanne und Ben hielt ihm die Tasse entgegen. Milch war vermutlich alle, so wie immer, aber ab einem gewissen Zeitpunkt im Dezember tranken sie ihren Kaffee sowieso nur mehr schwarz. Er entzündete die Zigarette mit einer Hand und stand dann vor dem Dilemma, was er zuerst haben wollte – Koffein oder Nikotin. Die Hitze des Kaffees, der ihm durch das Porzellan hindurch beinahe die Handfläche versengte, nahm ihm die Entscheidung ab. Er tat einen tiefen Zug, pustete den Rauch knapp an Yasopps Kopf vorbei und versuchte, das Chaos in dem winzigen Büro auszublenden. „Du solltest hier mal aufräumen“, ließ sich Yasopps Stimme wie auf Kommando vernehmen, „Ehrlich, es sieht aus, als hätte ’ne Bombe eingeschlagen.“ Sekundenlang war Ben versucht, die rechte Schlittenkufe zur Sprache zu bringen, die vor gut zwei Wochen durch das Fenster gesaust war und ihn dabei nur knapp verfehlt hatte. Unnötig zu erwähnen, wer die Hauptverantwortung an diesem Vorfall getragen hatte. „Yasopp“, sagte er stattdessen. „Hm?“ – „Raus hier.“ „Okay, okay“, Yasopp wischte seine freie Hand an einem klebrigen Hosenbein ab, verzog kurz das Gesicht und salutierte lässig, „Schick mir nachher den Boss, wenn du ihn dazu kriegen kannst. S’gibt was, dass er sich ansehen sollte.“ Ben nickte abwesend hinter ihm her, setzte die Tasse an und leerte sie in einem Zug bis zur Hälfte. Dann schob er sich die Zigarette zwischen die Lippen, kramte nach einem Stapel Papiere und machte sich auf den Weg nach draußen. Die Luft war eisig, aber er konnte sowieso nicht sterben, also war es auch recht unwahrscheinlich, dass er hier draußen erfror. Den kurzen Weg verbrachte er damit, über das nachzudenken, was Yasopp gesagt hatte. Der Kerl hatte die Angewohnheit, mit ungewollten Ratschlägen um sich zu werfen, sobald er selber unter Stress stand. Ben schnaubte. Schlafdefizit? Nicht doch. Solange die Stimmen der Leute, mit denen er gerade redete, konstant dieselbe Lautstärke beibehielten, war alles noch in Ordnung. ~ „Oh Gott“, sagte Shanks, als Ben hereinkam, „Mach die Tür zu. Ich glaube, ich muss sterben.“ „Tatsache?“, sagte Ben wenig beeindruckt. Was er eigentlich sagen wollte war, Versprochen? „Yep“, sagte Shanks missmutig und manövrierte sich in eine halbwegs aufrechte Sitzposition, „Tot, hinüber, zack- Gott, wie spät ist es?“ „Fast halb vier“, sagte Ben und schob mit der Fußspitze einen leeren Metkrug zur Seite, „Hier, trink das.“ Shanks starrte die rote Tasse an, bevor er sie nahm und behutsam neben sich auf dem Boden abstellte; mit den Augenringen und den ungepflegten Bartstoppeln sah er aus wie ein Penner. „Geht nicht“, sagte er, „Nicht jetzt, wäre nämlich wirklich schade drum... bin ich grün im Gesicht?“ „Nein“, sagte Ben ohne hinzusehen, und pflückte eine grün-gold gestreiften Ringelstrumpf aus dem Durcheinander, das sich auf Shanks’ Schreibtisch angesammelt hatte, „Wie kommt das hierher?“ „Ich fühle mich grün.“ „Auf mich wirkst du eher rot.“ „Ha-ha“, gab Shanks zurück. „Kurz vor der großen Show wirst du immer so witzig. Und äh...“, er deutete auf den Strumpf, „Keine Ahnung? Ich glaube, ich wollte irgendwo hin.“ Ben zog eine Augenbraue hoch. „Mit dem Ding?“ Shanks zuckte mit den Schultern, dann sah er sich suchend um. „Offensichtlich. Haben wir noch Met?“ Ben runzelte die Stirn und verstaute den Strumpf sicherheitshalber in den Tiefen seiner Tasche. Diese Art der Fortbewegung war alles andere als zuverlässig – das letzte Mal war Shanks versehentlich in Minsk gelandet, und davor mitten im Atlantik, etwa einen halben Kilometer entfernt vor der Goldküste. „Neben dir steht Kaffee.“ „Eben“, Shanks kam etwas schwankend auf die Beine, „Von dem Geruch wird mir schlecht.“ Ben ging nicht darauf ein. „Ich brauch hier ein paar Unterschriften“, sagte er, „Und Yasopp will dir irgendwas zeigen. Und du solltest dich rasieren.“ Shanks grinste vor sich hin. „Ich bin der Weihnachtsmann“, sagte er, „Man erwartet von mir, dass ich ’nen Vollbart habe.“ Ben war versucht, ihm zu sagen, dass sein Bart im Moment eher aussah, als würde er Krankheiten übertragen. „Wenn wir jetzt die traditionelle Schiene fahren, müsstest du auch zunehmen.“ Shanks winkte ab. „Man kann alles übertreiben“, sagte er, „Also, was soll ich unterschreiben?“ ~ Yasopps Demonstration endete damit, dass der neue Antrieb explodierte. Metallteile wurden in alle Himmelsrichtungen geschleudert, säbelten Yasopp ein paar Strähnen ab, krachten durch den rechten Türflügel der Fabrik und enthaupteten fast eine der Elfen. Ben hatte den Knall gehört und schaffte es, die Folgen so lange zu ignorieren, bis Shanks in sein Büro getrottet kam. In der Zeit, die Ben benötigte, um festzustellen, dass er keinen Erste-Hilfe-Koffer mehr besaß, brachte Shanks es irgendwie fertig, ihm die Hälfte aller Akten vollzubluten. Verbandszeug war nirgends zu finden, weshalb Shanks sich schließlich dazu entschloss, den zentimeterlangen Schnitt in seinem Unterarm mit grauem Klebeband zu umwickeln. Ben stellte währenddessen entsetzt fest, dass er nur mehr zwei Zigaretten übrig hatte, und als Shanks ihm mitteilte, dass er nach draußen gehen und die Elfe beruhigen musste, hatte er das dringende Bedürfnis, beide gleichzeitig zu rauchen. „Sofort“, sagte er, „Wenn wir schon mal dabei sind, ist irgendjemand tot?“ „Nein“, sagte Shanks fröhlich, „Aber die Elfe, Twoonie, die hat ’nen festen Freund. Der ist ziemlich groß, nicht nur für ’ne Elfe, sondern auch für unsere Verhältnisse, und jetzt grade ist er ziemlich sauer.“ „Großartig“, sagte Ben. „Jahh“, sagte Shanks und versuchte, den Blutfleck in seinem schmuddligen Hemd mit Spucke wegzuwischen, „Versuch, dir nicht die Zähne einschlagen zu lassen, ja?“ ~ Zwei Tage vor dem Vierundzwanzigsten traten die Rentiere in Streik. Das war keine besonders große Überraschung, denn das taten sie jedes Jahr, aber diesmal hatte Ben absolut keine Lust darauf. Die Viecher waren ohnehin nur mehr zur Zierde da, und richtige Arbeit leisteten sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr - warum also das ständige Theater mit der Lohnerhöhung? „Wisst ihr was?“, sagte er zu Conner, dem Gewerkschaftsvorsteher, „Warum regelt ihr das nicht mit dem Boss persönlich?“ „Na ja“, sagte Conner, der sich in dieser Position gerne für wichtiger nahm, als er tatsächlich war, „Ich nehmen an, wir könnten wirklich...“ Er sah drein, als wäre ihm jetzt erst aufgefallen, dass er in all den Jahren immer nur mit der Vertretung gesprochen hatte. Sein Geweih vibrierte vor Aufregung. „...dann werde ich das mal tun.“ „Viel Erfolg“, murmelte Ben hinter ihm her, obwohl Conner da schon längst nach draußen gestürmt war. Dann legte er den Kopf auf die Schreibtischplatte und schloss die Augen. ~ Der Plan, Conner mitsamt der Rentiergewerkschaft auf Shanks zu hetzen, schien ihm eine gute Idee zu sein – zumindest so lange, bis er ein paar Stunden später den Vertrag zu Gesicht bekam. „Du hast ihren Lohn erhöht?!“, fauchte er, noch bevor Shanks, der in einer Ecke auf dem Holzfußboden lag und diesmal wirklich grün im Gesicht war, sich fertig zu ihm herumgerollt hatte, „BIST DU WAHNSINNIG?“ Shanks blinzelte desorientiert. „Wus?“ „Du kannst ihren Lohn nicht erhöhen! Das sprengt den Rahmen, soviel Geld haben wir nicht!“ Shanks versuchte es noch einmal. „Häh?“ „Wir können den Rentieren nicht mehr bezahlen. Das konnten wir noch nie, schon seit Jahren nicht mehr! Scheiße noch mal, du hättest mit ihnen verhandeln sollen!“ „...wollte nur, dass die verschwinden“, nuschelte Shanks, „...nicht rumschreien. Kopf.“ Ben widerstand dem Drang, den Metkrug nach ihm zu werfen. Dafür hatte er jetzt keine Zeit. Erst musste er Zigaretten auftreiben, und dann musste er Conner finden, um das hier wieder geradezubiegen. Und danach... würde er vielleicht irgendjemanden auftreiben, der ein Gewehr besaß und keine Gewissensbisse hatte, die Symbolfigur des weihnachtlichen Schenkens zu erschießen. Herrgott noch mal. ~ In der Nacht des dreiundzwanzigsten Dezembers fing ein Förderband in der Fabrik aufgrund der Dauerbelastung Feuer. Ben, der sich schon seit knapp dreißig Stunden nur mehr von schwarzem Kaffee ernährte – immerhin waren sie in der Endphase, da ging es nicht mehr anders – gähnte herzhaft und schleppte sich durch den Schneesturm hinüber zur Halle C. Die allgemeine Panik hielt sich in Grenzen, weil das Feuer ziemlich schnell gelöscht worden war und so etwas natürlich nicht zum ersten Mal passierte; aber Lou wirkte trotzdem stocksauer. „Schrott“, sagte er aufgebracht, sobald er Ben erblickte, „Kein Wunder, das so was passiert. Sieh dir das an, das ganze Equipment ist Schrott. Vollkommen antik. Damit kann man doch nicht arbeiten! Zwei Drittel davon gehören ausgetauscht und-“ „Für die technischen Details bin ich nicht zuständig“, sagte Ben. „Ich weiß“, knurrte Lou, „Aber Yasopp kümmert sich nicht drum. Alles, was ihn interessiert, ist der blöde Schlitten.“ Das ließ sich nur schwer abstreiten. Ben seufzte. „Ich rede mit ihm.“ „Ach“, sagte Lou sarkastisch, „Machst du das? Wäre wirklich nett.“ Als Ben die Halle C verließ fiel ihm plötzlich siedendheiß ein, dass er vergessen hatte, darauf zu achten, ob Shanks in den vergangenen paar Tagen überhaupt etwas gegessen hatte. Die Befürchtung blieb so lange bestehen, bis er sein Büro betrat und feststellen musste, dass die Kaffeemaschine den Geist aufgegeben und noch dazu den Beistelltisch in Brand gesteckt hatte. Der erste Gedanke galt, klarerweise, dem Feuerlöscher. Der Zweite war ein recht nachhaltiges Was soll’s, das irgendwie mit dem Schlafmangel zusammenhängen musste. Er bückte sich zu den Flammen hinunter, entzündete eine Zigarette und stellte überrascht fest, dass die Nacht beinahe vorüber war. ~ Am Abend der „großen Show“ rannte Ben dreimal in den Raum, in dem Shanks auf dem Sofa lag und schlief, um ihn aufzuwecken; beim vierten Mal verlor er die Geduld und zerrte ihn unzeremoniell in die Höhe. Shanks brummte etwas Unverständliches, blieb aber aufrecht stehen und starrte Ben finster an. Ben schob ihn ins Badezimmer, drehte das Wasser in der Dusche auf und machte ihm mit so viel Autorität in der Stimme, wie er nur aufbringen konnte, klar, was er zu tun hatte. Dann ließ er ihn im Bad zurück, um das Weihnachtsmannkostüm zu suchen. Er trug die Stücke einzeln aus allen möglichen und unmöglichen Winkeln des Hauses zusammen und als Shanks endlich auftauchte – frisch rasiert und mit einigermaßen ordentlichen Haaren – hatte er mehr oder weniger alles zusammen. „Hey“, Shanks hatte einen Stiefel bereits angezogen, den anderen hielt er noch in der Hand, „Wo ist die Mütze?“ „Das...“, Ben hielt inne, „Was weiß ich.“ Er warf einen raschen Blick auf die Uhr. „Dafür ist jetzt sowieso keine Zeit mehr. Komm, beeil dich.“ „Ich kann nicht ohne Mütze gehen!“, sagte Shanks empört, „Wie sieht das denn aus?“ „Es wird dich sowieso niemand sehen“, sagte Ben erschöpft, „Du... mach einfach weiter.“ Shanks sah drein, als wollte er protestieren, aber er ließ es Gottseidank bleiben. „Yasopp hat den Schlitten wieder hingekriegt, oder?“, sagte er, „Ich meine, nicht dass dieser beinahe-Absturz vor drei Jahren keinen Spaß gemacht hat, aber-“ „Nein“, sagte Ben, „Der Schlitten ist okay.“ „Na dann“, Shanks grinste, „Hast du ’ne Zigarette für mich?“ Ben reichte ihm wortlos das Päckchen. „Abmarsch“, sagte er dann, „Los, hau ab.“ „Schon auf dem Weg“, Shanks stand schon im Türrahmen, ohne Mütze und mit offener Jacke, „Ach ja, und Ben?“ „Was?“ „Frohe Weihnachten.“ Und erneut widerstand Ben dem Drang, den Metkrug nach ihm zu werfen – aber diesmal wirklich nur knapp. =möh= Ach, jetzt würde ich echt wahnsinnig gerne Shanks als Weihnachtsmann sehen. Zeichnet mir jemand einen? :D Abgesehen davon mag ich dieses AU. Ich glaube, das werde ich behalten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)