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Katatonia Sleep

Darkfiction
von

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Zeichensprache

Es war beinahe Nachmittag und Ilone hatte die Zeit vergessen. Sie war an Megs Seite eingeschlafen - hatte sich nicht gerührt, bis Daniel ins Zimmer trat.

Nun öffnete sie die Augen und blinzelte den grobschlächtigen Bassisten an. „Hallo, Daniel.“, murmelte sie und setzte sich auf. Sie bemerkte Daniels lächelnden Mund und fühlte sich beinahe ausgelacht.

„Wie geht es dir?“, fragte der Braunhaarige und setzte sich auf den Stuhl neben Ilone. Es klang eher nach einer Floskel, als nach einer ernst gemeinten Frage.

Ilone zuckte die Schultern. „Verdammt! Ich habe den Unterricht verpasst.“, gab sie zu, als ihr schmerzlich ins Bewusstsein kam, wie nah die Abschlussprüfungen waren und wie viel sie für ihre Ausbildung noch würde lernen müssen. Indes störte es sie weniger, als sie vermutet hätte. Wieso waren solche Dinge mittlerweile derart unwichtig geworden? Noch vor ein paar Tagen hätte sie Meg vermutlich erschlagen, wenn er es gewagt hätte sich selbst während der Prüfungszeit in den Vordergrund zu stellen.

„Ich glaube…“, begann Ilone und drehte sich beiläufig zu Meg um. Sie erstarrte bei seinem Anblick. „Siehst du das?“, fragte sie Daniel und dieser beugte sich vor, um Meg eingehend betrachten zu können.

„Eine Träne.“, bemerkte er.

„Glaubst du, er sendet uns ein Zeichen? – Oder ist das nur Zufall?“

Daniel zuckte mit den Schultern und sein Blick war sehr ernst. Es könnte auch reiner Zufall sein. Eine körperliche Reaktion. Flüssigkeit, die sich im Auge gebildet hatte und die nun ihren Weg aus dem Körper heraus suchte, ohne in irgendeiner Form etwas mit Trauer zu tun zu haben. Das war zuvor ja auch schon passiert.

„Glaubst du, dass er unseretwegen traurig ist?“, fragte Daniel dennoch und Ilone zuckte bei dem Gedanken zusammen.

In diesem Moment krallte sich eine Hand von Meg in das weiße Laken und blieb dort zu einer Faust geballt eine Weile liegen, bevor sie sich ganz langsam wieder entspannte, als sei niemals etwas geschehen. – Dieses Zeichen war nun wirklich nicht mehr zu ignorieren.

Was ging nur in Meg vor? Ilone konnte ihren Blick nicht von den kleinen Falten abwenden, die Megs Hand im Laken hinterlassen hatte, als sei dies der einzige Beweis, dass sie die Bewegung nicht erträumt hatte. Dann hellte sich ihre Miene abrupt auf.

„Ist es nicht vollkommen egal, ob er unseretwegen weint? – Hauptsache ist doch, dass er überhaupt etwas fühlt!“

„Hat er uns ein Zeichen gegeben?“, fragte Daniel noch einmal ungläubig. – Es war vollkommen gleichgültig. Hauptsache war, dass sich irgendetwas in Meg den Weg in die Realität gebahnt hatte, um seine Hand zu bewegen.
 

* * * * * *
 

Meg war auf die Straße gelangt und er wusste nicht mehr, wo er war. Zu dicht war der Nebel, in dem noch immer graue Flocken herabregneten, wie Schnee.

„Es war doch noch nie deine Art auf zu geben!“, hörte Meg ein Echo schreien, während er einfach nur rannte, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben.

Es waren einfach zu viele Schatten, die auf Meg einstürmten. Die meisten von ihnen kannte er nicht, doch er spürte, dass sie ihn liebten, ihn vergötterten – und zeitgleich wollten sie ihn zerstören, ihn leiden sehen.

Er spürte, wie sie sich an ihm fest krallten und schleuderte sie von sich weg, sobald er konnte, während er immer weiter die Straße hinab lief. Ihre Bisse hatten bereits eine Vielzahl an blutenden Wunden hinterlassen und das Schlimmste war, dass sie schneller als er waren und, dass es immer mehr wurden.

Dieses Mal waren es keine bestimmten Personen, die durch die dunklen Kreaturen dar gestellt wurden. Es waren gesichtslose Schatten. Nicht mehr und nicht weniger.

Es waren die Gesichter der Menschen vor der Bühne, wenn das Rampenlicht alles zu dunklen Schemen verschwimmen lässt und keinerlei Unterscheidung zwischen den einzelnen Personen mehr zulässt.

Er musste ihnen doch irgendwie zeigen können, dass er stärker war. Wenn er sie irgendwie einschüchtern konnte, würden sie vielleicht von ihm ablassen.

Sie hefteten sich an seine Fersen und brachten ihn zu Fall.

Meg schlug hart auf den Boden auf und spürte gleichzeitig einen kräftigen Schlag an der Schläfe.

„Ich verstehe das nicht!“, schrie Meg in den weißen Nebel. „Was genau wollt ihr von mir?“

Er richtete sich auf und schüttelte dabei einen sehnigen, schwarzen Arm von seiner Schulter.

„Es sieht dir nicht ähnlich, dich einfach deinem Schicksal zu ergeben!“, schrie dieses Mal ein Echo aus anderer Richtung. Meg war eine Weile geneigt zu glauben, dass die Kreaturen selbst dies gesprochen hatten.

„Ich muss ihnen beweisen, dass ich stärker bin als sie!“, dachte Meg wissend, dass er sie in seiner jetzigen Situation niemals besiegen würde. Einzeln mochten sie schwach sein, aber wenn sich ihre Zahl weiterhin dermaßen vervielfachte, würde er nicht mehr lange durchhalten.

Schon jetzt war seine Sicht seltsam verschwommen und seine Beine zitterten, sobald er kurz stehen blieb um einen weiteren Schatten ab zu schütteln, der versuchte sich an seinen Rücken zu werfen.

Keuchend rannte Meg weiter und orientierte sich dabei auf den weißen Leitlinien auf der Mitte der Straße. - Mehr konnte er im dichter werdenden Nebel nicht erkennen.

Hier irgendwo musste doch ein Schutz sein. Irgendetwas, wo er sich verstecken könnte. – Vielleicht ein offenstehendes Auto.

Eines der Biester warf sich an Megs linke Seite. Der junge Mann taumelte ohne vollständig an zu halten und schlug mit dem Ellenbogen aus. Er war überrascht, dass er überhaupt etwas traf. Kreischend krümmte sich ein schwarzes Wesen neben ihm weg, bevor Meg weiter in den Nebel hinein rannte.

„Du warst doch immer so… kreativ…“, fauchte die Kreatur mit vorgestrecktem Hals noch bevor Meg weiter rannte. Also doch. Es waren die Kreaturen, die gebetsmühlenartig immer einen einzigen Satz zu ihm sprachen, als seien sie nur für den Moment geboren ihm diese eine wichtige Eingebung zu bringen.

„Ich entkomme ihnen nicht.“, dachte Meg gerade, als er im Nebel vor sich eine weitere Kreatur auf sich zustürmen sah. Sie war vielleicht größer, als die Wesen hinter ihm. Genau konnte man die Entfernung nicht abschätzen. Meg verlangsamte unbewusst seinen Gang, weswegen er beinahe von einem Gesichtlosen geschnappt wurde, der direkt hinter ihm heran nahte.

Er duckte sich weg und schlug einen Haken nach rechts, auch um der Kreatur vor sich aus zu weichen, doch als der Hüne am Ende der Straße ebenfalls die Laufrichtung änderte, wusste Meg, dass dieser ihn gesehen hatte.

Je näher Meg an das Wesen herankam, umso mehr wurde ihm bewusst, wie groß sein nächster Gegner sein würde.

„Welchen Alptraum habt ihr jetzt für mich?“, zischte Meg verbissen, bevor ihm eigentlich bewusst wurde, dass er aussprach, was er dachte. – Schweiß rann ihm den Rücken herunter und seine Haare klebten an den Schläfen. Lange würde er dieses Tempo nicht mehr durchhalten.

Er warf einen Blick zurück und schätzte, dass er bereits von etwa acht Kreaturen verfolgt wurde. Drei von ihnen hatten beachtlich aufgeholt und waren schon sehr nahe gekommen. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bevor sie Meg von sich aus einholten.

Schon jetzt tat Megs rechtes Bein höllisch weh. – Er war sich nicht sicher, ob er einen weiteren Sturz überleben würde.

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte er, ob es nicht einfacher war, wenn er sich einfach fangen ließ. Es würde vermutlich recht schnell gehen. – Ein Schlag und er war ohnmächtig. – Zu wenig Zeit zu bereuen. Dann würde er nicht bemerken, wie sie ihn in Stücke rissen.

Vielleicht hätte Meg der Versuchung aufzugeben nachgegeben, wenn er sich sicher gewesen wäre, dass er ohnmächtig war, bevor die schlimmsten Schmerzen einsetzten. Was war, wenn sie ihn lebendig auseinander rissen?

Meg drehte sich erneut zu den Schatten um, die erneut dicht an ihn heran gekommen waren. Dann lichtete sich der Nebel unvermittelt und vor sich erkannte der junge Mann eine sehnige, verdrehte, menschliche Gestalt, deren linker Arm scheinbar haltlos und mit unzähligen Schürfwunden übersäht in der Luft ruderte. – Das Körpergewicht stützte sich auf den rechten Arm, der nach unten hin verdickt war, wie der Corpus eines Instrumentes.

- Als Meg das halb-menschliche Gesicht der schwarzen Kreatur anstarrte, wusste er, dass ihn der Arm an einen Bass erinnerte.

Daniels Widergänger verzog das breite Maul zu einem stummen Schrei und verlagerte das Gewicht nach hinten auf die viel zu dünnen Beine, um den Arm zu einem Schlag erhoben in die Luft zu heben. Meg duckte sich weg und im selben Moment spürte er die langgliedrigen Finger eines Gesichtslosen auf den Schultern.

Ein unnatürlich gedämpfter Schrei, gefolgt von einem nassen Reißen, machte Meg bewusst, dass der Schlag die Kreatur, die auf ihm hockte, getroffen haben musste. Kurz krallten sich die Klauen tiefer ins Fleisch von Megs Rücken, um schließlich mit einem Beben zu erschlaffen. – Der Gesichtslose kippte zur Seite und Meg spürte Blut auf seinem Rücken, bevor er seine Hände gegen den Boden rammte, um sich mit letzter Kraft wieder auf zu richten.

Sein rechtes Knie, auf das er gefallen war, knickte schmerzhaft zur Seite weg. Er schrie und stemmte sich gleichzeitig weiter gegen den Schmerz. Er musste laufen. Er durfte sich nicht von einem gebrochenen Bein aufhalten lassen! Er musste einfach weiter, sonst würde er bald enden, wie das tote gesichtslose Wesen, dessen Blut auf der Straße und auf Megs Rücken verteilt war.

Meg humpelte die ersten drei Schritte, bevor es ihm halbwegs gelang die Schmerzen aus zu blenden. Dann rannte er seine Gefühle ignorierend weiter und erkannte im dichter werdenden Nebel gerade noch, wie sich die Kreaturen auf den Hünen stürzten.

Eine von ihnen war offensichtlich bereits auf die breiten Schultern gesprungen, um ihm mit seinen breiten Krallen die Kehle auf zu schneiden.

Meg schluckte kurz und fühlte den unbeschreiblichen Drang kehrt zu machen und dem Riesen zu helfen. Dann war urplötzlich alles vorbei.
 

Meg wurde in eine neue Umgebung geworfen, als sei sein Lauf auf der Straße vor seiner Wohnung niemals gewesen.

Stille umfing ihn. Langsam setzte er einen Fuß vor den Anderen.

Noch immer tat sein Knie weh, aber da sich sein gesamter Körper taub anfühlte, fiel das kaum noch ins Gewicht.

Er befand sich in einem Gang aus Marmor, der an den Seiten von vielen Säulen gesäumt wurde, wie der Palast eines Königs. – Gedämpftes Licht fiel durch den leichten Dunst und erweckten die Stimmung eines neuen Morgens.

„Dies sind die Ruinen meines Stolzes.“, dachte Meg und wusste selbst nicht wieso. Eine Weile schritt er vorwärts und betrachtete die naiven Kinderzeichnungen, die in den harten Stein gekratzt waren, wie die Darstellungen in ägyptischen Felsengräbern und Tempeln.

„Ist dies wirklich das, was du erträumt hast?“ Meg drehte den Kopf in die Richtung, aus der die seltsam fremde Stimme kam, die eigentlich seine eigene war. Er hörte Flügelschlage, als sei das Echo eine Taube, die sich in einer Kathedrale verirrt hatte.

„Kannst du mit diesem Verrat leben?“, stürmte es Meg aus einer anderen Richtung entgegen.

„Der Ausgang heiligt doch die Mittel!“, hielt eine andere Stimme dagegen.

Meg drehte sich und beobachtete die Decke, die im Dunst nur ein prächtiges Ornament erahnen ließ, dass entfernt den Darstellungen in der Sixtinischen Kapelle glich. Er konnte die fliegenden Wesen und Echos allerdings nicht ausmachen.

„Es war nur Glück, dass ihr berühmt geworden seid!“, kam erneut das erste Echo.

„Warum haben immer nur die schlechten Menschen Erfolg.“, kam ein Anderes hinzu. Oder war es dasselbe?

Meg ging weiter vorwärts und hielt die Decke über sich im Blick.

„Diese Erinnerungen brennen in dir, wie Feuer! Das ist deine Hölle!“

Wieder entzog sich das Geräusch seinem Blick. Je schneller Meg ging, desto hektischer wurde das Schlagen der Flügel.

„Ich will nicht, dass er mich auch noch alleine lässt! Daniel darf mich einfach nicht alleine lassen!“, schrie es in ihm. In diesem Moment wurde Meg bewusst, dass er sich bereits einmal zusammen mit dem Schattendämon an diesem Ort befunden hatte. Er war erneut in der Halle der Echos.

Er konnte nicht sagen, ob die Säulen sich erst im Nachhinein aus dem Nebel manifestiert hatten, oder ob sie nur vormals durch die dichte, weiße Wand aus Nebel versteckt worden waren.

„Du kannst nicht ewig davor weg laufen. – Du kannst dich nicht verstecken!“, wurden Megs Gedanken erneut unterbrochen.

„Ja.“, flüsterte Meg. „Ich weiß, dass es niemals Daniels Traum war, Bassist zu werden und auf der Bühne zu stehen.“

Laut schrie er den Gestalten entgegen: „Es ist nicht meine Schuld, dass er mir trotzdem gefolgt ist.“

„Es IST deine Schuld“, kam ein hoffnungsloses Echo zurück.

„Sie ist weg! Für immer - und es ist deine Schuld!“

Meg atmete tief ein. Wieso erzählten diese Kreaturen solchen Blödsinn?

„Das stimmt nicht. – Ilone wartet auf mich und wenn ich zurück bin, werde ich vieles wieder gut machen können!“, rief er zurück und lachte dabei wie ein verwirrtes Kind. In diesem Moment begriff er, dass mit dem Satz nicht Ilone gemeint sein konnte.

Er beschleunigte seine Schritte unbewusst, als wolle er erneut fliehen.

Mittlerweile war ein Ende des Ganges sichtbar geworden. Irgendwo in der Ferne brannten Fackeln und Kerzenleuchter, während dunkle Echos Meg weiter trieben und ihre Stimme veränderten, um zu Menschen zu werden, die Meg bekannt vorkamen, die er aber eigentlich nicht einordnen konnte.

„Gib es endlich zu!“, die Stimme eines Mannes.

„Du hast sie umgebracht!“, sein eigenes Echo.

„Sie ist tot! Begreifst du das nicht, du kleiner Lügner!“ Unverkennbar die Stimme einer jungen Frau.

„Es ist deine Schuld!“ Das eigene anklagende Echo.

„Meg hör mir zu! Begreif doch endlich!“ Wieso konnte diese verdammte Frau nicht endlich schweigen. Es konnte nur die Stimme seiner Tante sein.

Als Meg den Lichtkreis bei den Kerzen betrat, bemerkte er, dass er am ganzen Körper zu zittern begonnen hatte.

Ihm war kalt. – Das war eine neue Empfindung, die er seit seiner Zeit in diesem Traum eigentlich nicht mehr gespürt hatte.

Alles in ihm schrie ihn an um zu kehren. Selbst die Echos hatten sich nun zu einer einzigen Stimme zusammen gefunden. „Verschwinde! Hau ab! Du bist ein Feigling, aber wenigstens lebst du! Du Bastard verträgst die Realität doch gar nicht!“

Der Geruch von Weihrauch schlug ihm entgegen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  DemonhounD
2010-10-27T20:07:45+00:00 27.10.2010 22:07
Muharharharhar. Schön, dass du dich das ebenfalls fragst. Ich als Author bin relativ sicher, DASS Daniels erscheinen auch in seiner verzerrten Form kein schlechtes Zeichen sein KANN, denn überhaupt garnichts an Daniel war jemals etwas anderes, als auf Megs Seite und das muss auch im Unterbewusstsein der Hauptperson verankert sein. ^^

Juhuuu... die Echos mag ich überhaupt sehr gerne und schreibe sie auch unheimlich gerne. Obwohl Meg und ich uns ansonsten nicht wirklich ähnlich sehen glaube ich ja, dass ich ganz ähnliche Echos, wie er hätte. ;-)
Von:  freddy
2010-05-30T18:24:13+00:00 30.05.2010 20:24
etzt stell ich mir doch wirklich die Frage ob Daniels Traumgestalt nicht vielleicht sogar gut war. Die anderen greifen ihn ja an und vielleicht war es gar kein Zufall dass Alptraum – Daniel einen der Gesichtslosen getroffen hat? XD
Die Echos hast du wieder interessant hinbekommen.


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