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Katatonia Sleep

Darkfiction
von

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Ende

Im Licht verbirgt sich nur ein Funke jener Wahrheit, die ich vergeblich suchte.
 

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„Meg, du bist ein Arschloch!“ Ilones Stimme war schrill, wie die einer Furie kurz bevor sie ihrem Opfer das noch schlagende Herz aus der Brust reißen würde.

Irgendwie berührte das Meg trotz alledem nicht sonderlich. Sie nannte ihn seit sie sich kannten vermutlich jeden dritten Abend so. In letzter Zeit war es häufiger vorgekommen. Der Begriff hatte sich mittlerweile dermaßen abgenutzt, dass es ihn lange nicht mehr verletzen konnte.

Außerdem hatte sie ja irgendwie Recht. Meg wusste, dass er ein Mistkerl war. Das war ein großer Teil von seinem Image und Frauen liebten genau das an ihm so lange, bis sie mit ihm zusammen waren. Dann kam üblicherweise die Trennung.

„Es ist aus!“

Das stach jetzt schon. Immerhin war Meg immer derjenige gewesen, der seine Frauen letztendlich zum Teufel jagte und, verdammt, er hätte es auch dieses Mal sein sollen. Er schluckte.

„Okay.“, sagte er nur, statt das Offensichtliche aus zu sprechen und der bittere Klang in seiner Stimme hörte sich sogar für ihn unheimlich erbärmlich an.

Ach, was! Sollte sie doch ruhig denken, dass es ihm etwas ausmachte. Er würde der Welt noch früh genug beweisen, dass dem nicht so war. Alleine zu sein war auch vor Ilone okay gewesen. Erst recht, wenn man nach jedem Konzert die freie Wahl zwischen sechs Frauen und mehr haben konnte, so wie das bei Meg der Fall war. Eine kleine Stimme in Meg sagte ihm, dass das vielleicht nur dumme Ausflüchte waren, damit er vor sich selbst kaschieren konnte, wie armselig er sich selber gerade vorkam. Er wischte den Gedanken beiseite.

Ilones Stimme wurde jetzt sehr sanft, als sie sagte: „Weißt du, ich hab echt geglaubt, du wärst der Eine.“ Sie drückte sich gern um das Wort "Liebe" und Romantik im Allgemeinen. Meg hatte sie alleine deswegen geliebt, denn lange hatte er geglaubt, dass eine derart unromantische und praktische Person an seiner Seite genau das war, was er brauchte.

Er brauchte jemanden, der ihn aus seinen eigenen Tagträumen und gelegentlichen Depressionen in die Realität zurück befördern konnte. Meistens tat Ilone das nicht gerade auf angenehme Weise. Auch das hatte Meg vielleicht eine Weile gebraucht.

Er brauchte das vermutlich auch jetzt noch. Er wich ihrem Blick aus.

Verdammt! Wieso konnte er ihr jetzt nur keinen Vorwurf machen?

Sie war weniger kompliziert, als seine bisherigen Freundinnen und Meg zwang sich einfach auch diesen Punkt an ihr zu hassen. Das machte es einfacher.

"Gott! Du hast es wirklich verbockt!", Ilone fuhr sich mit einer Hand durch die wirren, dunklen Haare. Sie war schön, sogar, wenn sie sich nicht gestylt hatte und selbst, wenn sie wütend war. Irgendwie fand Meg sie in diesem Moment sogar besonders anziehend. Gesagt hätte er ihr das sicherlich nicht. Das verbot ihm sein Stolz. Zu gegebener Zeit würde er diesen Gedanken sicherlich für einen Song aufgreifen.

"Ich habe dir vor einem Jahr schon gesagt, du sollst aufhören!"

Mit "aufhören" meinte Ilone Drogen und Alkohol. Sie hatten dieses Gespräch schon so oft geführt, dass Meg müde davon wurde. Sie hatte auch schon oft gesagt, sie würde ihn verlassen und, dass sie nicht mit einem Junky zusammen sein könne.

Aber Meg war kein Junky. Er genehmigte sich dann und wann einen Joint und vielleicht setzte er sich auch auf der einen oder anderen Party eine Spritze. Er sagte sich, dass das in Ordnung sei, weil er ein Musiker war. Es gehörte zum Image.

Auch, dass er in den letzten fünf Jahren insgesamt sechs Freundinnen verheizt hatte, war zu verschmerzen. Es warteten genug und mit der Nächsten würde er sicherlich nicht dermaßen lange zusammen sein.

Waren er und Ilone nun wirklich schon ein ganzes Jahr zusammen gewesen?

Da hätte sie sich wirklich früher überlegen können, ernst zu machen und ihn zu verlassen … bevor er sich an ihre Nähe gewöhnt hatte und glaubte es würde ewig so weitergehen.

Die Drogen waren immerhin schon vor ihrer Zeit dagewesen. Er hatte es niemals vor ihr versteckt.

"Sag doch endlich was!", forderte Ilone und sah ihn an, als wäre er schon wieder total zu. Vielleicht war er das ja auch. Meg sah da eigentlich keinen Unterschied mehr. Er hatte schon seit einer Woche nichts wirklich Hartes mehr genommen, aber trotz Allem – oder vielleicht gerade deswegen – fühlte er sich absolut leer und kaum fähig einen klaren Gedanken zu fassen.

Nach außen hin, zuckte er einfach die Schultern und strich sich ein paar wirre, blonde Strähnen aus dem Gesicht, ohne etwas zu sagen.

"Wenn ich jetzt den Mund aufmache, muss ich bestimmt heulen.", schoss es ihm durch den Kopf und er zwang sich an ihr vorbei auf die große, schwarze Schrankwand zu sehen, um ihren fragenden Augen nicht länger begegnen zu müssen.

Nach einer langen Pause sagte er schließlich: "Ich sollte gehen."

Dann stand er auf und ging zur Tür, ohne sich umzudrehen.

Erwartete er vielleicht, dass sie ihn zurück hielt? Eigentlich nicht wirklich. Er hoffte es vielleicht. Was sollte er sonst tun?

Hatte sie erwartet, dass er bettelte, oder ihr Versprechungen machen würde, die er sowieso nicht einzuhalten gedachte? Das war unter seiner Würde!

Noch während er die Stufen eines ziemlich dreckigen Apartmenthauses herunter stieg, schloss Meg mit seiner Beziehung ab. Zumindest redete er sich das ein.

Es war vorbei. Wieso also sollte er noch einen einzigen, unnützen Gedanken daran verschwenden.

An der Wand neben ihm befanden sich Graffiti in rot und grün, die bescheuerte Nazisprüche in die Welt hinausposaunten und in naiver Zeichenweise obszöne Körperteile und Gesten darstellen sollten. Über der Tür zur Straße stand in verschnörkelten Buchstaben der Satz „Es gibt immer ein erstes Mal…“. Früher hatte Meg diesen Spruch unheimlich inspirierend gefunden. Jetzt war er ein Hohn seiner verkorksten Situation. Er schien alles einzufangen, alles anzuprangern und in die Welt hinaus zu posaunen was für ein Loser er war, wie die nächste Kolumne des städtischen Klatschblattes es vermutlich auch tun würde.

„Meg Saunderson wurde von seiner Jetzt-Ex-Freundin aus der eigenen Wohnung vergrault!“ Kein besonders rühmlicher Gedanke.

Er stemmte sich gegen die gesprungene Glastür des Haupteinganges, in der sich ein feines Gitter aus Draht befand. Meg vermutete, dass unter den ganzen Dellen und Kratzern in der Tür, nur noch dieses Gitter für die nötige Stabilität sorgte, um die Tür zusammenzuhalten.

Natürlich war dies seine Wohnung und nicht ihre.

Ilone würde nie freiwillig in diesem Loch wohnen. Sie hatte ein schickes Apartment in der Stadt, dass vermutlich von ihren reichen Eltern finanziert wurde und sie hatte einen ebenso geregelten Job in irgendeinem Krankenhaus mit bester Aussicht darauf Ärztin zu werden, wie jedes verdammte Mitglied ihrer gesamten, versnobten Familie, in die er ohnehin niemals gepasst hatte. Er gehörte einfach nicht in ihre Welt.

Sie hatte ihn oft gebeten, bei ihr einzuziehen, oder wenigstens ein weniger heruntergekommenes Viertel als Wohnort in Betracht zu ziehen. Natürlich hatte sie Angst ihn spät abends nach der Arbeit zu besuchen.

Seid Meg’s Band "Amorphic Sinner" halbwegs erfolgreich war, hätte er das Geld dazu sogar gehabt, aber er fand, dass dies hier seinem eigenen Charakter besser entsprach.

Hier war er mitten im Geschehen - mitten in der Stadt – mitten in dem Ort, an dem eigentlich sonst niemand freiwillig wohnen wollte. Hier war er an genau dem Platz, den seine kreative Ader zur Heimat gewählt hatte.

Nur hier konnte man vom Fenster aus die Penner und die versoffenen Idioten beobachten, die den Abschaum dieser Stadt bildeten. Direkt unter seinem Zimmer befand sich eine üble Hip-Hop-Kneipe, in die Meg eigentlich nie einen Fuß gesetzt hätte. Manchmal konnte man die Besucher des Schuppens bei Prügeleien auf der Straße sehen. Einmal hatte es direkt unter Megs Fenster sogar eine Schießerei gegeben.

Jetzt, wo die Erinnerungen an sein letztes Album und dessen Erfolg langsam zu verblassen begann, brauchte Meg diese Art von Inspiration. Es würde viel Mühe und Arbeit erfordern, um das letzte Album zu übertreffen. Ilone hätte dabei ohnehin nur im Weg gestanden. Vielleicht war die Trennung letztendlich genau das, was er brauchte.

Es war besser allein zu sein.

Meg war schon ziemlich weit durch die Straßen gegangen, als er bemerkte, dass er weinte. Was brachte es schon sich mit Gedanken an seine Arbeit ab zu lenken?

Es war aus. Dieses Mal wirklich.

Sie hatten sich zwischenzeitlich schon einmal für einen Monat getrennt und wieder zusammengefunden, aber das würde es nun nicht mehr geben. Ilone war viel zu stolz und vielleicht hatte sie in dem einen oder anderen Punkt wirklich Recht.

Sie arbeitete in einem Krankenhaus. War es da verwunderlich, dass sie sich doppelt Sorgen um seine Gesundheit machte?

Trotzdem musste sie ihn ja nicht immer wieder mit demselben Mist nerven!

Es war bereits dunkel und richtig kalt. Zu allem Übel regnete es auch noch und Meg hatte nicht einmal eine Jacke mitgenommen.

Warum auch? Er war ja ein harter Junge. Zumindest sagte ihm das sein Verstand mit seltsam sarkastischem Unterton.

In diesem Moment nahm Meg sich vor niemals öffentlich wegen Ilone zu weinen. Wenn ihn nun jemand fragen würde, würde er sagen, dass das Nasse auf seinem Gesicht nur der Nebel und der Regen war. Er würde sich selbst einreden, dass es keinen Grund gab traurig zu sein. Er würde ein paar Tage lang feiern und sich mit seiner Musik ablenken. Vielleicht das eine oder andere aggressive Lied schreiben, damit auch jeder sah, dass er nicht traurig, sondern wütend war. Er würde sich nicht unterkriegen lassen. Niemals!

Meg blieb unversehens stehen, als er ein grelles Licht aus den Augenwinkeln bemerkte, das schnell näher kam. Er drehte den Kopf. Ein Scheinwerfer. Er umfing ihn, schloss ihn ein. Lärm. Stille, dann schwarzes Nichts.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Trollfrau
2012-10-15T19:25:54+00:00 15.10.2012 21:25
So. Nun will ich mich hier auch mal verewigen.
Der Einstieg gefällt mir schon mal richtig gut, auch wenn ich die Gedanken und Standpunkte des Protagonisten in keinster Weile teilen kann. ^^
Bin gespannt, was mich in dieser Geschichte hier noch erwartet.
Von:  TommyGunArts
2010-10-18T17:36:51+00:00 18.10.2010 19:36
Hu, das gefällt mir doch!
Ich hatte schon lange vor die Geschichte zu lesen und endlich komme ich dazu!
Schon alleine das Thema hat mich neugierig gemacht. Katatonische Starre ist ein sehr gewagtes Thema.
Für das erste Kapitel gefällt es mir schon sehr gut. Du beschreibst schön die Ausgangslage und erzählst, wie die Hauptperson so ist, was sie macht, wie sie lebt, ect. Man bekommt einen kleinen Eindruck, in was für einem "Zustand" diese Person ist. Ein guter Anfang.

Auch das Ende ist wunderbar. Da bekommt man als Leser erst richtig Lust, weiter zu lesen. Ich glaube, dass im weiteren der Gruselfaktor um einiges angehoben wird und hoffe natürlich auch auf viele gute Ideen, die du verarbeitet hast.

lg
schnorzel
Von:  littlpinkunicorn
2010-07-17T19:57:29+00:00 17.07.2010 21:57
der Anfang klingt schon mal interessant
dein Schreibstil ist ziemlich fesselnd und ziemlich bildhaft, find ich. Ich konnte mir alles gut vorstellen.
generell irgendwie Kritik hab ich jetzt noch nicht, genauso wenig wie irgendwelche intelligenten Anmerkungen ^^;
erstmal weiterlesen und schauen~ xD
Von:  Misuri-chan
2010-06-05T12:09:16+00:00 05.06.2010 14:09
Ich kann mich nur noch schwach daran erinnern als ich vor ein paar Jahren "Bloodcage" von dir gelesen habe und ich muss sagen dein Schreibstil fesselt mich nach wie vor. Man kann und will nicht mehr aufhören zu lesen. Bis auf ein paar Rechtschreibfehler war das Kapitel wirklich nahezu perfekt. Vor allem finde ich es gut, welche Themen du ansprichst.
Trennung, Drogen, die Schattenseite im Leben eines Stars. Das find ich total gut gewählt! Solche Themen werden meiner Meinung nach viel zu selten angesprochen und auch wenn man oft in den Medien davon liest, aus der Sicht des Betroffenen wird viel zu selten geschrieben. Ich finde es auch sehr gut, wie du die Charaktere ausgearbeitet hast. :) Ilone und Meg haben einen tollen Charakter, richtig eigensinnig.
Außerdem kann ich mich ziemlich gut in Ilone hineinversetzen...

Ein wenig Kritik habe ich, denn manchmal finde ich gerade bei den Dingen die Ilone sagt die Wortwahl ein wenig komisch...
Zitat: „Weißt du, ich hab echt geglaubt, du wärst derjenige welcher.“
Da finde ich es komisch, weil sie zuerst in Umgangssprache anfängt zu reden und dann so "gehoben" weiterredet, weißt du, was ich meine? *schlecht erklären kann*

Aber alles in allem wirklich ein gelungener Anfang. Besonders den Unfall hast du interessant geschrieben. Die FF kommt auf jeden Fall auf meine Favoritenliste, damit ich nicht vergesse weiter zu lesen ^^

lg
Misu
Von:  freddy
2010-05-30T18:15:59+00:00 30.05.2010 20:15
Toller Anfang. Ich finde es toll, dass du die Gedanken von Meg so gut hinbekommen hast. Es ist alles gut beschrieben, nicht übertrieben, einfach realistisch. Es kommt mit so vor als würde ich das selbst denken, wenn ich deine Geschichte lese.
Meg's Charakter hast du auch gut ausgearbeitet. Es wirkt alles sehr durchdacht und wunderbar geschrieben. Man kann sich richtig hineinversetzten! Klasse!


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