Kampf der Verliebten von Seaglass (Haruka x Seiko & Otani x Risa) ================================================================================ Kapitel 1: ___ Überraschungen ----------------------------- Risa band sich ihre rote Mähne zu zwei geflochtenen Zöpfen zusammen, während sie in den Spiegel starrte und sich fragte, ob sie nicht lieber doch das weiße Top hätte anziehen sollen. Sie kicherte laut, als sie an Otani dachte, der ebenfalls an diesem Tag in den Freizeitpark mitkommen würde. „Ja-ha, das wird toll. Otani und ich waren bislang nur in der Spielhalle.“, ihr Grinsen wurde noch ein Stückchen breiter. Nun war sie fertig. Es hatte eine geschlagene Stunde gedauert, sich so herauszuputzen und nun war sie stolz, weshalb ihr Bruder bereits genervt an der Tür klopfte. „Risa! Es gibt hier Menschen, die gerne heute noch ins Badezimmer würden.“, er seufzte laut und erschrak sich, als Risa die Tür ruckartig öffnete und aus dem Bad in ihr Zimmer verschwand. Auf seinen Kommentar entgegnete sie nichts, dazu war sie viel zu glücklich. Kaum stand sie auf dem Balkon ihres Zimmers, läutete auch schon ihr Handy mit dem typischen „Hey Mann, du hast eine Nachricht.“-Ton, den sie bereits seit Ewigkeiten eingestellt hatte. Sie hastete über ihr Bett und las die Nachricht, die ihr gesendet wurde: Schau mal runter. Bevor sie überhaupt auf den Absender blickte, sah Risa vollkommen verwirrt durch den Raum, öffnete die Türe und inspizierte auf den Flur, aber sie bemerkte nichts Ungewöhnliches. „Bin ich vollkommen bescheuert?“, hatte sie sich leise murmelnd gefragt, bevor ihr Handy abermals läutete und noch eine Nachricht eingetroffen war. Balkon - nicht Flur! Risa drehte ihren Kopf langsam, fast wie in Zeitlupe, zur Seite und blickte wie gebannt auf die Scheibe ihrer Balkontüre. Sie erhob sich, starrte noch einige Sekunden nach draußen, ehe sie wieder auf die kleine Balkonterrasse trat. Eine sanfte Brise wehte in ihr Gesicht und schob eine Strähne vor ihre Nase, weshalb sie unwillkürlich anfing zu niesen. Von unten hörte man ein lautes Lachen, ehe Otani sich zu Wort meldete: „Also bei der dritten Nachricht hätte ich dir eine Wegbeschreibung zum Balkon geschickt.“, er lächelte sie von unten an und Risa merkte, wie sich ihr Körper plötzlich viel leichter anfühlte, als sie in Otanis Gesicht sah. Die Schmetterlinge flatterten durch ihren Bauch, es kribbelte so heftig, dass Risa sich kaum zusammenreißen konnte, denn am liebsten wäre sie vom Balkon gesprungen und ihrem Freund direkt in die Arme gefallen, aber ohne danach mit mehrfachen Knochenbrüchen im Krankenhaus zu landen, wäre dieses Unterfangen nicht möglich gewesen. Risa stieß einen erfreuten Seufzer aus, ihr Mund war ein Stück geöffnet und das Grinsen stahl sich nach wie vor auf ihre Lippen: „Oo-otani! W-was machst du schon h-hier?“ Otani schmunzelte leicht: „Na was wohl? Ich hole dich ab. Oder willst du doch nicht mit den Freizeitpark?!“, er blickte erstaunt zu ihr hoch, seine Hände hatte er in seinen Hosentaschen vergraben. Risa schüttelte den Kopf und verneinte so seine Frage: „Natürlich will ich mit. Sonst wäre ich nicht seit zwei Stunden wach!“, sie verschränkte die Arme und pustete sich die lästige Haarsträhne aus dem Gesicht, „Wartest du noch? Ich schnapp mir nur rasch meine Sachen und komm dann hinunter.“, ehe sie auf eine Reaktion von Otani wartete, war sie bereits wieder in ihrem Zimmer, die Balkontüre hatte sie geschlossen und die Vorhänge so zusammengezogen, sodass die Sonne ihr Zimmer nicht so aufheizte, während sie weg war. Risa blickte noch einmal flüchtig in den Spiegel, denn sie hatte Angst, dass inzwischen etwas verrutscht war. Aber alles passt perfekt, ihre knielange Hose, ihr Tanktop und ihr Haar natürlich auch. Als Risa den Flur entlanglief und die Treppen erreichte, knickte ihr Fuß ein und sie flog die Treppen in einem unfassbaren Tempo hinunter. Da sie auf ihrem Hinterteil landete, war dies der einzige Bereich, der ihr in diesem Moment weh tat. Ihr Bruder kam lachend aus dem Badezimmer, er hatte beinahe die Zahnpasta verschluckt, als er seine Schwester unter den Treppen sitzend und vollkommen verpeilt sah. Das Mädchen ignorierte ihren Bruder einfach und richtete sich wankelmütig wieder auf. Otani wartete doch auf sie! Wieso war sie dann noch hier? Risa schlüpfte gekonnt in ihre Sandalen, murmelte etwas zum Abschied und schloss die Haustür hinter sich. Otani stand nun direkt vor ihr. Beide blickten sich tief in die Augen und abermals machte Risas Herz einen Sprung, als sie ihren Freund sah. „T-tut mir leid, dass ich so lang gebraucht habe“, sie lachte nervös und strich sich eine andere Strähne aus dem Gesicht, die ihr während des Sturzes ins Gesicht gefallen sein musste. Otani blickte sie ernst an. Einige Sekunden vergingen, in denen sich Risa und Otani ernst ansahen. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte, dann als sie einen Fuß vor den anderen setzte und auf ihn zukam, begann Otani loszuprusten. Man merkte, wie sich auf ihrem Gesicht ein großes Fragezeichen bildete. Wieso lachte er? „D-du hast da…“, Risa wurde immer verwirrter, während Otani sich schon auf den Schenkel klopfte und dabei auf sie zeigte, „…einen rießigen roten Fleck auf der Birne.“ Sie wurde rot, so rot, dass man den Fleck nicht mehr genau erkennen können. Das Mädchen drehte sich augenblicklich von ihm weg und legte die Hände erschrocken auf ihre Wangen. Das konnte nicht sein! Schließlich war sie eine Stunde vor dem Spiegel gestanden, nur um gut auszusehen. Und jetzt? Jetzt sah sie merkwürdig aus. Irgendwie. Risa wischte sich hektisch über das Gesicht, als Otani plötzlich wieder ernst wurde und seine Hand auf ihre Schulter legte. „N-nein, dabei…“, Risa fuchtelte immer noch herum, ehe Otani ihre Hand nahm und daran zog. Durch seine regelmäßigen Trainigseinheiten war er ziemlich kräftig geworden. Er lachte kurz ehe er Risa mit seiner kühlen Hand auf die Stelle fasste um sie ein wenig zu kühlen.. Danach ließ er ihre Hand wieder los und setzte sich in Bewegung: „Na los, oder wir kommen zu spät.“ Risa hatte ihn verblüfft angesehen und sich nicht bewegt: „Äähh…“, mehr kam nicht aus ihrem Munde. Otani hatte wieder angefangen sanft zu lächeln und unwillkürlich setzten sich auch Risas Beine in Bewegung, die ihrem Freund folgten. Der Tag war ein wunderschöner, die Sonne schien, aber es waren einige Wolken am Himmel, sodass die Hitze nicht so extrem zu spüren war, wie sie es sonst oft war. Die Straßen waren schon sehr belebt und man merkte, dass die meisten Leute sich jede Abkühlung genehmigten, die es nur gab. Beide, sowohl Risa als auch Otani hatten große Lust darauf, einfach ein Eis essen zu gehen, aber dann würden sie zu spät kommen, was sie im Prinzip schon waren. Als sie dann nach einer langen Busfahrt vor dem Freizeitpark standen, erblickten sie von etwas weiter auch schon Nobuko und Chiharu mit ihren Freunden. „Guten Morgen. Tut uns leid wir…“, Risa und Otani hatten gleichzeitig gesprochen und sahen sich verwirrt an, ehe sie lachten. Nobuko und Chiharu legten beide den Kopf schief, genauso wie Nakao und Suzuki es taten. Eigentlich waren sie die ewigen Verspätungen der beiden bereits gewohnt, aber diese Geste konnten sie sich nicht verkneifen. Danach brachen die 6 auf, um den Freizeitpark zu durchforsten. Einige neue Errungenschaften standen auf dem Plan und alles, wirklich alles, musste von „All Hanshin Kyojin“ ausprobiert werden, was der Park so zu bieten hätte. Und da sich dieser über einige Hektar erstreckten, dauerte es lange, bis sie auch nur die Hälfte der Dinge durch hatten, mit denen sie unbedingt fahren wollten. Am frühen Nachmittag machten die Freunde eine Pause und Risa und Otani stellten sich zu einer Eisdiele, in der sie sich jeweils Eis kaufen wollten. Die anderen warteten draußen, sie hatten sich nur eine Kleinigkeit zu trinken gekauft. Das Pärchen unterhielt sich gerade über die neue Bahn, mit der sie nach dem Eis fahren wollten, als sich jemand vor Risa ruckartig umdrehte und gegen sie rempelte. Otani hatte sie reflexartig gestützt und beide sahen die Person an, wünschten sich im selben Moment aber, dass sie nicht hingesehen hätten. „R-Risa! W-Was machst du denn hier.“, Haruka blickte Risa mit einem erfreuten Gesicht an und stieß Otani „unabsichtlich“ zur Seite, „Ich hab dich ewig nicht mehr gesehen. Wie lang ist es her? 1-2 Wochen? Oh mein Gott, das muss Schicksal sein, dass wir uns hier treffen.“, Risa zog eine Augenbraue hoch und seufzte innerlich. Unter all den Menschen, die sie an diesem Tag dort nicht sehen wollte, musste ausgerechnet Haruka hier sein? Sie versuchte wenigstens zu grinsen, aber was ihr gelang, war einfach nur eine erstarrte Miene, die Harkura fixierte: „J-ja, wir haben uns seit dem Ende des Schuljahres nicht mehr gesehen. Was machst du hier? Bist du alleine hierher gekommen?“ Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf und lachte kurz auf: „Nein, natürlich nicht. Seiko wollte sich den Park unbedingt ansehen und sie… er hat mich gefragt, ob ich mitkomme. Und da ich dich seit letzter Woche anrufe und du aber leider immer genau dann nicht da bist, habe ich ihr mein Wort gegeben. Aber ich kann ihr auch sagen, dass ich kurzzeitig etwas anderes erledigen muss, Risa-chan.“ Sie lachte wieder nervös: „Ne-ein, ich glaube, dass ich dir den Spaß mit ihr besser nicht verderbe. Ihr seid ja schon sehr gute Freunde, was?“, Risa wandte ihren Blick ab und sah zu Otani, der sich beleidigt weggedreht hatte. „Ach was, Risa-chan, ich habe für dich immer Zeit, hörst du? Immer! Und besser ist es ja mit mir etwas zu machen, als mit diesem Mini-Mensch dort.“, er deutete mit einer abfälligen Geste auf Otani. „Hey, nenn mich nie wieder so, du Oberloser.“, gab dieser dann zurück, „Außerdem will dich hier sowieso keiner haben, geh wieder dahin, wo du hingehörst.“ Nach diesem Kommentaren gab es einen minutenlangen Meinungsaustausch zwischen Otani und Haruka, der natürlich von niemand geringerem als von Seiko persönlich unterbrochen wurde. „Otani-kun!“, sie stürzte auf Otani zu und umarmte ihn, ehe sie sich Risa zuwandte, „Risa-chan, du bist auch hier.“, es dauerte nicht lange, bis sowohl Seiko und Risa als auch Otani und Haruka jeweils in Unterhaltung und Diskussion verfielen, bis die genervte Stimme der Eisverkäuferin sie unterbrach. „Wollt ihr nun etwas bestellen oder nicht?“ Augenblicklich verstummten die 4 und blickten die Dame hinter dem Tresen verwirrt an. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis die beiden Streithähne ihre Diskussion weiterführten und Risa und Seiko scheinbar vollkommen ignorierten. Die beiden Mädchen sahen sich gegenseitig an, dann blickte sie nach vorne und bestellten ihr Eis, ohne dabei an die Jungs zu denken, die gar nicht bemerkten, was um sie herum passierte. Noch während Otani den Mund öffnete um einen gemeinen Kommentar abzulassen, wurden sowohl er als auch Haruka von den beiden Mädchen nach draußen geschleppt, um etwas anderes zu unternehmen. Die Stunden verflossen eine nach der anderen und die Freunde waren bereits durch den Großteil des Parks marschiert. Dabei ließ Haruka nichts dem Zufall überlassen. Er nutzte jede Chance, um mit Risa in ein Gespräch zu kommen, aber wirklich Erfolg hatte er damit nicht. Schließlich kamen sie zu den Schießbuden und Seiko stieß einen Freudenschrei aus, bevor sie vollkommen fasziniert und erfreut auf den Thresen zusteuerte und auf eines der Plüschtiere zeigte: „Die Plüschkatze möchte ich haben!“, sie blickte zu Otani und Haruka und lächelte, „Otani-kun? Haruka-san? Biiitte!!“ „Solche Schießbuden bedeuten nur Geldverlust. Wieso sollte ich mein Geld verschwenden?“, maule Otani. „Ich mach es. Für Risa! Ich werde diese Plüschkatze gewinnen.“, Haruka streckte voller Elan seine geballte Faust in die Luft. „Ich möchte die Katze aber gar nicht haben.“, Risa schüttelte den Kopf und deutete neben diese an die Wand, welche behangen war mit allen möglichen Stofftieren. Sie fixierte einen Hasen aus Plüsch, „Genau den will ich.“ Otani wandte sich ab: „Hol ihn dir doch.“ Risa öffnete den Mund um etwas zu entgegnen, aber Haruka kam ihr zuvor: „Du würdest es sowieso nicht schaffen. Überlass das mir, dem Profi.“ Er stieß seinen Rivalen beiseite und rief nach dem Inhaber der Schießbude. Das Spiel begann. Kurz nachdem Haruka den ersten Ball geworfen hatte, wurde auch Otani’s Interesse geweckt. Es dauerte nicht lange, bis ein Konkurrenzkampf zwischen ihnen entstand – abermals. Beide hatten vor zu gewinnen, aber keiner von ihnen dachte auch nur ansatzweise daran aufzugeben. Die gestapelten Dosen fielen in Mengen, die Geldscheine landeten auf dem Thresen und Risa sowie ihre Freundin Seiko kamen sich beiderlei recht ignoriert vor. Die beiden versuchten gar nicht erst, die beiden Widersacher auseinander zu bringen und ehe Risa etwas sagen konnte, zupfte Seiko sanft an ihrem Shirtzipfel. „Was? Wirklich?! Das ist ja…!“, Risa lächelte, „Alles in Ordnung Seiko?“, fragte sie dann vorsichtig und legte den Kopf schief. „Na-ja. Ich weiß, dass er nur Augen für dich hat. Egal was ich mache, er findet mich nur nervig…“ Risa blickte gen Himmel. „Dann musst du kämpfen. Einfach sein Interesse wecken und so. Du weißt ja, wie Jungs sein können.“, Risa schmunzelte leicht, „ Und ich helfe dir! Denn eigentlich ist das einzige, was du machen musst…“, sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Einige Sekunden überlegte sie, ob sie weiter sprechen sollte. „Du… du… du musst einfach deine… Brüste zeigen!“, Risa stockte und schielte zu Seiko. „Du weißt schon, was ich meine, oder?“, Risa versank kurzzeitig in Gedanken und erinnerte sich daran, wie Nobuko ihr immer dazu geraten hatte, Otani auf diese Art und Weise für sich zu gewinnen. Und im Endeffekt hatte es funktioniert, auch wenn Risa letzten Endes kaum noch Hoffnung hatte, jemals Chancen bei ihrem Freund zu haben. Aber wenn man so zurück dachte, war es schon gut so, dass ihre Beziehung sich nicht so reibungslos wie jede andere entwickelt hatte. Wahrscheinlich wäre sie dann nur so eine Eintagsfliege zwischen anderen Beziehungen und sie wären in kürzester Zeit bereits wieder getrennte Wege gegangen. Seiko wirkte aber ganz und gar nicht erleichtert oder aufgemuntert durch Risas Worte. Zwar zwang sie sich ein leichtes Lächeln ab, aber Risa konnte in ihren Augen klar einen Funken Zweifel erkennen. Natürlich war es schwierig für sie, vor allem, weil Haruka ein ziemlich fixierter Mensch war, der es schon seit seiner Kindergartenzeit ein Auge auf Risa geworfen hatte. Und auch wenn diese nie seine Gefühle erwidert hatte und es auch wohl niemals wird, so wusste sie besser als alle anderen, wie stur er manchmal sein konnte. Dazu noch die Tatsache, dass Seiko ja körperlich betrachtet gar kein Mädchen war… Sie klatschte in die Hände. „Herumzusitzen und darauf zu hoffen, dass sich etwas verändert, wird niemanden etwas bringen. Ich werde mit Otani sprechen. Ich weiß, die beiden haben selbst keinen allzu guten Draht zueinander, aber immerhin war er ja sozusagen auch einmal mit dir zusammen… Und er mag dich, auch wenn er weiß, dass du… du weißt schon!“, Risa erhob sich. Sie war entschlossen, ihrer Freundin zu helfen. Auch wenn sie früher einst Rivalinnen waren, so hatte Seiko es immer akzeptiert, dass Risa nun Otanis Freundin war und nicht sie. Ein Plan musste her, das war logisch. Und Risa schwebten da auch bereits einige Ideen im Kopf herum. Nun mussten sie nur noch zu einem funktionierenden Plan umgewandelt und umgesetzt werden. Kapitel 2: ___ Herausforderungen -------------------------------- Phase 1. Aufmerksamkeit erlangen. Risa nickte. Dieser Plan war perfekt. Otani und sein Rivale waren endlich fertig damit, sich gegenseitig die Bälle um die Ohren zu schmeißen, als sie und Seiko sich den Jungen wieder näherten. Beide schienen recht ausgelaugt, aber würde man sie fragen, würde keiner von beiden zugeben, dass er nach der Ballschlacht erschöpft war. Aber ein müder Haruka wäre sicherlich einfacher zu beeindrucken als einer, der noch voller Energie steckte und diese für Risa aufopfern würde. Risa lächelte als Seiko ein wenig rot wurde. Otani blickte verwirrt. Seine Alarmglocken läuteten, denn wenn Risa so lächelte, wie sie es gerade tat, war da ein Plan im Kommen und wer wusste, was sie sich jetzt schon wieder ausgedacht hatte. „Haruka-san. Wusstest du, dass es einen Liebestunnel gibt?“, Seiko schielte zu Risa, die ihren Daumen hob. Gut, genau so musste sie vorgehen. Aber Otani schien die ganze Sache akut in Gefahr zu bringen. „Da stehen massenweise Paare davor. Außerdem würde Risa sowieso mit mir fahren. Mit MIR, ihrem FREUND.“, der Zwerg blickte seinen Rivalen herausfordernd an, so als ob er ihm damit ein weiteres Gefecht ankündigte um die Liebe Risas. Risa aber seufzte nur. So wurde das nichts. Streichten wir also die erste Phase und änderten sie in Phase 0 um. Also die Vorphase zu Phase 1. Und die lautete: Otani und Haruka auseinander bringen. Mit zusammengeknirschten Zähnen, nickte sie Seiko zu, was soviel bedeutete wie „Schnapp dir Haruka, ich kümmere mich schon um Otani“., damit zog sie Otani zur Seite, verschwand mit ihm kurzzeitig im Gewimmel. Was Risa mit ihm vorhatte? „Spinnst du? Seiko gibt gerade ihr Bestes um Haruka von mir abzulenken und du…“, sie kam gar nicht dazu, zu enden, denn er kam ihr zuvor. „Hmm? Wieso will sie Haruka denn von dir abhalten? Ich dachte sie steht auf mich?“ „Naja…“, Risa blickte nachdenklich nach oben. Wie sollte sie ihm das erklären? Otani würde sicherlich ein wenig gekränkt sein, wenn er erfuhr, dass Seiko nun nicht mehr in ihn verschossen war, sondern in… Haruka. „WAAAS? Seit wann? Und wieso ist mir das nicht aufgefallen?“ „Äh. Sie hat es mir erst vorhin gesagt. Deshalb will ich sie ja auch zusammenbringen. Und da stören deine Kommentare. Also…“ „…halt dich zurück, damit Seiko sich in Ruhe an ihn heranmachen kann.“, wie sie es nur immer wieder schafften, so synchron zu sprechen? Risa seufzte und schüttelte den Kopf, „Otani bitte…“ „Schon klar.“, er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lächelte mild, „Wenn Seiko sich verliebt hat. Auch wenn ich finde, sie hat schlechten Geschmack, wenn sie sich ausgerechnet die Pfeife aussucht.“ „Danke.“, auch wenn seine Worte nicht gerade vor Freude trieften oder aber einem das Gefühl vermittelten, er würde gerne mithelfen, die beiden zusammenzubringen, so wusste Risa, würde er den schon seinen Teil dazu beitragen. Und wenn es eben nur darauf hinauslief, dass er seine Klappe hielt. Besser als gar nichts, fand Risa, die sich daraufhin langsam zu Seiko und Haruka zurückbegab, die beide bereits in der Schlange standen und dem Pärchen zuwinkten. „Wir dachten schon, ihr wärt‘ verloren gegangen.“ „Ach, Otani war nur übel und wir haben ihm etwas zu trinken geholt. Aber es geht ihm schon besser. Nicht, Otani?“, Risa blickte mechanisch zu Otani. Wenn er das jetzt vermasselte… „Äh ja. Aber diese Fahrt kann ich mir ja nicht entgehen lassen.“, murmelte er leicht abwesend. Würde man davon ausgehen, dass Seiko eigentlich erleichtert über die Reaktion sein musste, dass Otani nun mit Risa fahren würde und Haruka dementsprechend keine Chance hatte, mit Risa alleine zu sein, dann hatte man in diesem Fall wohl nicht mit Risas pferdeähnlichem Grinsen gerechnet. Dieses übertraf nämlich soweit jegliches Strahlen, Grinsen und Lächeln, das man im gesamten Freizeitpark finden konnte. Aber es sah leider auch „ein wenig“ abartig aus. Wäre Otani diese Seite an Risa nicht schon länger gewohnt, würde er wohl ein wenig beängstigt zurückweichen. Aber weder er noch Haruka schienen das besonders abnormal zu finden, vielleicht ignorierten sie es aber auch geschickt, sodass man es nicht bemerkte. „Also, ich würde mal sagen, ihr könnt zuerst fahren, Otani und ich kommen dann nach.“, Risa piekste Seiko in die Hüfte und schritt ein wenig näher. „Du? Also du weißt ja, was Schritt 2 ist, nicht?“ Seiko nickte langsam, „Phase 2: Die Vorbereitung! Ich muss einfach vorsichtig das Thema ansprechen und sehen, wie er darauf regiert. Wenn er nicht reagiert, dann muss ich Initiative zeigen. Wenn er abgeneigt reagiert, dann ebenfalls. Und wenn er aber Interesse zeigt…“, „Brüste zeigen. Das ist dann Phase 3.“, beendete Risa die Worte ihres Gegenübers, „Und damit darfst du nicht sparen. Du musst ihm zeigen, dass du zwar nicht genau genommen im Körper einer Frau bist, aber dass es nur auf die inneren Werte ankommt! So wird es sicher klappen.“, sie nickte unterstützend und atmete tief durch. Sah man sich die beiden so an, glaubte man fast dass Risa diejenige wäre, die gerade versuchte, das Herz ihres Liebsten zu gewinnen, dabei war es doch Seiko, die sich dafür bemühte. „Du wirst das schaffen. Ich weiß das!“, mit diesen Worten schob sie Seiko ein Stückchen weiter zu Haruka und atmete zufrieden aus. Otani, der sich in der Zwischenzeit mit Haruka unterhalten hatte – ja, man glaubte es kaum, dass die beiden sich für ein paar Minuten nicht zankten – blickte ein wenig misstrauisch zu Risa, ehe er einen Schritt näher zu ihr trat. „Und du glaubst ernsthaft, dass DU ihr helfen kannst? Ich meine, du hast es zwar bei mir letztendlich geschafft, aber immerhin war Seiko ja einmal in mich verliebt und…“ „Ja! Du verstehst davon nichts, weil du ein Junge bist. Vertrau mir, ich weiß, was ich da tue.“, breit grinsend stellte sie fest, dass es nur noch wenige Pärchen vor ihnen standen, „Wir steigen übrigens gleich in das nächste Boot ein, also nach Seiko und Haruka, damit wir vielleicht etwas mithören können.“ Otani klappte der Mund auf und er blickte Risa entgeistert an, „D-Du willst sie belauschen?!“ „Ja. Damit ich Seiko notfalls noch hilfreiche Tipps geben kann. Also notfalls… wenn sie die braucht.“, Risa lächelte verlegen. Man sah Otani genau an, dass er davon nicht viel hielt. Seiko zu helfen war ja eine Sache. Aber wenn sie sich zu sehr einmischte, würde Haruka sicher nicht einfacher zu gewinnen sein. Trotzdem: Selbst wenn Otani seine Zweifel aussprechen würde, Risa würde sie ja doch nur ignorieren. „Viel Spaaaaaaß!“, flötete sie schließlich, als eine leicht verlegene Seiko mit dem gelangweilten Haruka in den Liebestunnel fuhr. Na hoffentlich hatte sie Glück, denn nun konnte Risa nicht mehr mitverfolgen, wie gut sie sich machte. Ein wenig später, vielleicht 10 Minuten nach dem Seiko und Haruka losgefahren waren, saßen auch Risa und Otani in ihrem kleinen Boot und durchfuhren zusammen durch den Liebestunnel. „Ich frage mich wirklich, wie es Seiko geht.“, fragte sich Risa leise und blickte auf die Felsenwand, „Ich wette, sie hat schon längst die Initiative ergriffen und ich weiß natürlich noch überhaupt nichts. Doof, dass diese Boote nur alle 5 Minuten abfahren. Wie lange dauert so eine Fahrt überhaupt?“ „Fünfzehn Minuten stand auf dem Schild.“, seufzend und ein wenig genervt blickte er zu Risa, „Schöner Liebestunnel. Also echt…“, grummelnd stützte er seinen Kopf ab und blickte ins Wasser unter ihnen. Danach kehrte Schweigen ein, man hörte nur das Plätschern des Wassers und spürte das leichte Schaukeln des Boots. „O-Otani?“, Risa hatte ihren Blick gesenkt und ihre Fingerspitzen aneinandergedrückt, „A-Also…“ „Hm?“, er schielte zu ihr und klappte den Mund leicht auf, als er merkte, dass Risa ein wenig rot geworden war, „Was ist? Geht’s dir nicht gut?“ „D-Doch. M-Mir geht’s gut. A-Also so ziemlich.“, sie atmete leise aus und drehte dann ihren Kopf zu Otani, „Aber naja…“, sie wurde mit jeder verstrichenen Sekunde ein wenig verlegener, sodass sie kaum einen ordentlichen Satz herausbekam. Otani hingegen blickte sie genervt an. So wirklich viel „Romantik“ entstand für ihn ja doch nicht. „Na sag schon, der Tunnel ist nicht unendlich lang.“ „Was soll das denn heißen? Hast du etwa darauf gewartet, dass ich etwas sage?“ „Naja, du hast ja nur von Seiko und Haruka gesprochen, da war nicht wirklich Platz, um über uns zu reden.“, er zuckte ein wenig abwesend mit den Schultern und starrte wieder ins Wasser. Irgendwie wirkte er ein wenig enttäuscht, aber Risa merkte das kaum, denn sie geriet durch seine Worte in Rage und sprang auf. „Ich wollte Seiko einfach helfen. Ist das denn so schlimm, dass ich möchte, dass sie auch glücklich ist?! Du bist manchmal so egoistisch, Otani!“, während sie ihn schon fast anschrie (und ihre Stimme dabei unzählige Male im Tunnel wiederhallte), hatte sie ihre Arme wild gestikulierend bewegt, wodurch das Boot ins Wanken geriet. „Pass doch auf, sonst kentern wir noch!“, meinte der Junge noch, aber es war zu spät. Risa verlor das Gleichgewicht und flog nach hinten direkt ins Wasser. Ein lautes Platschgeräusch, dann war Ruhe. „R-Risa?“, fragte er unsicher und wagte es zunächst nicht, nach seiner Freundin zu sehen. Und als er sie dann sah, bereute er es bis zu einem gewissen Grat auch, denn Risa, die im für sie etwa kniehohen Wasser saß, sah einfach komisch aus. Otani biss die Zähne zusammen. Jetzt zu lachen, würde sie nur noch wütender machen, das wusste er. Und dies schien sich auch rasch zu befürworten, als Risa den plötzlichen Schock verkraftet hatte und ein wenig verwirrt zu Otani blickte. Ihre Gedanken konnte man ihr am Gesichtsausdruck ablesen: Was war das? Aber wäre das die einzige Katastrophe, die da auf die beiden wartete, denn zu allem Überfluss bewegte sich das Boot weiter, da es mechanisch betrieben war, dachte es gar nicht daran, anzuhalten und zu warten, bis Risa wieder aufgestiegen war. Davon war aber noch lange nicht die Rede, denn das Mädchen saß weiterhin im Wasser, das ihr in der Position bis zum Hals reichte und grummelte nun leise vor sich hin, während Otani bereits einige Meter weitergefahren war und ein wenig unschlüssig zurück zu ihr blickte. Sollte er jetzt auch ernsthaft abspringen? Kapitel 3: ___ Missverständnisse -------------------------------- Platsch. Das Boot fuhr weiter, nur ohne Insassen. „Dass du auch immer Ärger machen musst. Das kommt davon, wenn du dich so ausschweifend aufregst.“, brummte Otani schließlich, als er neben Risa stand. Das Wasser reichte ihm bis zu den Oberschenkeln – was einmal mehr bewies, wie klein er im Vergleich zu seiner Freundin war. „Komm, wir gehen den Rest einfach zu Fuß.“, erst jetzt bemerkte er, dass sich eine Träne im Augenwinkel Risas gesammelt hatte. Kurzzeitig verzog er das Gesicht, ehe er sie mit aller Kraft auf die Beine zog. „Du bist echt ein Tollpatsch. Hör auf zu weinen.“ „Aber wegen mir bist du jetzt auch nass. Und ich weiß nicht, ob Seiko alleine zurecht kommt und…“ „Ach was. Wenn die beiden zusammenpassen, wird sich schon etwas ergeben. Du solltest dir lieber Gedanken machen, wie wir hier rauskommen. Ich meine… wie willst du es den anderen erklären, dass wir vollkommen durchnässt sind?“, Otani seufzte abermals, ehe er Risa’s Hand ergriff und vor ihr durch das Wasser watete. Er hatte sich das Lachen über die chronische Ungeschicktheit seiner Freundin zwar verkniffen, aber das hieß nicht, dass er nicht wenigstens ein bisschen darüber erheitert war. So schmunzelte er schwach und zog weiter. „W-Was? Ihr seid… ins Wasser gefallen?“, Haruka lachte. „War ja zu erwarten, dass sich so ein Gartenzwerg wie du einfach nicht in einem Boot halten kann. Dabei hättest du nur sitzen müssen – nicht mehr und nicht weniger!“, ein Kopfschütteln, ehe er seine Jacke auszog und sie Risa reichte, „Ist dir kalt, Risa-chan? Du kannst dir gerne meine Jacke leihen, wenn du willst.“, er grinste. Risas Blick fiel auf die Jacke und für einen Moment stand sie in einem Zwist. Einerseits wurde es langsam dunkel und sie würde sicherlich frieren, wenn sie patschnass herumlaufen würde – selbst wenn sie gerade Sommer hatten, so konnte es abends recht kühl und windig werden – aber andererseits wollte sie Seikos Chancen nicht vermasseln, indem sie Haruka praktisch aus der Hand fraß. „Ach, es geht schon. Ist doch warm.“, es schien, als sei Seiko sichtlich erleichtert über diese Entscheidung, wenngleich Risa sie später sicherlich noch bereuen würde. Und das tat sie auch bald. Nachdem die Sonne langsam untergegangen war und der Freizeitpark nur noch durch die vielen Lichter der Stände und Laternen erleuchtet wurde, fröstelte es Risa leicht. Es kostete einiges an Beherrschung, es nicht zuzugeben, denn das letzte, was sie wollte, war ihrer Freundin die Chance zu verderben. So hielt sie ein wenig Abstand von Haruka und verschränkte die Arme, was aber nicht besonders viel brachte. „Langsam sollten wir gehen. Es sind zwar derzeit Ferien, aber es ist schon spät.“, meldete sich schließlich Otani zu Wort. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und hatte zu Risa geschielt. „J-Ja, also…“ „Du hast recht. Wir sind sowieso fast durch, nicht Risa-chan?“, Seikos schwaches Lächeln ließ sie nur vermuten, wie es im Liebestunnel zwischen den beiden gelaufen war. Sie lächelte mindestens genauso schwach zurück und nickte. „Was? Aber es ist doch noch gar nicht so spät? Ihr wollt wirklich schon gehen? Risa-chan, du auch?“, schaltete sich Haruka ein. „Ehm. Ja, wenn Otani geht, dann muss ich wohl oder übel mit…“, sie schielte zur Seite, „Er wollte mich nachhause begleiten, nicht Otani-kun?“ „Kannst du nicht alleine nachhause gehen? So weit ist es nun auch wieder nicht und ich hab‘ dich doch schon abgeholt.“, er zog eine Augenbraue hoch und zuckte abwesend mit den Schultern. „Ich meine, ist ja doch ein Stück bis zu dir, wenn ich erst zu dir und dann erst zu mir gehe, oder? Außerdem wollte ich noch etwas erledigen.“ In Risa wuchs die Wut über ihren Freund. Nicht nur, dass er Seiko erst im Weg gestanden war, ihren Plan in die Tat umzusetzen, jetzt wollte er sie nicht einmal nachhause bringen? Sie schnaubte und wandte sich ab. „Natürlich. Du bist ja hochbeschäftigt. Wie konnte ich das nur vergessen. Du wolltest ja eigentlich heute auch gar nicht mitkommen. Tut mir wahnsinnig leid, dass ich deine Zeit so arg beanspruche.“, wie gut, dass sie die Arme nach wie vor verschränkt hatte – nun passte diese Haltung nämlich wie die Faust aufs Auge. „Also dann, Haruka, Seiko. Wir sehen uns, gute Nacht.“, damit zog Risa ab und verschwand zwischen der Menschenmenge, die sich am Platz versammelt hatte. Seit wann war Otani nur so merkwürdig – nein, fast schon so abweisend? Waren diese Zeiten nicht eigentlich bereits vorbei…? Nach einigen Minuten erreichte das Mädchen den Ausgang des Freizeitparks und betrat die Straße. Es war fast schon erschreckend, wie ruhig es auf einmal wurde, als sie sich auf dem Heimweg befand. Und doch schwirrten ihr vielerlei Gedanken im Kopf herum – nicht zuletzt Seikos Problem. Vielleicht hatte Otani recht damit und sie war gar keine so besonders gute Hilfe in dieser Angelegenheit? Ein leises Seufzen entfuhr ihr, als sie schließlich ihr Zimmer erreichte und kraftlos in ihr Bett fiel. Der Tag hatte sie ziemlich ausgelaugt, sodass sie schlafen ging, nachdem sie eine Dusche genommen hatte. Irgendwann frühmorgens klingelte Risas Handy, gerade als sie in einer innigen Umarmung mit ihrem Kissen war und bereits mit einem Bein aus dem Bett hing. Ihr Klingelton ließ sie so sehr aufschrecken, dass zu Boden fiel und ihr Gesicht ein plötzlicher Schmerz durchzuckte. „AUA!“, jammerte sie und richtete sich mühsam auf. Erst nach einigen Momenten, in denen sie sich ihre Wange gerieben hatte, griff sie zum Handy und las die SMS, die sie bekommen hatte. „Hast du heute Zeit? Seiko“ Seiko. Gerade hatte sie die Sache im Traum halbwegs vergessen, wurde sie auch schon wieder daran erinnert. Sie dachte kurz nach, ehe sie eine Antwort-SMS tippte. „Klar. Wollen wir uns in der Stadt treffen? Risa“. Es war also recht schnell beschlossene Sache, dass sich die beiden bereits einige Stunden später im nahegelegenen Park trafen. Als Risa den besagten Ort erreichte, saß Seiko bereits auf einer Bank. Sie wirkte verunsichert, hatte sich an ihrem Rock festgekrallt und blickte betrübt auf ihre Hände hinab. Es tat Risa fast weh, sie so zu sehen, denn all das verhieß sicherlich nichts Gutes. „S-Seiko.“, grüßte sie ihre Freundin schließlich, blieb aber zunächst noch vor der Bank stehen, „Alles in... Ordnung?“, natürlich ahnte sie, dass sich diese Frage offenbar von selbst erledigte, aber wirklich mehr wusste sie nicht zu sagen. Seiko sah erschrocken auf und blickte in Risas Gesicht. Auch wenn die Tränen vielleicht bereits getrocknet waren, so wettete Risa, dass sie geweint hatte. „Darf ich mich setzen?“, fragte sie vorsichtig. Die Antwort war ein schwaches Nicken, woraufhin sie Platz nahm. „Was ist passiert? Ich meine… gestern.“ „Risa-chan. Es ist schrecklich. Ich glaube, er denkt, dass ich widerlich bin.“ „Was?! Wieso sollte er denn so etwas denken? Ihr seid doch bislang immer gut miteinander ausgekommen… Zumindest kam mir das so vor.“ „Ja, aber wie er sich verhalten hat. Ich… ich glaube, er kann nichts für mich empfinden, weil er dauernd nur von dir spricht.“, sie hob kurzzeitig den Blick und biss sich nervös auf die Lippen. „Gestern im Tunnel…“ „Was ist passiert? Hast du meinen Ratschlag befolgt?“ „Ja. Wir saßen ziemlich nah beieinander. Und ich habe auch versucht, das Thema anzuschneiden, aber… es ging nicht. Er hat dauernd nach hinten geschielt und gemeint, er fände es unverschämt, dass er hier mit mir fahren muss, während du und Otani zusammen Spaß habt. Er wäre beinahe sogar aus dem Boot gesprungen, als er ein Platschen gehört hat, aber ich konnte ihn gerade noch festhalten, damit er es nicht wirklich macht. Und dann hat er gemeint, ich soll das lassen, sonst würde man noch denken, wir wären ein Pärchen.“, sie seufzte und lehnte sich zurück, „Vielleicht sollte ich die Sache einfach lassen. Ich meine, er ist hoffnungslos verliebt. Er wird nicht aufhören dich zu lieben. Vor allem nicht wegen mir.“ Risa blickte Seiko ein wenig geschockt an. Die Bitterkeit in ihren Worten war so klar herauszuhören, dass sie sich für einen Moment dafür hasste, dass ausgerechnet sie der Grund war, wieso aus den beiden erstmals nichts zu werden schien. Auch ihr Blick wurde ein wenig betrübt. Was sollte sie tun? Egal wie viele Körbe sie bislang dem verliebten Narren gegeben hatte, es hatte ja doch nie wirklich bezweckt, dass er aufgab. Im Gegenteil, er nahm es mehr als Ansporn, es noch härter zu versuchen. Vielleicht war ja genau das der Schlüssel…? „Seiko…“, meinte sie schließlich und wandte sich zu ihr um, ergriff ihre Hände und blickte ihr ins Gesicht, „Du darfst nicht aufgeben! Haruka wird schon merken, was du für ihn empfindest. Auch wenn er vielleicht gerade abweisend reagiert oder dir nicht zuhört – du musst es weiter versuchen. Du musst ihm klar machen, wie ernst es dir damit ist. Weißt du, damals als Otani mich das erste Mal hat abgewiesen, war ich so niedergeschlagen, dass ich die Sache einfach verdrängen wollte. Ich bin sogar so weit gegangen, ihm zu sagen, dass er so tun soll, als sei das nie passiert. Aber das ist nicht die Lösung! Du musst dranbleiben.“, sie zwang sich zu einem schwachen Lächeln, und offenbar zeigten ihre Worte zumindest ein bisschen Wirkung, denn Seikos Mundwinkel hoben sich ebenso ein bisschen. „Du hast recht, Risa-chan! Ich war es doch immerhin, die dich damals dazu ermutigt hat, nicht aufzugeben. Ich muss dranbleiben.“, stimmte sie schließlich zu. „Haruka hat doch bald Geburtstag, oder nicht? Am besten suchen wir ein nettes Geschenk für ihn. Ich bin mir sicher, dass das der erste gelungene Schritt wäre. Aber weißt du was…? Mir ist noch etwas Wichtiges eingefallen, was ich erledigen muss, deshalb muss ich auch schon wieder los.“, wild entschlossen erhob sich Risa wieder. Diese Idee war einfach die einzige Möglichkeit, die ihr noch blieb. Sie musste mit Haruka sprechen. Sie musste ihm klarmachen, dass er weder sich noch Seiko einen Gefallen tat, wenn er weiterhin Risa nachschwärmte. Seiko blickte ein wenig verwirrt zu Risa auf, die gedankenverloren in den blauen Himmel starrte. Sie musste das durchziehen. Am besten heute noch. „Risa-chan? Alles in Ordnung bei dir?“, die Blondine legte den Kopf schief. „Eh, ja, klar. Ich muss mich nur beeilen, sonst schaffe ich es nicht mehr rechtzeitig. Halt mich auf dem Laufenden, falls es noch irgendwelche wichtigen Ereignisse gibt, okay?“ „Okay!“, meinte sie und nickte erfreut, ehe sich die Wege der zwei Freundinnen auch schon schieden. Risa hatte sich ziemlich beeilt, außer Reichweite zu kommen, um anschließend in Richtung Harukas Haus zu gehen. Seit er wieder in Japan war, hatte Risa ihn kein einziges Mal besucht, lediglich seine Adresse hatte sie sich im Handy notiert, weshalb sie ungewöhnlich lange brauchte, um das Haus auch zu finden. Okay Risa. Du wirst jetzt einfach klingeln und hoffen, dass Haruka rangeht. Falls nicht, stellst du dich als eine Schulfreundin vor und fragst nach, ob er zuhause ist. Ganz einfach. Das ist alles für Seiko! Sie soll schließlich auch glücklich sein., Risa seufzte und starrte die Türklingel einen kurzen Moment an, ehe sie drückte und wartete. Und wartete… „Hmm, scheint wohl niemand zuhause zu sein.“, murmelte sie und seufzte ein wenig enttäuscht. War ihre Sorge also vollkommen umsonst gewesen. Vor allem aber neigte sich der Tag langsam dem Ende zu – es war später Nachmittag. Viel Zeit blieb ihr also nicht mehr. „Dann eben morgen.“, beschloss sie schließlich und machte sich mit einem langen Gesicht auf den Weg nachhause. Als sie etwa zwanzig Minuten später die Straße überquerte, hörte sie eine sehr bekannte Stimme. „Risa-chan!“, Haruka kam angelaufen und winkte ihr von der Ferne zu, „Was machst du denn hier? Ich dachte, du wohnst in der anderen Richtung?“ „Eh… ja, tu ich auch, aber ich wollte dich eigentlich… besuchen.“ „Aaw! Du wolltest mich extra besuchen kommen? Tut mir leid, ich war in der Stadt mit meinen Freundinnen.“ „Freundinnen?“, achja, da war doch noch etwas. Haruka hatte sich einen ganzen Harem an Mädels geangelt, um möglichst viele Erfahrungen zu sammeln und Risa gerecht zu werden. Sie seufzte und legte die Stirn in Falten, „Ehm, wie auch immer. Hast du Zeit?“ „Für dich immer!“ Höchstwahrscheinlich war diese Situation die einzige, wo es Risa sogar sehr recht war, dass er immer für sie Zeit hatte. Sie nickte knapp und die beiden beschlossen einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Dennoch rückte Risa nicht sofort mit ihrem Anliegen heraus, zunächst hieß es Smalltalk betreiben um die Situation möglichst aufzulockern (was bei Haruka ja kaum eine Herausforderung war, aber Risa hatte einfach selbst noch keine Ahnung, wie sie mit dem Thema anfangen sollte). Schließlich färbte sich der Himmel bereits rötlich, als die beiden – beziehungsweise Risa wieder einmal an diesem Tag – den Stadtpark erreichten. Sie wäre niemals auf die Idee gekommen, nochmals in Richtung Park zu laufen, aber Haruka hatte den Einfall gehabt und Risa hätte ihm schwer erklären können, wieso sie dort nicht nochmal hinwollte. Also hatte sie sich einfach ihm angepasst und war ihm gefolgt, hatte sich aber nervös umgesehen und inständig gehofft, nicht auf Seiko zu treffen. Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Risa hatte ihren Blick zu Boden gerichtet und war auf der Suche nach den richtigen Worten. Wie sollte sie bloß anfangen? „Was ist los? Du siehst schon die ganze Zeit so bedrückt aus.“ „Ehm… nunja, ich… bin derzeit ziemlich nachdenklich.“, sie hätte sich selbst für diesen total misslungenen Themenbeginn schlagen können. Trotzdem biss sie die Zähne zusammen und blieb stehen. Ihre Miene war ernst und sie hatte den Kopf angehoben und zu Haruka geblickt, der ebenso stehen geblieben war und verwundert zurückblickte. Man merkte den plötzlichen Wechsel der Atmosphäre, die Anspannung, die sich auszubreiten schien. Risa ballte die Hand zu einer Faust zusammen, ehe sie den Mund öffnete und nach kurzem Zögern begann. „Weißt du, irgendwie kommt es mir so vor, als ob du… hmm, dich seit damals ziemlich verändert hast.“ „Natürlich. Ich wollte auch nicht mehr die Heulsuse von früher sein. Ich will gut genug für dich sein und dafür musste ich mich verändern. Was ist damit?“ „Naja, es kommt mir so vor, als ob du dich dauernd mit Mädchen triffst, weil du dich ablenken willst. Du wirkst so engstirnig. Hast du nicht einmal daran gedacht, nur… eine Freundin zu haben?“ Sein zunächst verwunderter Blick wurde rasch von einem amüsierten abgelöst. Schien er zu ahnen, was sie ihm damit sagen wollte? Wusste er vielleicht schon längst, dass Seiko…? Sie senkte kurz den Blick und zwang sich dazu, ein Seufzen zu unterdrücken. „Ich meine, du hast deinen Spaß, aber denkst du nicht, dass du dadurch auch Menschen verletzt?“ Er schwieg, trat lediglich einige Schritte näher, sodass er nun direkt vor Risa stand. Sie blickte zu ihm hoch – etwas, das sie recht selten tat, wenn man bedachte, wie groß sie eigentlich war im Vergleich zu vielen anderen. „Wen denn?“, flüsterte er schließlich und blickte sie direkt an. Risa schluckte. Irgendwie war ihr seine Nähe ein wenig unangenehm, weshalb sie instinktiv einen Schritt zurücktrat. Sie hob die Stimme und wollte auf seine Frage antworten, aber es war im Prinzip bereits zu spät. Haruka hatte die Zeichen offenbar vollkommen falsch gedeutet und war einen Schritt auf Risa zugegangen, ehe er seine Hand an ihre Hüfte legte und sie zu sich zog, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu drücken. Vollkommen überfordert riss diese die Augen auf und drückte sich von ihrem Sandkastenfreund weg. Gerade öffnete sie den Mund, um einen lautstarken Protest samt Schimpfparolen auszulassen, da spürte sie eine überaus starke negative Aura direkt hinter sich. „Deshalb bist du also nicht erreichbar.“, brummte Otani. Er stand wie angewurzelt nur ein paar Meter entfernt. Risa wandte sich erschrocken um und wäre beinahe dabei gestolpert, konnte sich aber gerade noch auf den Beinen halten. „O-Otani, das ist nicht so…“, versuchte sie zu erklären, aber er schnitt ihr das Wort ab. „Schon gut. War irgendwie klar, dass du dir jemanden suchen würdest, der deiner Größe entspricht. Nach dem Midgetfetisch sind jetzt wohl die Größeren dran, was?“, seine Worte trieften nur so vor Sarkasmus und doch konnte man klar die Enttäuschung aus ihnen hören. „Und was ist mit dir? Hast wohl gewartet, bis du mit ihr alleine bist, damit du dich an sie ranmachen kannst, was? Jetzt hast du ja, was du wolltest.“, damit wandte er sich um. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ließ er sie einfach stehen. Risa, der der plötzliche Schock den Atem geraubt hatte und sie buchstäblich erstarren ließ, blickte ihm einige Sekunden nach. „Otani, warte! Du verstehst das falsch, wir haben nur…“, wollte sie im noch nachrufen, aber er ignorierte ihre Worte, lief weiter, als hätte er nichts gehört. Sie setzte an, um ihm nachzulaufen, wurde aber von Haruka zurückgehalten. „Der Kerl hat dich sowieso nicht verdient. Ich meine, sieh ihn dir doch an. Das ist ein Zwerg, ein Dreikäsehoch. Du brauchst jemanden, der dich beschützen kann, nicht so… etwas. Das hat er offenbar auch erkannt, sonst würde er jetzt nicht davonlaufen.“ Watsch! Ein Schwarm Tauben flatterte weg, als Risa Haruka eine kräftige Ohrfeige verpasste. „Sag mal geht’s noch? Wie kannst du daran Spaß haben, anderen das Leben schwer zu machen, anstatt einfach die Augen aufzumachen und ein wenig das Hirn einzuschalten?“, sie schnaubte, „Ich kann Seiko wirklich nicht verstehen. Wie kann sie nur Gefühle für so jemanden wie dich haben?“ Oh Gott. Verdammt, das sollte er doch gar nicht wissen! „Ehm, ich meine… Ach vergiss es. Ich gehe. Vielleicht kann ich Otani noch einholen.“, Nein, ich MUSS Otani einholen und die Sache klären! Das letzte, was ich jetzt will, ist dass so eine Sache zwischen uns steht. Dennoch blieb ihr Versuch ihn einzuholen erfolglos, denn sie hatte keinerlei Ahnung, in welche Richtung er gelaufen war. So stand sie am Eingang des Parks, keuchend und vorne übergebeugt. „Verdammt. Er war zu schnell.“, stieß sie hervor und sank auf die Knie, den Blick zu Boden gerichtet. „Wieso können die Dinge nicht einfach so laufen, wie sie laufen sollen? Wieso müssen dauernd Missverständnisse aufkommen? Wieso…?“, Risa schluckte und unterdrückte eine aufkommende Träne. Hatte Haruka mit dieser Aktion wirklich alles kaputt gemacht? Kapitel 4: ___ Chancen ---------------------- Die Tage nach diesem Vorfall waren nur sehr schleppend vergangen. Risa hatte sich erst einmal krank gemeldet, nachdem Otani sie vollkommen ignoriert hatte. Wieso war er nur manchmal so stur? Er konnte ihr wenigstens eine Chance geben, das Missverständnis zu klären, stattdessen drückte er sie weg, wenn sie anrief, antwortete auf ihre SMS nicht und wenn sie den Mut zusammennahm, um ihn zu besuchen und direkt darauf anzusprechen, dann war er nicht zuhause. Es war zum Verrücktwerden! So hatte sich das Mädchen komplett zurückgezogen, war nächtelang vor ihrer Spielkonsole gehangen und hatte den gutaussehenden Kerl im Fernseher sehnsüchtig angestarrt. Der wies sie jedenfalls nicht einfach so ohne weiteren Kommentar ab! Zunächst war es Zorn über sich selbst, den sie nicht zuletzt an ihrer Familie ausließ. Dann wurde sie irgendwann schweigsamer, verzog sich in ihr Zimmer und aß kaum noch. So vergingen Tage, in denen Risa einfach nur ein Wrack war. Nicht einmal Chiharu konnte sie ein wenig aufmuntern, die sie öfters besuchte oder Nobuko, mit der sie telefonierte, und ihr ihre Unterstützung in der Angelegenheit angeboten hatten. Nichts hatte Risa angenommen, sie hatte nur geschwiegen, was wohl die allergrößte Strafe für die anderen war, schließlich war das Mädchen sonst nie so wortkarg. Und dann kam das Wochenende. Eigentlich hatte sie vor auch in jenen Tagen zuhause zu bleiben und zu schmollen, sich in ihrem Zimmer zu vergraben und darauf zu hoffen, dass sich die Dinge doch nicht irgendwie von alleine einrenkten, aber es kam doch anders als erwartet. Jemand klingelte. „Risa, mach mal bitte auf, ich telefoniere gerade!“, meinte ihr Bruder, der neben ihr die einzige Person war, die sich derzeit zuhause befand. Ihre Eltern waren für ein paar Tage verreist und kämen erst in einer Woche zurück. Grummelnd erhob sich Risa also aus ihrem Kissen und ließ ihren Joystick achtlos auf das Kissen fallen, ehe sie die Treppen hinabging in Richtung Türe. Sie sah nicht gerade bezaubernd an jenem Tag aus – vielmehr sah man ihr genau an, wie sie sich fühlte. Ihre Haare waren ungekämmt und achtlos zu einem Dutt zusammengeknöpft, sie trug ein Schlabbershirt samt dazu passender Hose, ihre Nägel waren lackiert, doch die Farbe war schon zum größten Teil abgeblättert. So riss sie leicht verärgert die Türe auf und blickte in ein bekanntes Gesicht. „H-Haruka? W-Was machst du hier?“, fragte sie überrumpelt und blickte ihren Sandkastenfreund an. Dann aber fasste sie sich wieder und verzog das Gesicht, „Willst du noch eine Beziehung kaputt machen? Meine ist ja bereits ruiniert.“, maulte sie und verschränkte die Arme. Ja, sie war sauer, aber andererseits konnte sie Haruka auch kaum Vorwürfe machen, schließlich hatte sie sich nicht besonders geschickt an jenem Tag angestellt. Immer und immer wieder war sie nachts die Szenerie durchgegangen, die zu ihrem plötzlichen Beziehungsaus mit Otani geführt hatte und immer merkte sie, dass sie einfach die falschen Worte verwendet hatte, die falschen Andeutungen gemacht hatte und einfach… selbst schuld war. Und doch gefiel ihr das nicht. Nein, es gefiel ihr ganz und gar nicht. „Risa-chan… Ich ehm, ich wollte mich für letztens entschuldigen. Das war dumm von mir, dich zu küssen.“, er sah betroffen aus und das Mädchen merkte augenblicklich, dass seine Entschuldigung wohl aufrichtig gemeint war. „Ich würde alles tun, um es wieder gut zu machen! Wirklich… Habt ihr euch denn in der Zwischenzeit wieder vertragen? Seiko meinte, dass du ziemlich niedergeschlagen bist, seit dem Tag. Aber ich hab‘ ihr nicht erzählt, was passiert ist.“ „Schon gut. Ich hab mich wohl ziemlich missverständlich ausgedrückt.“, sie seufzte kopfschüttelnd, „Jedenfalls scheint es aus zu sein…“, das Mädchen senkte ihren Blick und urplötzlich stieg ein Schwall in ihr hoch. Trauer, eine geballte Ladung Trauer, die sich wie eine Welle nach oben ausbreitete und ihr die Tränen in die Augen trieb. Und doch wollte sie stark bleiben und sich der Trauer nicht hingeben, das hatte sie doch die letzten Nächte bereits zahlreich getan. Immer und immer wieder. Doch es war zu spät. Die erste Träne fiel und Risa konnte es nicht mehr zurückhalten. Sie fing an zu weinen, hielt sich aber den Handrücken vor, um sich die Tränen sogleich wegzuwischen. „R-Risa-chan…“, er trat näher und legte seine Arme auf ihre Schultern, zog sie ein Stückchen näher. „Hö?“, kam es plötzlich von Risa und sie blickte auf, „H-Haruka?? W-Wieso weinst DU denn jetzt auch?“ „Weil das so traurig ist. Ich kann dich nicht so leiden sehen. Das ist so traurig.“, er schniefte und brachte Risa damit unwillentlich zum Lachen. Ihre Augen tränten noch und so sah es ein wenig merkwürdig aus, wie sie dastand, halb lachend, halb weinend. „Idiot. Vom Weinen wird’s doch auch nicht besser.“ „A-Aber… dann lass mich wenigstens etwas unternehmen, damit es dir besser geht.“ „Was willst du denn tun?“ „Ich rede mit Otani.“ Risa trat einen Schritt zurück und blickte Haruka verwundert an. „Ich glaube, das ist keine gute Idee.“, meinte sie fast tonlos, „Der letzte, mit dem er reden wollte, wärst du. Vor allem wird er dir schon gar nicht antworten, wenn er mir nicht antwortet. Ich schätze, ich sollte die Sache lieber schnell vergessen. Es war eine schöne Zeit, aber… ich kann ihn ja schwer dazu zwingen, mit mir zusammen zu sein, oder?“ Er wusste genau, was Risa meinte und nickte nur schweigend, während er sich über das Gesicht wischte und wieder der Alte war. „Lass gut sein, ja?“ „Wenn du meinst.“, brummte er nur. Eine unnatürlich lange Pause entstand daraufhin, bis Risa zur Türe schielte und ihrem Sandkastenfreund auf die Schultern klopfte. „Also, wenn das alles war dann…“ „Ja, ich muss dann sowieso mal wieder. Pass auf dich auf Risa-chan. Und… geh wieder arbeiten. Seiko und ich vermissen dich im Restaurant.“, er lächelte, winkte ihr zum Abschied zu und verschwand dann nach wenigen Minuten. Zurück blieb ein ratloses Mädchen, das unwillentlich an irgendeinen beliebigen Fleck starrte und nachdachte; über ihre zerstörte Beziehung, darüber, was sie falsch gemacht hatte. Denn auch, wenn Haruka sie aufmuntern konnte, so hatte es nicht sehr lange angehalten. Stattdessen merkte sie, wie sich ihr Magen wieder zusammenzog und sich wieder Tränen in ihren Augen sammelten. * * * * * * * Bereits am nächsten Tag hatte Risa wohl oder übel beschlossen, wieder zur Arbeit zu gehen. Sie wusste, dass sie nicht ewig zuhause Trübsal blasen konnte und es sie vielleicht sogar ablenken würde, wenn sie unter Leute kam. Dennoch wirkte das Mädchen nach wie vor angeschlagen, so hing sie die meisten Zeit am Tresen und seufzte. „Was ist los, Risa? Du siehst schon den ganzen Tag so niedergeschlagen aus.“, Kohori legte den Kopf schief und blieb vor ihr stehen. Es war bereits Feierabend, weshalb er einen Stapel benutzter Teller in den Händen hielt, doch statt diesen in der Küche abzustellen, wich er Risa erstmals nicht von der Seite. Seit dem Vorfall damals, bei dem die beiden an einer ziemlich privaten Vorstellung von Umibozu waren, hatte er keinen Versuch mehr unternommen, sich an Risa ranzumachen. Es war für beide in Ordnung, wenn sie Freunde blieben: Ihre Leidenschaft für den Rapper teilten sie ja nach wie vor noch. Doch, ob der schwarzhaarige junge nicht doch noch irgendwo Gefühle für sie hatte…? Risa seufzte, schüttelte den Kopf und richtete sich etwas auf. „Eh, nein, es ist alles in Ordnung.“, sie lächelte schwach, ehe sie nahtlos fortfuhr, „Soll ich den Laden heute schließen? Ich hab sowieso nichts vor.“ Kohori nickte nur schwach. „Wenns dir nichts ausmacht. Bist du sicher, dass ich das nicht lieber machen sollte? Oder dass ich bei dir bleiben soll?“ „Ach was. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich den Laden schließe. Du kannst ruhig gehen. Ich erledige den Rest schon.“ „Okay. Aber wenn du Hilfe brauchst, ruf mich an, okay?“ „Mach ich.“, Risa hob die Hand und winkte ihrem Freund zu, als dieser den Laden verließ und sie alleine ließ. Ihre Chefin war ebenso bereits gegangen, sodass sie nun alleine war. Ein Seufzen entfuhr ihr, als sie aus dem Fenster blickte. Wieder hatte sie an Otani denken müssen, und immer noch tat es ihr leid, dass es zu all den Missverständnissen gekommen war, vor allem aber, dass sie Seiko nicht einmal helfen konnte. „Dann werd ich mal.“, murmelte sie, als sie die Kasse schloss, die übrigen Teller abwaschte und sich schließlich umzog. Gerade öffnete sie die Türe und wollte hinaus an die frische Luft treten, da hielt sie inne und starrte nach vorne. „O-Otani?“, zischte sie geschockt und ließ dabei den Mund aufgeklappt. „W-Was machst du hier? Ich dachte…“, sie hielt inne und blickte zu Boden. War das nicht das, was sie wollte? Das, was sie sich gewünscht hatte? Eine Chance, ihm alles zu erklären, um die Missverständnisse aus dem Weg zu räumen? „Otani, es war nicht so wie du…“ „Spar dir die Erklärungen. Ist schon okay.“ Ein wenig überfordert legte sie den Kopf zur Seite und starrte ihn unschlüssig an. „Hö?“ „Kommst du jetzt?“ Ihr war überhaupt nicht klar, was all das zu bedeuten hatte. Erst ließ er ihr keine Chance, die Situation zu klären und jetzt wollte er keine Erklärung mehr? „J-Ja. Aber, wieso? Ich meine, bist du nicht sauer?“ „Nicht mehr. Ich verzeih dir.“, er verstaute die Hände in den Hosentaschen und blickte geradeaus. „WAS?!“, wieder klappte ihr Mund auf, diesmal vor Entsetzen und sie blieb stehen, „Aber… wieso? Ich meine, du hattest doch… und dann hast du mir nicht mehr… und ich wollte aber… und dann…“, sie stockte und schüttelte die Kopf verwirrt. Das machte keinen Sinn. Oh nein, das machte gar keinen Sinn! Schließlich klappte sie aber ihren Mund zu und schwieg. Ich frage mich wirklich, was wohl passiert ist, dass er seine Meinung so schnell geändert hat. Aber… höchstwahrscheinlich sollte ich einfach froh darüber sein und nicht nachhaken. Wenn er nicht darüber reden will, dann… „Sagen wir, ich hab nachgedacht.“ Nachgedacht? Risa zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme. „Nachgedacht, hmm? Seit wann denkst du denn nach?“, sie kniff die Augen ein wenig zusammen und blickte ihren Freund an. „W-Was soll das denn heißen?! Nur weil du nicht nachdenken kannst, solltest du das nicht auch von anderen vermuten!“, gab er schnippisch zurück. Risa lachte. Er war wieder Alte. Und auch Otani hatte ein breites Schmunzeln aufgesetzt. Ja, es war offenbar alles wieder beim Alten, wenngleich Risa noch nicht ganz glaubte, dass dieser Streit nun plötzlich aus der Welt war. Für den Moment jedoch wollte sie nicht weiter darüber nachdenken und so machten sich die zwei auf den Heimweg: Otani hatte vorgeschlagen, Risa bis vor die Haustüre zu begleiten. „Was ist eigentlich mit Seiko?“ „Mit Seiko?“, das Mädchen legte ihre Stirn in Falten, „Ich weiß nicht, irgendwie habe ich die letzten Tage nichts von ihr gehört. Entweder sie hat die Sache aufgegeben oder aber sie hatte einfach keine Zeit, um sich Gedanken zu machen.“ „Hmm, ich hab‘ sie letztens in der Stadt gesehen. Sie hat ein Geschenk gekauft.“ „Ein Geschenk?“ „Ja, für Haruka.“ „Achja! Gott, das hatte ich ja komplett vergessen. Haruka hat doch bald Geburtstag. Hast du gesehen, was es war?“ „Nein, kein Plan. Es war bereits verpackt und Seiko sah ziemlich glücklich aus. Die Frage ist nur, ob sie wirklich ein gutes Händchen für solche Geschenke hat. Ich meine… also… Immerhin ist sie… er… doch.“ „Otani! Hör auf so über sie zu reden. Seiko IST ein Mädchen, selbst wenn… naja, also wenn… du weißt schon!“, sie seufzte schwer und richtete den Blick nach vorne, „Aber schon bewundernswert, wie hartnäckig sie ist. Ich meine, bislang lief ja eigentlich nichts von dem, was sie unternommen hat, besonders gut. Und dann noch die Kussgeschichte… Moment Mal. Sie weiß doch hoffentlich nichts davon, oder?“ „Dummkopf. Wieso sollte ich ihr so etwas erzählen? Als ob ich auch noch freiwillig darüber rede, dass meine Freundin mich offensichtlich mit einem hirnlosen Riesen betrügt. Pah!“ „B-Betrügt? Spinnst du! Das war doch gar nicht…!“ „Ja, ich weiß. Aber wegen der Sache kannst du dir noch eine Zeit lang etwas von mir anhören, das ist dir hoffentlich klar.“ Risa blieb stehen. Nach einigen Schritten tat Otani es ihr gleich und blickte verwundert zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Ein kühles Lüftchen wirbelte ein paar Blätter auf, die am Boden lagen. Es fröstelte ihr kurz, ehe sie den Mund verzog und die Arme verschränkte. „Du tust so, als ob es meine Schuld wäre, dabei wollte ich Haruka eigentlich nur klar machen, dass er ein Idiot ist.“, in ihren Augenwinkeln konnte man Tränen sehen, doch sie schluckte, versuchend ihre Tränen möglichst zu unterdrücken. Otani schloss für einen Moment die Augen, ehe er sie aufschlug und sich Risa näherte. „Du bist manchmal wirklich dumm, weißt du das?“ „Siehst du, und jetzt beleidigst du mich auch noch!“ Sie bemerkte gar nicht, wie Otani ein paar Schritte näher gekommen war – erst, als sie eine angenehme Wärme durchfuhr, hob sie ihren Blick und sah in das Gesicht ihres Freunds, der ihr die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. Mit der anderen Hand hatte er ihre fest umschlossen. Er wirkte ernst – genau da merkte Risa, wieso sie sich eigentlich damals in ihn verliebt hatte. „U-Und jetzt versuchst du das durch eine nette Geste wieder gutzumachen, um mich weiter zu ärgern, stimmts?“, sie wurde ein wenig rot im Gesicht, hielt seinem Blick aber für den Moment stand, „Stimmt doch, oder?“ „Dummkopf. Eigentlich wollte ich dich küssen, aber ich habs mir anders überlegt.“, und auch, wenn seine Worte sicherlich nicht das waren, was Risa in diesem Augenblick hatte hören wollen, so legte sich ein sanftes Schmunzeln auf seine Gesichtszüge, ehe er sich umdrehte und weiterging, ihre Hand nach wie vor umschlossen. Aber auch wenn du ein Dummkopf bist, ich kann doch nicht ohne dich. Kapitel 5: ___ Botschaften -------------------------- „Also, was ist los? Muss ja eine ganze Menge vorgefallen sein, wenn du mich um sieben Uhr morgens aus dem Bett reißt, nur um mir zu sagen, dass wir uns um drei Uhr hier treffen.“, Risa gähnte herzhaft und lehnte sich zurück. Ihr Körper fühlte sich schlapp und übermüdet an. Kein Wunder, die letzten Nächte hatte sie wegen Otani auch kaum ein Auge zubekommen und kaum hatte sie sich wieder mit ihm vertragen, kam Seiko mit der Nachricht an, sie müssten sich unbedingt treffen. Oder um ihre Nachricht zu zitieren: „ES IST WICHTIG! ♥“ „Sag bloß…“, sie fuhr nahtlos fort, „Geht’s dir auch gut? War Haruka gemein zu dir? Sag ein Wort und ich bringe ihn höchstpersönlich um!“, ihr Blick wurde streng und sie schlurfte weiter an ihren Saft, abwartend und jederzeit bereit, ihre Drohung wahr zu machen. So gerne sie Haruka auch hatte und ihn als Freund schätzte, aber sofern er Seiko das Herz gebrochen hätte, würde sie ihm wohl einige Gliedmaßen brechen. Gerade wollte sie schon unruhig hin- und herzappeln, da begann Seiko zu lachen und legte den Kopf leicht schief. „Nein, nein, es ist alles okay soweit. Aber davor…“, sie senkte den Blick, „…war es ein wenig schwierig, weißt du….“ Unruhig zupfte sie an ihrem Rock herum, den Blick gesenkt haltend. „S-Schwierig?“, sie schob ihr Glas ein Stück von sich weg, „Also war er doch gemein zu dir? Was hat er gesagt? Und was soll ich ihm brechen? Seinen linken Arm? Oder lieber das Bein? Oder besser…“ „Risa-chan!“, Seikos Blick schwankte zwischen einem ernsten und einem schmollenden, weshalb es für das Mädchen schwer war, zu entscheiden, ob sie nun nachhaken oder lieber still sein sollte. Letztendlich entschied sie sich für letzteres und wartete ab, das Glas wieder zu sich ziehend und am Glas nippend. „Eigentlich ist gar nicht soviel passiert, aber irgendwie…“, sie stoppte kurz und blickte auf, „…ist das, was passiert… Ach, ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll. Risa, ich weiß es nun wirklich.“ „H…ö?“, die Rothaarige legte den Kopf schief. „Na, dass ich ihn liebe.“, ein Seufzen, „Weißt du, er hat sich wirklich große Sorgen um dich gemacht, als du die letzten Tage nicht bei der Arbeit warst. Wir sind jeden Tag vorbei gekommen, um nach dir zu sehen, aber du warst nie da. Ich wollte dich schon zuhause besuchen, aber Haruka meinte, dass das keine gute Idee wäre, also habe ich gewartet, aber es ist nichts passiert und er wollte mir nicht erzählen, was los war.“ Risa lehnte sich zurück. Die Hände vor der Brust verschränkt, zwang sie sich dazu, ruhig zu bleiben und erst einmal zu schweigen. Aber hielt sie das auf Dauer auch aus? Sie kaute auf ihren Lippen unruhig herum, ehe Seiko die Stimme wieder hob und weitererzählte. „Aber ich hab natürlich nicht aufgegeben und hab weitergefragt. Ich konnte doch nicht einfach stillsitzen, während irgendetwas bei euch los war. Er hat es mir irgendwann erzählt. Also dass…“, sie blickte auf, „…Risa, das ist schrecklich. Wieso… habt ihr… du und Otani.“, mehr brachte das blonde Mädchen nicht heraus, sie wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und schüttelte den Kopf, „Ihr wart doch so glücklich als wir am Jahrmarkt waren.“ „Also... Seiko-chan. Es ist alles wieder in Ordnung. Mittlerweile haben Otani und ich das geklärt.“ Mehr oder weniger. Ich würde immer noch gerne wissen, was ihn dazu gebracht hat, es sich anders zu überlegen… „Wirklich? Aber wann...? Ach Risa-chan, das ist ja toll!“, sie lächelte und wippte kurz auf ihrem Sitz nach vorne und zurück, „Ich dachte schon daran, selbst mit Otani zu sprechen. Ich meine, es ist ja offensichtlich, dass ihr zusammengehört! Nach so langer Zeit, in der du dich um ihn bemüht hast. Ach Risa! Ich freu mich so für euch.“ Das Mädchen wippte kurz auf ihrem Stuhl. Risa schmunzelte. Alleine für ihre selbstlose Art, sich erst um die anderen zu sorgen und dann erst auf ihre eigenen Probleme zu sprechen kommen. Manchmal wünschte ich mir, dass ich ein bisschen so sein könnte wie sie. Den Gedanken verwischend kam sie zurück zum Thema. „Aber… erzähl mal. Was war denn jetzt mit Haruka und dir? Ich meine, du wolltest doch nicht nur wegen Otani mit mir reden, oder?“ „Naja, weißt du, das war eigentlich eines der Themen, über das ich mit dir reden wollte. Aber da ihr diese Hürde auch ohne meiner Hilfe überwunden habt. Wobei ich schon gerne wissen würde, was eigentlich passiert ist. Haruka durfte es ja offenbar auch wissen.“ Die Rothaarige erstarrte förmlich zu Eis. Natürlich hatte Haruka den Grund gewusst: Er war ja auch praktisch der Grund, wieso der Stress überhaupt angefangen hatte. Aber das konnte sie ihrer Freundin nicht einfach so sagen. Nein…ich will sie nicht verletzen., schoss es ihr durch den Kopf und sie schielte aus dem nebenstehenden Fenster auf die Straße. Für den Moment war es besser, die Dinge so zu belassen, wie sie waren, auch wenn sie ahnte, dass es nicht der beste Weg war, das alles zu verschweigen. „War es so schlimm?“ „Nun, weißt du, die Sache ist noch gar nicht so lange her, als dass ich so gerne darüber reden will.“, sie lächelte entschuldigend, was Seiko ein sachtes Nicken entrang. Offenbar hatte sie verstanden. „Weißt du, Haruka und ich hatten einen Streit, als er mir nicht sagen wollte, was bei dir los war. Offenbar weiß er, was ich für ihn empfinde.“, sie seufzte und ließ den Kopf einen Moment lang hängen. Ihre Stirnfransen ragten ihr ein Stück ins Gesicht und verhinderten, dass Risa erahnen konnte, was ihr durch den Kopf ging. Sie fühlte sich ertappt. Schuldig. Nervös begann Risa auf ihrer Unterlippe zu kauen, ihre Hände fingen ein wenig an zu zittern. Verdammt, ICH habe ihm ja davon erzählt! „A-Also Seiko, weißt du… das… also, dass er das weiß…“, ihr rannen buchstäblich die Schweißperlen von der Stirn herab, „Ich also… ja, es t-t-t…“ „Alles in Ordnung mit dir Risa? Lass mich doch erst ausreden! Also bei diesem Treffen haben wir uns… haben wir uns… gestritten. Und dann hat er mir gesagt, ich würde mich selbst belügen, indem ich glauben würde, ich wäre ein Mädchen. Denn selbst wenn ich mich wie ein Mädchen anziehen, werde ich biologisch immer ein Junge bleiben.“ „WAS?“, die Rothaarige schlug auf den Tisch, sodass der Inhalt ihres Glases fast überschwappte. „Das kann er doch nicht ernst meinen! Er hat doch keine Ahnung! Dieser…“, Risa sprang übereifrig auf, die Zähne erbost aufeinander geknirscht. "Ich kann mich noch so gut an die Sache erinnern…" Seiko schloss die Augen. „Du belügst dich doch selbst damit! Du wirst nie ein Mädchen sein, egal wieviele Kleider du dir anziehen wirst und wie sehr du das der Außenwelt zeigen willst. Du wirst nie…“ „Du hast keine Ahnung! ... Du weißt nicht, wie es ist, wenn man sich sein ganzes Leben fühlt, als ob man nicht vollständig wäre. Als ob man einfach nicht im richtigen Körper ist. Du weißt nicht, wie es ist, wenn man innerlich nicht das ist, was man äußerlich ist.“ „Selbst wenn ich dich nicht verstehen kann, weiß ich wenigstens, dass es keinen Sinn hat, solchen Träumen nachzujagen, die nie in Erfüllung gehen werden.“ „Und was ist mit dir?“ „Hm…?“ „Du träumst seit Jahren davon, endlich mit Risa zusammen zu sein und du weißt genau, dass es nie passieren wird, weil sie Otani liebt. Und trotzdem jagst du dem Traum nach, als ob du daran glaubst, dass er irgendwann vielleicht doch in Erfüllung geht.“ „Aber das ist doch…“ „Hör auf damit, anderen vorzugaukeln, dass du realistisch denken würdest. In Wahrheit… hast du keine Ahnung.“ „…und dann bist du weggelaufen?“ „Ja. Ich war einfach so sehr in Rage, dass ich ihn geohrfeigt habe und dann weggelaufen bin.“ „Wahnsinn…“, murmelte Risa. „Was?“ „Ach ehm, gar nichts. Und du hast das wirklich durchgezogen? Hat er sich wenigstens entschuldigt?“ Seiko nickte lächelnd. „Ich glaube, dass er sich geändert hat. Als er letztens vor meiner Haustüre stand und sich entschuldigt hat…“ „Haruka…? Was machst du hier?“ „Ich.. wollte mich…“ „Hm?“ „Entschuldigen. Es war nicht richtig, was ich letztens gesagt hab. Du hast irgendwie recht.“ Risa fiel die Kinnlade hinunter und sie lehnte sich zurück, um den momentanen Schock zu verkraften. „Du willst mir jetzt erklären, dass er zugegeben hat, dass du recht hattest? Und du bist dir sicher, dass das Haruka war, der da bei dir war? Und nicht irgendein anderer Kerl?“ Seicht schüttelte Seiko den Kopf. „Ganz sicher. Risa-chan! Und ich glaube ihm auch.“ Mit verschränkten Armen blickte sie das blonde Mädchen leicht skeptisch an. Nicht, dass sie sich nicht für sie freute, dass der Braunschopf offenbar endlich einmal den Kopf gewaschen bekommen hatte, aber es erschien ihr so einfach. Seit wann war er so einfach zur Einsicht zu bringen? Hatte es wirklich etwas gebracht, dass sie mit ihm gesprochen hatte? Das Mädchen hob den Blick und sah zur Decke, wurde aber bald wieder von Seiko abgelenkt. „Ich weiß, dass ich wahrscheinlich noch sehr weit davon entfernt bin, ihn dazu zu bringen, sich in mich zu verlieben. Ich verstehe ihn. Er hat immerhin noch Gefühle für dich und die Tatsache, dass ich…“ „S-Seiko, du weinst ja…“ „Ach was. Ich hab nur ´was im Auge. Es... es wäre so viel einfacher, wenn ich einfach ein normales Mädchen wäre…“ Selbst wenn sie sich in einer komplett anderen Situation befand, hatte Risa das Gefühl, Seiko in dieser Hinsicht zumindest ein bisschen verstehen zu können. Bislang hatte sie es ja relativ gut weggesteckt und nie wirklich den Anschein gemacht, als ob sie so ein Problem damit hätte, einfach nicht wie die anderen zu sein… Aber wenn man genauer hinsah und nur ein bisschen Menschenkenntnis besaß, dann blieb nicht viel übrig von dieser Belanglosigkeit, die sie an den Tag zu legen versuchte. Das Mädchen seufzte leise und kramte ein Taschentuch aus ihrer Tasche heraus, hielt es Seiko hin. „Seiko-chan.“, murmelte sie. Was einfühlsame Worte angeht, war Risa noch nie ein Verfechter davon – sie war bislang immer mehr direkt und ehrlich, manchmal auch aufbrausend und schlagfertig (im wahrsten Sinne des Wortes) gewesen. Aber so wie sie Seiko da sah – fast schon wie ein Häufchen Elend, brach ihr fast das Herz, da sie genau wusste, wie es war, wenn man glaubte, einer hoffnungslosen Liebe nachzuhängen. „Wir gehen jetzt.“, entschied sie aus dem Bauch heraus, pfefferte ein paar Geldscheine und Münzen auf den Tisch und zog Seiko aus dem Café. „W-Was hast du denn jetzt vor Risa?“ Gute Frage, denn so wirklich wusste die Rothaarige nicht, was sie da tat. Sie wusste nur, dass sie die Dinge nicht so belassen konnte, wie sie waren. Erst einmal hieß es nachdenken. Und auch, wenn Risa darin nicht immer besonders gut war, so wollte sie doch wenigstens versuchen, die Sache zu kitten. Irgendwie war sie ja schließlich daran schuld, dass es zwischen den beiden nicht klappen wollte. Während sich die beiden auf den Weg zu Seikos Haus machten (Risa befand diesen Ort nämlich ein wenig besser, um sich etwas einfallen zu lassen), schwieg sie eisern. Nicht einmal auf den kommenden Anruf reagierte sie, sondern schaltete ihr Handy als Antwort einfach ab. Ablenkung – egal welcher Art – konnte sie momentan wirklich nicht brauchen. „Willst du eine Tasse Tee?“ „Ehm, nein danke.“, Risa lächelte schwach, „Aber sag mal. Ist denn bei dir niemand zuhause?“ Seiko setzte sich ihr gegenüber und schüttelte den Kopf. „Nein, normalerweise bin ich alleine. Meine Eltern sind seit 5 Jahren geschieden. Seitdem lebe ich bei meiner Mutter.“ „Und was ist mit deinem Vater.“ „Keine Ahnung. Seit ich lieber ein Mädchen sein will, will er nichts mehr mit mir zu tun haben.“, sie zuckte mit den Schultern. „Aber so wild ist das nicht. Es ist für die meisten eben nicht so einfach, das ganze…“ Wieder wurde ihr Blick etwas trist, aber diesmal gab Risa ihr keine Zeit, der Trauer nachzuhängen. Selbstbewusst klopfte sie auf den Tisch und schreckte sie damit auf. „Seiko, wir müssen uns jetzt etwas einfallen lassen.“ „Aber Risa…“ „Keine Widerrede.“ Die Rothaarige erhob sich und ging langsam den Raum auf und ab. Er war recht einfach gehalten, auch wenn das wahrscheinlich das übliche für ein Wohnzimmer war. Wobei dieser Raum dafür doch recht leer aussah, wenn man sich umsah. Nur eine kleine, weißliche Porzellanvase stach ihr ins Auge, in dem ein Strauß Unkraut steckte. Risa legte den Kopf verwirrt schief. Noch ehe sie ihre Frage formulieren konnte, kicherte Seiko. „Das sind Salbeiblüten. Haruka hat sie mir geschenkt, als er sich bei mir entschuldigt hat.“ Salbei? Macht man daraus nicht Hautcreme? Ich hätte mir durchaus ein wenig mehr Einfallsreichtum bei der Blumenwahl von ihm erwartet… „Was heißen die? Gibt’s für die nicht auch eine Bedeutung in der Blumensprache?“ Seiko stockte. „Ich… weiß nicht. Ich bin nie auf die Idee gekommen, mich das zu fragen. Ich hab mich zu sehr darüber gefreut, dass…“, aber bis zum Ende kam sie nicht mehr, denn Risa war kurz aus dem Raum verschwunden und nach unzähligem Geschepper wieder aufgetaucht, um sich mit einem Laptop bewaffnet neben Seiko niederzulassen. „Salbei… Salbei…“ „Risa-chan?“ „Moment. Ich bin grad am nachsehen…“ Seiko blickte ihr über die Schultern. „Hey, das ist mein Laptop! Woher wusstest du mein Passwort?“ „HarukalovesSeiko? Ach, war nur… Zufall.“, murmelte sie, „Ah. Da. Hmm, mal sehen…Alpenrose, Jasmin, Lavendel… oh, das würde mich aber jetzt auch interessieren. Hier!“, rief sie aus und klickte den entsprechenden Begriff an, nur um dann erstaunt inne zu halten. „Was heißt es denn nun?“ „Ich denk an dich.“ „Das weiß ich, aber was hast du herausgefunden.“ „Na genau das!“, sagte Risa. Seiko hielt inne und blickte genauer auf den Bildschirm. „Die Salbeiblüte heißt Ich denk an dich.“ Zugegeben, sie war sich in der Sache wirklich nicht sicher, ob Haruka das überhaupt bewusst war. Andererseits… wer würde jemandem sonst genau diese Blume schenken? Eine Orchidee oder eine Rose wären doch viel einfacher gewesen. Einige Momente lang blickte sie unsicher auf den Bildschirm. Dann lächelte das übergroße Mädchen erleichtert, klappte den Laptop zu und ließ sich sich nach hinten auf den weichen Teppichboden fallen. An die Decke blickend, zögerte sie kurz, sagte dann aber, „Seiko? Ich glaube, dass du ihn doch bereits mehr beeindruckt hast, als dir bewusst ist.“ Selbst wenn Haruka manchmal der größte Vollidiot auf der Welt war und er manchmal wirklich viel verbockte, Dinge tat, die einfach nur einfältig, stur und dumm waren und Risa ihn sicher bereits ein Dutzend Mal auf den Mond hätte schießen können, so konnte die Rothaarige ihm in dieser Hinsicht diesmal nur ein gedankliches Kompliment aussprechen. So sehr sie ihn auch dafür verurteilt hatte, dass er so abweisend und stur war, so sehr hatte er sich offenbar doch verändert. Und auch, wenn er es nie zugeben würde, dass es sicher pure Absicht gewesen war, dass genau jene Blumen ihren Weg zu Seiko gefunden hatten, so brauchte Risa auch gar nicht die verbale Zustimmung ihres Kumpels, dass sie recht hatte. Sie brauchte noch nicht einmal Otani, um zu verstehen, was er ihr damit hatte sagen wollen. Denn die Botschaft, die sie hinter den Blumen entdeckt hatte, war für sie eindeutig. Ich denke an dich... als Mädchen. „Aber Risa. Was soll das denn heißen?“ „Ach Seiko, ich glaube, das wirst du noch früh genug herausfinden.“, das Mädchen tätschelte ihr den Kopf und begann zu lachen. Und anstatt weiter zu fragen, kicherte Seiko einfach in der Freude ihrer Freundin mit. Epilog: ___ Versprechen ----------------------- Der wahre Grund für Otanis Rückkehr „Hmm… Merkwürdig. Sie geht einfach nicht an ihr Handy.“ Vielleicht hat sie es ja auf lautlos oder ist beschäftigt? Otani legte den Kopf schief und steckte das Handy zurück in seine Jackentasche. Er war gerade in der Stadt und wollte sich mit Risa treffen, denn nachdem er sie im Freizeitpark so gemein abserviert hatte, hatte er ein schlechtes Gewissen und wollte es wiedergutmachen. Deshalb hatte er sich überlegt, sie in die Spielhalle einzuladen und sich bei ihr aufrichtig zu entschuldigen. Es hatte ja immerhin einen Grund gehabt, wieso er sie nicht hatte begleiten können: Er wollte einfach nicht verraten, dass er eine Überraschung für Risa hatte, die zu diesem Zeitpunkt aber noch in den Sternen stand. Seufzend holte er das Handy wieder aus der Jackentasche und versuchte es ein weiteres Mal, aber wieder hörte er nur die Mailbox, die ihm mitteilte, dass Risa derzeit nicht erreichbar war. Seit wann überhört sie meine Anrufe einfach so? Muss ja wirklich etwas Wichtiges sein… Ein erneutes Seufzen. Dann musste er es eben morgen nochmals versuchen. Vielleicht ist sie aber auch schlichtweg sauer und hebt absichtlich nicht ab? Gedankenverloren betrat er einen schmalen Pfad, der ihn zum Stadtpark führte. Um Zeit zu sparen, nahm er einfach den direkten Weg durch den Park. Und es schien die richtige Entscheidung gewesen zu sein, denn weiter vorne erblickte er auch schon Risa. Risa und… Haruka? Was macht sie denn mit dem hier? Er verzog das Gesicht und wollte gerade die Hand heben und sich bemerkbar machen, da trat Risa, die mit dem Rücken zu ihm gewandt stand, einen Schritt zurück. Kurz daraufhin trat Haruka einen Schritt nach vorne und… und… küsste sie. Otani riss die Augen auf. Ging seine Freundin da gerade… fremd? „Deshalb bist du also nicht erreichbar…“, sagte er plötzlich und zog damit die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Risa, die sich von Haruka gelöst hatte, blickte Otani erschrocken an. „O-Otani, das ist nicht so…“ Ach war es nicht? Otani blickte sie an und für einen Moment glaubte er ihr sogar. Doch dann erinnerte er sich daran, was damals war, als sie mit Kohori auf das Konzert gegangen war und ihn angelogen hatte. Sein Blick verengte sich und er verschränkte die Arme. „Schon gut. War irgendwie klar, dass du dir jemanden suchen würdest, der deiner Größe entspricht. Nach dem Midgetfetisch sind jetzt wohl die Größeren dran, was?“, schnitt er ihr mit sarkastischem Ton das Wort ab. Er wollte ihre Rechtfertigung gar nicht hören, denn das, was er gesehen hatte, war viel zu eindeutig. Das konnte sie einfach nicht ausreichend rechtfertigen. „Und was ist mit dir? Hast wohl gewartet, bis du mit ihr alleine bist, damit du dich an sie ranmachen kannst, was? Jetzt hast du ja, was du wolltest.“, Otani drehte sich um und würdigte beide keines Blickes mehr. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch all das versuchte er für den Moment nicht nach außen dringen zu lassen. Er setzte ein schwaches Grinsen auf, beschleunigte seinen Schritt und verließ den Stadtpark, bog einmal nach rechts ab und versteckte sich in der Seitenstraße eines Hauses, als er bemerkte, dass Risa ihm gefolgt war. Dort blieb er eine Weile und wartete, bis seine Freundin sich geschlagen gegeben hatte und gegangen war. Es war aus. Otani wollte erstmals nichts mehr mit dieser Sache zu tun haben. Er ignorierte jegliche Anrufe Risas, las ihre SMS nicht und öffnete die Türe nicht, wenn sie klingelte. Die Enttäuschung saß zu tief, denn egal, was ihnen bislang passiert war, irgendwie hatten sie es immer wieder geschafft, die Missverständnisse zu klären. Doch hierbei? Was sollte er denn missverstanden haben? Entnervt seufzte er und blickte aus dem Fenster. Die Ferien waren bald vorbei und dann würde sein Studienjahr losgehen. Und dann würde er hoffentlich weniger Zeit haben, über seine Probleme mit Risa nachzudenken. Würde er überhaupt nochmals mit ihr sprechen? Und wenn schon – eigentlich wollte er Haruka nicht auch noch den Gefallen tun und ihm zeigen, dass ihn der Sieg seines Rivalen doch sehr getroffen hatte. „Otani? Du hast Besuch.“, meinte seine Mutter schließlich von unten. „Ich bin nicht da, schon vergessen?“ „Aber es ist ein Junge.“ „W-Was?“ Wer konnte das denn sein? Naoki würde wohl zuvor nachfragen, ob Otani überhaupt zuhause wäre und Suzuki hatte ihn noch nie besucht. Er wuschelte sich durch sein rotbraunes Haar, ehe er die Treppen hinunterschlenderte und entnervt zur Türe ging. Und es auch gleich bereute. „H-Haruka?“, fragte er leicht überfordert nach und seufzte genervt. „Bin nicht zuhause.“, und damit wollte er ihn auch schon vor die Haustüre schieben, was ihm auch kurz gelang, aber Haruka dachte gar nicht daran, so schnell wieder zu gehen. „Begrüßt du so immer deine Gäste?“, er verzog das Gesicht und verschränkte die Arme, „Wir müssen reden.“ „Ach? Ich wüsste nicht worüber.“ „Ich aber. Risa ist total fertig seit neulich.“ Otani zog spöttisch eine Augenbraue hoch und blickte seinen Konkurrenten an. „Wieso sollte sie? Sie hat mich doch vor meinen Augen für einen Penner wie dich abserviert. Welchen Grund sollte sie haben, deshalb fertig zu sein? Hätte sie sich mal überlegt, ob sie sich einfach von einem Loser wie dir angraben lässt.“ „Sie hat sich nicht angraben lassen. Ich hab sie… überrumpelt und du warst zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.“ „Achso ist das. Schon klar, es war meine Schuld. Ich war am falschen Ort zur falschen Zeit. Sag mal GEHT’S NOCH? Ich finde daran nichts falsches, außer, dass ich jetzt weiß, was für eine tolle Freundin ich hatte. Und wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe besseres zu tun, als mich hier mit dir zu unterhalten.“, er machte einen Schritt zurück und zog eine Schmolllippe. „Baka!“, brüllte Haruka schließlich, „Risa liebt dich, verstehst du das nicht?“ „Sie muss mich ja wirklich sehr stark lieben, wenn sie mich mit jemandem wie dir betrügt.“ Haruka seufzte und senkte kurzzeitig den Blick. „Lass uns draußen reden.“ „Wenn du mich dann in Ruhe lässt…“ Ihm war bei dieser Sache sicherlich nicht geheuer. Einerseits sah er keinen Sinn darin, eine längere Unterhaltung mit Haruka zu führen, andererseits erhoffte er sich, dass alles doch nur ein Missverständnis war. Mit einem unsanften Ruck öffnete er die Türe und trat hinaus auf die schmale Gasse. Sie war zu diesem Zeitpunkt leer, da sich viele zur Mittagszeit lieber nicht nach draußen wagten, immerhin prallte die Sonne förmlich vom Himmel und erhitzte erbarmungslos die Umgebung. Otani blinzelte kurz, als ihm das grelle Licht in die Augen kam, lehnte sich dann aber an die Wand, die einen kleinen Schatten warf. „Also was willst du? Mir erzählen, dass ich mich verschaut habe?“ „Nein. Aber dir klarmachen, dass es nicht ihre Schuld ist.“ „Nicht ihre Schuld?“ „Ja. Ich hab sie mit dem Kuss ziemlich… überrumpelt.“ Otani schnaubte nur, woraufhin Haruka entnervt seufzte und fortfuhr. „Ich habe eingesehen, dass sie sich bereits für dich entschieden hat und sie dabei bleibt. Deshalb werde ich euch nicht mehr im Weg stehen und einfach aufgeben. Egal wie sehr ich mir wünschen würde, dass sie meine Gefühle erwidert, ich werde sie niemals dazu zwingen, es zu tun. Dazu ist sie mir zu wichtig. Und… wenn sie gerne mit so einem Winzling wie dir zusammen ist, kann ich ja schwer etwas dagegen tun.“, er verschränkte die Arme und blickte weg. „Auch wenn ich sie da echt nicht verstehen kann. Ich meine, Risa-chan ist viel zu süß als dass sie ihre Zeit bei so einem… Zwerg verbringt.“ „Zwerg? Was heißt hier Zwerg? Kann ja nicht jeder so riesig sein wie du!“ „Tzz, der Konter war aber sehr schwach, Otani.“ „Na und? Ist mir doch egal, was du Hornochse denkst! Nur weil du mir versuchst einzureden, dass alles wieder gut ist, wenn ich einfach dir die Schuld an allem gebe, heißt das noch lange nicht, dass alles wieder in Ordnung ist.“, der Rotschopf wandte sich ab und blickte in Richtung Haustüre, „Bist du jetzt fertig?“ „Ich schätze schon. Dann werde ich wohl Risa-chan noch einen Besuch abstatten und ihr sagen, wie feige ihr Freund doch eigentlich ist.“ „Feige? Was redest du da?“ „Naja, du schaffst es doch noch nicht einmal ein vernünftiges Gespräch mit ihr zu führen. Stattdessen läufst du einfach vor euren Problemen weg, als gäbe es sie gar nicht. Das ist jämmerlich.“ „J-Jämmerlich? Wen nennst du hier jämmerlich?“, zähneknirschend wandte er sich ab und zuckte mit den Schultern. Er hatte nun wirklich genug von allem. Genug davon, dass Haruka ihm irgendwelche belanglosen Argumente lieferte, die ihn dazu überreden sollten, wieder mit Risa zu sprechen. Zwar glaubte Otani ihm jedes Wort, aber die Enttäuschung saß immer noch zu tief. Einige Momente lang stand er vor dem Eingang in sein Haus, zögerte kurz und seufzte. Als er sich dann in Bewegung setzte, spürte er, wie ihn etwas zurückriss und hochzog. Kurzzeitig kniff er die Augen erschrocken zusammen, ehe er in Harukas verärgertes Gesicht blickte. Er hatte ihn am Kragen gepackt und ein Stückchen hochgezogen, was durch seine große Körperstatur und seine kräftigen Arme kein Problem darstellte. Der großgewachsene Junge funkelte Otani böse an. In diesem Moment wurde ihm klar, dass es kein Entkommen gab: Haruka würde ihn nicht so schnell gehen lassen. Ohne es zu realisieren hatte er dem Blick standgehalten und ihn mindestens genauso feindselig angeblickt. „Wie kannst du dich nur als ihren Freund bezeichnen und dann so rasch das Feld räumen? Ist sie dir egal? Ja, sie ist dir bestimmt egal, sonst würdest du dich nicht so verhalten! Wie konntest du ihr nur vorgaukeln, du würdest sie lieben? ICH liebe sie. ICH würde alles für sie tun, stattdessen ist sie mit jemandem zusammen, der sie jämmerlich im Stich lässt und obendrein auch noch…“ „HALT DIE KLAPPE!“, sein Atem hatte sich beschleunigt und zwar so sehr, dass ihn dieser einfache Ruf ins Schnaufen gebracht hatte. „Halt dich gefälligst in Zukunft von ihr fern. Wenn ich dich noch einmal zu nahe an ihr sehe, dann garantiere ich dir, dass du dir wünschen würdest, auf meine Worte gehört zu haben!“ Plötzlich ließ die Kraft nach, die Otani nach oben gezogen hatte. Haruka ließ ab und wandte sich schweigend um. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Jedes Wort, sogar jede Bewegung konnte das Fass zum Überlaufen bringen. Doch Otani war zu durcheinander, als dass er sich über die Konsequenzen seines Tuns wirklich Gedanken machen konnte. Stattdessen senkte er den Blick und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich werde nie verstehen, wieso sie sich für dich entschieden hat. Was du hast, was ich nicht habe. Was mir fehlt….“, kam es dann schließlich leise aus seiner Richtung, „Aber ich akzeptiere es. Vielleicht tue ich damit genau das, was ich dir ausgetrieben habe – nämlich aufgeben – aber wo keine Hoffnung ist, sollte man wohl nicht weiter zu hoffen versuchen.“ Eine kurze Pause entstand. „Pass gut auf sie auf, okay? Wenn du sie unglücklich machst, bin ich der erste, der dich an deine Pflichten erinnern wird.“ „Mhm.“ „Ich verlass mich auf dich.“ Seine Worte schwangen noch eine Weile im aufkommenden Wind mit, der die Blätter leise rascheln ließ. Otani blickte eine Zeit lang unentwegt zu Boden, ehe er den Kopf anhob und bemerkte, dass Haruka bereits seit langem gegangen sein musste. So stand er eine Weile alleine da – ehe er einen wichtigen Entschluss fasste. Er würde nicht aufgeben. Er würde sie nicht aufgeben. Denn eines wusste er: Egal wieviel Blödsinn sie auch anstellte, seine Gefühle blieben immer dieselben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)