Bacae Ab Glaciebus Crystallinis von absinthe (´°Nicht alles muss verloren sein°` - OneShot über Marcus und Didyme) ================================================================================ Kapitel 1: Bacae Ab Glaciebus Crystallinis ------------------------------------------ Wie schon erwähnt ist das mein Beitrag zu den Weihnachtsmärchen =) Sonstiges: Marcus PoV, dritte Person Viel Freude beim Lesen ;) ----------------------------------- „Non c'è maggio senza fiore - non c'è vecchio senza dolore - non c'è giovane senza amore…” Die Stimme des Papstes hallte durch die hohen Gemäuer des alten Gebäudes, dessen Grundfesten bereits ein halbes Jahrtausend alt waren, und doch kam es ihm so vor, als wäre es erst gestern neu erbaut worden. Was war schon ein halbes Jahrtausend für einen Vampir, der bereits doppelt so lang vor Christi Geburt gelebt hatte? Damals gab es keinen Gott, der seinen Sohn wieder auferstehen lassen hatte. Damals wurde Unerklärliches mit anderen Mythen und Legenden begründet. Es war schon beinahe Ironie des Schicksals, dass gerade er, der es von allen doch am besten wissen müsste, heute in dieser Kirche stand und sich die Mitternachtsmesse eines der obersten Gottesdiener anhörte. Doch selbst wenn er eigentlich nicht an derlei Dinge glaubte und ihm diese ganze Festlichkeit zuwider war, so war dieser Tag zu seltsam, als dass er sich seiner Wahrnehmung einfach verschließen konnte. Und trotzdem konnte er sich nicht erklären, was genau ihn heute zu dieser ungewöhnlichen Handlung getrieben hatte. Caius war erzürnt gewesen, aber Aro schien ihn seltsamerweise zu verstehen – und hatte ihn deshalb gewähren lassen. Normalerweise müsste er sich selbst bestrafen für das, was passiert war, doch selbst jetzt, Stunden später, schien dieser merkwürdige Aufruhr noch immer seinem Körper innezuwohnen. Weihrauch und Koriander lagen in der Luft und der Geruch wirkte fast schon beruhigend auf seinen Gemütszustand – als würde er ihm eine Erklärung, eine Art Ventil für seine Konfusion geben. Der Duft war in jede Ecke des Gebäudes vorgedrungen, vielleicht schon seit Jahrhunderten darin eingezogen, jedes Jahr aufs Neue, wenn die Messe gehalten wurde. Mit jedem Atemzug sog er ihn tiefer ein. Die herbe Note übertünchte die schwache Süße der Kräuter, doch für ihn war es eine Leichtigkeit, jedes noch so kleine Detail wahrzunehmen – wenn er es denn wollte. Eigentlich lebte er schon zu lange, als dass er sich noch an solchen Dingen ergötzen konnte. Schon so viele Jahrhunderte war er sie leid. Die Dinge, die gewisse Emotionen auslösen konnten. Geschickt hatte er sie ignoriert, aber heute war es anders. Heute konnte er sie nicht einfach unbeachtet lassen. Elegant in einer dunklen Ecke der Kirche hatte er sich versteckt, weit oben, wo so gut wie niemand hinkam, hoch über der riesigen Orgel, an der nun einer der Kirchenmitarbeiter saß und darauf wartete, dass der Papst zum Ende seiner Rede kam, damit er den anschließenden Gesang des Chores mit seiner Melodie unterstreichen durfte. Er konnte die Kälte, die durch die dicke Steinwand drang, spüren und riechen, ebenso das Holz und die Farbe, die bei der Renovierung vor langer Zeit hinzugefügt worden war. Die Menschen unter ihm genossen diese Atmosphäre, die Wärme und den Geruch von Tannengrün und Kerzenwachs, der ihnen in jeder Sekunde verriet, welche Gegebenheit gerade herrschte. Es hieß immer „Die schönste Zeit des Jahres“ und „Das Fest der Sinne“, weil die Menschen zusammen kamen und gemeinsam dieses Fest genossen; weil die Liebe in den Häusern Einkehr hielt. Weil sie lang Zerstrittene wieder zusammenführte und sie stärker machte. Auch er hatte einmal an derlei Dinge geglaubt. Mittlerweile lagen sie schon seit mehr als tausend Jahren in der Vergangenheit begraben und er hätte nie gedacht, dass die Erinnerung je wieder zum Vorschein kommen würde. Wenn er wollte, könnte er ihnen dieses Gefühl nehmen. Einfach so. Er konnte das Band der Liebe nicht nur sehen, er konnte es auch nach Belieben trennen. Und niemand hätte eine Chance, es wieder zusammenzuführen. Doch heute waren sie in Sicherheit. Heute würde er sich nicht an ihren Bindungen zu schaffen machen, wenngleich ein Teil von ihm so wütend über sich selbst war, dass er große Lust dazu verspürte. Ganz andere Dinge kreisten in seinen Gedanken. Dinge, die sich selbst ein Vampir nicht erklären konnte. Die Suche nach einer Antwort war viel größer. Die Frau an der Rezeption summte vor sich hin. Es war eines dieser Weihnachtslieder, die man in den letzten Wochen überall vermehrt hören konnte und von denen man heute keine Sekunde verschont blieb. Wenn man ein so gutes Gehör wie ein Vampir besaß, dann blieb nur das Wenigste stumm. Nicht einmal die alten, dicken Steinwände dieses Gemäuers konnten den Lärm dämmen. Wie kleine Wellen schlichen sich die Vibrationen der Gesänge ins Innere des Gebäudes und füllten fast jeden Raum. Nur ganz tief im Inneren blieb man davon verschont und genau das war einer der Gründe, warum er auf dem Weg dorthin war – um der nervlichen Belastung, diesem Chaos zu entkommen. Der andere war das ausgiebige Festmahl, das jedes Jahr um diese Zeit stattfand. Gianna, so hieß die Frau, war vollkommen versunken in ihre Melodie. Sie bemerkte nicht, wie der große, uralte Vampir in die riesige Empfangshalle trat. Seine Schritte waren zu leise – für sie und für jeden anderen dieser schwächlichen, taubstummen Wesen. Sie war ein Mensch. Im Übrigen der Einzige, der von ihrer Existenz wusste und noch lebte – mit Ausnahme von dieser Isabella. Und das Einzige, was Gianna heute von allen anderen unterschied, war, dass sie diesen Tag allein verbringen würde, während der Rest der Welt mit seiner Familie zusammen war. Sie hatte keine andere Wahl, als Angestellte der Volturi musste sie gehorsam sein, wenn sie wollte, dass ihr Wunsch erfüllt wurde. Der Wunsch, einer Ihresgleichen zu werden. Den Kopf gesenkt, den Blick auf ein paar Unterlagen gerichtet. Er könnte jetzt genau neben ihr stehen und sie würde ihn nicht wahrnehmen. Eigentlich wollte er einfach nur die Halle durchqueren und sich auf den Weg in den großen Saal machen. Sie hätte nichts von seiner Anwesenheit erfahren. Er konnte nicht sagen, warum er ausgerechnet an diesem Ort plötzlich innehielt. War es Nostalgie? Die Erinnerung an längst vergessene Empfindungen aus der Vergangenheit? Dabei hatte er sie eigentlich verdrängt, tief verschlossen in seinem Inneren. Er sollte sich endlich abwenden und seinen Weg fortsetzen. Genau in diesem Moment sah er es. Jedenfalls meinte er, etwas gesehen zu haben. Es hatte nicht einmal eine Sekunde gedauert, dennoch was es lang genug für ihn gewesen. Er hatte es ganz deutlich erkannt. Hinter Gianna. Ein weißer Schal, zart und rein und so dünn wie der Morgentau auf Blättern. Ganz sanft war er hinter ihr durch die Luft geglitten, von einer Seite zur anderen geschwebt und jedes Mal ein Stück tiefer gesunken – bis er sich letztendlich in Luft aufgelöst hatte. In Sekundenbruchteilen stand er hinter Gianna, in der Hoffnung, sich das alles nicht eingebildet zu haben. Wie gebannt starrte er auf den Teppich. Die Farbe der weichen Oberfläche war so satt und dunkel, dass ein weißes Kleidungsstück nicht auffälliger hätte sein können. Er hätte den Menschen neben sich fragen können, nur war nicht einmal eine Sekunde vergangen. Wie sollte sie also etwas bemerkt haben, das es bereits nicht mehr gab, wenn sie noch nicht einmal denjenigen wahrnahm, der genau hinter ihr stand? Sie war immer noch dabei, auf den Windhauch zu reagieren, den er bei seiner blitzartigen Bewegung hinterlassen hatte. Factum gab es keinerlei Anzeichen für das, was er gesehen hatte – als hätte es nie existiert... Konnte ein dreitausend Jahre alter Vampir schon zu alt sein, um Realität und Vorstellungskraft voneinander zu trennen? Vielleicht wollte er in dem Augenblick auch etwas sehen, das er längst vergessen hatte, denn in dem Moment, als das weiße Tuch nach unten geglitten war, wurden verdrängte Erinnerungen wach. Mittlerweile wusste er das Geschehnis einzuordnen. Es war gut möglich, dass sein Gedächtnis ihm einen Streich gespielt, die Zeit, in der er lebte, vielleicht verwechselt hatte. Denn eigentlich waren sämtliche Gefühlsregungen in ihm erloschen, wenngleich sie vor anderthalb tausend Jahren noch um ein Vielfaches heller geleuchtet hatten als die Empfindungen, die diese Menschen in der Kathedrale gerade verspürten. Natürlich gab es auch unter ihnen unterschiedliche Ebenen, die einen intensiver als die anderen, und mit jedem Wort, das der alte Mann in der weißen Kutte von sich gab, stieg ihre Passion. Dennoch. So sehr sie vielleicht auch glaubten, ihren Partner mit all ihrer Inbrunst zu lieben, an die Emotionen und die Leidenschaft eines Vampires kamen sie nicht heran. Und ihr Leben war zu kurz, als dass sie diese Tatsache hätten realisieren können. Damals hatte auch er derartige Gefühle verspürt. Damals, als das Weihnachtsfest als solches noch gar nicht existierte, sondern ursprünglich ein heidnisches Fest zu Ehren der Sonne war und bei dem die Christen ebendiese durch einen Gott ersetzt hatten, um die Nichtgläubigen leichter zu bekehren, indem sie ihre Bräuche übernahmen. Zu dieser Zeit hatte es ganz andere Vampire bei den Volturi gegeben, von denen heute keiner mehr lebte. Viele kamen bei Missionen oder bei den Aufständen in Südamerika ums Leben, andere hatten sich widersetzt und wurden demzufolge mit der Auslöschung ihres Seins bestraft. Zu dieser Zeit hatte es auch sie gegeben. Vor fast zweitausend Jahren hatte die Empfangshalle nur aus kaltem Steinwerk bestanden. Der Raum war so gut wie leer, nur an den Innenwänden hatten riesige Wandteppiche gehangen und in der Mitte des Bodens ein breiter, blutroter Läufer gelegen. In den Ecken und an den Seiten hatten kleine Säulen mit Büsten oder anderen Skulpturen gestanden. Aro, Caius und er hatten das Winterfest der Heiden geliebt, denn es war bekannt dafür gewesen, in exzessive Feiern auszuarten. Und wer konnte daraus die meisten Vorteile ziehen, wenn nicht die Volturi? Natürlich gab es immer ein Fest, wenn die Sammler mit einer Gruppe von Menschen wiederkamen, nur war es am Ende jeden Jahres berauschender als alle anderen. Die zerbrechliche Beute aß und trank ohne Bedenken, und je mehr Wein floss, desto ausgelassener wurden sie, während ihr natürlicher Überlebensinstinkt sie allmählich verließ und sie ihre Deckung vollends aufgaben. Dann hatte es besonderen Spaß gemacht, mit ihnen zu spielen und sie am Ende ihres Lebenssafts zu berauben. Der ausgesuchte Wein verlieh ihrem Blut einen bittersüßen Beigeschmack und jeder Tropfen, der danebenging, hatte als eine Verschwendung gegolten. Heute konnte man die Menschen nicht mehr mit solch ausschweifenden Feiern anlocken, heute musste man auf Touristenbesichtigungen zurückgreifen. Ohne dass er es selbst gemerkt hatte, schien er sich jedes Jahr mehr und mehr von diesen Feierlichkeiten abgewandt zu haben, und erst eine ganze Zeit später hatte er auch den Grund dafür herausgefunden. Denn sie hatte ganz und gar nichts für die Praktiken der Volturi übrig gehabt. Es war nicht so, dass sie besondere Empfindungen für diese niederen Kreaturen hegte, in gewisser Weise verspürte sie einfach nur Mitleid für sie – man konnte es drehen und wenden wie man wollte, immerhin ernährte auch sie sich von ihnen. Dennoch hatte sie solche Rituale fast immer gemieden, stattdessen war sie aus der Stadt gegangen und hatte im Stillen gejagt, für sich allein. Aus Neugier war er ihr gefolgt gewesen, ein Flur nach dem anderen hatten sie hinter sich gelassen. Federleicht war sie über den Boden geglitten, hatte diesen kaum berührt. Wie ein Windhauch war sie durch die Gänge gehuscht und das zarte, dünne Kleid hatte sich geschmeidig um ihren Körper gelegt. Und als sie die riesige Halle erreicht hatte, war ihr Schal lautlos von ihrem Hals gerutscht und zu Boden gegangen. Während sie dem keine Beachtung geschenkt und ihren Weg hinaus aus der Burg fortgesetzt hatte, war er stehengeblieben, um sich den weißen Stoff, der nun auf dem roten Teppich lag, anzusehen. Später hatte er sich selbst immer öfter dabei erwischt, wie er ihr gefolgt war und sie beobachtet hatte – bis er sich eines Tages nicht mehr zurückhalten konnte und einfach in ihr Revier hineinspaziert war. Sie hatte überhaupt nicht überrascht gewirkt und bereits kurze Zeit später hatte er erfahren, dass sie von Anfang an über seine nächtlichen Verfolgungen Bescheid wusste. Es war ein Anblick, der sich eine sehr lange Zeit in sein Gedächtnis gebrannt hatte. Ganz in weiß hatte sie vor ihm gestanden, keine fünfzig Meter von ihm entfernt. Ihre langen, glatten, schwarzen Haare standen im Kontrast zu der hell leuchtenden Farbe ihrer Haut. Ein Lächeln hatte ihre Lippen umspielt und das Blut, das sich um die zarten Konturen ebendieser gelegt hatte, ließen sie in einem Wettstreit mit ihren burgunderfarbenen Augen schimmern. Überwältigend aber waren vor allem die Emotionen gewesen, die ihrer Seele innewohnten und viel unfassbarer, dass sie seinen so ähnelten. Von da an hatte er sich ihr fast jedes Mal angeschlossen, wenn sie auf die Jagd ging – und je mehr Zeit er mit ihr verbracht hatte, desto seltener war er bei den Volturi anwesend. Denn je öfter er sich in ihrer Nähe befunden hatte, desto häufiger wurde er von Wellen des Glücks überschwemmt… Er war schon in den Gängen, die Weihnachtslieder waren so gut wie verstummt. Ab und an kam ihm jemand aus der Garde entgegen. Sie hatten schon immer Gruppen gebildet, wenn es um das Festmahl ging. Während die eine Hälfte speiste, sorgte die andere für Sicherheit. Die meisten der Volturi schienen sich bereits im runden Festsaal aufzuhalten, relativ wenige Vampire waren noch unterwegs. Mit einem missmutigen Blick begutachtete er die weihnachtlichen Dekorationen, die auf Aros Anweisung hin überall in dem alten Gemäuer aufgehängt wurden. Tannenzweige und Sterne, kleine Glöckchen und Engel. Aro genoss die Verherrlichung dieses Festes, wenngleich aus etwas anderen Gründen als die Menschen. Er amüsierte sich darüber, dass alle Welt ein Fest feierte, von dem sie glaubten, es würde die Geburt eines Kindes ehren und ihm gefiel die Illusion der Menschen, zur Weihnachtszeit würden all ihre Sünden an Bedeutung verlieren. Vor allem aber erfreute er sich an dem Festschmaus, der den Volturi seit langem von anderen Vampiren als Geschenk dargeboten wurde. Schon sehr lange konnten sich die Sammler im Winter ausruhen, während ihre Arbeit von Außenstehenden erledigt wurde. Meist waren es Vampire, die sich in die Gunst der Volturi stellen wollten. Es war der letzte Gang vor dem großen Saal, als er plötzlich stehen blieb. Jane hatte gerade ihr Zimmer verlassen und normalerweise wäre er einfach an ihr vorbeigegangen. Die einzige Beziehung, die zwischen ihnen bestand, war Gehorsam und Loyalität, und es gab keinen Grund, sich länger als nötig mit den Unterwürfigen abzugeben. Er war nicht so wie Aro, der Spaß daran hatte, seine „Sammlung“ tagtäglich zu umgarnen. Doch etwas über ihrer Tür irritierte ihn. Direkt über dem Rahmen hing ein Mistelzweig. Warum ausgerechnet dort? Warum über ihrem Zimmer? Dem Zimmer, in dem sie einst gelebt hatte. Vollkommen perplex beäugte er den kleinen, grünen Zweig, wie er kopfüber in der Luft hing und durch die kaum wahrnehmbaren Luftzüge leicht hin und her schwebte. Tau hing noch an den kleinen Blättern, als wäre der Zweig gerade eben erst aus der kühlen Nacht geholt worden. Ein Tropfen war im Begriff, sich von der zarten, verletzlichen Oberfläche zu trennen. Das Gewicht des Wassers verlagerte sich durch die Gravitation gen Boden und änderte die Form des Tropfens von oval zu rund. Als hätte er eben noch mit einem Widerstand zu kämpfen gehabt, überwand der Tropfen die kleine Barriere und nahm seine ursprüngliche Form wieder an. Seine dunklen Augen verfolgten den Fall dieser glasigen Perle akribisch, nichts und niemand hätte seinen Blick lösen können. Je tiefer sie fiel, desto transparenter wurde sie, bis sie sich schließlich auflöste und gänzlich verschwand. Erst da nahm er Janes Gesicht wahr, das zu ihm empor schaute. „Mein Herr? Alles in Ordnung?“ Einen Moment lang starrte er ausdruckslos in ihre Augen, ohne zu realisieren, was sie ihn gerade gefragt hatte. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er sich seiner wieder bewusst wurde, wenn er auch noch immer etwas durcheinander war. Er sah über ihren Kopf hinweg zurück zu dem Mistelzweig – nur dass dort ebendieser nicht mehr hing. Stattdessen war ein ganz normaler Kranz mit nur wenigen Dekorationen an dessen Platz befestigt. „Mein Herr, kann ich-“ Der plötzliche Wechsel in seinem Gemüt ließ Jane verstummen. Die Wut darüber, bereits zum zweiten Mal Opfer dieser… Unerklärlichkeit geworden zu sein, ließ ihn seine Fäuste anspannen und die Lippen aufeinanderpressen. Ohne ein weiteres Wort, ohne Jane überhaupt zu beachten, marschierte er zielstrebig davon und verdrängte jede Erinnerung an das eben erlebte. Die Menschen verließen in Scharen die Kathedrale. Hand in Hand, Arm in Arm. Er selbst stand nun oben auf dem Dach, nicht weit entfernt von der großen, steinernen Kuppel, und sah hinab auf die Masse. Zum Teil waren ihre Bindungen stärker als noch vor der Messe. Es hatte eine Zeit gegeben, als er jede noch so kleine, emotionale Verbindung zwischen zwei Personen ohne weiteres gelöst hatte, weil er es nicht ertragen hatte können, diese glücklich zu sehen. Sein Leid sollte auch ihres sein. Neben ihm durfte niemand anderes jemanden haben, zu dem er sich hingezogen fühlte. Zu dieser Zeit hatte er seiner Trauer und seiner Wut freien Lauf gelassen. Niemand hatte ihn aufgehalten, nicht einmal Aro. Aber vielleicht hatte gerade er ihn gewähren lassen, immerhin war das Oberhaupt der Volturi Schuld für sein Verhalten gewesen. Ohne ihn wäre diese Tragödie nie geschehen – denn ohne ihn hätte es sie in ihrer damaligen Form niemals gegeben. Eine Tragödie, die denen von Shakespeare in nichts nachstand, wurde unter einem Mistelzweig erst richtig in Bewegung gesetzt. Es war genau dieser Abend, nur mehr als ein Jahrtausend in der Vergangenheit gelegen. Sie war von ihrem nächtlichen Streifzug zurückgekommen, auf den er sie wie so oft begleitet hatte. Auf dem Weg zurück zur Festung waren sie an einer schmalen Landstraße vorbeigekommen, auf der ein alter, verlassener Karren gestanden hatte. Ohne Erklärung war sie stehengeblieben, um sich ebendiesen anzusehen und letztendlich etwas von den Sträuchern zu entwenden, die darauf gelegen hatten. Der Frost der kalten Jahreszeit hatte die Zweige steifgefroren und mit weißem Schnee bedeckt, dessen Eiskristalle durch das Licht des Mondes zum Strahlen gebracht worden waren. Die Bedeutung dieses einen, kleinen Strauches hatte sie ihm erst später vor dem Eingang ihrer Gemächer erklärt. “Der Mistelzweig steht für die Unsterblichkeit. Und außerdem… ist er ein zur Neujahrszeit von listigen Weibsbildern aufgehängter ‚Vorwand‘ für einen Kuss… Um die Hemmschwelle für solch eine Geste möglichst tief zu halten…“, waren ihre geflüsterten Worte gewesen, während sie sich daran zu schaffen gemacht hatte, den halb gefrorenen Zweig über die schwere Eichentür ihres Zimmers zu befestigen. Sie hatte mit dem Rücken zu ihm gestanden, sodass er das Lächeln nur in ihrer Stimme hatte hören können. Sogar jetzt noch hallten die Worte in seinem Gedächtnis wider und wenn er daran dachte, was nach ihnen geschehen war, befiel Erfüllung, aber auch Düsternis sein Herz. Damals hatten die festen Schneekristalle bereits zu schmelzen begonnen und als sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte, musste sich eine der nun flüssigen Perlen von dem Zweig gelöst und auf ihre Unterlippe getropft sein. Voller Faszination hatte er beobachtet, wie die Transparenz die tiefrote Farbe dieses zarten Stücks Haut angenommen und der Wassertropfen seine Form verändert hatte, als er ganz langsam der Rundung ihrer Lippen nach unten gefolgt war. Wie gebannt hatte er dieser Bewegung zugesehen. Es war von vornherein ein auswegloser Kampf gewesen, dem Drang zu widerstehen, ihr Gesicht nicht in seine Hände zu nehmen und ihre gemeinsame Bindung nicht endlich zu einer Vereinigung zusammenzuführen. Das Feuer, das sie in jener Nacht entfacht hatten, war heißer gewesen als das der Hölle, in die er eines Tages mit Gewissheit kommen würde, sollte sein Dasein jemals beendet werden. Doch was auch immer ihn erwarten würde, heute wusste er, dass alles Vergangene ein Fehler gewesen war. Seine Gedanken, seine Wünsche, seine Handlungen. „Amare e non essere amati è tempo perso.“ Mit einem Schnauben antwortete er im Stillen dem Sprichwort, das der Papst vor gut einer Stunde während der Messe zitiert hatte. Lieben und nicht geliebt werden ist verlorene Zeit. Wenn er es besser gewusst hätte; wenn er ihr seine Zuneigung nicht offenbart hätte. So vieles wäre anders verlaufen, hätte er sie nur im Stillen begehrt, schließlich besaß er keine Zeit, die er verlieren konnte. Unausgesprochen verliebt zu sein wäre vermutlich immer noch besser gewesen, als vollkommen emotionslos durch die Welt zu schreiten. So, wie er es seit jenem schicksalhaften Tag tat, als der Sinn seiner Existenz sich wahrhaftig in Rauch aufgelöst hatte. Die Erinnerung ließ den Zorn in ihm wieder auflodern. Eine Empfindung, die schon so alt war, dass er beinahe vergessen hätte, wie sie sich anfühlte. Und nun war sie so stark, dass er sich zurückhalten musste, um die tiefe Bindung des Paares, das sich gerade auf dem verschneiten Vorplatz des Petersdoms befand, in Nichts aufzulösen. Je näher er sich die beiden jedoch ansah, desto mehr schwand der Gedanke an sein Vorhaben. Zu ähnlich sahen sie dem Pärchen, dem er noch vor einigen Stunden gegenübergestanden und das den Auslöser für seine wirren Gefühlsregungen und sein irrationales Verhalten gebildet hatten. Gelangweilt saß er in seinem hohen, verzierten Stuhl aus massivem Eichenholz. Er war einer der Letzten gewesen, die sich in dem großen Saal angefunden hatten. Aro und Caius hatten bereits auf ihren Thronen Platz genommen und der Großteil der Garde war schon im Raum verteilt. Die meisten von ihnen unterhielten sich angeregt, während das Oberhaupt der Volturi dem Ganzen mit einem seligen Lächeln Beachtung schenkte. Caius jedoch saß wie immer mit mürrischem Gesichtsausdruck und regloser Körperhaltung auf seinem Platz und beobachtete die Anwesenden mit Argwohn. Für ihn musste alles immer schnell gehen, er war nicht die Art Person, die Dinge unnötig hinauszögerte. Die Aufmachung des Weihnachtsfestes widersprach ihm aufs Gröbste, und doch genoss er jedes Mal das auserlesene Blut, das ihnen jedes Jahr aufs Neue dargeboten wurde. Er war am Ende nicht anders als die anderen. Während diese beiden also das Spektakel mit unterschiedlichen Gemütern beiwohnten, konnte er selbst sich überhaupt nicht auf den Festschmaus konzentrieren. Seine Gedanken waren noch immer beherrscht von der kristallinen Wasserperle und die damit verbundene, uralte Erinnerung aus der Vergangenheit. Beinahe wäre ihm entgangen, wie sich der ebenfalls festlich geschmückte Saal allmählich mit der heiß erwarteten Menschengruppe füllte, wäre ihm nicht in diesem Moment etwas Unfassbares aufgefallen. Schneller als der Wind war er von seinem Stuhl aufgesprungen und hatte somit alle anwesenden Vampire zum Verstummen gebracht. Auch die Gruppe an Menschen, von der bisher nur die Hälfte den Saal betreten hatte, verstummte einer nach dem anderen. Immer mehr Augen richteten sich auf ihn und füllten sich voller Erwartung – war es doch ungewohnt, dass gerade er sich derart lebhaft verhielt. Doch alles, was er tat, war, in die Masse zu starren – reglos und unfähig, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Aro derweil stand auf und gesellte sich zu ihm. „Marcus, mein Freund. Wie kann ich dir helfen?“, fragte er freundlich und fasste im selben Moment nach dessen Hand. Und als sich ihre Handflächen berührten, sah auch das Oberhaupt, warum sein Vetter so emotional reagiert hatte. Ihm gegenüber, in dem kleinen Vorraum des Festsaals gab es jemanden, von dem er einfach nicht mehr wegsehen konnte. Ein Wesen, eine Frau, deren Anblick er seit mehr als tausend Jahren aus seinem Gedächtnis gestrichen hatte und die nun wahrhaftig vor ihm stand – keine hundert Meter von ihm entfernt. Er, ein Vampir seit fast dreitausend Jahren, musste mehrmals blinzeln, um sich zu vergewissern, nicht zu träumen. Dort stand sie nun, das Antlitz gesenkt, die langen, schwarzen Haare vors Gesicht geschoben und die Hände kraftvoll um den Arm ihres… Partners geklammert. Er konnte riechen, dass sie sich leicht unwohl fühlte; fast meinte er sogar, ihren Duft unterschwellig vernommen zu haben. Ihre Pupillen huschten nervös von einer Ecke zur anderen und trotzdem konnte er hin wieder ein kleines Lächeln auf ihren Lippen erkennen. Nichtsdestotrotz lag die Anspannung in ihren Gliedern, ihr Atem ging flach. Ihr Atem… Sie atmete, benötigte Sauerstoff… Noch konzentrierter horchte er und dann war es ganz deutlich. Das Schlagen ihres Herzens, das Pulsieren ihres Blutes. Sie lebte. „Für eine Weihnachtsveranstaltung ist das ganz schön unheimlich, was?“, flüsterte sie dem jungen Mann neben sich schüchtern, aber auch ein wenig amüsiert zu, während sie sich neugierig umsah. „Findest du nicht auch, Marcus?“ Seine Augen weiteten sich, je länger er lauschte. Erst da wurde ihm bewusst, dass es nicht sie sein konnte, dass es jemand anderes war. Ein Mensch mit seinem eigenen Seelenverwandten. Auch, wenn das Aussehen dieses Wesens dem ihren sehr ähnlich war. Und je klarer diese Tatsache in sein Bewusstsein rückte, desto mehr Bitterkeit schien sich in sein Gemüt zu legen. Die anfängliche Aufregung verwandelte sich in Gram. Er hatte vorher schon recht wenig Lust zu diesem Festmahl gehabt, doch jetzt war sie ihm gänzlich vergangen. Den einzigen Wunsch, den er jetzt noch hegte, war der, diese Festung zu verlassen und für sich allein zu sein, um seinen Kopf frei zu bekommen. Selbst, wenn er die Lust nicht verloren hätte, könnte er unmöglich diesem Festmahl beiwohnen, mit dem Wissen, dass auch sie, die ihr doch so ähnelte, ebenfalls ihr Leben hier verlieren würde. Er könnte es nicht ertragen, diesen Anblick noch einmal miterleben zu müssen. Aro sah und hörte seinen Schmerz, er verstand das Leid, das ihn quälte. Und deshalb rief er Heidi zu sich, um sie anzuweisen, das Pärchen von der Gruppe zu trennen, einen Vorwand zu erfinden und die beiden nach draußen zu begleiten. Er hatte seine eigenen Gründe, warum er ihm auf diese Weise entgegenkam, nur helfen würde es nicht, ihn zum bleiben zu animieren. Noch während er den Raum verließ, konnte er Caius‘ aufgebrachte Stimme hören. Er war empört darüber, dass Aro diese beiden Menschen einfach laufen ließ, wo sie doch bereits einen Großteil der Festung von innen gesehen hatten. Er konnte nicht verstehen, warum das Oberhaupt diese zwei schwächlichen Kreaturen gehen ließ, wo sie doch bereits Dinge mitbekommen haben könnten, die kein Mensch wissen durfte. Er blendete all ihre Stimmen aus, einzig der Weg nach draußen interessierte ihn noch. Selbst, als er den frostigen Wind der kalten Jahreszeit in seinem Gesicht spüren konnte, blieb er nicht stehen. Mit einer Leichtigkeit huschte er durch die dunklen Gassen Volterras, passierte die Stadtmauer, wanderte über die Wiesen, durchquerte die dunklen Wälder, bis er letztendlich in Rom ankam. Selbst dort machte er erst Halt, als er vor dem großen Petersdom stand und seinen Blick über das riesige Mauerwerk wandern ließ… Er hatte sich in das Gebäude geschlichen und der Messe zugehört, obwohl er sich nicht erklären konnte, was ihn dazu bewogen hatte – war er doch einer der überzeugtesten Atheisten überhaupt. Und trotzdem hatte er sich die Reden des Papstes angehört, hatte unter den Paaren und Familien verweilt, ohne auch nur einmal ernsthaft den Wunsch zu hegen, sich in die Masse zu stürzen und die traute Atmosphäre zu zerstören. Vielmehr hatte er sie auf eine seltsame Art und Weise genossen. Er war auf der Suche nach einer Erklärung gewesen, doch gefunden hatte er sie nicht. Auch nicht jetzt, wo die Mitternachtsmesse vorbei war und er allein auf dem großflächigen, von Schnee bedeckten Dach stand. Was hatte er auch erwartet? Dass ihm ausgerechnet die Christen sagen konnten, was heute passiert war? Warum er Dinge gesehen hatte, die er normalerweise nicht hätte sehen können, und dass der Rest seiner eigenen Fantasie entsprungen sein musste? Das klang für ihn fast noch absurder als die vorhandenen Tatsachen. Vielleicht war er auch einfach schon zu alt, vielleicht traten selbst bei Vampiren irgendwann gewisse Altersschwächen auf. Wer behauptete denn, dass ein Vampir unsterblich war? Ein dreitausend Jahre anhaltendes Dasein war noch kein Beweis dafür, dass Schattengestalten auch wirklich ewig lebten. Oh, wie sehr er dieser Theorie doch Glauben schenken wollte. Wenn er wüsste, dass sein Leben irgendwann ein Ende haben würde, wenn er sich sicher sein könnte, ihr irgendwann einmal wieder zu begegnen. Was würde er nicht alles dafür geben, ihr Antlitz noch einmal in seinen Händen zu halten und jeden Millimeter ihrer zarten, reinen Haut zu liebkosen. Der Kummer befiel sein totes Herz und ließ ihn schwermütig auf den eisigen Steinboden sinken. Seine Finger gruben sich in den Schnee, immer und immer wieder. Warum konnte er all diese Emotionen nicht einfach wieder vergessen, so wie er es schon einmal getan hatte? Warum wurde er ausgerechnet heute so gequält? Eine Bewegung im Schnee ließ ihn in seiner ohnehin schon kaum vorhandenen Bewegung innehalten. Still lauschte er den Geräuschen der Nacht, während seine Augen die Oberfläche des im Mondlicht glitzernden Schnees langsam absuchten. Je weiter sein Blick wanderte, desto stärker wurde die leichte Brise, die hier oben herrschte. Seine langen, pechschwarzen Haare wehten ihm ins Gesicht, sodass seine Sicht für kurze Zeit verschwommen war. Schnell strich er sich mit seinen langen Fingern die Strähnen aus den Augen. Als er wieder besser sehen konnte, entdeckte er die kaum erkennbaren Abdrücke in der weißen Winterpracht, keine fünfzig Meter von ihm entfernt. Ähnlich einer Zeitlupe hob er langsam seinen Blick und immer deutlicher formte sich die Gestalt, die sich ihm gegenüber befand. Letztendlich war sie aber dennoch durchsichtig, nur ihre weiße, milchige Silhouette blieb erkennbar. (Proyecto Oniric - La Fragile Mort http://www.youtube.com/watch?v=D4iB_6rI1D0 ) Das Kleid, das sie trug, flatterte lautlos und ganz sanft in dem Wind, der schon wieder weniger zu werden schien. Ihr langes Haar schlängelte sich um ihren schmalen, weißen Hals und die Spitzen kräuselten sich auf der anderen Seite, verfingen sich in den Strähnen oder blieben zwischen ihren Lippen hängen. Zwischen ihren blutroten Lippen, die ihrem schleierhaften Gesamtbild eine feste Konsistenz verliehen und nun ein erfülltes Lächeln zeichneten. Er musste nicht erst ihr Gesicht sehen, um zu wissen, wen er vor sich hatte. Keine Sekunde zweifelte er an ihrer Existenz, obwohl er genau das eigentlich tun sollte. Doch er spürte es, sein ganzer Körper konnte fühlen, dass es wirklich sie war, die vor ihm stand. „Didyme…“ Zum ersten Mal seit über tausend Jahren hatte er wieder gesprochen. Seine Stimme war noch weniger als ein Flüstern, doch die Angesprochene hatte ihren Namen gehört. Ihr Ausdruck wurde noch glückseliger und ihre Augen begannen zu leuchten. Langsam schritt sie auf ihn zu und auch er kam ihr entgegen. Hätte er gewusst, was ihn diese Nacht erwartete, er hätte jede Anomalie des Tages wortlos über sich ergehen lassen, wäre sie auch noch so seltsam gewesen. Mit Freuden hätte er sich die Nacht herbeigesehnt, er wäre bereits nach Sonnenuntergang hierhergekommen, nur um auf sie zu warten. Fast schien es so, als wollte der Tag ihn bereits die ganze Zeit hierauf vorbereiten, als wären all die Merkwürdigkeiten nicht grundlos geschehen. Aber wie hätte er auch ahnen können, was sie zu bedeuten hatten? Nichts und niemand hätte ihm dieses Szenario prophezeien können, am allerwenigsten er selbst. Er, der keinen einzigen Grund hatte, an Wunder zu glauben. Er wusste nicht, was sie war. Ob Engel oder Geist. Er hatte nie an derartige Dinge geglaubt. Aber eines stand fest: Sie war hier, bei ihm. Sie lächelte ihn an und sie brachte ihm seine lang vergessenen Empfindungen wieder zurück. Er fühlte, wie das Band, das sie beide einst verbunden hatte und das längst verdorrt war, wieder Farbe bekam. Wie es an Stärke gewann, als sie ihre kühle Hand auf seine Wange legte. „Marcus…“ Vorsichtig legte er seine Hand auf die ihre, er hatte Angst, seine Finger würden wie Luft durch sie hindurch gleiten. Doch seine Furcht war unnötig, er konnte die feine, glatte Haut und die grazile Form ihrer Hand erspüren. Langsam hob er auch seine andere Hand, um mit den Fingern ganz sachte ihre Konturen nachzuzeichnen und jeden Millimeter ihres Gesichts in sich aufzunehmen. Nie wieder wollte er sie vergessen, nie wieder wollte er seine Gefühle ersticken. „L'amor è cieco ma vede da lontano…“, flüsterte sie ihm mit melodiöser Stimme zu. Seine Lippen formten sich zu einem seit Ewigkeiten längst verschwundenen Lächeln, als er den Sinn ihrer Botschaft verstand. Sein Daumen strich zaghaft über ihre vollen Lippen und sein Kopf neigte sich ihrem langsam entgegen. Auch sie hob ihr Gesicht, während sich ihre Lider schlossen. Und als die erste Schneeflocke vom nächtlichen Himmel fiel, trafen ihre Lippen aufeinander. Ganz sanft, ganz zärtlich liebkosten sie einander. Voller Liebe gaben sie sich dem Kuss hin, der unschuldiger und reiner nicht hätte sein können, während sie von dem Schneetreiben umhüllt wurden. „Amore mio, non posso senza te vivere sei la mia vita”, wisperte er kaum hörbar gegen ihren halb geöffneten Mund, nachdem er sich ganz sacht wieder von ihr gelöst hatte. „Ti aspetto, amore mio“, lächelte sie ihm entschlossen entgegen und erwiderte seinen intensiven Blick. Sekunden später löste sich ihre Silhouette in dem kreisenden Schneegestöber auf und ließ nichts als umher wirbelnde Flocken zurück. Während jedes einzelne Eiskristall vor ihm durch die Luft tanzte, sah er bedächtig in die Nacht hinaus, in den verdeckten Himmel, dessen Wolkenschicht sich langsam auflöste und bereits die ersten Sterne wieder zum Vorschein brachte. Mochte sein, dass diese Nacht die ungewöhnlichste in seinem unsterblichen Leben gewesen war, doch eines wurde ihm erst jetzt bewusst. Egal, wie schmerzlich er seinen Verlust auch empfunden hatte, eines Tages würde er für diesen entschädigt werden. Denn eines Tages würde er sie wiedersehen. Didyme… ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ A/N des Autors: Ich bin mir gerade nicht hundertprozentig sicher, ob die italienischen Sätze grammatikalisch richtig sind, aber ich hoffe es ;) Bei Fehlern bitte Bescheid geben: Non c'è maggio senza fiore - non c'è vecchio senza dolore - non c'è giovane senza amore - Es gibt keinen Mai ohne Blumen - es gibt keinen alten Menschen ohne Schmerzen - es gibt keinen jungen Menschen ohne Liebe. Amare e non essere amati è tempo perso - Lieben und nicht geliebt werden ist verlorene Zeit. L'amor è cieco ma vede da lontano - Die Liebe ist blind, aber sie sieht von weitem. Amore mio, non posso senza te vivere sei la mia vita - Meine Liebe, ich kann nicht ohne dich leben, denn du bist mein Leben. Ti aspetto – Ich warte auf dich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)