Pakt mit dem Teufel von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Einfach Komisch -------------------------- „Charli du kommst zu spät zur Schule. Steh auf und zieh dich an. Sofort, komm schon!“ Ich drehte mich in meinem warmen gemütlichem Bett auf die Seite und versuchte zwanghaft meine Mutter zu ignorieren, die wie eine Monsterwelle durch die Wohnung stürmte. Geradewegs auf mich zu. Die schwarze Decke wurde von meinem Gesicht gezogen, und die kalte Morgenluft prallte auf meinen aufgeheizten, müden Körper. Ich hatte ihr nicht abgewöhnen können in der früh als erstes mein Fenster aufzureißen. „Mum“, warnte ich sie und wollte die Decke zurück ziehen, aber sie hielt sie mit ihren kleinen, aber trotzdem sehr starken Fingern fest. Keine Chance. „Oh man kannst du dir nicht mal wen anders zum Quälen suchen?“, fragte ich genervt, während ich mich streckte und aufsetzte. „Mit dir ist es viel lustiger…“, entgegnete sie vergnügt, und zog nochmal an ihrem Joint. In diesem Haushalt war es normal das schon in der Früh gekifft wurde, und dass nicht von der Tochter, sondern von der Mutter… Ich streckte ihr die Zunge raus, und sprang schnell ins Bad welches sich direkt neben meinem dunklen, unaufgeräumten Chaoszimmer befand, bevor sie anfing für meine Frechheiten Schläge zu verteilen. In Sicherheit vor kiffenden Monsterwellenmüttern stellte ich das Radio an, und sprang unter die Dusche. Aber mein Elan war geheuchelter Natur. Ich hatte keine Lust auf Schule! Ich hatte keine Lust nach der Schule in das kleine Cafe zu gehen, dass sich unter uns im Haus befand und dort die nette, tolle Bedienung zu spielen. So wie jeden Tag. Immer dasselbe! Ich hatte einfach keine Lust. Am liebsten hätte ich mich wieder ins Bett gelegt. Meine Rockmusik ganz laut aufgedreht, und hätte den Tag damit verbracht mitzusingen. Aber das war unmöglich. Allein schon deswegen weil ich meiner Mutter nicht noch mehr Kummer bereiten wollte, als sie sowieso schon hatte… Mein Vater hatte uns verlassen als ich sieben Jahre alt gewesen war. Obwohl ich jetzt 16 war, konnte ich es ihm nicht verzeihen, und wollte ihn auch nicht sehen. Und wenn ich etwas wirklich nicht wollte, dann konnte ich die sturste Person auf der Welt sein. Wegen ihm musste meine Mutter uns alleine durchs Leben schlagen. Dabei hatte sie ihren Platz im Leben selber nie gefunden, oder besser gesagt verloren als mein Vater eines Nachts ging und sie mit mir alleine ließ. Wegen ihm hatte ich starke Schlafprobleme, war immer unausgeschlafen. Verlustängste plagten mich ständig. Wegen ihm war meine Mutter eine Männerhasserin, und ich zwangsläufig auch. Männer waren unnütz. Sie rülpsten, pfurzten, wussten alles besser, richteten sich in der Öffentlichkeit ihre Genitalien hin, und wollten ständig Sex. Alles unnütz und widerlich. Nägel in die Wand hämmern konnte ich alleine. Ich konnte sogar ganz alleine den Müll rausbringen, oder Regale zusammenbauen! Ich konnte sogar einen richtigen PC bedienen! JA so gewitzt war ich! Ich dachte genervt an die ganzen kleinen Typen in meiner Schule die mich ganz toll fanden und umschwärmten. Wahrscheinlich weil sie genau merkten, dass ich mich ihnen nie nähern würde in meinem ganzen Leben. Lasst mich alle in Ruhe! Dass war meine Devise an die Männerwelt. Deswegen gab es keine andere Kleidung als schwarz, und auch nichts anderes als schwarze Schminke. Es gab keine tief ausgeschnitten Dekolletés oder Miniröcke! Es gab nur meinen Mittelfinger für jeden der es bei mir probierte. Nach dem Duschen schminkte ich meine Augen wie immer. Schwarzer Kajal drum rum, und Wimperntusche auf meine langen Wimpern. Ich mochte den Kontrast zwischen meinen Knallroten Haaren, meinen dunkel geschminkten Augen, meiner hellgrünen Augenfarbe und meiner pfirsichfarbenen reinen Haut. Ich seufzte, als ich daran dachte dass ich gleich in die Realität musste. Raus aus dem kleinen roten knalligen Badezimmer- aus unserer kleinen knalligen Wohnung und ab in die Wirklichkeit. Zwischen andere Menschen. Schließlich war ich leider fertig. Ich würde wieder zu spät zur Schule kommen. Aber die Standpauke des Lehrers der mich hasste, und ich ihn natürlich auch, war mir egal. „Charline! Kannst du dich nicht mal etwas farbiger anziehen? Immer dieses Schwarz! Du siehst aus als würdest du zu einer Beerdigung gehen!“, motzte meine Mutter als ich aus dem Bad kam und ich verdrehte die Augen. „Mama, es kann nicht jeder so ein Papagei sein wie du!“ Ich packte meine schwarze Schultasche, steckte meinen MP 3 Player in die Ohren, und deutete ihr das sie vor mir gehen sollte. Beschwingt schnürte sie sich eine gelbe Schürze um ihre Hüften, und verließ vor mir die Wohnung. Sie war ganz in gelb heute. Wie ein durchgeknallter, fröhlicher Kanarienvogel mit hochgesteckten schwarzen Haaren stapfte sie vor mir die Treppen runter. Sie liebte ihr Cafe. Sie liebte ihre Arbeit… Es war alles was sie besaß, und was sie sich aufgebaut hatte seitdem mein Vater und sein gut gefüllter Gedlbeutel weg waren. Das Cafe sah aus wie sie. Bunt und fröhlich. Die Gerichte waren auch wie sie. Ungewöhnlich und peppig. Deswegen konnten wir uns über Geldprobleme nicht beklagen. Aber auch deswegen weil sie sich das Geld für eine dritte Bedienung sparte. Weil ich diese spielte. Zumindest nach der Schule, und an den Wochenenden. „Ok mein Schatz… wir sehen uns dann heute um zwei ja? UM ZWEI“ „Ja Mum“ mir war klar, dass ich nicht drum herum kam, weil sie jede Gelegenheit schamlos nutzte um mich irgendwie zu küssen, zu knuddeln oder anzugrabschen. So wie jetzt. Sie gab mir einen Kuss auf den Mund, UND zwickte mir zu allem Überfluss noch in die Backe. „Sei brav ja? Und beeil dich! Sonst kommst du schon wieder zu spät!“ „Immer diese Hektik“ entgegnete ich gelangweilt. Sie wusste genauso gut wie ich dass ich immer zu spät kam. Wir trennten uns in dem engen braunen Hausflur, nachdem wir die Treppen nach unten gegangen waren. Sie nahm die Tür rechts in ihr Cafe, ich nahm die Tür geradeaus die nach draußen führte. Es war schon jetzt heiß und schwül. Aber ich schwor mir meinen dünnen schwarzen Pullover anzulassen. Auch wenn es mitten im Sommer war! Auch wenn ich schwitzen würde! Ich hatte ein gutes Deo aufgelegt. Wir wohnten im Zentrum von Berlin, und der Trubel auf den Straßen war wie immer. Es war laut und wuslig. Ich machte die Musik lauter, ging erst mal zum Bäcker um die Ecke und holte mir ein Schokocroissant, so wie jeden Morgen. Genüsslich biss ich rein, und war enttäuscht weil noch keine Schokolade zu schmecken war. Beim zweiten Bissen war ich schon erfolgreicher. Dann schlenderte ich in Richtung Schule, während ich die hektischen Menschen um mich herum beobachtete, und tänzlend versuchte Dreck auf dem grauen Gehweg auszuweichen. Meine Schule war nur drei Blocks weiter, aber ich würde es so oder nicht schaffen weil ich nämlich immer viel zu spät los ging. Weil ich nämlich immer viel zu lang in meinem Bett liegen blieb, oder mich irgendwas aufhielt was wichtiger war. Der Buchladen war schließlich auf dem Weg, genauso wie der Musikshop. Und ein Dunkin Donut! Jetzt war es auch schon wieder fünf vor Acht. Also kein Grund zur Eile. Auf fünf Minuten kam es nun auch wirklich nicht mehr an. Ich biss noch ein letztes mal von meinem Croissant ab, bevor ich es in weiser Vorraussicht wegpackte. Gleich musste ich durch meine Geliebte Unterführung gehen mit dem ungeliebten Uringestank, und essen war da nicht drin. Ich war an die Penner mit ihren Hunden die hier hausten schon gewöhnt, aber konnte ihnen denn keiner irgendwo Toiletten hin bauen? Dieser Gestank war gleich in der früh ganz schön viel für meinen Magen. Deswegen beschleunigte ich auch meinen Schritt, nachdem ich die Treppen in die dunkle Unterführung runter gerannt war. Ab und zu schmiss ich ihnen einen Euro in die Hüte, aber diesmal stank es besonders und ich wollte keine Pause machen. Anscheinend gefiel ihnen dass nicht, denn als ich gerade an einer dieser Minderbemittelten Gestalten vorbei ging, wurde ich am Fuß gepackt. „Hey!“ ich wollte mich losreißen, und schaute nach unten in ein dreckiges Gesicht von einem Mittelalten Obdachlosen der neben einem anderen alten Obdachlosen saß, der lachte. Der Geschäftsmann im grauen Anzug der hinter mir gegangen war schaute mich kurz an, machte aber keine Anstalten mir zu helfen. Sein Schritt beschleunigte sich sogar. „Ja du Arschloch! Hau nur ab! Nicht dass du deinen Anzug noch bekleckerst!“, schrie ich ihm hinterher. Dann versuchte ich dem Individuum welches mich fest hielt den Fuß zu entziehen. „Lass mich los! Ich muss in die beschissene Schule! Was soll denn das?“ „Kannst du ja gleich…“ mit einem Ruck zog er mir den Fuß weg, und ich verlor das Gleichgewicht. Mit einem unästhetischen Plumpser landetet ich auf meinem Allerwertesten. „Aua!“, beschwerte ich mich und starrte die zwei wütend an. Dann schluckte ich laut als ich sah das der eine ein altes Messer in den Händen hin und her drehte. „Ehh… willst du mich jetzt abstechen, oder was? Darf ich dich darauf hinweisen, dass ich dir davor die Nase breche?“ fragte ich liebenswert. Scheissmänner! Sag ich doch! Wie sollte ich es nur meiner Mutter erklären, dass ich abgestochen wurde in irgend einer Unterführung? Ach ja ich wäre ja dann tot. Ich müsste es ihr nicht mehr erklären. Sie wäre am Boden zerstört. Mist! Ich schaute zu den Eingängen der Unterführung aber NATÜRLICH war sie menschenleer. Der Mittelalte Typ dessen Zähne nicht mehr ganz fit waren, beugte sich mit einem Grinsen zu mir. „So Kleine jetzt gib uns einfach deinen Geldbeutel und deine anderen Besitztümer, und dann verschwinde“ vielleicht aber nur vielleicht hätte ich die Option in Erwägung gezogen, aber er machte einen Fehler. Er strich mir mit seinen stinkenden, dreckigen Männerfingern über meine Frischgewaschene Wange, und ich sah Rot. "Du bist voll eklig!" stieß ich aus. Ich hob meinen Fuß beugte mich zurück, und trat ihm ins Gesicht. Ich hatte Stiefel an, dass war praktisch. „Was?“ der ältere mit dem Messer machte einen Satz auf mich zu, genau wie der andere, der sich an die Nase fasste und mich wütend anstarrte, als Blut aus dieser schoss. Doch bevor sie mich packen oder abstechen oder was weiß ich tun konnten, wurde ich an den Oberarmen gepackt und auf die Beine gezogen. Ich wollte gerade zum Fausthieb ausholen, und ich hätte wenigstens einen von ihnen alle gemacht, dessen war ich mir sicher. Jetzt wurde ich aber schon am Arm aus der Unterführung geschleift. Die Finger die mich fest hielten schnürten mir das Blut ab. „Hey lass mich los!“ ich drehte mich um und sah entsetzt, dass ich in dem Gewusel meinen Mp 3 Player verloren hatte. „Ich hab was vergessen!“ als ich mich wieder zu dem Individuum umdrehte, dass dachte es hätte mich gerettet, war ich noch wütender. Es war auch ein Mann. Ein großer Mann. Eindeutig kein Penner, der Art seines ungewohnt geschmeidigens Ganges und Auftretens nach zu urteilen. Er hatte einen schwarzen Mantel an und dunkelbraune, mittelkurze, in alle Richtungen abstehende Haare. Mehr konnte ich nicht erkennen weil er mich nicht ansah, nur hinter sich her schleifte als wäre ich ein kleines unfolgsames Kind. Er wollte mich anscheinend nicht so bald loslassen. Da hatte er sich aber die Falsche ausgesucht! „Kannst du mal warten?“ schrie ich und riss mich mit einem Ruck los. Bevor er sich zu mir umgedreht hatte, drehte ich mich schon auf den Fersen um und lief wieder in Richtung der Typen die uns hinterher starrten, uns aber nicht folgten. Komischerweise schauten die zwei Penner mich zwar an als ich mich ihnen näherte, allerdings sagten sie kein Wort mehr. Sie starrten mich nur mit einem komisch leerem Gesichtsausdruck an. Sicher konnten sie es genauso wenig wie der Fremde glauben, dass ich freiwillig umdrehte, zu ihnen zurückkehrte, und meinen MP3 Player mitnahm. Als ich zufrieden war, und meine Musik wieder in den Händen hatte drehte ich mich um, und musterte die Person, die mich durch die Unterführung gezogen hatte. Er stand zwei Meter entfernt, und schaute mich mit einem Gesichtsausdruck an, als würde er an meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Er hatte hellblaue, stechende Augen und ein typisches Modelgesicht. Mir war sofort klar, dass er sich für ausgesprochen gutaussehend hielt in seinem kleinen Designermantel, und dem Designerhemdchen, und seinen Designerjeans an dem Designerkörper. Wahrscheinlich war der Kerl auch noch Model. Meine Annahme von seiner Selbstverliebtheit wurde nur bestärkt als ihm der Mund aufklappte, als ich einfach an ihm vorbei ging. Ich hatte jetzt wirklich keine Zeit mehr. Egal, wie toll dieser Typ aussah! Aber als ich die Hälfte der Treppen erreicht hatte, wurde ich erneut am Arm gepackt. Böse funkelnd drehte ich mich um, und wurde genauso wütend angefunkelt. Er funkelte um einiges eindrucksvoller als ich, stellte ich neidisch fest. „Was ist denn noch?“ fragte ich genervt. Wollte mich denn heute wirklich keiner in die Schule lassen? Nicht das ich etwas dagegen gehabt hätte. Einen Moment war er verwirrt, dann funkelte er noch wütender zurück. „Du könntest dich wenigstens bedanken“, stieß er schließlich mit ziemlich melodischer, wenn auch gepresster Stimme aus, die runter ging wie Schokoshake. Ich riss mich energisch los und ging weiter. „Für was? Dafür das du mir den Arm brichst?“ Nach einigen Sekunden war er erneut an meiner Seite und hielt locker mit meinem schnellen Trotzschritt mit. Dieses mal hielt er mich aber nicht fest. „Vielleicht dafür das ich dir… das Leben gerettet habe?“ er ließ die Aussage als Frage klingen. Ich zeigte ihm den Vogel und lachte auf. Er starrte noch entgeisterter. Was war denn nur falsch mit dem? Warum starrte er mich so an als würde ich die Päpstin Johanna persönlich sein, die von den Toten auferstanden ist? „Das Leben gerettet? Pff! Ich wäre schon alleine mit denen fertig geworden!“ lachte ich. Schließlich war ich in Berlin Kreuzberg aufgewachsen. Ich hob meinen Arm hoch, spannte meine Oberarmmuskeln an und hielt sie ihm unter die Nase. „Da siehst du Muskeln aus Stahl… Dazu noch der schwarze Gürtel“ Einen Moment schaute er auf mein dünnes Ärmchen dann in mein Gesicht. Dann auf mein dünnes Ärmchen, und erneut in mein Gesicht. Sein Mundwinkel zuckte, was meinen Blick auf viel zu volle, viel zu glatte, viel zu sinnliche Bilderbuchlippen lenkte. Mist verdammter! Was hatte ich denn gefrühstückt? Ein bisschen Schmachtcornflakes oder DümmlichesGestarre-Milch? Das hier ist nur irgendein Typ, und der ist gar nicht toll! Also reiß dich jetzt zusammen Charline Bildhauer! Schließlich schaute er von mir weg, und schüttelte ungläubig den Kopf. Wir waren gottseidank an meiner Schule angekommen, und ich blieb noch einmal kurz stehen. Noch eine Ansage, dann war ich ihn los. „Ok mein toller strahlender Retter… ich muss jetzt los und kann dir leider keinen Orden für außerordentliche Zivilcourage verleihen. Geh dir die Haare gelen, deinen Modeljob machen, irgendwelche Schlampen schwängern, irgendwas… ich muss jetzt in die Schule.“ Er schaute mich wieder an, als hätte er etwas ganz anderes aus meinem Mund erwartet. „Naja… mit dir will ich da gerade nicht anfangen“ entgegnete er schließlich schelmisch, aber mit erschrekend verführerischer Stimme, und ließ seinen Blick schamlos über mich wandern. „Gut, dann sind wir ja schon zwei“ antwortete ich leichthin, was mir irgendwie gar nicht so leicht fiel. Drehte mich um und ging davon, dass ging noch schwerer. Ich konnte seinen eisblauen Blick regelrecht zwischen meinen Schulterblättern spüren, als ich durch den Schulhof auf die Türen des blauen Schulgebäudes zu rannte. Er brachte mich dazu schneller zu rennen. Kapitel 2: Ich bin im falschen Film ----------------------------------- Die Schule war wie immer totlangweilig gewesen. Am liebsten hätte ich geschlafen. Aber die anderen Schüler deckten mich nicht mehr wenn ich schlafen wollte. Also musste ich hellwach dasitzen, und dem endlosen Gelaber des Lehrers zuhören, bis mich die Schulglocke mit ihrem schnarrendem Ton erlöste. Ich war eine der letzten die in die Schule kam und eine der ersten die sie verließ. Schnell ging ich nachhause und mied absichtlich nicht die Unterführung. Ich hatte mir mal geschworen vor nichts und niemandem auf der Welt Angst zu haben. Und besonders nicht vor Männern. Und diesen Schwur wollte ich auch einhalten. Die Penner waren sowieso nicht mehr da. Nur eine kleine getrocknete Blutlache erinnerte daran, was heute Morgen geschehen war. Aber eigentlich war doch gar nichts passiert, oder? Außer das ich einem Fremden in Notwehr ins Gesicht getreten hatte. Zuhause angekommen machte ich mir schnell eine fünf Minuten Terrine, und einen Teil meiner Hausaufgaben. Ich hatte sie sowieso meistens nicht fertig. Meine Mutter war schon daran gewöhnt immer wieder Mitteilungen der Schule zu unterschreiben. Um viertel nach zwei kam ich unten in dem gelben fröhlichem Cafe an. Edith die Bedienung meiner Mutter wartete schon genervt auf mich, in der kleinen Küche. „Musst du immer zu spät kommen, Mädchen?“, fragte mich die leicht übergewichtige freundliche Frau die schon bei uns arbeitete seitdem meine Mutter das Cafe eröffnet hatte. „Dann wärs ja nicht normal, wenn ich nicht zu spät komme, oder?“ Sie verdrehte die braunen Augen und reichte mir meine Schürze, mit Sommersprossiger Hand. „Heute ist verdammt viel los, also halt dich ran“, ermahnte sie mich noch. Ich verdrehte die Augen meinerseits, und ging nach vorne durch die Schwenktür hinter den Schwarzen glänzenden Tresen an dem eine Gruppe Jugendlicher saß, und Latte Machiattos schlürfte. Ja. Es war wirklich viel los. Jede gemütliche Sitzecke an der Scheibe war besetzt. Es gab vier Sitzecken. Vier Tische, und noch die Barhocker am Tresen. Die Tische waren klein und rechteckig. Aus hellem Kernbucheholz. Die Sitze waren aus Rattan und mit gelben Polstern. Die Bilder an den Wänden, waren abstrakt und regten zum Denken und phantasieren an. Meine Mutter hatte eine Vorliebe für Salvador Dali. Was ich von ihr übernommen hatte. Das Cafe war wirklich klein. Aber wegen dem guten Stil meiner Mutter war es ein Insider in Berlin, und immer gut besucht. Meine Mutter kam gerade mit zwei Tabletts leerer Gläser auf mich zu, und küsste mich im vorbei gehen auf die Wange. „Tisch eins hat noch nicht bestellt“ Ich packte einen kleinen Block von der Anrichte hinter dem Tresen, und steckte ihn in meine hintere Hosentasche. „Wie wärs mit, guten Tag mein allerliebster Schatz. Wie war dein Tag? Haben dich die Lehrer gestresst?“, fragte ich sie nur, aber sie ging kichernd weiter. Nachdem ich mir sicher war keine Antwort mehr erwarten zu können, ging ich zu der Gruppe junger Mädchen die mich missbilligend beäugten, um die Bestellung aufzunehmen. Im Vorbeigehen fiel mir eine Frau auf die ganz rechts am Tresen saß, dort wo es zu den kleinen Toiletten ging. Sie fiel mir auf weil sie sehr schön war. Schönheit fällt immer auf. Ich war nicht lesbisch, oder sowas. An Liebe und so einem Kram hatte ich ÜBERHAUPT kein Interesse. Trotzdem faszinierte sie mich. Ihre Augen waren von einem hellen Blau, und waren sehr groß und aussagekräftig. Ihre tiefbraunen glänzenden Haare fielen in wilden Locken über ihren Rücken, und ihr perfekter Körper steckte in einem roten knappen Minikleid, kombiniert mit schwarzen blickdichten Strumpfhosen. Sie sah aus wie eine Frau derer kein Mann wiederstehen konnte. Sie sah aus wie ein Topmodel unter Topmodeln. Wie sie ihre Zigarette rauchte, und sich die Haare hinters Ohr zurück strich hatte etwas wahnsinnig Anziehendes an sich. Da konnte man nur neidisch werden, aber nicht ich. Weil man nur neidisch wurde, wenn man sich für Männer interessierte die sie einem wegschnappen könnte, und da ich mich nicht für Männer interessierte, fand ich sie einfach nur supersexy und superhübsch. Punkt. Ich nahm nebenbei die Bestellung der Mädchen auf und zuerst merkte ich gar nicht, dass sie mich auch beobachtete. Als ich es mitbekam war es schon zu spät. Sie hatte schon gemerkt wie ich sie anstarrte. Anscheinend machte es ihr nichts aus. Denn ihr Mund verzog sich zu einem breiten, einladendem Lächeln, welches strahlend weiße Zähne offenbahrte. Ich erwiderte das Lächeln genauso breit, und ging wieder hinter den Tresen, um die Kaffees zu zubereiten die bestellt wurden. Der Tag verging recht schnell. Es war viel zu tun. Ich war nur am rumrennen, und hoffte dass meine Mutter bald schließen würde. Aber es kamen immer wieder neue Gäste, und die konnten wir ja nicht rausschmeißen. Also blieb ich trotz schmerzender Füße standhaft, und ließ mir nichts anmerken. Ich konnte ein Miststück sein, ein richtiges Miststück, aber ich der Arbeit war ich immer korrekt und höflich. Schließlich ging es um den Ruf meiner Mutter, und ihres Cafes dass übrigens Jipi hieß. Die schöne Frau verließ nach kurzer Zeit das Cafe, und ich hatte nichts mehr zum schauen. Schade. Ich zog eine Schnute. Erst um halb elf verabschiedeten sich die letzten Gäste, obwohl wir unter der Woche nur bis zehn offen hatten. Meine Füße trugen mich kaum noch, und ich lehnte mich müde an den Tresen, als meine Mutter mir noch einen Müllsack in die Hände drückte. „Schatz ich weiß du bist müde, aber willst du den bitte noch weg bringen?“ fragte sie mitfühlend, und strich mir die Haare hinters Ohr. Ich wich vor ihr zurück, und packte den Müllsack. „Von Wollen kann hier nicht die Rede sein“ knurrte ich, drehte mich trotzdem um, und verschwand durch den hinteren Ausgang in den dunklen Hof. Der Mond schien hell, und das Licht aus der Küche leuchtete auf die Mülltonnen, also machte ich im Hof nicht das Licht an. Ein normaler Mensch hätte es gruslig hier gefunden, aber ich wusste dass dieser Hof nur uns gehörte. Deswegen war ich auch irritiert, als ich im Schatten eine Bewegung wahr nahm. Erstarrt blieb ich mit offenem Mülldeckel stehen, und spähte in die Dunkelheit unter der Feuertreppe. Da bewegte sich nochmal was, schemenhaft und sehr schnell. Aus der Dunkelheit trat unverhofft die hübsche Frau von heute Nachmittag. Sie hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und tänzelte eher als das sie normal gehen würde. Ich warf den Sack in die Tonne, und ließ sie zufallen. Dann drehte ich mich zu der Frau, und schaute sie fragend an. „Ehm… hat was nicht mit dem Wechselgeld gestimmt? Oder haben sie die Toilette nicht gefunden?“ fragte ich verwirrt und bewegte mich in Richtung Eingangstür. Was machte sie hier? Ihre geraden Zähne blitzten in der Nacht auf, als sie mich anlächelte. „Ist irgendwas?“ fragte ich als sie nicht antwortete. „Mein Bruder hat Geburtstag“ als sie sprach verschlug es mir kurz die Sprache. Sie hatte eine sehr schöne melodische Stimme. „Und?“ ich war verwirrt. Was hatte das denn mit mir zu tun? Das Bild von meinem vermeintlichen Retter von heute Morgen schob sich in meine Gedanken. Verärgert verdrängte ich es wieder. Was hatte diese Situation und diese Frau hier mit ihm zu tun? Warum dachte ich an diesen Mann? Gerade jetzt? Und überhaupt? „Ich möchte, dass du mir ohne Umschweife, und ohne Theater folgst“ Glühten ihre Augen da gerade und wurden immer dunkler? Noch verwirrter schüttelte ich meinen Kopf. Ich bekam langsam Kopfschmerzen von dem anstrengenden Tag, und sie hielt mich auf mit irgendwelchem Irrsinn. Wie war sie überhaupt in diesen Hof gekommen? Ich ging noch einen Schritt auf die Tür zu. „Ehm sorry aber ich folge ihnen sicher nicht. Ich gehe nur noch ins Bett, und sonst nirgendwo hin!“ Einen Moment weiteten sich ungläubig ihre Augen. Im nächsten Moment stand sie plötzlich neben mir. Wie hatte sie sich so schnell bewegen können? Sie war gut fünf Schritte entfernt gewesen! Ich erstarrte erneut, als sie mir über die Wange strich. „Schlaf jetzt“ säuselte sie mit samtweicher Stimme, und ohne mein Dazu tun schlossen sich meine Augen. Ich wollte mich noch wehren und sie wieder aufreißen, das war jawohl eine Unverschämtheit mich hier einfach einzuschläfern, aber es wurde alles schwarz, und ich fühlte wie mein Körper in sich zusammensackte. Als ich wieder aufwachte hatte ich immer noch Kopfschmerzen. Ich erwartete in meinem weichen Bett aufzuwachen. Aber unter mir war es weder weich noch warm. Es war hart und kalt. Ich schlug die Augen auf. Und starrte erst mal an die Decke. Sie war im Rauputzzustand. Mit einer einfachen Glühbirne die runter hing, und kühles Licht spendete. So sah aber nicht die Decke in meinem Zimmer aus. Als nächstes erfasste ich das ich auf einer harten Liege lag. So wie man sie auch von Arztzimmern her kannte. Langsam setzte ich mich auf, und schaute mich um. Ich war in einem einfachen weißen Raum wo nur diese Liege und ein Stuhl stand. Gut… Es gab keine Fenster durch die ich hätte sehen können, ob es Tag oder Nacht war. Ok… Es gab nur eine Tür und die war zu. Nicht gut! Nicht OK! Ich schluckte. Dann zwickte ich mich mit zitternden Fingern. Die Hoffnung dass ich träumte war lächerlich, und doch vorhanden. Obwohl sich alles zu real anfühlte, als das es ein Traum hätte sein können, hoffe ich zu träumen. Die Kälte in diesem Raum war real, und auch die Angst die mich kurzzeitig übermannte, und meinen Puls beschleunigte. Ich merkte wie sich mein Magen unschön zusammen zog, und ich anfing zu zittern, als ich auf die Beine kam und anfing die Situation zu erfassen. Ich rieb mir die kühlen Arme und stand auf. „Hallo?“ fragte ich und kam sehr dämlich dabei vor mit der Luft zu reden. Natürlich antwortete sie nicht. Ich war allein. Eingesperrt. Irgendwo in Timbuktu, oder sonst wo. Alles woran ich mich noch erinnern konnte war das die schöne Frau mir gesagt hatte, ich sollte schlafen und ich tatsächlich eingeschlafen war… um dann hier wieder aufzuwachen. Hatte sie mich gekidnappt? Aber warum? Wozu? Meine Mutter war nicht reich, oder dergleichen. Für mich konnte man keine Unmengen Lösegeld verlangen. Ich drückte ohne Hoffnung die Klinke der Tür runter, und keuchte verwundert auf als sie tatsächlich aufging. Wenn ich gekidnappt wäre, dann würden sie wohl kaum vergessen mein Verließ zuzusperren, oder? Schnell schlich ich aus der Tür. Ich war eindeutig in einem Keller. Einem sehr langen Keller. Es gab noch mehr Türen, die sich an der Rauputzwand erstreckten. Insgesamt zählte ich zehn. Ich entschied mich nach rechts zu gehen. Der Mond schien durch ein einziges Fenster weit oben an der Wand, und ich konnte schemenhaft etwas erkennen. Um nicht zu stolpern schob ich mich an der langen Wand entlang, und war erleichtert, als ich am Ende des dunklen Flures an einer Treppe stolperte. Meine Hände tasteten nach dem glatten Eisengeländer, und ich zog mich nach oben. Leise schlich ich die Stein Treppen nach oben. Diese Treppe kam mir ziemlich lang vor im Gegensatz zu normalen Treppen. Es war viel zu leise um mich herum. Die Stille machte mir Angst. Ich hörte das Blut in meinem Kopf nur umso lauter rauschen, und mein Herz rasen. Oben an der Treppe angekommen war es wieder stockdunkel, und ich schlug mit dem Knie gegen eine Holz Tür. Es hallte dumpf. Ich erstarrte und hoffte es hatte keiner draußen gehört, aber die unheimliche Stille wurde durch keine Geräusche durchbrochen, außer meinem keuchenden Atem. Ich fasste mir an mein Herz, und atmete tief durch. >Beruhige dich! Wenn du hier lebend rauskommen willst dann musst du einen klaren Kopf bewahren. Beruhige dich> dachte ich und versuchte langsamer, und bewusster zu atmen. Als ich einigermaßen ruhig atmete suchte ich mit einer Hand nach einer Klinke, bei der anderen verschränkte ich die Finger, und betete das hier auch nicht zugesperrt war. Ich drückte die kühle Klinke nach unten, und die Tür sprang sofort einen Spalt breit auf. Ein Lichtstrahl fiel auf mein Gesicht, und ich spähte durch den Spalt. Ich schielte in einen hellen Flur der so gar nichts mit dem dunklen Keller zu tun hatte. Der dunkle Holzboden im Flur sah sehr teuer aus. Genauso wie die Bilder an der Wand. War das etwa Dali? War das ein Original? Also hatte mich wohl keiner wegen Lösegeld gekidnappt, wenn die hier so reich waren sich einen Original Dali leisten zu können. Ich machte die Tür sehr langsam noch ein Stück weiter auf, und spähte raus. Der Flur war leer. Es war ein sehr kleiner Flur der nur eine Tür hatte. Ich lauschte angestrengt und hörte nichts außer einem Fernseher der sehr leise lief, und einem leichten brutzeln. Noch ein letztes Mal atmete ich durch, dann schlüpfte ich aus der sicheren Dunkelheit ins schutzlose Licht des Flurs und presste mich dort an die Wand. Ich schob mich wieder systematisch an der Wand entlang, und spähte um die Ecke. Ich sah in ein imposantes Wohnzimmer mit drei schwarzen Ledercouchen und einem Sessel, vor einem sehr großen Fernseher und einem Kamin der aus war. Hinter der einen Couch fing ein dunkler Tresen an, der den Übergang in die moderne schwarz glänzende Küche bildete. Und in dieser Küche kochte eine kleine, schlanke Frau. Sie hatte kurze blonde Haare- einen Bobschnitt, und gemütliche rosa Sportsachen an, die ihren Kurven schmeichelten. Sie hatte den Rücken zu mir gedreht, und briet sich Eier an. Ich musste an ihrem Rücken vorbei laufen, um zu der Eingangstür zu kommen, die teilweise verglast war. Ich bekreuzigte mich, was ich normalerweise nie tat, weil es sowieso nie half, und lief los. Ich versuchte leise zu laufen und doch sah ich im Augenwinkel wie sie sich nach mir umdrehte, als ich an den dunklen Couchen vorbei lief. „Nein STop!“ rief sie und obwohl mein Kopf vor Angst platzen wollte, rannte ich weiter. Ich war schon fast bei der Tür. „Pierre! Luc! Tom!“ rief sie schrill, und stürzte auf mich zu. Allerdings hatte ich die Eingangstür schon weit aufgerissen. Mein Herz schlug bis zu meinem Hals, als ich meine angsterfüllten Beine dazu zwang weiter zu stürmen. Allerdings prallte ich gegen etwas Hartes. Dort wo eigentlich nichts weiter als Treppen, die mich in die Freiheit führten gewesen waren, war nun eine männliche Brust aufgetaucht. Ich wurde zurück geschleudert und an den Armen gepackt, bevor ich auf meinem Hintern landete. „Verdammte SCHEISSE, WAS WILL SIE HIER?“ donnerte seine Stimme los und ich blinzelte ein bis zwei Mal bis ich erkannte, in wen ich da gerade reingelaufen war. „DU?“ fragte ich empört, als ich in das wutverzerrte Gesicht des Mannes sah, der mich in der Unterführung pseudo gerettet hatte. Obwohl er gerade am durchdrehen war, war er immer noch wunderschön, oder gerade deswegen? Was dachte ich da eigentlich schon wieder für einen ausgewachsenen Bockmist? Neben ihm stand ein anderer genauso schöner Mann, mit schwarzen Haaren, der mich entgeistert anstarrte, als hätte er eine lebendige Leiche gesehen. „Was soll das?“ zischte der Bekannte Schönling den anderen fremden Schönling an, und er sah dabei wirklich zum fürchten aus. Seine Augen glänzten und sein Kiefer war verhärtet. Ich starrte seine Kiefermuskeln an. Er schleuderte mich herum, als wäre ich eine Puppe und präsentierte mich dem anderen Mann. „Was soll sie hier? Warum habt ihr sie her gebracht?“ grölte er den anderen an. Der lediglich den Kopf schüttelte, als würde er nicht richtig hören, oder verstehen, oder beides. Ich duckte mich angespannt, weil er so laut schrie und so dämonisch aussah in seiner Wut. Er hatte meinen Arm immer noch nicht losgelassen. Statt mich loszulassen, zog er mich wieder ins Haus und knallte die Tür hinter sich zu. Der Knall hallte endgültig in meinem Kopf wieder. Ich konnte seine unbändige Wut nicht verstehen. Ich konnte auch gar nicht verstehen was er hier tat, oder besser gesagt was ICH hier tat! „Nicole!“ rief er, und wie aus dem nichts tauchte die schöne Frau aus dem Cafe neben ihm auf. Ich erschrak mich fast zu Tode, und fasste an mein Herz. Sie grinste ihn breit an, als würde sie erwarten, dass der schöne Irre ihr gleich einen Orden ansteckte. Wieder riss er mich rum, als er sie anfuhr. „Hast du sie hergebracht?“ Sie nickte unbekümmert. Er verzog das ebenmäßige Gesicht. Wortlos packte er mich fester, und zog mich wieder in Richtung Keller. Ich versteifte mich. „Ich will da nicht wieder runter“ stieß ich aus. Ich fühlte die Tränen in meinen Augen aufsteigen. Ich schluckte und verdrängte sie damit er sie nicht sehen konnte. Mit meiner ganzen Kraft versuchte ich mich los zu reißen, aber er stöhnte nur auf, und hielt mich fester. Ich hatte keine Chance. Die anderen starrten uns hinterher. „Lass mich sofort los, oder… ich tu irgendwas!“ schrie ich ihn an. Mir fiel nicht mal eine Drohung ein! Er dachte nicht mal daran, mich loszulassen. Ruppig schleifte er mich hinter sich her. Die Treppen nach unten. Ich versuchte nicht zu stolpern, und schaffte es sogar. Obwohl er kein Licht angemacht hatte schien er perfekt zu sehen, während ich immer mehr zitterte. Immer noch wortlos und immer noch rasend riss er die Tür meines Verlieses auf, und stieß mich auf die Liege. Unkomfortabel landete ich und konnte mich gerade noch mit den Händen abfangen. Ich drehte mich um und funkelte ihn wütend an. Dann knallte er die Tür hinter sich zu, lehnte sich angespannt an die Tür und schaute mich an. Diese eisigen Augen… Sie waren so… faszinierend! Er stöhnte erneut auf. Fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare, und verließ ohne ein Wort der Erklärung das Zimmer. Nein, er verließ das Verließ. MEIN Verließ! Diesmal hörte ich einen Schlüssel, der sich im Schloss umdrehte und seine Schritte die sich schnell entfernten. Jetzt ließ ich es zu. Es war soweit. Es ging auch nicht mehr anders. Ich ließ mich von meiner Trauer überschwemmen, und fühlte wie die Tränen über meine Wangen liefen. Ich saß hier fest. Ganz klar. Meine Mutter wartete daheim sicher schon panisch darauf, dass ihre Tochter vom Müll webringen wieder kehrte. Aber ich saß hier fest, und ich würde nicht sobald wieder kommen! Sie machte sicher gerade die Hölle durch. Genau wie ich. Kapitel 3: Der Fremde Bekannte ------------------------------ Als sich die Tür wieder öffnete war ich vorbereitet. Mir war klar das ich hier eingesperrt war. Nur aus welchen Gründen noch nicht. Ich saß auf meiner Liege mit den Händen nach hinten abgestützt und schaute ihn genau an, während er mit unmenschlicher Eleganz durch die Tür schlüpfte, und sich neben mich auf die Liege setzte. Er ließ mich auch nicht aus den Augen. Nur durch sein Auftreten baute sich eine enorme Spannung in der Luft auf, die mich den Atem anhalten ließ, oder war es sein phänomenales Aussehen, das mir den Atem raubte? Als er neben mir saß, und sich auf die Hände zurück gelehnt hatte, zuckte ich die Schultern. Denn er hatte anscheinend nicht vor ein Gespräch anzufangen. „Und? Was ist jetzt? Wann werde ich vergewaltigt? Oder getötet? Oder zerstückelt, oder was auch immer du mit mir vor hast?“ Und das erste Mal seitdem ich ihn kannte, verzogen sich seine Lippen zu einem kleinen Lächeln. Es machte ihn fast unerträglich schön. Stopp! Seit wann dachte ich so? Jetzt sah sein Lächeln selbstzufrieden aus. „Ich habe weder vor dich zu vergewaltigen, zu zerstückeln, oder dich umzubringen“, antwortete er förmlich. Einen Moment überlegte ich und fühlte wie mein Herz anfing schneller zu schlagen, als er mit mir sprach. Schnell löste ich meinen Blick von ihm, und schaute auf meinen Bauch. „Ok,“ sagte ich langsam, und rang um Fassung. „Na gut du bist vom Staat. Irgendein abgefahrener Geheimdienst? Ich weiß von nichts, von gar nichts- auch nichts von illegalem Marihuana Konsum, ich schwöre…“, versicherte ich ihm schnell. „Nö“, antwortete er knapp. Dass machte mich wütend. Hallo! Ging der immer so mit seinen Opfern um? „Mafia?“, fragte ich genauso knapp. Aber er irritierte mich indem er den Kopf schüttelte und seufzte. Er sah dabei alles andere als glücklich aus. „Was ist?“, fragte ich genervt. „Warum bist du denn jetzt genervt bitte? ICH bin das Opfer! Ich müsste eigentlich am Boden liegen und heulen… und du müsstest irgendwelche schrecklichen Sachen mit mir anstellen. Also bring es doch einfach hinter dich, egal was es ist… mir war schon heut morgen klar, dass du ein ekelhafter Mensch bist, und nicht mehr alle Tassen im Schrank hast“ Ich hatte ihn wieder angesehen, und bereute es nicht, aber als er mich jetzt wütend anfunkelte, schaute ich schnell wieder weg. „Ich bin kein…“, er stockte angespannt „ekelhafter Mensch“ „Gut“, antworte ich zufrieden und sprang auf die Beine. „Dann lass mich doch einfach gehen. Meine Mutter wartet schon auf mich, und ich muss auf die Toilette“ Einen Moment schaute er mich nachdenklich an. Ich musste immer hoffnungsvoller aussehen, unter seinem Blick. Aber dann verzog sich sein Gesicht, und er schaute schnaufend weg. „Das geht nicht“, gab er schließlich gequält zurück. Ich atmete tief durch. Ok ich würde hier nicht mehr rauskommen. Wie sollte ich mich damit abfinden? Wie sollte meine Mutter damit klar kommen? Sie saß sicher daheim auf der Couch, mit einem Kissen vor dem Bauch und hochgezogenen Beinen, und lauschte auf das erleichternde Geräusch meines Schlüssels im Schloss. Ich hatte ihr so etwas noch nie angetan. Einfach nicht nachhause zu kommen, und jetzt würde ich nie wieder nachhause kommen? Ich könnte sie nie wieder sehen? Sie war schon einmal verlassen worden... Erst als er vor mir stand, bemerkte ich dass ich nasse Wangen hatte. Schnell wischte ich die verräterischen Tränen weg. „Hey“, sagte er plötzlich sanft. „Wenn du willst kannst du aufs Klo gehen, Ok?“ „Wow! Wie freundlich von dir!“ Es war mir peinlich, dass ich jetzt doch vor ihm weinte. „Ich piss mir lieber in die Hosen!“, schrie ich um nicht komplett in Tränen auszubrechen. Er stand hilflos vor mir. „Verpiss dich einfach!“ Ich zwang mich an ihm vorbei, legte mich mit dem Rücken zu ihm auf die Liege, und unterdrückte den Kloß in meinem Hals. Ich hörte nichts weiter, als die Tür die hinter ihm zu ging. Jetzt brachen die Schluchzer aus meiner Brust. Super. Was wollten sie nur von mir? Warum war ich hier eingesperrt? Und wozu war er überhaupt zu mir runter gekommen? Um sich an meinem Kummer zu weiden? Da hatte er ja jetzt seinen Spaß gehabt… Irgendwann war ich leer geweint. Ich lag nur noch auf der Liege und starrte vor mich hin. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich hier unten schon war. Es hätten Stunden, aber auch Tage sein können. Irgendwann hatte ich aufgehört die Sekunden zu zählen. Aber ich konnte nicht aufhören mich zu fragen, was meine Mutter wohl gerade machte, wie es ihr wohl ging. Ob sie genauso Angst hatte wie ich? Oder noch mehr? Ich war ihr einziges Kind. Die Tür ging wieder auf, aber ich schreckte hoch, als es nicht die Stimme war mit der ich gerechnet hatte, als ich freundlich gegrüßt wurde. „Hallo“ Ich drehte mich nach der tiefen unbekannten, wenn auch schönen Stimme um, und blickte in das Gesicht des Mannes der vorhin auch an der Treppe gestanden hatte. „Hi“, antwortete ich gelangweilt und beobachtete wie er genauso galant wie der andere, auf mich zukam und sich neben mich setzte. Er lächelte mich offen an. Seine Zähne weiß und gerade. Sein Gesicht war auch ziemlich schön. Aber es war kantiger und männlicher, als die fließenden fast schon engelhaften Züge, des anderen. Waren alle hier Topmodels oder was? Er hatte kurze schwarze Haare und dunkelbraune Augen. Sein Kleidungsstil war genauso protzig wie von IHM, und sagte schlicht, mir hängt das Geld zum Arsch raus. Aber irgendwie fühlte ich mich jetzt nicht so mutig wie sonst. Ich schluckte, als er mich anschaute. „Du wirst mit mir schlafen“, verkündete der Mann plötzlich bestimmt, und seine Augen verdunkelten sich vor meinen. Dass satte Braun wurde einen Tick dunkler. Oder bildete ich mir das nur ein? Bildete ich mir ein, was er mir da gerade gesagt hatte? „Was?“, fragte ich empört und wich zurück, als sich seine Hand in Richtung meiner Wange hob. Mein Kopf fing an weh zu tun. Ein leichtes Ziehen an den Schläfen. Angeekelt schaute ich ihn an. „Also doch Vergewaltiger“, stieß ich aus und versuchte nicht in Panik zu geraten. Plötzlich grinste der Mann böse. „Ich stelle mich erst mal vor. Ich bin Pierre Grand. Und du liegst nicht mal so falsch. Auch wenn ich es nicht so grob ausdrücken würde“ Ich schluckte, als nächstes fühlte ich seine Hand auf meinem Oberschenkel. Ein Schmerz zuckte durch die Stelle, an der er mich anfasste. Wie von einer Biene gestochen sprang ich auf die Beine. Der Mann starrte mich verwundert an, als ich taumelnd zurück wich. „Man… bitte…“, flehte ich jetzt. Ich hatte keine Ahnung was ich sonst noch tun sollte. „Kannst du mich bitte erst bewusstlos schlagen, oder sowas?“, schlug ich ihm vor „Hast du keine Spritze die du mir in den Hals spritzen kannst, wie in den Filmen?“ Er schüttelte nur amüsiert den Kopf. „Das ist normalerweise nicht nötig“ „Schön“, entgegnete ich sarkastisch, und war am anderen Ende des kleinen Raumes angekommen. War es hier schon die ganze Zeit so stickig gewesen? Ich wedelte mit meinem Shirt, damit ich etwas Luft darunter bekam. Ich hatte den Pulli nämlich immer noch nicht ausgezogen, von dem ich mir geschworen hatte, dass er an blieb egal was passierte. Der Mann lachte plötzlich und war neben mir, ohne sich offensichtlich bewegt zu haben. Was ging hier eigentlich ab? War ich hier in irgendeinem Geisterhaus gelandet, oder wie? Casper lässt grüßen! „Du wirst nicht davon kommen. Dein Wille zählt hier nicht. Hör auf dich zu wehren“ säuselte er weich, und packte mich mit beiden Händen an der Hüfte. Ich stützte mich gegen ihn, aber er zog mich an sich. Seine Nase fuhr über meine Wange, und er atmete tief ein. „Pierre“ Das war jetzt die Stimme auf die ich eigentlich gewartet hatte, aus der Richtung der Tür. Sie war ganz ruhig und leise. Der Mann der Pierre hieß, und mich gerade tatsächlich vergewaltigen wollte stöhnte auf, und ließ mich los. Jetzt merkte ich, dass ich am ganzen Körper zitterte. Ich atmete tief durch und starrte auf den Boden, versuchte meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Alles in meinem Kopf drehte sich auch noch zu den Kopfschmerzen. „Ich muss mich mal hinlegen“, stammelte ich und stakste unbeholfen in Richtung der Liege, ohne zu wissen ob sie wirklich da war wo ich hin schwankte. Die Kacheln am Boden verschwammen vor meinen Augen, und sie kamen näher! Ich hatte gerade die erste Panikattacke in meinem kurzen Leben. Die Luft wollte nicht mehr in meine Lunge strömen. Mein Hals war wie zugeschnürt. Aber so schnell wie sie gekommen war, war sie komischerweise auch vorbei, die Panikattacke. Nämlich dann, als ich aufgefangen und auf Arme gehoben wurde als wäre ich ein Sack Federn. Der Duft der auf mich einströmte versetzte mich in augenblickliche Ruhe, wenn nicht sogar in tiefe Verzückung. Es roch nach einem satten Sommertag, gemischt mit einer Vereinigung der süßesten, sinnlichsten Parfumkompositionen. Aber das hier war kein Parfum, dass war einfach ER. Ich krallte mich an seinem Kragen fest, und drückte mein Gesicht gegen sein Hemd um mich zu beruhigen… es fiel mir nicht schwer. Die Hände die mich auf die Liege legten waren stark und sicher. „Du solltest jetzt schlafen“, sagte er sanft und wie das erste Mal als die schöne Frau es mir befohlen hatte, schlossen sich meine Augen automatisch. Aber dieses Mal nickte ich noch selig, bevor ich in die Welt der Träume abdriftete. Hosted by Animexx e.V. 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