Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 39: Die Last der Welt ----------------------------- In einer dunklen Nebenstraße der Stadt kauerte seit etwa einer Stunde eine zusammen gekrümmte Gestalt hinter einem großen Müllcontainer. Nur wenn man näher kam, konnte man das Schluchzen und das Weinen wahrnehmen, welches hinter dem Container hervordrang. Doch da sich um diese Zeit kaum noch Menschen auf den Straßen befanden, gab es auch keinen, der sich ihrer angenommen hätte. Wenn nicht endlich und ziemlich zielstrebig eine junge Frau in die Straße eingebogen war. Suchend irrte sie durch die Straße entlang, wagte aber nicht etwas zu sagen. Schließlich war sie neben dem Container angekommen und vernahm das verzweifelte Wehklagen. Besorgt schob sie den Container beiseite und erblickte nun schließlich die andere Person. „Ashley, ist alles in Ordnung? Was ist passiert?“ flüsterte Lily, die auf die Knie sank und nun vor Ashley hockte. Mit tränenverschmiertem Gesicht blickte Ashley auf und gab Lily den Blick frei auf ihr Gesicht. Eine Platzwunde an ihrer Stirn, welche noch vor einer Weile ziemlich heftig geblutet zu haben schien, war deutlich zu erkennen. Besorgt zog Lily ein Tuch aus einer Jackentasche und versuchte grob etwas davon wegzuwischen. Sanft nahm sie den Zeigefinger ihrer freien Hand und wischte Ashley behutsam die Tränen aus dem Gesicht. Das sorgte dafür, dass diese zumindest für den Moment aufhörte zu schluchzen und nun antwortete: „Ich hab ziemlich Mist gebaut.“ Lily setzte sich neben sie und nahm Ashley behutsam in den Arm. Dabei störte sie sich nicht an dem Dreck, der hier an der Hausmauer und am Boden überall herumlag. „Was ist passiert?“ meinte sie sachlich und emotionslos. Es reichte schon, wenn Ashley ein Wasserfall war. Und ihr Wunsch war es sie zu trösten nicht, mit ihr zu weinen. „Ich war heute mit meiner Trainerin unterwegs zu meinem ersten Einsatz. Und irgendwas ist ziemlich schief gelaufen. Ich weiß nicht genau was, aber sie ist verletzt worden und ich wollte ihr helfen, obwohl sie mir gesagt hat, ich soll fliehen. Aber ich konnte nicht.“ Neuerliche Tränen quollen in ihren Augenwinkeln. Lily gab ihr einen behutsamen Kuss auf die Stirn. Für einige Minuten, in denen Ashley wieder zu weinen anfing, saß Lily einfach bei ihr, wog sie im Arm und strich ihr über die Haare. Und erst nach einer halben Ewigkeit, meinte sie: „Hast du es ihnen schon erzählt?“ Ashley schüttelte heftig den Kopf. „Was zum Geier soll ich denen sagen? Das war das erste mal, dass ich für die Schattengänger auf einem Einsatz war und ich hab es gleich in den Sand gesetzt. Wegen mir ist jemand gestorben.“ Lily drückte sie fest an sich. „Das ist doch nicht deine Schuld. Du bist erst seit zwei Monaten im Training und anders als das was ein Schattengänger in deinem Alter normal können müsste, bist du gehörig im Rückstand. Und deine Kräfte haben sich auch noch nicht gezeigt, dass heißt, alles was du im Kampf einsetzten kannst ist das, was die dir beibringen.“ Ashley sah ihr etwas zornig in die Augen „Willst du damit sagen, die sind Schuld und ich soll es einfach dabei belassen, anderen die Schuld zu geben?“ Lily seufzte. „Nein natürlich nicht. Aber Duncan kann dich nicht an den Standards messen, die er gewohnt ist. Und das wird er auch nicht.“ Ashley schloss die Augen und lehnte sich wieder an Lilys Schulter. „Das hoffe ich. Schon schlimm genug, dass die halbe Dämonenwelt mich ausradieren will.“ Mit gespielter Beleidigung erwiderte Lily: „Hey das stimmt doch nicht!“ Doch Ashley zeigte zur Untermauerung ihrer Aussage auf die Wunde an ihrem Kopf. Einige Augenblicke starrte Lily auf die Wunde und es schien, als würde sie angestrengt nachdenken. „Da gibt es vielleicht einen Weg, wie wir zumindest das Problem aus der Welt schaffen können. Etwas ruckartig zog sie an Ashleys linkem Jackenärmel, was Ashley zuerst nicht einordnen konnte, dann erkannte sie, dass Lily ihr die Jacke auszog und ihren T-Shirt Ärmel hochzog. „Was soll das werden?“ fragte sie etwas pikiert. Lily schnaubte während sie Ashleys Oberarm mit der rechten Hand untersuchte. „Siehst du gleich.“ War ihre Antwort. Doch Ashley war misstrauisch. „Willst du mich jetzt hier ausziehen?“ maulte sie Lily an. Der huschte ein ziemlich aussagekräftiges Grinsen über das Gesicht. „Nein, jetzt grade nicht. Das könnte jetzt ein bisschen brennen, also nicht erschrecken.“ Ashley legte die Stirn in Falten, als Lily mit ihrer rechten Hand ihren Oberarm gänzlich umschloss. Einige Sekunden später schien es, als würde ihre Handinnenfläche glühen. Während Lily die Augen geschlossen hielt und eine unverständliche Beschwörung murmelte, keuchte Ashley vor Schmerzen auf. Lily hatte nicht gelogen, es brannte tatsächlich, so als würde jemand mit brennendem Stahl gegen ihre Haut drücken. Ihre rechte Hand krallte sich in Lilys Schulter, die davon aber unberührt blieb. Nach einer halben Ewigkeit wie Ashley schien, ließ Lily sie los. „Autsch, was sollte das?“ fauchte Ashley beleidigt. Sie musterte ihren malträtierten Arm und erkannte, dass auf der Haut ein kleines Zeichen entstanden war. Es war zwar etwas schwer zu erkennen, doch es hatte die Form einer Blume. Lily fuhr mit einem Zeigefinger darüber und Ashley war überrascht, dass der Schmerz gänzlich verfolgen war, genauso schnell wie er gekommen war. „Das ist mein Zeichen. Unter den Dämonen weiß jeder, der dir gefährlich werden könnte, genau, von es stammt. Und das heißt auch, dass sie gefälligst die Finger von dir lassen sollen.“ Ashley musterte immer noch das Zeichen, als sie antwortete: „Wieso?“ Lily antwortete nicht sofort, was Ashley dazu veranlasste, dass sie von ihrem Arm aufsah und Lily direkt in die Augen. „Weil dieses Zeichen dich als mein Eigentum markiert. Und keiner von denen würde es wagen, mein Eigentum zu beschädigen.“ Ashley blinzelte ungläubig. „Soll das heißen, dass du mich wie eine Kuh gebranntmarkt hast?“ Lily grinste verlegen „Nun, das ist wohl eine etwas heftige Art und Weise, um es zu beschreiben. Ich habe das gemacht, damit du zumindest vor meinen Leuten sicher bist. Denn immer kann ich dich nicht beschützen, das weißt du.“ Ashley legte den Kopf schief. „Was ist mit Duncan und den Schattengängern?“ Lily atmete hörbar ein. „Darauf habe ich leider nicht viel Einfluss. Das liegt wohl eher in deiner Hand. Gib ihnen jedenfalls nicht Grund an deiner Loyalität zu zweifeln. Vor allem Duncan nicht.“ Wieder legte Ashley die Stirn in Falten. „Oh du meinst, nicht mehr als sie schon haben, oder? Und ich weiß ja nicht, ob er das hier so toll finden wird.“ Lily gab Ashley einen sanften Kuss, dann meinte sie flüsternd. „Er weiß, dass wir uns nach wie vor sehen. Und dass ich nicht gedenke, das zu ändern. Aber du musst dafür sorgen, dass er und auch die anderen niemals Grund haben, an deiner Loyalität zu zweifeln.“ Ashley wandte sich kurz ab. „Die Tatsache, dass ich mit einer Erzdämonin zusammen war, die verhindert hat, dass sie mich finden und mit der ich nach wie vor noch für gewisse… Treffen… zusammenkomme, kommt aber gar nicht gut an.“ Lily küsste sie erneut. „Allen kannst du es sowieso nicht recht machen. Konzentrier dich auf die, welche dir wenigstens im Ansatz eine Chance geben wollen. „Ich frage mich, ob das jetzt noch nach Veronicas Tod so sein wird. Sie war immerhin nett zu mir und hat mir Mut gemacht. Aber jetzt…“ Ashley unterdrückte ihre Tränen dieses Mal. Doch nach einer kurzen Unterbrechung fuhr sie fort. „Ich hätte sie retten sollen.“ Lily nahm sie wieder fest in den Arm. „Merk dir was ich dir jetzt sage. Du kannst nicht alle retten. Das steht einfach nicht in deiner Macht. Es wird noch viele geben, die du nicht beschützen kannst und für deren Rettung du zu spät kommst, aber du trägst einfach nicht die Last der Welt auf deinen Schultern. Niemand trägt sie allein.“ Ashley versteckte ihr Gesicht in ihren Händen, sie schien diese Worte ehrlich auf sich wirken zu lassen. Dann sah sie auf und gab Lily einen Kuss auf die Wange. „Trotzdem, wofür habe ich meine Kräfte, wenn ich sie nicht dafür benutzen kann. Wofür bin ich denn nutze, wenn ich nichts ausrichten kann.“ Lily strich ihr durch die Haare. „Meine Liebe, du kannst etwas ausrichten, aber nicht immer. Genauso wenig wie ich das kann.“ Dann gab Lily Ashley einen innigen Kuss, der eine Ewigkeit zu dauern schien. Als sie diesen unterbrach gab sie Ashley das Tuch mit dem sie vorher die Platzwunde auf ihrer Stirn versorgt hatte. „Hier nimm das. Und ich bring dich so nah wie möglich an das Kloster ran.“ Ashley nickte. „Das gibt Ärger.“ Lily lächelte. „Heute vielleicht. Morgen sieht es sicher schon wieder anders aus.“ Und damit nahm sie Ashley an der Hand und führte sie aus der Nebenstraße hinaus zu ihrem Auto. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)