Shadowwalkers von FaithNova (Licht und Schatten) ================================================================================ Kapitel 32: Die Kapelle ----------------------- Es war ein seltener Anblick, den Duncan bot, als er wie von der Tarantel gestochen durch das Kloster eilte. Er konnte es einfach nicht glauben. Sein Gesicht war eine Mischung aus Wut und Sorgen. Köpfe wandten sich um, als er an ihnen vorbeizog. Und obwohl einige ihm nachriefen, drehte er sich nicht um. Er hatte keine Zeit für Erklärungen. Er wollte selbst eine haben. Als er vor wenigen Minuten die Nachricht erhielt, war er aus allen Wolken gefallen. Er hatte damit nicht gerechnet. Und da es selten Gelegenheiten gab, die ihn überraschten, wollte er diese nun augenblicklich ergründen. Und deshalb eilte er in Richtung Kapelle, welche hinter dem großen Klostergebäude inmitten eines kleinen Wäldchens auf dem Grundstück lag. Schon von weitem erkannte er, dass vor der Tür ein paar Leute standen und sich aufgeregt unterhielten. Es war schon ziemlich dunkel, aber der Weg zur Kapelle war mit Lampen erleuchtet, so dass auch die Leute vor der Kapelle erkannten, dass Duncan sich ihnen schnellen Schrittes näherte. Es war Shane, der ihm entgegen lief. Duncan ließ ihm nicht die Zeit zu sprechen. Als er ihn Hörweite war, rief er ihm gleich zu „Wie lange ist sie schon da drin?“ Shane japste einen Moment nach Luft. In sekundenschnelle war Duncan auf gleicher Höhe und Shane folgte ihm weiter auf seinem Weg zur Kapelle. Schließlich antwortete er: „Sie ist vor etwa einer halben Stunden entdeckt worden. Aber wie lange sie tatsächlich da drinnen war, weiß ich leider nicht.“ Duncan blieb ein paar Meter vor dem Eingang zur Kapelle stehen. Noch drei weitere Schattengänger standen dort, waren nun aber verstummt. Es schien als warteten sie auf eine Anweisung von Duncan. Doch er wandte sich an Shane „Was hat sie gesagt?“ Shane schüttelte den Kopf „Nichts. Sie hat nur nach dir gefragt. Ansonsten hat sie kein Wort von sich gegeben. Sie sitzt einfach nur da.“ Duncan nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Er schaute die Gesichter der anderen drei an. Dann wandte er sich wieder an Shane. „Ich will, dass du niemanden da rein läßt. Unter keinen Umständen. Und ich will auch nicht, dass du selber reingehst, solange ich dich nicht rufe!“ Shane nickte. Duncan ging zur Tür. Bevor er sie öffnete wandte er sich an die anderen Drei und fauchte: „Das selbe gilt auch für euch, ist das klar?“ Als die drei nickten, trat Duncan ein. In der Kapelle war es noch dunkler als draußen. Nur ein paar Öllampen an der Wand und einige Kerzen spendeten dem kalten Raum etwas Licht. Also musste sich Duncan sehr anstrengen, um in der Dunkelheit die zusammengekauerte Gestalt aus zumachen, die in der ersten Reihe der Holzbänke saß und nicht einmal reagierte, als Duncan über den Marmorboden auf sie zuging. Nicht einmal, als Duncan sich neben sie setzte, blickte sie auf. Sie hatte die Knie ans Kinn gezogen und den Kopf hinter ihren verschränkten Armen vergraben. Duncan saß da und starrte sie eine Weile lang stumm an. Ihr Schweigen machte ihn fast wahnsinnig, denn er wußte sehr genau, dass sie ihn längst bemerkt hatte. Schließlich war es ihm wohl zu dumm noch länger zu warten, denn er flüsterte in die Stille hinein: „Du bist mir eine Erklärung schuldig, Ashley.“ Erst jetzt sah sie auf und blickte ihn an. Duncan erkannte, dass sie wohl in den letzten Stunden geweint hatte. Und ihre heisere Stimme untermalte diese Erkenntnis. „Was ist mit Delia passiert?“ Duncan starrte sie einen Moment lang an. Er hatte nicht mit dieser Frage gerechnet. „Wo warst du die letzten zwei Monate?“ Ashley starrte ihn an, als hätte sie erwartet, dass er ihrer Frage ausweichen würde. Deswegen antwortete sie ihm nicht. Und das war wohl Antwort genug, denn Duncan schien die Wahrheit bereits zu erahnen. „Du warst bei ihr, oder?“ Ashley antwortete auch wieder nicht und Duncan war verärgert darüber, dass er sich die ganze Sache zusammenreimen musste. Doch er wollte sie nicht durch einen Ausbruch dazu bringen, wieder zu verschwinden. Immerhin hatte sie wohl ihre Fähigkeiten genutzt, um unbemerkt auf das Grundstück zu gelangen. Schließlich, wie aus heiterem Himmel flüsterte sie: „Was spielt es für eine Rolle, dass ich bei ihr war?“ Duncan hob eine Augenbraue und beschloß auf diese Frage nicht einzugehen. Stattdessen stellte er ihr die Frage, welche ihn schon seit zwei Monaten beschäftigte. „Was ist bei der Ruine passiert?“ Ashley wandte den Blick von ihm ab und die Zeit, die sie brauchte, um zu antworten, lies Duncan schon daran zweifeln, dass sie ihm überhaupt antworten würde. Doch dann meinte sie: „Wir wurden angegriffen. Ich weiß nicht mehr genau wie viele es waren.“ Angesichts der Tatsache, dass er nun endlich erfahren würde, was er bis jetzt nicht rausfinden konnte, übermannte Duncan die Ungeduld und ihm entfuhr ein etwas schroffes „Weiter!“ Doch Ashley schien den Unterton nicht registriert zu haben. Ihre Stimme war so leise, dass er sich anstrengen musste, um sie zu verstehen, obwohl er genau neben ihr saß. „Ich wurde verletzt.“ Um ihren Worten den nötigen Ausdruck zu verleihen, setzte sie ihre Beine von der Bank auf den Boden und hob ihr Shirt leicht. Duncan konnte die Narben betrachten, welche inzwischen an die Stellen getreten waren, wo der Dämon sie so schwer verletzt hat. Ashley fuhr fort. „Ich bekam nichts mehr um mich herum mit. Ich wußte, ich würde sterben. Es tat so weh, ich bekam keine Luft mehr.“ Die Tränen, welche ihr über die Wangen liefen stoppten ihren Erzählfluß für einen Augenblick. Doch sie fuhr trotz tränenerstickter Stimme fort. „Dann war sie da. Sie hat mich mitgenommen. Und das nächste was ich weiß, ist, dass ich vor zwei Wochen wieder zu mir gekommen bin. Sie hat mir das Leben gerettet.“ Duncans einzige Antwort war ein kaum merkliches Nicken. Er sagte erstmal nichts. Ashley versank wieder in ihre Arme und weinte stumm vor sich hin. Er hatte kein Wort des Trostes für sie übrig, denn ihn interessierte etwas gänzlich anderes. „Was ist mit dem Manuskript? Konntet ihr es finden?“ Ashley wand sich schließlich schniefend wieder hervor und sah Duncan ungläubig an, so als könnte sie nicht begreifen, warum ihm das jetzt so wichtig war. Schließlich sah sie zur Seite und meinte: „Nein, wir haben alles abgesucht, aber es nirgends gefunden. Und dann sind diese… Bestien aufgetaucht.“ Duncan konnte seine Enttäuschung nur schwer verbergen. Er hatte so sehr darauf gehofft, dass Ashley das Manuskript gefunden hatte. Doch so war er sich wenigstens sicher, dass es nicht Lily in die Hände gefallen war. Ashley musterte ihn mit einem unergründlichen Blick. Es war der Selbe, den sie vor Jahren aufgesetzt hatte, als er sie zum ersten Mal getroffen hatte und ihr die alles entscheidende Frage gestellt hatte. „Delia?“ fragte sie schließlich und Duncan sah ein, dass er ihr die Wahrheit sowieso nicht verheimlichen konnte. „Sie ist tot. Wir haben ihre Leiche im Wald gefunden. Sie war… ziemlich übel zugerichtet.“ Ashley presste die Augen zusammen aus denen neuerliche Tränen quollen. „Das ist meine Schuld. Ich hätte an ihrer Stelle sterben sollen.“ Duncan starrte sie an. „Wie meinst du das?“ Ashley vergrub den Kopf in ihren Händen und gab zur Antwort „Ich wäre auch tot, wenn Lily nicht gewesen wäre. Delia hat das nicht verdient.“ Duncan verzog den Mundwinkel. „Natürlich nicht. Und dass du gerettet wurdest ist eine glückliche Fügung.“ Ashley wandte sich blitzschnell zu ihm „Glück? Wir wissen beide, dass es nichts mit Glück zu tun hat!“ Duncan nickte, wechselte aber blitzschnell das Thema „Warum hat sie dich gehen lassen, nachdem sie sich all diese Mühe gemacht hat, dein Leben zu erhalten?“ Ashleys Miene wurde düster „Das hat sie nicht. Ich… ich bin abgehauen.“ Duncans Gesichtsausdruck verriet, dass er das nicht gerade hören wollte. Ashley sah ihn an, als versuche sie in ihm zu lesen, was er dachte. Aber er wußte sehr genau, dass sie das nicht konnte. „Damit hast du bewiesen, auf wessen Seite du stehst. Ich bin sehr stolz auf dich.“ Ashley lehnte sich zurück und schwieg. Minutenlang gab es nicht ein einziges Geräusch in der Kapelle außer den Atemzügen der beiden Schattengänger. Bis Ashley ihr Schweigen brach. „Duncan, ich will, dass du mir die Beichte abnimmst.“ Diese Bitte versetzte Duncan ins Erstaunen. „Du weißt, dass ich kein Priester bin. Also kann ich das nicht direkt tun.“ Ashley sah ihn mit kummervollem Blick an. „Aber du kannst indirekt darüber schweigen, was ich dir dann sagen werde.“ Er lächelte ein mildes Lächeln. „Wenn das dein Wunsch ist, natürlich gerne.“ Ashley setzte sich auf. Zum ersten Mal erschien sie nicht wie eine zusammengesunkene Elendsgestalt. „Ich… ich…“ mehr brachte sie nicht hervor. Ihre Stimme war gebrochen. Duncan versuchte sie zu ermutigen und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Was willst du mir anvertrauen, Ashley?“ Sie sah ihn erneut auf diese Art und Weise an, die er nicht einordnen konnte. Innerlich verfluchte er sie für diesen Blick, dessen Bedeutung er bis heute nicht gelernt hatte, zu lesen. Sie versuchte Tränen zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht. Als sie ihm endlich antworten konnte, war ihre Stimme so undeutlich, wie noch nie zuvor. Aber Duncan verstand sie so hell und klar, als hätte ein ganzer Chor es für ihn vorgesungen. „Ich… ich glaube, ich liebe sie.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)