Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 34: Kill Klinger 2 -------------------------- Cole Jeder Schuss, den Klinger abfeuerte, schlug in Coles Herz ein. Jeder Schuss traf ihn tief in seiner Seele. Jeder Schuss fügte ihm förmlich physischen Schmerz zu. Waren die ersten Schüsse, die er gehört hatte, Antonins? War er auf dem Balkon und hatte er den Mann dort umgebracht? Eine unglaubliche Welle der Panik überrollte ihn, nahm von ihm Besitz. Wenn Antonin auf dem Balkon gewesen war, so konnte er dieses Gewitter an Schüssen nicht überleben. Und diese Erkenntnis sorgte dafür, dass Cole sich zitternd an die Wand lehnen musste, dass sich sein Magen verkrampfte, dass seine Knie sich so anfühlten, als würden sie ihn nicht mehr tragen wollen. In ihm zog sich alles zusammen und ein unsägliches Gefühl machte sich in ihm breit, nahm ihn in Besitz. Ein Gefühl, das ihm nicht gänzlich unbekannt war. Er hatte ein ganz ähnliches Gefühl gespürt, als er damals in seinem Elternhaus die Wand hinunter gerutscht war, als er auf dem Boden saß und Antonin auf ihn zugekommen war. Es war eine Verlustangst, damals Angst vor dem Verlust seines eigenen Lebens, diesmal die Angst vor dem Verlust von Antonin. Es waren diese wenigen Sekunden, in denen Cole endlich klar sah, endlich begriff, was er schon längst hätte sehen können. Antonin war nicht nahe bei ihm. Er war schon längst 'in' ihm. Er war angeschlendert gekommen und hatte sich tief in seinem Inneren mit seinem Lächeln hingesetzt, sich unauffällig breit gemacht und erfüllte ihn nun, ohne dass Cole das jemals zugeben könnte und würde. Er war tief in ihm verankert auf eine Art und Weise, dass Cole ihn niemals wieder herausbekommen könnte geschweige denn wollte. Und diese Erkenntnis ließ ihn sich selbst verfluchen. Warum musste er erst dann sehen, wie wichtig ihm ein Mensch war, wie wertvoll ihm ein Mensch war, wenn dieser sich in Gefahr befand? In Lebensgefahr? Warum hatte er damals erst nach dem Verlust seiner Familie gewusst, wie wichtig diese ihm war? Wieso hatte er damals schon nicht früher ihnen das einmal gesagt? Warum war es schon immer für ihn so schwer, jemandem zu zeigen, was er ihm bedeutete? Und warum hatte er Antonin so kühl behandelt, obwohl dieser ihm gegenüber doch immer so offen gewesen war? Cole schluckte trocken. Er fühlte sich mit einem Mal so kraftlos, so schrecklich mutlos. Doch noch war es nicht zuende, schalt er sich. Erstens galt es noch den zur Strecke zu bringen, der dafür verantwortlich war. Und Cole war es Antonin schuldig, dafür zu sorgen, nicht umsonst gestorben zu sein. Und zweitens gab es noch die kleine, minimale Chance, dass Antonin noch nicht tot war. Vielleicht war er ja noch gar nicht auf dem Balkon gewesen... Cole atmete tief durch, konzentrierte sich wieder. Er musste dafür sorgen, dass Klinger das Zeitliche segnete. Das war er Antonin schuldig. Er lauschte den Schüssen, die mit einem Mal weniger wurde. Er hörte, dass das Magazin einer der beiden vollautomatischen Waffen leer war. Er hörte, dass Klinger durch den Raum schritt. Ob er gar nicht gehört hatte, dass seine anderen Leute alle tot waren? "Komm raus, du Arschloch!" Also hatte er doch nicht überhört, dass er nicht allein war. Cole schloss einen Moment die Augen, suchte sich zu konzentrieren. Dann überlegte er. Das Sofa stand so, dass er dahinter Schutz suchen könnte. Mit einem Mal lenkte eine Bewegung seine Aufmerksamkeit auf sich. Eine Bewegung, die er in einem Bild, das an der Wand hing sehen konnte. Darin erkannte er, wie Klinger sich zu einem Waffenschrank schlich. Er wusste also, wo sich jener aufhielt, wo er stand. und er konnte sich sicher sein, dass jener nur noch eine Waffe hatte und Nachschub suchte. Das war die beste Chance. Eine bessere würde er nicht bekommen... Und so rannte er los, das Sofa als Ziel, sein Blick auf den Punkt gerichtet, an dem Klinger gleich auftauchen würde. Kaum war er in seinem Sichtfeld schoss er, schoss und rannte. Klinger erwiderte den Schusswechsel zwar, hatte aber keine Zeit zu zielen. Cole hörte wie hinter ihm die Kugeln auf die Wand prallten, hechtete sich hinter das Sofa und mit einem Mal war es still. Nur das Geräusch eines zu Boden fallenden Körpers, einer zu Boden fallenden Waffe erfüllte den Raum noch, bis es gänzlich ruhig wurde. Cole atmete schwer, sein Herz raste, sein gesamter Körper zitterte vor Anstrengung. Kurz strich er sich übers Gesicht. Schweiß stand ihm auf der Stirn, überhaupt war er komplett durchgeschwitzt. Er schluckte, atmete durch den Mund, um genügend Luft zu bekommen. Nun war es also vorbei... Aber er hatte keine Zeit. Selbst wenn die Hausbewohner nicht telefonieren konnten, so würden Nachbarn die Polizei holen. Er musste dringend verschwinden. Und er würde nicht ohne Antonin gehen. Cole rappelte sich auf, sah, dass Klinger wirklich tot am Boden lag. Zur Sicherheit schoss er ihm erneut in den Kopf. Sein Blick fiel auf die Jalousien und mit wenigen Schritten war er an dem Knopf, der diese hochfahren würde, dieses aber nicht mehr tat. Mit der letzten Kraft, die er vermeintlich hatte trat er gegen das Plastik, das bereitwillig nachgab, bis er schließlich auf den Balkon trat. Das erste was er sah war die Leiche eines Mannes, bei der er aber schnell wusste, dass es nicht Antonin war. Dann blickte er sich um. "Antonin?", presste er atemlos hervor. "Antonin?" Schließlich fiel sein Blick auf den Mann, der dort in der Ecke saß, ihn ansah. Und er stürzte schon fast auf ihn zu, kniete sich vor ihm nieder und zog ihn in seine Arme. Er war nicht mehr fähig irgendwas zu sagen. Er konnte nur noch diesen Mann in seinen Armen halten, von dem er gedacht hatte, dass er ihn nicht mehr lebend wiedersehen würde. Schließlich löste er sich wieder von ihm, sah das Blut, das ausströmte, die Verletzung. "Komm", murmelte er. "Wir müssen hier weg." Antonin Antonin fühlte sich nutzloser als jemals zuvor in seinem Leben. Während er damit beschäftigt war zu atmen und sich die Hand auf seine Wunde zu pressen ohne vor Schmerzen ohnmächtig zu werden, drang ein recht eindrücklicher Schusswechsel an seine Ohren. Das sollte zwar bedeuten, dass Cole noch lebte, aber er sollte da mit ihm drinnen sein. Er sollte ihm zur Seite stehen. Auf ihn aufpassen. Ihn beschützen. Stattdessen kam es ihm nicht so vor, als könnte er sich überhaupt nochmal aus eigener Kraft aufrichten. Immer mal wieder verschwamm sein Blickfeld und wenn es doch aufklarte, dann hatte er einen ungesunden Ausblick auf eine langsam ausblutende Leiche. Oh Gott, das sollten seine letzten Minuten sein? Er ließ sich von einer popligen Fleischwunde so außer Gefecht setzen? Wo war all das Adrenalin, wenn man es einmal brauchte? Doch seine Arme schmerzten von dem ruckartigen Zug, dem sie bei seinem waghalsigen Sprung ausgesetzt gewesen waren, und sein Brustkorb schmerzte, als ob man ihm ein Messer reingerammt und es dort stecken gelassen hätte. Und wieder wurde ihm nur zu deutlich bewusst, wie nutzlos er für Cole in diesem Moment war. Und er versprach sich zu bessern. Wenn sie beide das hier, wie durch ein Wunder überleben würden, dann würde er so viele Kraftreserven wie möglich darin investieren, der beste zu werden. Der beste Guard den man... nein den Cole sich wünschen könnte. Durch die plötzliche Stille aus seinen seltsamen Gedanken gerissen, hob er den immer schwerer werdenden Kopf weit genug, um dabei zusehen zu können, wie jemand sich seinen Weg durch die Jalousien bahnte. Nein.. nicht jemand: Cole. Wunderbarer, unverletzter Cole. Und für diesen Moment hatte er nicht mehr die Kraft sich dagegen aufzulehnen. Die Erleichterung, die ihn in diesem Moment durchströmte, war mit nichts zu vergleichen. Und auch das ruckartige Schnellerschlagen seines Herzens berichtete ihm nur davon, dass er so eine Angst, so eine furchtbare Scheißangst um den anderen gehabt hatte. Was würde er denn inzwischen ohne Cole machen? Damals als seine Wohnungstür hinter dem anderen zugeschlagen war, hatte ihn die plötzliche Einsamkeit erschrocken. Doch beim Gedanken daran, ihn niemals wieder zu sehen… niemals wieder einen jener kühlen Blicke abzubekommen.. oder einen der eher selteneren wärmeren... das waren Gedanken die ihm die Eingeweide herumdrehten und ihn folterten. Ein immer deutlicheres Zittern lief durch seinen Körper und Antonin hatte keine Ahnung, woher er die Kraft nahm, aber als Cole sich tatsächlich vor ihn kniete und ihn in eine Umarmung zog, hob er seine Arme und erwiderte sie. Mit der Kraft eines Verzweifelten. "Oh Gott, du bist in Ordnung. Du bist wirklich in Ordnung", murmelte er, kam dann aber nicht umhin, seine Arme fallen zu lassen und einen schmerzerfüllten Laut von sich zu geben. "Ja.. weg hier", stimmte er gepresst zu und ließ sich von Cole auf die Beine helfen. Es war ihm egal, dass er nicht mehr den Helden spielen konnte. Er war schon froh, überhaupt noch aufstehen zu können, selbst wenn es mit viel Unterstützung des anderen geschah. Ohne nachzufragen ließ er sich in die Wohnung helfen, wo er sich auf dem Sofa abstützte als Cole sich von ihm löste, ein wenig suchend herumspazierte und schließlich einige Fotos von einem mit Drogen überhäuften Tisch machte. Und verdammt, Antonin schien momentan viele 'erste Male' mitzumachen, denn ebenfalls zum ersten Mal tat es gut, gestützt zu werden. Besonders als es die Treppen nach unten ging, denn den Aufzug konnten sie schlecht verwenden. Nicht nachdem er sowieso schon aufpassen musste, sein Blut nicht bis zum Boden tropfen zu lassen, sondern in seine Kleidung 'umzuleiten'. Als sie endlich unten ankamen und sich, so gut es ging sich vorsichtig umsehend durch die Vorhalle nach draußen bewegten, stand Antonin der kalte Schweiß auf der Stirn. Er hätte so viel zu sagen, so viel zu fragen und doch bekam er die Zähne gerade nicht auseinander. Durfte sie nicht auseinander bekommen, um nicht noch viel mehr schmerzerfüllte Laute von sich zu geben. Schließlich kamen sie beim Jeep ab und er ließ sich ein weiteres Mal ohne zu murren helfen, auf den Beifahrersitz zu gelangen. Wo er sich zurücklehnte, die Hände fester auf seine Wunde presste und versuchte, ruhig zu atmen. Zumindest bis Cole sich auf den Fahrersitz niedergelassen hatte und er ihm einen schwachen Seitenblick zuwarf: "Siehst du, darum bist du über die Tür und ich über den Balkon gegangen. Nenn es einfach Instinkt, Baby." Natürlich war es ein eher lächerlicher Versuch den Anschein zu erwecken, in Ordnung zu sein, aber er wollte keine Sorge in Coles Augen sehen. Absolut nicht. Vieles anderes, sehr viel anderes sogar, aber keine Sorge. Cole Cole strich Antonin sacht über die Wange, blickte ihn sanft an, bevor er aufstand, und Antonin hoch half. Sie durften nicht viel Zeit verlieren... Nur zu gerne stützte er den anderen, der soweit er es beurteilen konnte, zwar 'nur' einen Streifschuss hatte, der dafür umso heftiger blutete. Es war ein Wunder. Cole nahm sich vor, das nächste Mal, wenn er an einer Kirche vorbeilaufen sollte, dort eine Kerze für Antonin anzuzünden. Wahrscheinlich hatten sämtliche Schutzengel des anderen gerade ihr Leben für Antonin lassen müssen. Und letztlich war er selbst dafür verantwortlich. Er hatte es zugelassen, dass Antonin in so eine Gefahr geraten war... Aber damit würde er sich nicht jetzt auseinandersetzen. Das musste warten. "Bleib kurz hier stehen", murmelte er am Sofa angekommen. "Ich brauche noch Beweisfotos." Cole zog aus seiner Jacke sein Handy und schritt kurz durchs Zimmer. Aufnahmen von Klinger machend und von den Drogen, die im Raum lagen, vom Geld, das dort lag. Das sollte dafür reichen, dass er seine Gerechtigkeit bekam. Die Nutte war mittlerweile verschwunden. Dann verfrachtete er Antonin die Treppe hinunter. Die Polizei konnte jede Minute hier ankommen. Sie durften wirklich keine Sekunde verschwenden. Woher er die Kraft nahm wusste er nicht mehr wirklich, aber er hatte sie. Und so saßen sie endlich im Wagen. Kurz musste er tief durchatmen, bevor er den Schlüssel etwas zittrig ins Schloss steckte und gerade anlassen wollte, als er die Worte des anderen vernahm. Sein Blick wanderte zu diesem und er musste lächeln. Von sich selbst überrascht beugte er sich zu Antonin und küsste ihn sanft auf den Mund. "Ich danke dir." Dann startete er den Motor. Endlich fuhren sie, fuhren weg aus dieser Straße, fuhren weg von diesem Haus, von diesem Ort, an dem Cole so einiges begriffen hatte, was er nicht mehr würde verdrängen können. Einige Häuserblocks weiter kamen ihnen bereits Einsatzfahrzeuge entgegen, mit Blaulicht die Straße entlangbrausend. "Ruf Nicholas an, dass er sich aus dem System zurückzieht", bat er Antonin hastig. Sie durften nicht riskieren, dass Techniker der Polizei die Signale auf ihn zurückführen würden. Dann fuhr er schweigend weiter. Kurz warf er Antonin einen Blick zu. Aber er konnte nichts sagen. Er wusste auch gar nicht, was er wirklich sagen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)