Tales of the Firefly von PenAmour (- Searching) ================================================================================ Kapitel 3: Nur ein Leben ------------------------ Nur ein Leben Games are a compromise between intimacy and keeping intimacy away. (Eric Berne) Mit seinen Eisfäusten drosch Yukidarumon unermüdlich auf die Gruppe von Gazimon ein, die zuvor die Bewohner des kleinen Reihenhäuschens mit den Bonsaibäumchen auf den Fensterbänken, aus ihrem wohlbehüteten Leben gezerrt und sie auf die Straße gedrängt hatten. Eine Straße, die nun eher wie eine Kraterlandschaft aussah. Die scharfen metallenen Krallen der Gazimon hinterließen rote Striemen auf der Haut und die Familie versuchte sich unter den fortwährenden Schlägen wegzuducken, doch die Gazimon waren weit in der Überzahl, als er gerade den Schauplatz betreten hatte. Nun hielt Yukidarumon die Digimon in Schach, so gut es eben ging, doch er konnte fühlen, wie die Kräfte seinen Partner langsam verließen, während die grauen hundeähnlichen Wesen erneut zum Angriff ansetzen und grollende Blitze aus ihren Mäulern spieen. Bestürzt sah er, wie die Blitze knackten und knackten, während sie an Yukidarumon züngelten und seinen Partner fest umklammerten. Hilflos blickte er sich um, er wusste nicht wie er seinem Partner beistehen sollte, wie er Yukidarumon da rausholen konnte. Doch bevor er handeln musste, hatte es sich aus dem Blitzlicht befreit und stürmte erneut auf die graufelligen Gegner los, um sie mit frostiger Kälte niederzuwalzen. Rasch trat er auf die Familie zu, die das ganze Spektakel schweigend und staunend beobachtet hatte. „Los! Bringen sie sich in Sicherheit“, brachte er zwischen zwei raschen Atemzügen hervor, sie starrten ihn jedoch lediglich mit dunklen, mandelförmigen Augen an, in ihnen lag Verwirrung und Unverständnis. Er seufzte und fuhr sich müde über das Gesicht, so dass seine Brille in Schieflage rutschte. Er hatte vergessen, dass sie ihn nicht verstanden, und auch nicht verstehen würden, in welcher Gefahr sie schwebten. Alles was sie sahen, waren diese seltsamen Wesen, die durch die Stadt jagten. Er kniete sich zu ihnen auf den Boden und versuchte möglichst ruhig zu bleiben. Sie waren zu viert, Mutter, Vater, ein Sohn, eine Tochter – die perfekte Familie. Der Vater hatte seine Frau samt den Kindern hinter sich gedrängt und durchbohrte ihn misstrauisch, während das Wimmern des Mädchens, das sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Fuß hielt, vom Aufeinanderknallen der Attacken fast verschluckt wurde. Seine Augen fanden erneut den Vater. Er deutete auf die kämpfenden Digimon, nicht ohne einen schmerzenden Herzschlag dabei zusehen zu müssen, wie Yukidarumon sich mühsam vom Boden aufrappelte und die Gazimon abzuschütteln versuchte, sie aber gleichzeitig davon abhielt, die unsichtbare Linie zu überschreiten, die bedeutet hätte, dass eine wild gewordene Horde Digimon über ihn und auch die Familie herfiel. „Laufen sie! Flüchten sie.“ Er deutete mit seiner Hand in die Entgegengesetzte Richtung. „Bleiben sie…“ Seine Hand wanderte zurück zum Kampfplatz, wo Yukidarumon gerade eines der Gazimon zu fassen gekriegt hatte und den nunmehr leblosen Körper seinen Artgenossen entgegenschleuderte. „…sterben sie!“ Er konnte die klaffende Wunde am Hals des feindlichen Digimons bis hierher erkennen, das Blut überflutete das graue Fell und die Krallen waren nur noch mittels ein paar Nerven- und Sehnensträngen mit dem Rest des Körpers verbunden. Er wusste nicht, ob es der grausige Anblick war, der sich ihnen da bot, oder ob man ihn tatsächlich verstanden hatte, aber in jedem Fall veranlasste es die kleine Familie ihre Bonsais hinter sich zu lassen. Er hatte keine Ahnung gehabt, über das, was da über ihn herein brach, bis er auf dem Boden gelegen hatte, niedergetrampelt von einem panischen Mob, und seine Brille suchte. Seitdem hatte sie einen Knacks am rechten Bügel und die Welt anscheinend auch. Es war wie in einem dieser Endzeitfilme. Häuser gingen in Flammen auf. Wolkenkratzer gaben nach, die Stahlträger krachten aufeinander und alles zusammen fand sich dann auf dem Boden wieder, in einer riesigen Staubwolke. Und die Menschen rannten. Rannten, als würden sie gejagt. Und das stimmte sogar. Er hatte nur aus den Augenwinkeln gesehen, wie man sie gefangen nahm und in große Käfige steckte, die dann abtransportiert wurden. Er hatte es nur aus den Augenwinkeln gesehen, flüchtig, mehr erlaubte er sich nicht. Aber dann war er plötzlich allein gewesen. Nicht so allein, dass niemand mehr da gewesen wäre, dass die Welt in Stille versunken wäre. Es war diese Art von Alleinsein, die einen hilflos macht, während um einen hunderte von Ahnungslosen schreien, weinen, beten. Er hatte versucht, die Leute zu warnen, aber niemand schien ihn zu sehen, und dann war seine Brille kaputt gegangen… Und als er wieder klar sehen konnte, war kein vertrautes Gesicht mehr da. Danach irrte er durch die Straßen zusammen mit Penmon. Doch sie erkannten bereits nach wenigen Sekunden, dass sie sich verteidigen mussten, als ein riesiges, rotäugiges Jyureimon sie aus heiterem Himmel angriff und ihn fast mit seinen Ästen stranguliert hätte, wäre Penmon nicht rasch zu Yukidarumon digitiert und hätte ihn aus dieser misslichen Lage befreit und das Pflanzendigimon in eines der brennenden Häuser geschubst. Und nun befanden sie sich bereits in der nächsten Schlacht! Wenn das so weiter ginge, hätte er innerhalb von einer Woche mit der ganzen Digiwelt gekämpft! Und schon bei der Vorstellung überfiel ihn die Müdigkeit. „Ice Arrow!“ Erschrocken reckte er seinen Kopf in den Himmel. Ein gleißender Strahl fiel auf die Kämpfenden und in ihm blitzten Eiszapfen auf, die auf sie zurasten. Geistesgegenwärtig war Yukirdarumon zur Seite gehechtet und hatte sich vor den tödlichen Himmelsboten in Sicherheit bringen können. Die Gazimon nicht, wie er feststellte, als er vorsichtig die Augen öffnete und ihre Körper sich aufgespießt auf dem Boden wandten. „Alles in Ordnung, Yukidarumon?“ Panisch kam er auf die Beine und sah, wie sein Partner sich in Penmon zurückverwandelte. Mit einem müden Lächeln zwar, aber in einem Stück! Doch bevor sie zu ihrer körperlichen Unversehrtheit beglückwünschen konnte, sah er wie eine riesige Seeschlange sich ihren Weg durch das Trümmerfeld auf sie zu bahnte. „Mist“, brachte er nur hervor und sah ihre Felle schon samt heilen Knochen davonschwimmen, bis ein blonder Schopf auftauchte. Die Engelslöckchen verhießen zum ersten Mal etwas Gutes… „Michael!“ Freudig rannte er auf ihre Retter zu, während dieser zusammen mit Lou, dem immer ernst dreinblickenden Jungen mit der Mokkahaut, dem er bereits das ein oder andere Mal über den Weg gelaufen war, und einem kleinen Mädchen samt Digimonpartnern, von Seadramons Rücken kletterte. „Du sahst so aus, als könntest du unsere Hilfe gebrauchten.“ Michael brachte seine schneeweißen Zähne, mit denen er locker den einen oder anderen Dollar für Zahnpastawerbung hätte rausschlagen können, zum Vorschein und grinste. „Das kann man so sagen“, gab er zu, „Sonst lägen wir wahrscheinlich an deren Stelle...“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Gazimon, die nun keinen Mucks mehr von sich gaben, oder geben würden. Das führte dazu, dass Michaels Lächeln wie weggewischt war und er nun betroffen flüsterte: „Das hab ich nicht gewollt…“ Er antwortete darauf nicht, schließlich waren seine Hände heute auch nicht ohne Blut davon gekommen, stattdessen klatschte er die Hände zusammen. „Was führt euch in meine Gegend? Hätte ich gewusst, dass ihr kommt, hätte ich eine Tasse Tee bereitgestellt, aber so… Ich hab nicht mal aufgeräumt“, witzelte er angesichts der Tatsache, dass sie auf einer mehrspurigen Straße standen, die überall riesige Krater aufwies, metertiefe Schlaglöcher besaß und halb von einem der vielen Wolkenkratzer bedeckt war, der jetzt schlaff auf dem löchrigen Asphalt hing und dessen Stahlträger müde ächzten, als wollten sie bald loslassen… Natürlich brachte Lou nicht mal den Hauch eines Kicherns über die Lippen, aber selbst das kleine Mädchen sah ihn nur fragend an und Michael war total unentspannt, während er auf seiner Lippe nagte, seine schwitzigen Finger – er nahm an, dass sie schwitzig waren, weil Finger in solchen Situationen immer eine derartige Drüsenüberfunktion aufwiesen – aneinander rieb und unruhig mit dem Fuß wippte. „Hast du einen der anderen gesehen, Steve?“, brachte Michael schließlich hervor. Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Sorry, aber als es losging, waren plötzlich nur noch Penmon und ich da... Habt ihr den niemanden von uns getroffen?“ Er konnte sich kaum vorstellen, dass sie die einzigen waren, die noch übrig geblieben waren. „Na ja. Wallace, aber der war uns wahrlich keine Hilfe…“ meldete sich nun Lou zu Wort. „Wallace? Nie gehört von dem Knaben. Aus Amerika?“ Michael nickte. „Ja, er meinte im Norden der Stadt wären vielleicht noch einige von uns… aber alles was wir fanden, waren… waren die Überreste von drei Octomon…“ Er schluckte bevor er fortfuhr. „Es war niemand Lebendes mehr anzutreffen, außer den Truppen, die alle Menschen einsammeln und abführen. Wir wollten ihnen erst folgen, doch wir wissen ja nicht einmal, was genau mit ihnen geschieht… Deshalb ist es wohl besser, wenn wir erst die anderen suchen, damit wir gemeinsam einen Plan schmieden können.“ „Schon daran gedacht, so schnell wie möglich hier zu verschwinden, Alter?“ Er hatte seine Hand auf Michaels Schulter gelegt. Was auch immer geschehen würde, er war sich nicht sicher, ob er es miterleben wollte. „Das ist kein Computerspiel, Michael. Wir haben keine Extra-Leben und können nicht zwischendurch einen Sicherungsspeicher einlegen oder einfach noch mal von vorn anfangen. Wenn uns hier etwas passiert, dann war es das, Game Over…“ Lou schnaubte verächtlich. „Was für ein Vergleich!“ „Steve hat ja recht“, ging Michael beschwichtigend dazwischen, bevor er etwas darauf erwidern konnte. „Aber was sollen wir sonst tun?“ Und nun blickte er ihn unverwandt an. „Ich wünschte, wir könnten so einfach gehen, das Spiel ausmachen und stattdessen ein wenig fernsehen. Das wünsche ich mir wirklich, Steve, aber bedenke nur, was alles geschehen wird, wenn wir nicht helfen, etwas dagegen zu unternehmen. Was wenn wir MaloMyotismon nicht stoppen können und ihm diese Stadt nicht genug ist? Was sollen wir dann tun?“ Er schwieg einen Moment und ließ seinen Blick über die Überreste Tokios schweifen, über die toten Gazimon, die von Natur aus eigentlich friedliche Lebewesen waren, über den Wolkenkratzer zu seinen Füßen, der eingehüllt von brennenden Papierfetzen war, die im Wind tänzelten und Aktenmappen, die unruhig auf dem verstaubten Boden lagen und von der Böe auf- und zugeklappt wurden. „Du hast recht, Mickey-Boy, du hast recht“, seufzte er. „Also was ist der Plan, ich bin dabei?!“ Michael hob noch einmal deutlich hervor, wie wichtig es sei, dass sie gemeinsam gegen den Feind angingen. „…und deshalb müssen wir schnellstmöglich Taichi und die anderen finden!“, schloss er. „Tai~chi? Der mit der unmöglichen Frisur?“ Er wartete die Antwort nicht ab. „So lange er mehr Ordnung im als auf dem Kopf hat, ist mir das recht…“ Er zwinkerte der Kleinen zu, die bis dato nicht ein Wort verloren hatte, doch sie starrte ihn nur mit verständnisloser Miene an. „Oh man“, seufzte er, das versprach eine Reise mit massig Unterhaltungswert zu werden… „Estupido?“ Die Kleine hatte sich nun an Michael gewandt ohne ihn aus ihren misstrauisch dreinblickenden Augen zu lassen. „Un poco loco?“ Michael grinste wieder sein Zahnpastalächeln. „Si.” Was auch immer das bedeuten mochte... Author’s Note: So das nächste Kapitel also. Der Junge heißt Steve und er ist der Grund, warum dieses Kapitel ein bisschen anderes geschrieben ist… Der Gute besitzt nämlich genau meinen Humor und das führt dazu, dass dieses Kapitel in mancherlei Hinsicht unpassend komisch ist. Aber mal ehrlich, ich habe jetzt schon so oft die Ernsthaftigkeit sprechen lassen. Außerdem ist die Situation mit ein wenig Galgenhumor besser zu ertragen… wenn man es genau nimmt schildert Steve da nämlich ein paar Dinge, die echt schrecklich sind… Da es mitunter sehr schwierig werden kann, bei all den Digimon den Überblick zu behalten, empfehle ich einmal bei http://wikimon.net/Main_Page vorbei zu schauen, dort findet ihr alles was das Digimonherz begehrt und zudem wisst ihr dann welche Digimon es im einzelnen sind. Ich werde mich noch ein wenig in Schweigen hüllen, sagen wir, so lange wir uns auf japanischem Boden befinden, müsst ihr euch noch gedulden, mit Hinweisen meinerseits. Aber was euch vielleicht jetzt hilft, wenn ihr einmal auf besagter Seite vorbeischaut, dann bleiben die Octomon/Shakomon nicht ganz gesichtslos… Hilfestellung: Michael: Betamon – Seadramon Steve: Penmon – Yukidarumon Chichos: Gottsumon Lou: Otamamon Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)