Yeh Zindagi Hai. von elfogadunk (Neue Chance, neues Leben?) ================================================================================ Kapitel 16: Staffelübergabe --------------------------- „Kya hua? Ihr beide seht ja furchtbar aus. Eure Augenringe hängen ja beinahe bis auf den Boden...“, stellte Kavita am nächsten Morgen beim Frühstück fest und schaute mit einer Mischung aus Besorgnis und Skepsis zwischen Shruti und Sudhir hin und her. Anstatt zu antworten starrten die beiden allerdings nur stur auf ihr Essen. Kavita hatte eine dunkle Ahnung davon, wo das Problem liegen konnte und ging deswegen nicht weiter auf die Sache ein. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren und die Küche aufgeräumt hatten, entschuldigte sich Sudhir in sein Zimmer, um seine Sachen zusammenzupacken. Vorher rief er allerdings noch George an, um ihm mitzuteilen, dass heute der Auszug anstand und ab morgen die Arbeit richtig begonnen werden konnte. Sudhir hatte gerade seinen ersten Koffer fertig gepackt, als es an seiner Tür klopfte. Kaum hatte er herein gebeten, trat auch schon Shruti ins Zimmer. „Ich wollte fragen, ob du vielleicht Hilfe brauchst...“, meinte sie und schaute ihn erwartungsvoll an. Sudhir stutzte kurz, antwortete dann jedoch: „Eigentlich nicht... Aber du kannst mir gerne Gesellschaft leisten, wenn du möchtest...“ Er schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln und widmete sich dann seinem zweiten Koffer. Shruti zeigte sich daraufhin nach kurzem Zögern einverstanden und ging hinüber zum Fenster, wo sie auf dem Fensterbrett Platz nahm. Eine Weile herrschte Stille zwischen ihnen, in der beide überlegten, wie sie ein möglichst unverfängliches Gespräch beginnen konnten. Shruti fiel schließlich als Erste etwas ein und so fragte sie nach, wann Sudhir mit seiner eigentlichen Arbeit beginnen würde. Erleichtert darüber, über ein neutrales Thema sprechen zu können, antwortete er ihr und ein ungezwungenes Gespräch entwickelte sich daraufhin zwischen ihnen. Um die Zweisamkeit möglichst lange hinauszuzögern, ließ er sich viel Zeit beim Zusammenpacken, doch irgendwann war er fertig und hatte all seine Sachen gründlich verstaut. So stand er also schweren Herzens auf und machte sich auf den Weg zur Zimmertür. Shruti folgte ihm daraufhin. Aus einem plötzlichen Impuls heraus drehte Sudhir sich allerdings unvermittelt um und zog Shruti zu sich heran. Er schloss sie in seine Arme und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, in den er all seine unterdrückten Gefühle legte. Von dieser plötzlichen Geste überrascht, wusste Shruti weder wie sie reagieren noch was sie sagen sollte. Sie schaute Sudhir nur erwartungsvoll an und spürte, wie ihre Wangen langsam heiß wurden. „... Auch wenn unser Start nicht gerade der beste war, bin ich froh, dich kennengelernt zu haben... Chhoti Shruti...“, meinte er leise und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. Diese unerwarteten Worte trieben Shruti plötzlich Tränen in die Augen. Sie versuchte, sie zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht. Erschrocken über diese Reaktion, schloss Sudhir Shruti fester in seine Arme und drückte sie sanft an sich. „Hey... Hör bitte auf zu weinen... Das war wirklich alles andere als böse gemeint...!“, meinte er und versuchte damit, sie wieder zu beruhigen. Doch damit machte er es beinahe noch schlimmer. Seine Nähe und seine Wärme machten es ihr unheimlich schwer, ihn gehen zu lassen. Sie wollte, dass er bei ihr blieb, doch das konnte sie ihm unmöglich sagen. Sie schaffte es schließlich, sich von ihm loszumachen und sich die Tränen wegzuwischen. Ohne ihn noch einmal anzusehen, ging sie an ihm vorbei und verließ das Zimmer. Draußen stieß sie allerdings auf Kavita, die Shrutis verweinte Augen wohlweißlich übersah. „Machst du dich jetzt auf den Weg?“, fragte sie an Sudhir gerichtet, der Shruti gerade aus seinem Zimmer hinaus gefolgt war. „Ji, Aunty...“, antwortete er und bückte sich, um Kavitas Füße zu berühren und sich ihren Segen zu holen, den sie ihm auch lächelnd gab. Sie wollte gerade noch etwas sagen, als plötzlich die Eingangstür des Gasthauses geöffnet wurde. Alle Blicke richteten sich auf den großgewachsenen und gutaussehenden jungen Mann, der eintrat. Kaum hatte er die Tür wieder hinter sich geschlossen, zündete er sich eine Zigarette an und richtete seinen Blick auf Shruti, Sudhir und Kavita (1). Shruti keuchte daraufhin leise auf. „... Atulji...?! Was...?“, brachte sie heraus und ging zögerlich auf ihn zu. Er lächelte daraufhin und meinte: „Ein kleiner Überraschungsbesuch, meri Jaan. Freust du dich etwa nicht? Ich hätte mit etwas mehr Begeisterung gerechnet – wo ich doch schon so selten da bin.“ Noch bevor Shruti antworten konnte, richtete Atul seinen Blick auf Sudhir. „... Und Sie sind...?“, fragte er, nachdem er ihn ausgiebig gemustert hatte. Sudhir gefiel sein Blick nicht, doch er ließ sich nichts anmerken und erwiderte freundlich: „Mein Name ist Sudhir Chaudhary. Und Sie müssen Shrutis Ehemann sein...“ Atul nickte daraufhin und die beiden Männer reichten sich zur Begrüßung die Hände. Zufällig fiel Sudhirs Blick dabei auf Shruti und er bemerkte, wie nervös sie auf einmal wirkte. Etwas eingeschüchtert stand sie ein Stück hinter Atul und schaute bedrückt zu Boden, während sie an ihrem Dupatta herum nestelte. Die Besorgnis, die bei ihrem Anblick in ihm aufstieg, schüttelte Sudhir allerdings schnell wieder ab und meinte: „Ich muss jetzt aber leider auch schon los. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.“ Mit einem kurzen, als Verabschiedung gemeinten Kopfnicken in Kavitas Richtung und einer gewollt zufälligen Berührung seiner Hand mit Shrutis als er an ihr vorbeiging, verließ er schließlich das Gasthaus. Als Sudhir am Bürogebäude ankam, traute er seinen Augen kaum. Ein moderner Fünfgeschosser war aus der ehemaligen Baustelle geworden und bot einen merkwürdigen Anblick in der dörflichen Umgebung. Auch die Innenausstattung war auf hohem Standard. Als er seine neue Wohnung betrat, war er für einen Moment sogar fast sprachlos. Sie war bereits komplett eingerichtet und das auch noch sehr geschmackvoll. Er ging auf eine kleine Erkundungstour und war völlig verblüfft. Es gab nichts, woran es ihm fehlte, vom Geschirr bis zu den Möbeln war alles vorhanden. Nachdem er sich alles genau angeschaut hatte, räumte er seine Koffer aus, packte seine Sachen in den Kleiderschrank und setzte sich anschließend auf die ausladende Couch im Wohnzimmer. Eine Weile saß er nur still da und ließ seine Gedanken schweifen. Mit seiner neuen Arbeit würde nun endgültig sein neues Leben beginnen. Shruti musste er vergessen und er hoffte, dass ihm das möglichst bald gelingen würde. Sie war tabu und jeglicher Gedanke an eine Beziehung mit ihr, die über Freundschaft hinausging, war vermessen. Die Arbeit, so hoffte er, würde ihn ausreichend ablenken und auf andere Gedanken bringen. Die Erinnerung an Shrutis eingeschüchterten Anblick als vorhin plötzlich ihr Ehemann aufgetaucht war, ging ihm allerdings nicht mehr aus dem Kopf und beschäftigte ihn mehr als er eigentlich wollte. Wie kam es, dass sie plötzlich so ängstlich aussah, wo sie doch glücklich hätte sein müssen, wenn ihr Ehemann – der sowieso zu selten da war – überraschend zu Besuch kam? Seufzend schloss Sudhir die Augen. Diese ganze Sache ging ihn nichts an und er musste lernen, sich nicht mehr mit diesen Dingen zu beschäftigen. Wenn es Probleme gab, bei denen Kavita und Shruti Hilfe brauchten, würden sie sich bei ihm melden. Alles andere war nicht seine Angelegenheit. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, beschloss Sudhir, eine Dusche zu nehmen und anschließend das Gebäude zu erkunden. So würde er am nächsten Tag – seinem ersten Arbeitstag – eine bessere Orientierung haben und seine neuen Mitarbeiter besser einweisen können und ihnen somit ihren Einstieg ins Arbeitsleben erleichtern. (1) http://i47.tinypic.com/2ltncj5.jpg Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)