Yeh Zindagi Hai. von elfogadunk (Neue Chance, neues Leben?) ================================================================================ Kapitel 10: Selbstzweifel ------------------------- Sudhir blieb noch eine Weile sitzen und genoss die frische, klare Nachtluft. Er spürte noch immer die Wärme von Shrutis Körper. Leise Schauer überkamen ihn, wenn er daran dachte, wie nah er ihr gerade gewesen war. Ihre Anwesenheit brachte ihn beinahe jedes Mal dazu, sie auf irgendeine Weise zu berühren. Der Drang danach wurde immer größer, doch da er nicht wusste, was Shruti denn nun letzten Endes wirklich von ihm hielt, musste er sich dazu zwingen, sich zurückzuhalten. Er wollte sie weder verschrecken noch bedrängen, also musste er sich in Geduld üben und sehen, was die Zukunft brachte. Nach einiger Zeit stand er schließlich auf und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Dabei kam er an Shrutis Zimmer vorbei und dachte für einen Moment, ein leises Schluchzen zu hören. Als er allerdings angestrengt lauschte und nichts weiter dergleichen wahrnahm, tat er es als Einbildung ab und ging schließlich schlafen. „Also wenn Sie mich fragen, wird es vielleicht noch zwei oder allerhöchstens drei Wochen dauern bis das gute Stück fertig gestellt ist...“, meinte Bauleiter Chopra am nächsten Tag zu Sudhir und betrachtete das halbfertige Gebäude, das demnächst Sudhirs Arbeitsplatz sein würde. „Nur noch die oberste Etage und das Dach und dann sind wir durch.“, fügte er hinzu und zündete sich eine Zigarette an. Sudhir nickte zustimmend, drehte dann noch mit Chopra zusammen eine Runde über das Gelände und machte sich anschließend auf den Weg, um Shruti von der Schule abzuholen. Zu seiner Überraschung stand sie allerdings nicht wie sonst auch draußen und wartete. Daraufhin schaute er sich ein bisschen um und fand sie schließlich in einem der Klassenzimmer. Dort saß sie mit einem kleinen Jungen, der offensichtlich einer ihrer Schüler war, und erklärte ihm mit sanfter Stimme und Engelsgeduld den Lösungsweg einer Rechenaufgabe. Sudhir lehnte sich in den Türrahmen und beobachtete die beiden. Er war vollkommen fasziniert davon, wie liebevoll sie auf den Jungen einging. So hatte er sie noch nie gesehen und er musste sagen, dass ihm diese unerwartet weiche Seite an ihr gefiel. Nach dem, was er bisher von ihr gesehen hatte, war er davon ausgegangen, dass sie eine eher strenge Lehrerin war, doch genau das Gegenteil schien der Fall zu sein. „Thik hai. Wenn du alles verstanden hast, kannst du jetzt gehen. Komm gut nach Hause. Wir sehen uns morgen, Raju!“, meinte Shruti plötzlich und Sudhir bemerkte, wie der kleine Junge an ihm vorbei nach draußen rannte. In diesem Moment fiel Shruti erst Sudhirs Anwesenheit auf. Mit einem Mal färbten sich ihre Wangen rosa und sie schien überrascht zu sein. „Was machst du denn hier?“, wollte sie irritiert wissen und ging zum Lehrertisch, um ihre Sachen zusammenzupacken. „Ich hole dich ab. Wie jeden Tag. Schon vergessen?“, gab er triezend zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie gab daraufhin nur ein kurzes „Hm...“ von sich und ging anschließend, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbei. „Hey, was ist denn nun schon wieder los?“, wollte er wissen und ging ihr hinterher. „Kuch nahin... Was soll schon sein?“, erwiderte sie kurz und beschleunigte ihre Schritte, damit er nicht zu ihr aufschließen konnte. Sudhir verdrehte die Augen. „Natürlich. Wie immer...“, meinte er leicht genervt und trottete hinter ihr her. Er verstand sie nicht. Da hatte er gedacht, sie wäre ihm gegenüber mittlerweile wenigstens ein bisschen aufgetaut, doch anscheinend hatte er sich geirrt. Sie war bissig wie immer. Davon würde er sich allerdings nicht abschrecken lassen. Schließlich hatte er bis jetzt immer bekommen, was er wollte. Auch wenn es manchmal etwas länger gedauert hatte... „Ich verstehe einfach ihr Problem nicht...“, beschwerte sich Sudhir bei Kavita, als sie wieder einmal gemeinsam Gemüse klein schnitten. „Ich habe mich ihr gegenüber nie falsch verhalten. Also hat sie offensichtlich keinen Grund, so biestig zu mir zu sein...“ Kavita lachte bei seinen Worten. „Nimm es dir nicht so zu Herzen. Chhoti Shruti braucht immer sehr lange bis sie jemandem vertraut. Das hat nichts mit dir zu tun. Es liegt einfach in ihrer Natur. Ebenso wie ihre Biestigkeit, wie du es so schön nennst.“, erklärte sie und lächelte ihn aufmunternd an. „Ich habe wirklich noch nie einen so komplizierten Menschen wie deine Nichte getroffen, Aunty...“, stellte er fest und biss genervt ein Stück seiner gerade geschälten Karotte ab. Sudhir und Kavita verstanden sich so gut, dass sie mittlerweile ins `Du´ übergewechselt waren und er sie `Aunty´ nennen durfte. „Ja, das höre ich nicht zum ersten Mal.“, lachte Kavita. „Das ist auch der Grund, warum sie nicht sehr viele Freunde hat. Die meisten geben es auf, sich mit ihr zu beschäftigen, bevor sie sie überhaupt richtig kennengelernt haben. Aber ich kann es ihnen nicht verdenken. Chhoti Shruti ist eben ein wirklich sturer Mensch.“, gestand sie ein. „... Nichtsdestotrotz liebe ich sie aber von ganzem Herzen. Eine bessere Nichte könnte ich mir nicht wünschen. Trotz ihrer Arbeit hilft sie mir, wo sie kann und unterstützt mich mit allem, was sie hat...“ Ihre Worte stimmten Sudhir nachdenklich. In der Tat schien Shruti eigentlich ein herzensguter Mensch zu sein. Allerdings nur zu Leuten, die sie auch mochte und wie er es einschätzte, gehörte er da nicht dazu. Noch nicht. Er war sich sicher, dass sich das bald ändern würde, denn er würde all seine Liebenswürdigkeit und seinen Charme heraus kehren, so dass sie gar keine andere Wahl hatte, als ihn zu mögen. „Wenn du deine Bemühungen nicht aufgibst, wirst du sicher Erfolg haben.“, meinte Kavita plötzlich, so als ob sie Sudhirs Gedanken hatte lesen können. „Du bist ein guter Mensch und das wird sie ganz sicher auch bald merken.“ Sudhir konnte seine Freude über ihre Worte nicht verstecken und berührte zum Dank Kavitas Füße, um sich ihren Segen zu holen. Kurz bevor die Sonne unterging, bat Kavita Sudhir, draußen an der Hauswand eine der Lampen zu reparieren, da diese vor Kurzem kaputt gegangen war. Es dauerte nicht lange bis er das Problem behoben hatte und die Glühbirne wieder brannte. Gerade als er wieder herein gehen wollte, bemerkte er, dass er direkt neben Shrutis Fenster stand. Daraufhin konnte er seiner Neugier nicht widerstehen und riskierte einen Blick in ihr Zimmer. Zuerst konnte er nicht viel erkennen, doch nachdem er sich auf die Zehenspitzen gestellt hatte, hatte er freie Sicht auf Shruti, die gerade vor ihrem Kleiderschrank stand und sich stumm in dem Spiegel betrachtete, der an einer der beiden schweren Schranktüren angebracht war. Gerade als Sudhir sich fragte, was sie dort eigentlich tat, zog sie sich plötzlich ihr Oberteil über den Kopf. So stand sie nun mit entblößtem Oberkörper da. Nur ihr langes Haar bedeckte noch ihre wohlgeformten Brüste. Sudhir schlug das Herz plötzlich bis zum Hals und seine Hände begannen zu schwitzen. Was machte Shruti da? Es sah jedenfalls nicht danach aus, als ob sie sich nur umziehen wollte. Nachdem er vor plötzlicher Verlegenheit seinen Blick kurz abgewandt hatte, schaute er wieder zu Shruti hin und bemerkte mit einem Mal die unendliche Traurigkeit in ihren Augen. Schweigend starrte sie ihr Spiegelbild an und schien auf eine Antwort zu warten, die sie aber offensichtlich nicht bekommen würde. Verwirrt und fasziniert zugleich konnte Sudhir seine Augen nicht von ihr abwenden. Erst als sie sich bückte, um sich auch noch ihrer Hose zu entledigen, drehte er sich weg und machte sich auf den Weg zurück ins Haus. Er hatte augenscheinlich sowieso schon zu viel gesehen, da wollte er sich wenigstens das letzte bisschen seines Anstandes noch bewahren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)