Hospital Story von Heartsbane ================================================================================ Prolog: no air -------------- Es .. ist so... heiß... Sascha lag zusammengekauert unter der schweren Decke und schlang die Arme um seinen Körper. Trotz der brennenden Hitze, die durch seinen Körper flammte, zitterte er. Das... soll aufhören... Ein leises Winseln drang aus seiner Kehle. Er öffnete die Augen und sah sich mit fiebrigem Blick um. Er war in seinem Zimmer, der Abend war schon längst angebrochen und ein schauriges Rot erleuchtete sein Zimmer, was das Gefühl des Feuers in Saschas Körper nur noch schlimmer machte. Wieder wurde er sich seiner Schmerzen bewusst. Ob das nun seinen Hals betraf, der schon ganz wund war vom ständigen Husten oder seine Muskeln, die zu zerreißen drohten unter der Anstrengung, die der Schüttelfrost ihnen abverlangte. Sascha war froh für diesen kurzen Moment der Ruhe, in dem er nur daliegen konnte. Doch sein Kopf fühlte sich auch nicht gerade besser an, als der Rest seines Körpers. Unheimliche Kopfschmerzen machten ihm zu schaffen und Sascha glaubte, dass sein Schädel gleich zerspringen müsste, so stark war der Druck. Plötzlich spürte der Junge wieder diesen grausamen Juckreiz in der Luftröhre und gleich darauf richtete er sich durch eine instinktive Reaktion auf und hustete laut. Es fühlte sich an, als würde er gleich seine eigene Lunge ausspeien. Es... tut so weh... Keuchend ließ er sich wieder zurück auf sein Kissen sinken. Ein fürchterliches Brennen zog sich durch seinen gesamten Oberkörper. Er atmete flach, den Mund leicht geöffnet und sah wieder hilflos um sich. Doch aus irgendwelchen Gründen hatte er das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen. Gleich... geht’s wieder... Bestimmt... Mit einem Anflug von Panik atmete Sascha schneller und tiefer ein, versuchte endlich seine Lungen zu füllen. Aber es wollte einfach nicht besser werden. Ich... krieg keine... Luft... Seine Arme fühlten sich schwach an, schienen geradezu gelähmt, doch Sascha riss sich zusammen. Tödlich langsam, wie es ihm vorkam, hob er seine Hände und legte sie auf seinen Hals. Den Zweck dieser Aktion kannte er nicht, es brachte auch keinen Erfolg, doch es war ein natürliches Bedürfnis gewesen. Wahrscheinlich gelenkt von seinem Selbsterhaltungstrieb. Ich brauche... Luft...!! Plötzlich kehrte wieder ein kleiner Schimmer Energie in Saschas Körper zurück. Hektisch warf er sich von einer Seite zur anderen, bäumte sich auf und schnappte erneut nach Luft, doch es schien alles nichts zu bringen. Wieso auch war ich so ... doof und bin im Hochwinter...mit einer Grippe draußen herumgeturnt...?! Jetzt hab ich ... den... Salat... Zwischen die Panik und die Schmerzen mischte sich die Reue, die Sascha jetzt empfand. Wäre er etwas klüger gewesen und hätte sich sofort ins Bett gelegt, als er schon eine Grippe mit sich herumschleppte, dann würde er jetzt nicht hier nach Luft ringend in seinem Zimmer sitzen. Scheiße... Sascha spürte wie ihm schwindelig wurde. Der letzte Anflug von Kraft war nun auch verbraucht. Er sah wie schwarze Schatten sein Sichtfeld langsam aber stetig einschränkten. Sascha wusste, dass er etwas tun musste. „Mom...!“ Es war ein verzweifelter Versuch, seine Stimme klang schon weit entfernt und Sascha war sich sicher, dass er nicht mehr die Kraft dazu gehabt hatte laut zu rufen. Doch vielleicht... Ich verdammter... Idiot... Mit einem letzten Seufzer hüllten die schwarzen Schatten Sascha endgültig ein. Kapitel 1: slow change ---------------------- Langsam kam Sascha wieder zu sich. Die Augen immer noch geschlossen, wartete er ab bis seine Sinne allmählich wieder zurückkehrten. Er wusste, dass er sich irgendwo befinden musste wo es sehr hell war. Unter seinen Händen fühlte er irgendetwas Weiches. Eine Matratze? Wahrscheinlich, denn Sascha spürte den Druck einer Bettdecke auf seinem Körper und sein Kopf wurde durch ein flauschiges Kissen gestützt. Was war passiert? War er ohnmächtig geworden und niemand hatte es bemerkt? Also befand er sich wohl immer noch in seinem Zimmer... Vorsichtig öffnete der Junge die Augen. Er musste blinzeln bis sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten. Immer noch etwas desorientiert blickte er sich um. War das... ein Krankenzimmer? „Sascha! Schatz, bist du in Ordnung?“, hörte er dann eine aufgeregte Stimme neben sich. Das besorgte Gesicht seiner Mutter schob sich in sein Blickfeld. „Wo... bin ich?“, brachte Sascha verwirrt und mit brüchiger Stimme hervor. Sein Hals tat sofort wieder höllisch weh. „Du bist im Krankenhaus. Ein Glück, dass deine Mutter gerade die Wäsche oben machen wollte, sonst hätte sie dich gar nicht gehört“, erklärte ihm sein Vater, den er erst jetzt bemerkt hatte. „Oh, Liebling! Schön, dass es dir wieder gut geht“, stieß Saschas Mutter gerührt hervor, da sie fast schon zu weinen begann. Stürmisch umarmte sie ihn. „Ist ja schon gut, Mom“, brummte dieser. Sein Kopf tat unheimlich weh und ihre Überschwänglichkeit trug nicht gerade zu einer Besserung bei. „Was ... ist eigentlich passiert?“, fragte der Junge schließlich und sah sich etwas genauer um. Alles war weiß und steril, nur die Vorhänge, die er nur flüchtig sah, weil seine Eltern im Weg saßen, hatten einen gelben Farbton. Saschas Krankenbett stand an einer Wand, die gleich rechts neben der Zimmertür war. Der Eingang zum Bad befand sich in der Mitte des Raumes links von eben dieser. Rechts von Sascha erstreckte sich die gesamte Länge des Krankenzimmers bis es letztendlich an der Fensterwand mit den bereits erwähnten gelben Vorhängen endete. „Du bist ohnmächtig geworden und wir haben dich sofort ins Krankenhaus gebracht. Der Arzt sagt, dass du eine sehr schwere Lungenentzündung hast und erst einmal hierbleiben musst“, erklärte ihm dann sein Vater. Na, bravo! Nur weil ich Vollidiot nicht einfach drinnen bleiben konnte. Sascha war frustriert. „Wir müssen jetzt leider gehen, Schatz. Aber wir besuchen dich bald wieder“, unterbrach ihn seine Mutter in seinen Gewissensbissen. „Wir schicken den Arzt zu dir.“ Saschas Eltern standen auf und wandten sich zur Tür. Oh Mann... Sascha drehte den Kopf in Richtung Fenster, als seine Eltern gegangen waren. Erst jetzt entdeckte er den Jungen, der in dem Bett ein paar Meter von ihm entfernt lag. Ich dachte, ich sei alleine hier. Er nutzte die Tatsache, dass der andere nicht hersah, um ihn etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Junge hatte schwarze, gefärbte Haare, die ihm fast bis zum Kinn rechten und sanft sein Gesicht umspielten. Seine Augen waren von einem tiefen Blau, das nun ausdrucklos an die weiße Wand gerichtet war. Er wirkt so... abweisend. Fast schon kalt. Sascha betrachtete den Unbekannten weiter. Er hatte feine, aber teils doch markante Züge und obwohl er sehr schlank zu sein schien, so war er doch unglaublich maskulin. Irgendetwas an ihm faszinierte Sascha, sodass er gar nicht mehr wegsehen konnte. Ich sollte mich vielleicht vorstellen. Schließlich muss ich hier ´ne Weile mit ihm ein Zimmer teilen. „Hey“, sagte er schließlich und ärgerte sich über seine erstickte Stimme. „Ich bin Sascha. Und du?“ Leicht lächelnd wartete er auf eine Antwort. Doch die kam nicht. Etwas perplex starrte Sascha zu dem anderen. Hatte er ihn nicht gehört? „Ich bin Sascha. Und du?“, wiederholte er mit etwas mehr Nachdruck. Es dauerte einige Sekunden bis der Junge endlich antwortete, jedoch sah er ihn nicht einmal an. „Jannik.“ „Und wieso bist du hier? Also ich hab ja diese grässliche Lungenentzündung abgekriegt. Okay, eigentlich bin ich ja selber Schuld und so, aber egal. Wie sieht´s bei dir aus?“, wollte Sascha weiter wissen und lümmelte sich in sein Bett. Bequem war es schon, das musste man Krankenhäusern schon lassen. „Gastritis“, war die kühle Antwort. Jannik machte sich immer noch nicht die Mühe ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Ach. Ich hätte jetzt einfach mal so auf Genickstarre getippt... „Was is´ n das? Gastritis?“ Sascha gab nicht so leicht auf. Er würde diesen Muffel schon noch dazu bringen mit ihm zu reden. Und zwar richtig. „Magenschleimhautentzündung.“ Okay, zugegeben. Jannik war echt ne harte Nuss. „Hört sich ja nicht so toll an. Und wie lange musst du dableiben? Ich hab ja keine Ahnung, hoffentlich nicht zu lange, weil ich es hasse unnötig rumzusitzen. Glaubst du Lungenentzündungen sind schlimm? Also so, dass man lange bleiben muss? Hm?“ Immer schön weiterfragen, dann musste er ja antworten. Sascha war siegessicher. „Weiß nicht“, erwiderte der andere Junge mit demselben abweisenden Ton, den er schon die wenigen Male vorher benutzt hatte. Auf einen Schlag war Saschas Optimismus zerstört. Schön! Wenn er nicht will, dann soll er´s eben bleiben lassen. Ich brauch mich nicht mit ihm zu unterhalten. Grummelnd drehte sich Sascha um und starrte auf das Weiß der Wand, so wie sein Zimmergenosse auch. Na, das konnte ja noch was werden. Mit so einem Typen auch nur länger als einen Tag aushalten zu müssen war wirklich Strafe genug. Nächstes Mal bleib ich drin, wenn ich krank bin. Wieder plagte ihn das schlechte Gewissen. Unruhig drehte er sich zurück und blickte hoch zur Decke. Zwei Sekunden später wandte er sich in Richtung Fenster und gleich darauf wieder zurück zur Wand. Aaaah!! Diese Stille war ja unerträglich! Wie konnte dieser Jannik das nur aushalten einfach nichts zu sagen? Verstohlen warf er diesem einen Seitenblick zu, nachdem er wieder gerade lag. Er hatte sich tatsächlich immer noch nicht gerührt! Ohne auch nur ansatzweise eine Gefühlsregung zu zeigen, schien er wie zuvor fast schon gebannt von der Wand vor ihm zu sein. Sascha sah wieder weg und studierte die Decke. Seine Gedanken allerdings drehten sich um den Jungen. Was war bloß los mit dem? Man konnte doch nicht so... so unkommunikativ sein! Ich war ja schließlich nett zu ihm. Da könnte man echt mehr erwarten. Fast schon automatisch wanderte sein Blick wieder zu Jannik. Eine Zeitlang beobachtete er ihn. Doch plötzlich, vollkommen überraschend, schoss dessen Blick zu ihm. Saschas Wangen liefen natürlich sofort puterrot an, seine Augen huschten in irgendeine andere Richtung. Boah, wie peinlich! Er hat mich beim Starren erwischt. „I- Ich hasse Krankenhäuser“, plapperte Sascha dann einfach drauf los. Ihm war die ganze Situation sowas von unangenehm und so hoffte er sie mit Hilfe von Reden überspielen zu können. „Weißt du, die sind so steril. Und dieses Weiß. Das ist echt abartig. Ich glaube ich würde, nein, ich werde verrückt werden, wenn ich hier so lange bleiben muss!“ Er lachte etwas unbeholfen und sah zu Jannik. Dieser erwiderte seinen Blick. Ausdruckslos. Und mit einem Male wendete er sich ab, sah ohne ein Wort aus dem Fenster. Saschas Gesicht fühlte sich an, als würde es gleich schmelzen. Wie konnte dieser Typ es wagen ihn sich so blamieren zu lassen?! Der Kerl ist sowas von ätzend! Bevor Sascha aber seinen Frust weiter gedanklich kundtun konnte, hörte er wie die Tür aufging und zwei Sekunden später tauchte ein Mann mit weißem Kittel vor seinen Augen auf. Er war ungefähr fünfzig, hatte blonde Haare, die aber leicht ins Braune gingen und auf seiner Nase thronte eine ziemlich weit nach unten gerutschte Brille. Alles in Allem wirkte er aber recht freundlich. „Guten Tag, die Herren“, begrüßte er sie und ein warmes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er begab sich neben Saschas Bett und reichte ihm seine Hand. „Wie ich sehe bist du ja schon wieder ziemlich fit. Ich bin Doktor Jensen.“ „Hallo. Ja, passt schon. Aber mein Hals tut höllisch weh“, erwiderte der Junge gequält und schüttelte die ihm angebotene Hand. „Ja, sowas ist normal bei einer Pneumonie“, lachte der Doktor. Er holte sein Klemmbrett hervor und schob sich die Brille wieder nach oben. „Pneumo- was?!“ Sascha verstand kein Wort. „Pneumonie, allgemein auch bekannt als Lungenentzündung. Im Klartext soll das heißen, dass dein Lungengewebe entzündet ist und zwar durch Viren. Grippeviren, um genau zu sein. Dein Immunsystem ist ziemlich angegriffen und deswegen bist du auch ohnmächtig geworden. Typischer Kreislaufzusammenbruch. Deine Mutter hat mir ja bereits erzählt, dass du unter Schüttelfrost, Fieber und heftigem Husten gelitten hast. Hattest du oft auch schleimigen Auswurf?“ Sascha verzog das Gesicht. Wie ekelig. „Ja... War echt widerlich.“ „Das denke ich mir“, schmunzelte der Arzt und notierte etwas auf dem Papier. „Leider wirst du einige Zeit bei uns bleiben müssen. Du bekommst schleimsenkende Inhalationsmittel, Antibiotika und musst viel Trinken. Außerdem wird dir die Krankenschwester später Wadenwickel anliegen, damit sich deine Temperatur senkt.“ Hilfe... Geht´s noch peinlicher?! Wadenwickel... „Nun denn. Also, wir werden jetzt gleich eine Röntgenaufnahme machen und deine Atemwege abhören. Vorher muss ich aber noch mit deinem Zimmernachbarn hier sprechen.“ Mit diesen Worten und einem erneuten Lächeln wandte sich der Mann ab und ging hinüber zu Jannik. Sascha folgte ihm mit dem Blick. Na, da bin ich mal gespannt... „Also, Jannik. Dein Zustand hat sich leider noch nicht gebessert, allerdings ist er nun stabil. Wir werden dich weiterhin beobachten und mit Antibiotikum behandeln. In drei bis vier Wochen solltest du dann wieder gesund sein“, erklärte der Arzt nun und sah den Jungen vor sich an. Dieser blickte jedoch mit demselben distanzierten Blick zurück, den er schon Sascha zugeworfen hatte. Ein Nicken war die einzige Reaktion, die sonst noch von ihm kam. „Na schön“, seufzte Doktor Jensen und drehte sich um. „Dann komm mal mit, Sascha. Aber vorsichtig, du bist immer noch sehr geschwächt.“ „Okay.“ Mühselig erhob er sich aus dem Bett und kniff gleich die Augen zusammen, als ihm etwas schwindelig wurde. Doch das ging gleich wieder vorbei und Sascha stand auf, um dem Arzt zu folgen. Bevor er hinausging, sah er noch einmal zurück. Jannik starrte wieder aus dem Fenster. Wenigstens weiß ich jetzt, dass er nicht nur zu mir so unfreundlich ist. Leise schloss Sascha die Tür hinter sich. Die Röntgenaufnahmen und das Abhören seiner Lungenfunktionen waren schnell vonstatten gegangen und so kehrte Sascha bald wieder ins Zimmer zurück. Zu seiner Überraschung war sein Zimmergenosse Jannik allerdings nicht aufzufinden. Vielleicht ist er ja auch bei irgendeiner Untersuchung. Erschöpft schleifte sich der Junge zu seinem Bett und ließ sich zufrieden darauf nieder. Er war ernsthaft nicht gerade in der besten Verfassung, das wurde ihm erst jetzt bewusst. Dass ich auch so dumm sein muss... Jetzt liege ich hier im Krankenhaus und muss es mit so ´nem unfreundlichen Typen aushalten. Seufzend sah Sascha zu dem leeren Bett auf der anderen Seite. Wenn er doch wenigstens ein bisschen nett zu mir wäre... Plötzlich hörte er ein Klicken. Sofort sah Sascha zur Badezimmertür, von der das Geräusch gekommen sein musste. Kurz darauf wurde diese dann auch geöffnet und Jannik trat heraus. Irgendetwas in Saschas Innerem zog sich zusammen, ein unbehagliches Gefühl breitete sich in ihm aus. Vorsichtig sah er zu dem schwarzhaarigen Jungen. Dieser hatte die Augen geschlossen und seine Hand umfasste fest die Türklinke. Sascha wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Art wie sich Jannik mit aller Kraft an dem Stück Metall festhielt, sein angestrengter Gesichtsausdruck, die kleine Falte auf seiner Stirn, die Tatsache, dass er am ganzen Körper zitterte... Sascha schmiss blitzschnell die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett, um zu dem anderen zu laufen. „Hey, was ist los?“, fragte er mit leicht panischer Stimme und versuchte den Jungen so gut es ging zu stützen. Jannik antwortete aber nicht, sondern verzog nur schmerzverzerrt das Gesicht und schlang einen Arm um seinen Bauch. „Sag doch was!“ Besorgt beugte sich Sascha etwas vor. „Bauchschmerzen...“, brachte der andere dann keuchend hervor. Doch gleich darauf zuckte er mit einem neuerlichen Geräusch, das eindeutig zeigte, dass es ihm nicht gut ging, zusammen. „Soll ich den Arzt-“, begann Sascha, doch Jannik unterbrach ihn sofort. „Nein!“ Ratlos legte Sascha sorgenvoll die Stirn in Falten. Was sollte er denn jetzt tun? Er konnte ihn doch nicht einfach so lassen... Mit diesen Schmerzen. „Hilf... hilf mir bloß zu meinem Bett.“ Huh? Verwirrt sah Sascha Jannik an. Hatte er das jetzt gerade wirklich gesagt? Es war ganz und gar seltsam eine Bitte aus seinem Munde zu hören. „J- Ja, klar“, erwiderte der Junge aber schnell und so legte er Janniks Arm um seine Schulter und schritt mit ihm Meter um Meter näher zu dessen Bett. Als sie dort endlich angekommen waren, ließ sich der Schwarzhaarige ganz langsam nieder, wobei auf seinem Gesicht wieder ein gequälter Ausdruck erschien. Sascha fühlte sich richtig elend, als er den Jungen da so sah. Elend und hilflos. „Und ich soll wirklich keinen Arzt rufen?“, erkundigte er sich deshalb noch einmal. Jannik sah ihn an. Es war wieder dieser ausdruckslose Blick, diesmal allerdings auch irgendwie forschend. „Nein“, war das einzige, das er sagte. Sascha wusste nicht was er darauf antworten sollte. Er fühlte sich immer noch nicht wohl bei dem Gedanken Jannik sozusagen einfach seinem Schicksal zu überlassen. „Danke.“ Blinzelnd starrte Sascha den Jungen vor sich an. Er war ebenso verwirrt wie schon zuvor, als Jannik ihn gebeten hatte ihm zu helfen. Und jetzt? Hatte er sich gerade ernsthaft bei ihm bedankt? „Ist doch klar, dass man sich hilft“, murmelte Sascha also und aus einem unerfindlichen Grund war er irgendwie verlegen. Und stolz. Schließlich hatte er es geschafft, dass Jannik wenigstens ein bisschen auftaute. „Du solltest schlafen gehen“, meinte Jannik dann und hob vorsichtig die Beine ins Bett, um sich hinzulegen. Sascha verstand und war etwas enttäuscht. Jannik wollte seine Ruhe haben. „Ja, ist gut“, erwiderte er dann aber. Schließlich war es nur zu verständlich, dass er in seinem Zustand nicht unbedingt auf Plausch aus war. Nicht, dass er wirkte, als würde er das irgendwann mal sein. „Aber Jannik?“ Sascha, der schon auf dem Weg zu seinem Bett war, drehte sich noch einmal um. Der andere Junge wandte langsam den Kopf zu ihm, sein Blick wirkte nichtssagend. Weder interessiert, noch genervt. „Wenn wieder was ist, dann... dann sag Bescheid, ja?“, bat Sascha zögernd. Er war sich sicher, dass Jannik sich einfach wieder abwenden würde. Doch zu seinem Erstaunen nickte dieser. „Okay.“ „Gut. Dann ... gute Nacht“, sagte Sascha schnell und ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Zwar kam keineswegs eine Antwort auf seine letzte Aussage, aber immerhin. Ich hab´s geschafft! Er redet mit mir! Überglücklich legte sich Sascha in sein Krankenbett und drehte sich zur Wand, damit Jannik nicht sein strahlendes Gesicht bemerkte. Auch wenn er anfangs nicht gerade sympathisch war... Ich glaube, Jannik ist eigentlich gar kein so schlechter Kerl. Und so schloss Sascha die Augen. Mit etwas Glück würde sein Aufenthalt im Krankenhaus vielleicht doch nicht so schlimm. Kapitel 2: actually likeable ---------------------------- Sascha gähnte ausgiebig, während er die Länge seines Bettes in vollen Zügen ausnutzte, um sich zu strecken. Hab ich gut geschlafen ... Aber mal abgesehen davon, dass ich mich immer noch schwach fühle... Saschas Magen knurrte laut. Hab ich Hunger! Erst jetzt fiel ihm auf, dass er seit gestern Mittag nichts mehr zu essen gehabt hatte. Wahrscheinlich waren sie beide zu früh zu Bett gegangen und hatten somit das Abendessen verpasst. Beide. Bei diesem Gedanken fiel ihm Jannik ein. Sofort drehte Sascha den Kopf nach rechts. Er schlief noch. Irgendwie sieht er so sanft aus, wenn er schläft. Ganz anders als dieser kühle, fast schon grimmige Ausdruck den er sonst immer aufsetzt. Sascha legte leicht den Kopf schief. Er mochte dieses Bild. Jannik sah im Moment richtig freundlich aus. Naja, vielleicht ist er das ja auch... Er erinnerte sich an die gestrige Situation. Doch plötzlich wurde die Zimmertür aufgerissen und ein zum Glück noch relativ leises Poltern erklang, als eine Krankenschwester strahlend mit einem Essenswagen hereinfuhr. „Guten Morg-“ „Pscht!“, machte Sascha schnell und legte einen Finger an die Lippen. Die junge Dame sah ihn verwirrt an, sodass Sascha erklärend in Janniks Richtung blickte. „Ach so“, murmelte die Frau dann und war etwas ratlos. „Lassen Sie das Frühstück einfach hier. Er kann es ja später auch noch essen“, schlug Sascha also vor und lächelte. Die Krankenschwester nickte und stellte die Tabletts so leise wie möglich auf die dafür vorgesehenen, ausziehbaren Tischchen. Danach verschwand sie wieder. „Hm...“ Sascha spitze nachdenklich die Lippen. Wieso hatte er das gemacht? Eigentlich hätte es ihm doch egal sein können, ob Jannik aufwachte oder nicht. Letztendlich zuckte er mit den Schultern. Er war eben ein rücksichtsvoller Mensch. Im Gegensatz zu... Sascha zuckte ruckartig zusammen. Als er seinen Gedankengängen folgend in Janniks Richtung gesehen hatte, durchfuhr ihn ein fürchterlicher Schrecken. Der Junge schlief gar nicht mehr! Mit starrenden Augen fixierte Jannik ihn, fast schon wie ein Tier seine Beute. „M- Morgen...“, stammelte Sascha und versuchte seine ernsthaft gelähmten Muskeln wieder etwas zu entspannen. Hatte er etwa alles mitgehört? „Morgen“, kam sogar eine Antwort, was Sascha richtig verwirrte. Das hätte er jetzt wirklich nicht erwartet. „Dein Essen...“, murmelte er dann etwas planlos. „Danke.“ „Was...?!“ Sascha konnte sich immer noch nicht daran gewöhnen, dieses Wort aus Janniks Mund zu hören. „Danke, dass du mich nicht aufwecken wolltest. Das war... nett“, erläuterte dieser dann. Seine Miene zeigte immer noch keine Regung und auch seine Stimme deutete keine Gemütslage an. Aber immerhin war sie nicht mehr so abwertend. Sascha wusste gar nicht was er sagen sollte. Einige Sekunden saß er nur perplex in seinem Bett bis er dann endlich den Mund aufmachte. „Kein Problem. Ich dachte, wegen gestern... Da wär´s besser, wenn du dich ausschlafen kannst.“ „Mhm“, war alles was kam. Aber es kam etwas. Sascha lächelte zufrieden und begann mit seinem Frühstück. Jannik tat es ihm gleich und so aßen sie schweigend ihre Brötchen. Während des Vormittags war Saschas Mutter zu Besuch gewesen. Natürlich hatte sie ihn mit Küssen überhäuft, was ihrem Sohn unendlich peinlich gewesen war. Er hatte gar nicht wissen wollen, was Jannik über ihn gedacht haben mochte. Außerdem setzte ihm das Fieber doch noch ziemlich zu, weshalb sein Kopf unangenehm pochte. Aber was Jannik anging, so musste er sich keine Sorgen machen. Dieser ignorierte sowohl ihn, als auch seine Mutter. Und Sascha wollte sich zusammenreißen und nicht zeigen, dass es ihm mies ging. Hätte ja noch gefehlt, wenn er jetzt rumjammerte! Diese war nun auch wieder gegangen und Sascha saß nun erneut sinnlos im Zimmer. Allerdings nicht für lange. „So, guten Tag“, hörte er plötzlich eine helle, trällernde Stimme und gleich darauf trat eine dicke, blondhaarige Frau mit rundem, fröhlichem Gesicht ins Zimmer. Was will ´n die jetzt? Blinzelnd folgte ihr Sascha mit den Augen, als sie an sein Bett trat. „Gestern Abend bist du noch einmal drum herum gekommen, weil wir soviel zu tun hatten. Aber heute bekommst du deine Wadenwickel“, erklärte sie ihm und lachte, als wäre das das größte Geschenk, das sie ihm machen konnte. Falsch gedacht! Hilfe, nein! Ich will das nicht! Sind die denn bescheuert oder so? Ich lass mir doch nicht von dieser ollen Tante irgendwelche triefenden Lappen an die Beine kleben. „Das ... muss doch jetzt echt nicht sein...“, versuchte er unsicher das nahende Unheil abzuwenden, aber die Krankenschwester packte schon seine Bettdecke und schmiss sie mit einem kräftigen Ruck nach hinten, sodass Sascha völlig ungeschützt im Bett lag. Ich bin ihr ausgeliefert... „Doch, doch. Ist ja nur zu deinem Besten. Also, Hose runter!“ Die etwas festere Dame lachte schallend. Anscheinend konnte sie sich keinen größeren Spaß vorstellen, als kleine Jungen zu blamieren. „Was?! Nein!“, versuchte sich Sascha entsetzt zu wehren, doch die Frau war von der rabiaten Sorte. Ohne Rücksicht auf Verluste packte sie seine Schlafanzughose und zog. Verzweifelt versuchte der Junge sie festzuhalten, aber die Schwester war einfach zu schnell. Bevor er überhaupt richtig Halt fand, lag er schon in Boxershort da und seine Hose bedeckte nur noch seine Knöchel. Nicht mit mir! Hastig wollte sich Sascha nach vorne beugen und seine Hose wieder hochziehen, doch die Frau legte eine Hand an seine Brust und schob ihn wieder zurück. Kraft hatte sie, aber dass war wohl auch nicht anzuzweifeln. Und vor allem wurde Sascha kurz schwindelig, als er sich so schnell nach oben bewegt hatte. Verzweifelt drückte er die Augen zusammen um den störenden Aspekt loszuwerden. Wenn er doch wenigstens ansatzweise fit wäre! „Nein, nein, mein Lieber. So geht das nicht. Wenn du stillhältst, dann ist es auch schneller vorbei“, tadelte ihn die Dame und setzte kurz einen ernsten Gesichtsausdruck auf, der sich aber gleich wieder in ein sonnenähnliches Strahlen verwandelte, bei dem sich ihre Augen zu kleinen Schlitzen verengten. Sascha hatte Angst. Ich glaube, sie legt mich um wenn ich nicht so mache wie sie will... Stille Wasser sind tief. Mehr oder minder aus Furcht gab sich Sascha schließlich geschlagen. Mit hochrotem Kopf schielte er zu Jannik, der aber glücklicherweise nicht hersah und so wirkte, als würde ihn die ganze Sache nicht interessieren. Was wahrscheinlich auch der Fall war. Warum ausgerechnet ich?! Schweigend lag Sascha im Bett und gab ein unwohles Geräusch von sich, als die Frau die nassen Tücher auf seine Unterschenkel legte. Zwar tat es nach einiger Zeit richtig gut, da sich die erhitzte Haut abkühlte, aber es war einfach ein ungutes Gefühl sich in so einer hilflosen Lage zu wissen. „So, schau, war doch gar nicht so schlimm. Am Abend bekommst du neue Wadenwickel“, meinte die Krankenschwester dann nach fünf Minuten und grinste weiterhin so optimistisch. Ui, wie toll. Da freu ich mich aber schon richtig. Sascha hätte heulen können vor Scham. Und das Gleiche am Abend wieder! „Wie lange geht das denn jetzt so?“, fragte er geknickt und sah die dicke Frau traurig an. „Noch zwei bis drei Tage. Bis das Fieber wieder etwas zurückgegangen ist“, meinte diese und nahm den Wagen, den sie mitgebracht hatte wieder in Beschlag. „Bis heute Abend dann. Tschüsschen!“ Mit diesen Worten zog sie von dannen. Zurück blieb ein äußerst peinlich berührter Sascha, der sich die Decke über die eingepackten Beine legte. Ein unangenehmes Gefühl. Na bravo. Hoffentlich föhnt die nachher auch mein Bett, wenn sie mich schon mit nassem Zeugs einwickelt und mich zwingt darin zu liegen. Und was mochte Jannik jetzt schon wieder denken? Ständig passierte ihm irgendein anderer peinlicher Mist. Der dachte doch bestimmt schon, dass er sie nicht mehr alle hatte oder wusste der Teufel was. Vorsichtig sah Sascha zu dem anderen, aber der blickte schon wieder nur an die Wand. Einfach an die Wand. Was fasziniert ihn denn da immer so? Ach, mir soll es doch egal sein. Immerhin ist es besser für mich. So passt er hoffentlich nicht so sehr auf mich auf. Es herrschte Stille. Sascha traute sich nicht irgendetwas zu tun, aus Angst auf sich aufmerksam zu machen. Obwohl er für sein Leben gerne redete... Jetzt war ihm nicht wirklich danach. Doch diesmal begann das Gespräch auf ziemlich unnatürliche Weise. Nämlich durch Jannik. „Das braucht dir nicht peinlich zu sein.“ Hatte er da richtig gehört? Jannik hatte freiwillig und eigentlich ohne Grund etwas gesagt? Zu ihm? Sascha? Vollkommen überrumpelt fügte er in Gedanken den Sinn der gerade eben gehörten Aussage zusammen. „Naja, also... Ich fand es schon ziemlich... beschämend“, stammelte er vor sich hin. Genau das wollte er nicht! Über dieses Szenario von vorhin reden. Aber es reizte ihn schon irgendwie. Schließlich hatte Jannik ihn angesprochen. Das musste man doch ausnutzen. „Du solltest das nicht so ernst nehmen“, antwortete Jannik und schloss die Augen. „Es ist wirklich nur für deine Gesundheit.“ Überrascht legte Sascha den Kopf schief. Seine normale Gesichtsfarbe kehrte langsam wieder zurück. Jannik war ja jetzt so richtig anders! Er hätte nie erwartet, dass er mit ihm ohne diese Distanziertheit reden würde können. Vielleicht hatte er den anderen doch ganz falsch eingeschätzt. Und dann sagt er auch noch recht freundliche Sachen. So von wegen ich soll auf meine Gesundheit achten und es muss mir nicht peinlich sein... „Hast wohl recht. Aber ich bin trotzdem froh, wenn ich diese Dinger nicht mehr brauche. Vor allem, weil diese Psychopathin mit ihrem verstrahlenden Grinsen dann nicht mehr kommt“, grummelte Sascha schließlich. Und was dann passierte hätte ihn fast dazu gebracht Jannik mit offenem Mund anzustarren. Er... lachte. Ja, im Ernst, er lachte. Zwar nur ganz kurz und leise, aber er hatte es getan. Sascha hatte es genau beobachtet. Kleine Grübchen hatten sich um Janniks Mund gebildet, fein und dezent. Seine dunklen, blauen Augen hatten kurz gefunkelt und überhaupt war sein Gesicht viel heller und fröhlicher erschienen. Wie schön sein Lachen ist. Schade, dass er das nicht öfter macht. Verwundert blickte Sascha zu dem Jungen, der noch kurz geschmunzelt hatte und sich jetzt ein Buch nahm, das er begann zu lesen. Anscheinend war die Unterhaltung damit beendet, aber irgendetwas in Saschas Herzen ließ ihn sich so sehr freuen, dass er es nicht einmal schlimm fand. Jannik hatte gelacht. Wegen ihm. Zufrieden grinsend lehnte sich Sascha zurück. Es ging bergauf. Langsam kroch das rötliche Licht der untergehenden Sonne in das Zimmer und tauchte die weißen Wände und Bezüge in ein mattes Orange. Der Abend kündigte sich an. Sascha gähnte. Seit ungefähr drei Stunden saß er nun in seinem Bett und versuchte sich irgendwie zu beschäftigen, denn die träge Müdigkeit wich einfach nicht von ihm. Er wollte nur noch schlafen, fühlte sich richtig erschöpft und trotz der neuen Wadenwickel, die er bekommen hatte, sank die Hitze seines Körpers nicht mehr merklich. Und Jannik? Der hatte in dieser Zeit kein einziges Wort gesagt, sondern las. Wie er das schafft. So lange vor diesem Buch zu hocken und sich nicht zu bewegen. Ich könnte schon schreien, obwohl ich mich nicht einmal auf etwas konzentrieren muss. Sascha blickte mit hochgezogener Augenbraue zu seinem Zimmergenossen hinüber. Ihm leuchtete dessen Verhalten nicht im Geringsten ein. Sowas war doch unnormal! „Du, Jannik?“, sprach der Junge ihn dann vorsichtig an. Er hielt es einfach nicht mehr aus sinnlos herumzusitzen. Nur bekam er erst einmal keine Antwort. „Jannik!“, wiederholte er energischer. Nach ein paar Sekunden hob dieser dann endlich den Kopf und sah ihn fragend an. Sascha musste lächeln. Er fühlte sich erfolgreich, denn Jannik hatte nicht mehr diesen kalten, ausdruckslosen Gesichtsausdruck. Anscheinend hatte er sich damit abgefunden, dass er jetzt jemanden hatte mit dem er sich befassen musste. „Wie schaffst du es eigentlich so ewig lange nicht zu reden? Ich würde durchdrehen und zwar spätestens nach einer Viertelstunde“, meinte Sascha dann. Leicht legte er den Kopf schief. „Du hast doch bis gerade eben auch nichts gesagt“, argumentierte Jannik und seine Mundwinkel gingen ein ganz kleines Bisschen nach oben, aber fast unmerklich. Da hat er recht... Verwirrt und fasziniert zugleich starrte Sascha zu seinem Gegenüber. „Stimmt.“ „Na eben.“ Jannik wollte den Kopf wieder seinem Buch zuwenden, aber schnell sprach Sascha weiter. „Aber du weißt was ich meine. Du sagst so gut wie nie etwas. Das muss doch absolut schlimm sein, nicht?“ „Nein“, erwiderte der Schwarzhaarige knapp. Er sah unbeeindruckt wieder auf. „Aber wieso nicht? Wie machst du das?“ Ungläubig blinzelte Sascha. Das war doch bestimmt nicht sein Ernst! „Ich kann es nicht leiden ständig zu quasseln. Das nervt, ist anstrengend und vor allem muss nicht jeder Bullshit erwähnt oder gar breitgetreten werden“, war dann die schlichte Begründung. „Doch!“, widersprach Sascha, woraufhin Jannik grinsend den Kopf schüttelte. Als Sascha dann fortfuhr, musste er selbst kurz schmunzeln. „Über was sollte man denn bitte sonst reden? Neunundneunzig Prozent der täglichen Gespräche sind eben Mist, aber über sowas redet man eben gerne. Weil es sinnlos ist.“ „Ich gehöre sicher nicht zu diesen Menschen“, schmunzelte der andere. „Ach, komm schon. Probier‘ s doch wenigstens mal aus“, versuchte Sascha ihn zu überreden. Wenn er ihn zum grinsen bringen konnte, dann auch dazu irgendetwas zu labern was absoluter Stuss war. Das Alltägliche eben. „Nein, danke.“ Jannik schlug sein Buch wieder auf, das er geschlossen hatte. „Jannik!“ „Was?“ „Hab dich nicht so“, seufzte Sascha. Er quengelte schon wieder herum. „Ich sehe es nicht ein jetzt irgendein dummes Gespräch mit dir zu führen, nur damit dir nicht langweilig ist“, entgegnete Jannik und jetzt kehrte wieder dieser distanzierte Ausdruck zurück. Anscheinend war er genervt. Sascha verzog etwas den Mund. Na toll. Jetzt ist er wieder so wie sonst auch, wahrscheinlich ist er jetzt böse oder so. Vielleicht sollte ich einfach nachgeben und ihn in Ruhe lassen... „Okay. Tut mir leid...“, murmelte er also und sah dabei ein bisschen wie ein reumütiger Hund aus. Jannik sah analysierend in sein zerknirschtes Gesicht, seine Augen schienen nach irgendetwas zu suchen. Dann seufzte er plötzlich. „Kleinkind.“ Was? Sascha sprach seinen Gedanken gleich darauf aus. Was sollte das denn jetzt? Wollte er sich streiten? „Du führst dich auf wie ein kleines Kind. Aber von mir aus, wenn dir dann wohler ist... Reden wir“, erläuterte Jannik dann gnädiger weise und sah lustlos und schon jetzt gelangweilt auf Saschas Bettdecke. Dieser schwieg sprachlos. Er wusste nicht, ob er jetzt beleidigt wegen der Sache mit dem Kleinkind oder amüsiert aufgrund Janniks Willen ein Gespräch mit ihm zu führen sein sollte. Allerdings entschied er sich für letzteres und strahlte wieder bis über beide Ohren. Sascha war eben ein Kind von Fröhlichkeit. „Cool. Also, reden wir über Pokémon.“ „Nein, nicht das“, murrte Jannik und wirkte irgendwie angeekelt. „Wieso nicht?“ Sascha blickte verständnislos drein. Wie konnte man nicht über Pokémon reden wollen? „Ich hasse dieses Zeugs.“ „Was?!“, rief der Braunhaarige aus. Er war regelrecht geschockt. Wie sollte er denn mit Jannik reden, wenn dieser sofort jeden Vorschlag ablehnte? Allerdings kam ihm eine Idee: Wieso denn ein normales Gespräch, wenn man eine Diskussion führen konnte? Leicht den Mund zu einem schiefen Lächeln verzogen, drehte er sich mit dem ganzen Körper zu dem anderen. „Wieso nicht?“ „Weil es Kinderkram ist. Genau wie Digimon und der andere Scheiß“, sagte der und legte die Stirn fast schon verärgert in Falten. „Aber denk doch mal nach, wenn...“, erwiderte Sascha engagiert, während er beteuernd mit den Händen gestikulierte. Und so begann ihr überraschend intensives Gespräch bei dem beide viel lachten. Jannik beteiligte sich mindestens genauso sehr wie Sascha, wenn auch mit weniger Enthusiasmus. Aber man merkte, dass er es auf eine gewisse Art schon genoss mit ihm zu reden. Immerhin lächelte er immer, wenn Sascha gerade wieder in seiner überzeugenden Rede aufging. Ich glaube, Jannik ist wirklich cool drauf. Auch wenn ich zu gerne wüsste, was dieses blöde Lächeln bedeuten soll. Ich meine, ich habe nicht das Gefühl, dass es was Negatives ist... Aber irgendwie ist es einfach seltsam. Sascha sprach weiter, war jetzt schon gespannt auf die Antwort. Im Leben wäre er nicht auf die Idee gekommen, dass er ausgerechnet mit Jannik ein so interessantes Gespräch führen würde. Ich glaube, ich kann sogar was ziemlich Anormales feststellen: Jannik ist für mich schon jetzt... Er schmunzelte, glücklich. ...ein Freund. Kapitel 3: night kiss --------------------- Sascha erwachte mitten in der Nacht. Schlaftrunken öffnete er die Augen, blickte in die schimmernde Finsternis, die das Zimmer einhüllte. Es gab keinen besonderen Grund wieso er aufgewacht war, kein Geräusch oder ähnliches. Doch gleichzeitig kam es Sascha vor, als wäre da doch etwas. Irgendwie hatte er ein komisches, unsicheres Gefühl im Bauch... Immer noch die Müdigkeit und Erschöpfung in den Knochen, richtete sich der Junge auf. Was war es bloß was ihn so störte? Als er sich im Zimmer umsah, bemerkte er nichts Außergewöhnliches. Nur Schatten, verursacht durch das helle Mondlicht, die sich streckten und wie lauernde Jäger in der noch so kleinsten Ecke verharrten. Und dann hörte er es endlich. Ein krankes, angestrengtes Röcheln, so leise und unauffällig, dass es kaum zu vernehmen war. Wo kommt das her...? Sascha lauschte angestrengter, sah hinüber zu Jannik. Er hätte gleich erkennen sollen, dass er es war, der dieses qualvolle Geräusch von sich gab. Immerhin war hier sonst niemand. „Jannik?“, flüsterte Sascha leise. Keine Antwort. „Jannik, ist bei dir alles in Ordnung?“ Das unwohle Gefühl in seinem Magen verstärkte sich, synchron zu dem Röcheln, das nun mehr wie ein Keuchen klang. Irgendetwas stimmte nicht. Davon war Sascha überzeugt. Entschlossen herauszufinden was da los war, warf er vorsichtig die Decke zurück. Seine Knochen schmerzten vom Fieber und das Stechen in seinem Kopf machte die ganze Sache nicht angenehmer. Wahrscheinlich war es wieder eine dieser Phasen gewesen, dass er sich die ersten beiden Tage so gut zusammennehmen konnte. Jetzt waren seine Energiereserven jedoch endgültig verbraucht. Langsam hob Sascha die Füße aus dem Bett, setzte einen nach dem anderen auf den blanken Fußboden und zuckte kurz erschrocken zusammen, als die unerwartete Kälte durch seine Haut fuhr. Ich will wieder schlafen... Ein Gähnen unterdrückend stand er auf, wartete kurz bis das schon gewohnte Schwindeln vorüber war. Dann erst tappte er wackelig auf den Beinen los. „Jannik, hast du mich nicht gehört? Fehlt dir was?“, fragte er mit immer noch leiser Stimme, während er sich dem Bett des anderen näherte. Er konnte seine Gestalt immer noch nicht ausmachen, da diese genau dort wo er liegen musste von der Finsternis förmlich verschluckt wurde. Sascha verzog etwas den Mund. Es war schon ein bisschen gruselig mit einem Schatten zu reden, der solche fast schon drohenden Geräusch von sich gab. Aber immerhin ging es hier um Jannik und es wäre unverantwortlich gewesen das einfach zu ignorieren. Immer noch kam keine Reaktion, weder eine Antwort, noch eine Bewegung. „J- Jannik...?“ Langsam aber sicher mach ich mir echt Sorgen... Sascha hielt inne. Wartete, lauschte. Nichts. Nichts außer dem knarrenden Röcheln und dem schweren Atmen. „Sag doch endlich etwas...“, sprach Sascha noch einmal. Seine Stimme war jetzt heller, aufgebrachter. Angstvoller. Es half alles nichts. Jannik antwortete nicht. Vielleicht ist er ja gar nicht wach und macht diese Geräusche einfach nur im Schlaf. Sascha hoffte schon fast auf diese Möglichkeit, denn dann wäre die Chance, dass ihm nichts fehlte um einiges höher gewesen. Glaubte er zumindest. „Jannik, ich... ich komm zu dir, ja?“ Der Junge wusste selbst wie blöd es war so etwas extra zu sagen, aber immerhin herrschte zwischen ihnen weiterhin eine gewisse Distanz und Janniks Charakter war auch nicht gerade auf Körperkontakt ausgerichtet, wie er annahm. Deswegen war Sascha sehr vorsichtig und zurückhaltend, als er neben dem Bett stand und die Arme langsam hob. An der Bettdecke, deren unteres Ende genau im Mondlicht lag, hatte er schon festgestellt, dass Jannik anscheinend aufrecht im Bett sitzen musste. Deswegen war er auch nicht überrascht, als er erst die Wand und dann endlich eine Schulter berührte. Jannik musste sich also angelehnt haben. „Jannik, ich bin´s Sascha. Hörst du mich nicht?“, fragte er dann eindringlich, innerlich aber mit gemischten Gefühlen. Einerseits war da die unheimliche Sorge um den anderen und gleichzeitig beschäftigte ihn allein das Erlebnis Jannik berührt zu haben. Den unnahbaren, abwehrenden Jungen, der niemanden an sich ranlassen zu wollen schien. Sascha meinte ein leises Seufzen gehört zu haben wie nach einer großen Anstrengung. Ermutigt durch diese winzige Reaktion, suchte er in der Dunkelheit nach Janniks zweitem Arm. Keinerlei Abwehr oder sonstige Bewegung kam, also traute sich der Junge einfach und zog den anderen nach vorne. Überrascht und geschockt zugleich hielt er die Luft an. Jannik war wie ein Sack Kartoffeln nach vorne gefallen, wirkte so, als wären sämtliche Muskeln in seinem Körper erschlafft. Jetzt erst konnte Sascha ihn erkennen. Den Kopf auf den unter der Decke ruhenden Knien saß oder vielmehr lag er da, sodass man nur seine schwarzen Haare und einen Teil seines Rückens sehen konnte. Sascha, der in der Aufregung einen Schritt zurückgewichen war, besaß nicht den Mut ihn noch einmal anzufassen, hatte Angst irgendetwas falsch zu machen. Zwar hätte er sich dafür ohrfeigen können, aber er brachte es einfach nicht über sich. „J- Jannik...?“, fragte er wieder einmal mit erstickter Stimme. Diesmal kam eine Antwort. Oder eher ein Versuch dazu, denn alles was zu vernehmen war, stellte zuerst ein gequältes Stöhnen dar, welches gleich darauf in einen heftigen Hustanfall überging. Als wäre ein unsichtbares Netz von ihm abgefallen, schritt Sascha eilig zu dem kranken Jungen und legte eine Hand auf dessen Rücken. Er konnte spüren wie sehr er unter dem leidigen Keuchen bebte. „Hey“, war alles was er im Moment herausbrachte, während er wartete bis das Husten vorbei war. Es herrschte Stille. Plötzlich kam ein erneutes Stöhnen aus der Kehle von Jannik und das erste Mal versuchte er sich aufzurichten. Doch mehr als ein paar fast unmerkliche Bewegungen nach links und rechts brachte er nicht zustande. Er hat absolut keine Kraft mehr! „Jannik, so sag doch was. Bitte... “ Sascha hätte heulen können. Er wusste nicht was er machen sollte und das nagende Gefühl in seinem Herzen machte die Sache nicht leichter. Sorgenvoll beugte er sich etwas vor, schob eine Hand unter den Oberkörper des anderen und hob diesen hoch. Ein leiser und doch schriller Schrei entfuhr ihm, als sein Blick auf die weiße Bettdecke fiel. Blut. Rotes, im Mondlicht schimmerndes Blut hatte sich in den Stoff eingraviert wie ein warnendes Signal vor Gefahr. „Das...“, stammelte Sascha, die Hände vor den Mund haltend, ohne wirklich zu wissen was er eigentlich sagen sollte. Jetzt hüllte ihn die Sorge erst recht ein, füllte seine Gedanken mit tückischen Ahnungen und ließ ihn leicht zittern. Das altbekannte Röcheln holte ihn wieder in die Realität zurück. Jannik hatte zumindest seinen Oberkörper in der Höhe halten können, sodass Sascha ihn wenigstens zu sehen vermochte. Allerdings hing sein Kopf schlaff nach unten, seine Haare bedeckten jeden noch so kleinen Flecken seines Gesichts und die Arme hatte er bewegungslos in den Schoß gelegt, als gehörten sie gar nicht zu ihm. „Was ist passiert?! Jannik!“, sprach ihn Sascha mit hektischer Stimme an, packte seinen Arm und schüttelte ihn leicht. Doch wieder nichts als ein einzelner, erschöpfter Ton. Jannik... Entsetzt starrte der Junge seinen Zimmergenossen an. Was war nur los mit ihm? Heute hatte es ihm doch noch blendend gegangen, hatte er geredet und sogar gelacht. Und jetzt? Jetzt war er in einem Zustand, der so jämmerlich und bemitleidungswürdig war, dass Sascha wirklich nahe dran war in Tränen auszubrechen. Vorsichtig, nicht wissend was er sonst tun sollte, hob er die Arme und legte beide Hände an Janniks Gesicht. Er spürte nichts außer weiche Haare, die er nun sanft zur Seite strich. Am liebsten hätte Sascha wieder geschrien. Glasige, teilnahmslose Augen blickten ihm entgegen. Ein leicht geöffneter Mund, umgeben von dunklen, unheilvollen Blutflecken, denen keine Worte, sondern kümmerliches Stöhnen entfuhr. Jannik war in einem schrecklichen Zustand. Er brauchte unbedingt Hilfe. Unbedingt. „Jannik, ich... Bitte halt durch!“, bat Sascha und schaute den Jungen vor sich verzweifelt an. Er wurde fast wahnsinnig vor Besorgnis. Jannik durfte nicht aufgeben, er durfte einfach nicht! „Ich hole schnell einen Arzt. Gleich bin ich wieder bei dir, bitte...“ Bitte was? Stirb nicht? Oh Mann, scheiße... Jannik halt einfach durch. Behutsam nahm er seine Hand vom Kinn des anderen, doch dessen Kopf fiel sofort wieder zurück auf seine Brust. Aber er hielt sich weiterhin aufrecht. Ich muss sofort Hilfe holen! Blitzschnell stürmte er davon, riss die Krankenzimmertür auf und hätte am liebsten lauthals geschrien, weil er nicht sofort und vor allem rascher auf die Idee gekommen war. Wie hatte er nur so verdammt verantwortungslos handeln können?! „Hey, Sie da! Schnell, ich brauche Hilfe!“, keuchte er schwer atmend, nachdem er den Korridor entlang gerannt und schon fast beim Aufenthaltsraum des Personals angekommen war. Eine Krankenschwester mit blonden, zu einem Dutt zusammengefassten Haaren war gerade aus dem Zimmer getreten und wollte ihren Weg fortsetzen, als sie fragend aufsah. „Was ist denn-“ „Kommen Sie einfach mit! Jannik, meinem Zimmergenossen geht es ganz schlecht. Er hat Blut gespuckt!“, erklärte Sascha schnell und packte sie am Arm, um sie mit sich zu ziehen. Doch die Dame riss sich los, ein ernster Gesichtsausdruck erschien auf ihrem Gesicht. „Warte hier, ich muss einen Arzt informieren.“ Mit diesen Worten rannte sie in den kleinen Raum mit den durchsichtigen Scheiben, in dem sich die Patienten anmeldeten und die gesamten Dokumente verwaltet wurden. Hektisch telefonierte sie mit jemandem. Geht denn das nicht schneller?! Verdammt, Jannik liegt in seinem Bett und spuckt Blut! Nervös trat Sascha auf der Stelle, ließ die Schultern fallen und hob sie wieder. Dann endlich kam die Krankenschwester zurück und zusammen hasteten sie zurück zum Zimmer. Sascha schaltete schnell das Licht an, während die Frau schon zu Jannik stürmte, der immer noch in derselben Position verharrte. „Jannik, hörst du mich?“, fragte die Schwester und nahm sein Gesicht zwischen die Hände. Vollkommen apathisch ließ der Junge den Kopf nach hinten fallen, bevor die Frau ihn wieder zu sich holte. Sascha stand währenddessen abseits, wollte nicht im Weg stehen. Es war nur wichtig, dass es Jannik wieder besser ging und alles was dieses Ziel behindert hätte musste vermieden werden. Plötzlich betrat Doktor Jensen den Raum. Mit wachsamem, orientierendem Blick bewertete er die Situation und hastete dann ebenfalls zum Bett des Kranken. Die Schwester wich zur Seite, um dem Arzt Platz zu machen. Dieser führte ein paar vergewissernde Handgriffe und Untersuchungen durch, bevor er sich an Sascha wandte. „Was genau ist passiert?“ „Ich...“ Sascha, der die ganze Zeit in das von Haaren bedeckte, schweißnasse und blutbefleckte Gesicht von Jannik gestarrt hatte, fühlte sich unfähig wegzusehen. Ohne den Blick abzuwenden antwortete er. „Ich bin aufgewacht und... wollte nachsehen was los ist, weil ich so ein komisches Röcheln gehört habe. Und dann... dann...“ Er konnte nicht weiterreden, schluckte, um die Tränen zu unterdrücken. Sascha wusste selbst nicht wieso er jetzt auf einmal nicht mehr standhalten konnte. Seine Hände zitterten, trotz allergrößter Anstrengungen kullerte ihm die erste Träne die Wange hinunter und sein Herz fühlte sich an, als hätte man tausende von Nadeln hineingestochen. Schwer atmete er ein und aus. Dem Arzt schienen seine Schilderungen zu genügen, denn er fuhr mit seinen Untersuchungen fort. Sascha suchte Janniks dunkle Augen und als er sie fand, den apathischen Glanz in ihnen sah, konnte er nicht mehr anders. Vorsichtig und so unauffällig wie möglich tappte er los, drängte sich an dem Doktor vorbei und stellte sich an die Wand gepresst genau neben das Bett. Jannik... Werd ja wieder gesund.... Bitte. Immer noch weinend fixierte er den Jungen mit den Augen, sah seine zermarterte und erschöpfte Gestalt in dem Bett sitzen. Und wieder ergriff ihn das Mitleid, verband sich mit der Sorge zu einer teuflischen Mischung, die ihm sein Herz so schwer werden ließ, dass er am liebsten dem Wunsch seiner Beine nachgegeben und sich an der Wand hinab gleiten lassen hätte. Nein, ich muss mich jetzt zusammenreißen. Jannik geht es viel, viel schlechter als mir, deswegen muss ich ihm helfen und nicht auch noch Probleme verursachen... Nur wie? Sascha schluckte hart. Und dann tastete er sich einem inneren Impuls folgend vor, spürte plötzlich die kalte, weiche Haut Janniks unter seinen Fingern. Zaghaft umfasste er dessen Hand und drückte sie leicht. Der Körperkontakt beruhigte ihn irgendwie, gab ihm wenigstens die Hoffnung den anderen irgendwie zu unterstützen. Die gesamte Zeit der Untersuchung und Behandlung ließ Sascha Jannik nicht los. Er beobachtete aufmerksam wie der Doktor ihm Medikamente verabreichte und langsam aber sicher schien der Junge auch wieder etwas an Bewusstsein zu gewinnen. Reaktionen gab es allerdings immer noch keine. „So, jetzt müsste es ihm bald wieder besser gehen“, verkündete Doktor Jensen auf einmal und lehnte sich zurück. „W-Wirklich?“ Sascha sah ihn mit tränennassen, aber gleichzeitig hoffnungsvollen Augen an. „Ja, es war gut, dass du uns gleich geholt hast. Sein Zustand war wirklich nicht gerade der Beste“, antwortete der Mann und sah kurz etwas sorgenvoll zu Jannik, dem die Schwester gerade half sich zurückzulegen. „Aber... das ganze Blut... und...“, begann Sascha von neuem. Er konnte nicht glauben, wollte sich vergewissern, dass Jannik tatsächlich wieder gesund werden würde, „Bluterbrechen ist ein gängiges, wenn auch heikles Symptom bei Gastritis. Seine Apathie rührt allerdings von einem Kreislaufschock her“, erklärte der Arzt und blickte wieder zu Sascha. „Jannik war von vorneherein nicht sehr kräftig, weshalb ich mir auch immer Sorgen um ihn gemacht habe.“ Sascha blinzelte verwirrt. Kreislaufschock.... „So, ich denke, ich kann jetzt guten Gewissens gehen. Man weiß ja nie, welche anderen Patienten heute auch noch meine Hilfe brauchen.“ Doktor Jensen stand auf und lächelte ihn freundlich an. „Gute Nacht, Sascha. Und danke.“ Der Junge nickte, sah dem Arzt hinterher, der nun das Zimmer verließ. Die Krankenschwester verabschiedete sich auch und verschwand ebenfalls mit den Utensilien, die sie während der Behandlung gebracht hatte. Nun war es wieder still im Zimmer. Sascha stand unsicher immer noch an die Wand gelehnt neben dem Bett und sah zu Jannik. Er war eingeschlafen, sein Atem ging regelmäßig. Jetzt, da die Schwester das Blut von seinem Gesicht entfernt hatte, sah er wieder genauso sanft aus wie am Morgen, als Sascha ihn schon einmal schlafend gesehen hatte. Zum Glück konnte ihm Doktor Jensen helfen. Ich hätte nicht gewusst was... was ich sonst gemacht hätte. Schniefend wischte sich der Braunhaarige die Tränen aus dem Gesicht. Ein zartes Lächeln zierte seine Lippen. Ich werde heute Nacht auf ihn aufpassen. Nicht, dass wieder so etwas passiert... Was wenn ich nicht aufgewacht wäre? Sascha verzog das Gesicht, wollte gar nicht daran denken. Er sah noch einmal zu Jannik, der friedlich dalag. Obwohl ersterer ein ungutes Gefühl dabei hatte auch nur einen Meter von der Seite des anderen zu weichen, stand er auf, ließ die Hand nach einigem Zögern los und holte sich einen Stuhl ans Bett. Nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte, damit Jannik auch wirklich ohne Störung schlafen konnte, setzte er sich wieder zu ihm. Augenblicklich erfasste er erneut seine Hand. Schlaf schön, Jannik. Damit du morgen wieder genauso ekelhaft sein kannst wie sonst. Ein glückliches Schmunzeln flog über Saschas Mund, während er erleichtert in den milchigen Mond der Nacht blickte. Es waren nur zwei, drei Stunden vergangen, doch Sascha war schnell der Erschöpfung erlegen und eingeschlummert. Dösend war er auf seinem Stuhl zusammengesunken und atmete leise vor sich hin. Jedoch riss ihn plötzlich ein sanfter, fast unmerklicher Druck aus seinem Traumland. „Huh?“, machte er schläfrig und öffnete die noch fast blinden Augen. Erst nach einigen Sekunden klärte sich sein Blickfeld und er erkannte Jannik vor sich. „Jannik!“ Sofort war Sascha hellwach. „Was machst du denn da? Du sollst doch liegenbleiben!“ Besorgt runzelte der Jüngere die Stirn, als er bemerkte, dass sich Jannik aufgesetzt hatte. Es kam keine Antwort. Kurzes Schweigen. „Geht...“, begann Sascha dann zaghaft. „... geht es dir besser?“ „Ja.“ Janniks Stimme war leise, allerdings schien er wieder bei Kräften zu sein. „Dann bin ich aber froh“, erwiderte Sascha und atmete erleichtert aus. Der riesengroße Stein fiel ihm endlich vom Herzen, als er abwartend zu dem anderen Jungen sah. Dieser sprach nicht, sondern starrte ihn einfach nur an. Es war ein eine merkwürdige Situation. Sie beide, mitten in der Nacht in einem Zimmer, welches nur vom nebligen Licht des Mondes erhellt wurde. Sascha, dem das Ganze schon unangenehm war, überlegte gerade etwas zu sagen, als Jannik das für ihn übernahm. „Hast du dir Sorgen gemacht?“ Was..? Sascha blinzelte. Als er darüber nachdachte wie durcheinander er ein paar Stunden zuvor gewesen war und dass er sogar geweint hatte, wurde er ein wenig rot. „Ja, hab ich... Ziemlich Große sogar“, gab er schließlich mit leiser Stimme zu. Er blickte nur einmal kurz zu Jannik, bevor er den Kopf beschämt abwandte. Bestimmt krieg ich jetzt wieder einen blöden Kommentar zu hören... Doch es kam alles ganz anders. Gerade als Sascha bewusst wurde, dass er Janniks Hand immer noch hielt und er seine schon peinlich berührt wegziehen wollte, spürte er wie der andere sie bestimmt festhielt. Verwirrt sah Sascha auf, verstand nicht wieso er das tat. Und bevor er wusste was geschah, fühlte er Janniks andere Hand an seiner Wange. Die unerwartete Berührung der weichen Haut auf seiner löste ein angenehmes, wenn auch überraschtes Kribbeln aus. Was sollte das werden? So sehr Sascha sich auch eine Antwort wünschte, er konnte nicht sprechen. Nur wenige Sekunden vergingen, vielleicht fünf oder sechs. Aber alles was in diesem Moment interessant, wichtig war, das waren diese geheimnisvollen, dunklen Augen, in die der Junge nun blickte. Mit einem nicht deutbaren Ausdruck fixierten sie ihn, zogen ihn in ihren Bann. So bemerkte er auch viel zu spät, dass Jannik ihm immer näher gekommen war. Erst als er den warmen Atem des anderen in seinem Gesicht spürte und die fast schwarzen Augen sich schlossen, da begann er zu verstehen. Doch er war immer noch unfähig sich zu rühren. Sekunden später spürte er die sanfte Berührung von Janniks Lippen auf den seinen, die er unterbewusst schon erahnt hatte. Allerdings war die Empfindung ganz anders, viel... fesselnder. Der zarte Druck auf seinem Mund, er war unbeschreiblich. Wohlig und gleichzeitig irgendwie erschreckend. Wie gelähmt saß Sascha da, starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere, da sein Sehvermögen im Moment rein gar nichts mehr aufnahm. Alle Sinne in ihm waren nur auf eines ausgerichtet. Den Kuss. Janniks Kuss. Obwohl es Sascha wie eine halbe Ewigkeit erschienen war, zogen sich Janniks Lippen schon nach kurzer Zeit wieder zurück. Erst jetzt kamen anfängliche Gefühle zurück. Ein unerklärliches, verwirrendes Prickeln in seinem Kopf. Vielleicht der Schock oder die Überraschung. Sascha hatte keine Ahnung. Immer noch fassungslos blickte er in die mittlerweile wieder offenen Tiefen von Janniks Augen. Er war immer noch unfähig zu sprechen, konnte keine Reaktion von sich geben. Doch er wollte eine Antwort, wollte wissen warum. Einige Sekunden musterte der Schwarzhaarige ihn noch mit demselben forschenden Blick wie schon zuvor, dann drehte er sich plötzlich ohne ein Wort um und legte sich mit dem Rücken zu Sascha in sein Bett. Schlief wahrscheinlich bald darauf. Sascha unternahm nichts dagegen. Fragte weder nach, noch weckte er ihn nach den endlosen Minuten auf, die er bewegungslos einfach nur auf seinem Stuhl sitzend verbracht hatte. Stattdessen erhob er sich ungelenk, folgte nur einem innerlichen Befehl, den ihm sein erschöpftes Gehirn erteilte. Schlafen. Er musste schlafen. Wankend ging er zu seinem Bett, ließ sich darauf nieder und kauerte sich unter seiner Bettdecke zusammen. Nun endlich kamen seine Gedanken zurück, erdrückten ihn mit ihrem Drängen. Immer wieder schoss ihm eine Frage, nur eine einzige Frage in den Kopf. Warum nur hatte Jannik ihn geküsst? Kapitel 4: confused mind ------------------------ Weiß. Reines, unschuldiges Weiß. Schon seit einer halben Ewigkeit konnte Sascha seine Augen nicht von diesem unbefleckten Bild lassen. Alles war so eintönig, so wunderbar gedankentötend. Und genau das brauchte er jetzt. Eintönigkeit, Gedankenlosigkeit. Sascha atmete vorsichtig aus, denn schon wieder kitzelte ihn ein unangenehmes Kratzen in seinem Hals. Er kämpfte immer noch mit diesem garstigen Husten und seine Lunge gab unaufhörlich ein rasselndes Pfeifen von sich, während er atmete. Nicht zu vergessen das höllische Brennen im Hals, das sich anfühlte als würde sich seine Luftröhre langsam zersetzen. Doch heute gab es noch einen Grund warum Sascha um nichts in der Welt laut sein wollte. Und dieser Grund lag nur ein paar Meter weiter in einem anderen Krankenbett und schlief seelenruhig vor sich hin. Jannik... Sascha blickte automatisch nach rechts und auf einen Schlag kehrten alle Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück. Mondschein, der auf rabenschwarzes Haar fiel und seidene, elfenbeinfarbene Haut, die leicht zu schimmern schien. Dazu zwei tiefgründige, erschöpfte Saphire, die Sascha förmlich in ihren Bann zogen. Der Junge schauderte, um sich von den aufwühlenden Gedanken zu befreien. Schnell wandte er sich wieder dem Weiß zu, das in Wirklichkeit einfach nur die Krankenzimmerwand ihm gegenüber war. Seine Stirn legte sich leicht in Falten, als er sich doch erneut Gedanken über das Geschehene machte. Jannik hatte ihn tatsächlich... geküsst. Ihn. Einen Jungen. Wieso nur? Es ergibt einfach keinen Sinn, egal wie oft ich darüber nachdenke. Sascha seufzte und schon nutzte das Kratzen im Hals seine Chance und machte in Form von Husten auf sich aufmerksam. Zum Glück war es ihm möglich leise zu sein und so wurde Jannik nicht wach. Trotzdem warf Sascha noch einmal einen vergewissernden Blick zu ihm, doch der andere lag nur weiterhin mit dem Rücken zu ihm da und atmete gleichmäßig. Er hatte sich seit dem Vorfall wahrscheinlich nicht einmal bewegt, was Sascha nur umso mehr daran erinnerte. Ich muss aufhören mir so viele Gedanken zu machen! Sascha schüttelte seinen Kopf in der Hoffnung, dass er endlich von dem Ganzen loskommen würde. Doch statt Erleichterung fühlte er nur ein noch stärkeres Pochen in seinem Kopf, fast so als würde in seinem Schädel kein Platz mehr für sein Gehirn sein. „Uuuh...“ Sascha konnte nicht anders als diesen leisen Klagelaut von sich zu geben und als plötzlich ein Klacken ertönte, hatte er schon erschrocken den Kopf gehoben, weil er fürchtete Jannik doch geweckt zu haben. Allerdings war es nur eine junge Praktikantin, die in den Raum trat, einen voll beladenen Wagen vor sich herschiebend. „Guten Morgen!“, rief sie überschwänglich und Sascha zuckte sofort zusammen. Mit schreckensgeweiteten Augen starrte er sie an, doch da war es schon zu spät. Ein müdes, verschlafenes Grummeln durchbrach die entstandene Stille und keine Sekunde später folgte das leise Rascheln der Bettdecke aus dem Bett nebenan. Oh nein! Was soll ich jetzt tun? Wie soll ich ihm begegnen? Sascha schaute verzweifelt nach vorne, wollte unter keinen Umständen zu dem anderen Jungen sehen. Und so vergingen die wenigen Minuten, in denen sich die Praktikantin mehrmals bei Jannik für die Störung entschuldigte und das Essen auf die Ablagen stellte. Immer wenn der Schwarzhaarige sprach, seine dunkle, immer noch vom Schlaf raue Stimme das Zimmer erfüllte, machte Saschas Herz einen Satz. Er war extrem nervös, knetete die Bettdecke zwischen seinen Fingern und blickte mit verzweifeltem Blick nach unten. Als das Mädchen schließlich den Raum verließ, sah er immer noch nicht auf. Sascha konnte einfach nicht, Janniks Anblick hätte er einfach nicht ertragen. Dabei war es eigentlich gar keine Scham, kein Unwohlsein wegen des Kusses, das ihn davon abhielt. Er war nicht böse. Weder abgeschreckt noch angeekelt. Allerdings konnte Sascha nicht sagen was es dann war. Alles was ihm sein Instinkt, seine Gefühle und Gedanken zutrugen war der Befehl Jannik auszuweichen. Vor ihm zu flüchten. Ihm aus dem Weg zu gehen. Auf einmal war das Geräusch von Tellern und Besteck zu hören. Jannik hatte anscheinend angefangen zu essen, aber auch er sagte kein Wort. War es ihm egal, dass sie nicht mehr miteinander sprachen? Wollte er einfach seine Ruhe? Saschas Gedanken überschlugen sich, Ideen und Vermutungen kamen ihm in den Sinn, die teils vollkommen absurd waren. Doch letzen Endes lief es auf dasselbe hinaus: Noch mehr Verwirrung. Und diese wurde durch eine einzige Empfindung hervorgerufen. Traurigkeit. Sascha war traurig. Je weiter seine Spekulationen vorangeschritten waren, desto schlimmer und aufdringlicher wurde das Gefühl. Immer wenn er zu dem Schluss gekommen war, dass Jannik nichts mit ihm zu tun haben wollte, der Kuss vielleicht sogar nur dazu da war ihn zum Schweigen zu bringen, immer dann spürte er ein kaltes Stechen im Inneren, das noch grässlicher war als das in seiner Lunge. Er wollte nicht, dass Jannik nicht mehr mit ihm redete. Dass sie sich anschwiegen, so taten als sei der andere gar nicht da. Es tat weh. Doch gleichzeitig konnte er nichts gegen den Befehl tun, der ihm riet sich von Jannik fernzuhalten. Unentschlossen krallte er seine Finger in den Stoff der Bettdecke. Was sollte er tun? Was nur? Nach etlichen Minuten entschied er, sich einfach umzudrehen. Er war nicht imstande zu dem anderen hinüberzusehen, sei es auch nur für eine Sekunde oder weniger. Alles was ihm blieb war sich von ihm abzuwenden und zu versuchen zu schlafen. Alles zu vergessen. Oder zumindest so zu tun. Die nächsten zwei Tage verliefen nicht anders als der erste. Sascha mied es strikt mit Jannik allein zu sein, lief viel im Krankenhaus herum, woraufhin ihn die Krankenschwestern regelmäßig zurechtwiesen. Folglich wurde er immer wieder zurück auf sein Zimmer geschickt und dazu verdonnert sich auszuruhen. Für Sascha war dies gleichbedeutend mit einer Gefängnisstrafe, denn wie ein scheues Tier verkroch er sich sofort in sein Bett und gab vor zu schlafen oder Musik zu hören. Hauptsache er konnte nicht angesprochen werden. Musste sich nicht mit dem Problem auseinandersetzen. Doch die nagende Nervosität blieb. Immer wenn er auch nur kurz Janniks Gestalt mit den Augen streifte, dann sah er ihn schon. Den bohrenden Blick, der ihn mit seiner Intensität zu durchbrechen schien. Die Fragen dahinter. Und Saschas Schuldgefühle wuchsen. Er wollte sich eigentlich gar nicht so abschotten, wollte wieder mit Jannik über unwichtige Dinge reden und das genervte Gesicht sehen, das ihn immer so verdrossen hatte. Alles war ihm lieber als diese Stille, dieses leere Schweigen. Aber wie etwas daran ändern? All diese Wünsche standen in einem unüberwindlichen Gegensatz zu den restlichen Gefühlen, welche tief in seinem Herzen verwurzelt waren. Und so flüchtete er immer weiter. Wich Janniks Blicken aus, stürmte plötzlich aus dem Raum oder verweilte viel länger im Bad als nötig. Alles nur um sich zu schützen. Ja, um ein unsichtbares Schild in seinem Inneren zu errichten, das ihn davor bewahrte sich mit diesen Empfindungen und der überwältigenden Verwirrung auseinanderzusetzen. Doch all das zehrte an Sascha. Immer aufzupassen, immer in Angst davor zu leben mit Jannik allein zu sein. Es war eine schreckliche Zeit und er genoss die Zeiten im Bad, in denen er nie mit dem anderen zusammentraf. So wie gerade in diesem Moment, in dem er vor dem Spiegel stand, jedoch nicht hineinsah, sondern in einem Kosmetiktäschchen kramte, das ihm seine Mutter aufgeschwatzt hatte. Er hatte protestieren wollen, doch wie immer kannte sie in ihrer Fürsorge keine Gnade. Gerade als Sascha schon am Verzweifeln war, da er in all dem Kleinkram nicht einmal ansatzweise ein einziges gesuchtes Stück fand, hörte er plötzlich ein leises Klicken und dann eine Art Schleifen als die Tür zum Badezimmer geöffnet wurde. Sofort sah er hoch und ihm stockte regelrecht der Atem, als er geradewegs in das gewohnt ausdruckslose Gesicht Janniks blickte. Sascha war so geschockt, dass er erst Sekunden später bemerkte, dass er seinem Gemütszustand auch eindeutig Ausdruck verlieh. Schnell und schon wieder die Röte im Gesicht spürend drehte er sich nach links weg, ohne dabei jedoch auch noch einmal in den Spiegel zu sehen oder überhaupt in Janniks Richtung. Ich muss hier weg! Fast schon panisch wandte sich Sascha vom Waschbecken ab und wollte gerade auf die Tür zusteuern, die mittlerweile wieder frei war, als sich plötzlich etwas vor sein Blickfeld schob. Er brauchte einige Sekunden, um zu realisieren was es war. Ein Arm. Ein weißer, blasser Arm. Er war wie eine Art Sperre vor Saschas Augen und endete in einer schmalen, doch ausdrucksstarken Hand, deren lange Finger sich an der gefliesten Wand spreizten. Sascha zuckte erschrocken zusammen und wollte automatisch einen Schritt zurückgehen, doch auch hier stieß er an etwas, vermutlich den dazugehörigen, zweiten Arm. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als sich sofort mit dem Rücken an die Mauer zu pressen. So weit weg von seinem Hindernis wie möglich. Hilfe... Saschas Augen huschten hin und her, doch es war nicht zu vermeiden, dass er immer wieder nach vorne sah und so gab er es letztendlich doch auf sich dieser fast schon unheimlichen Anziehungskraft zu widersetzen. Sein Blick ruhte zögernd, fast schon schüchtern auf dem Gesicht Janniks, das ohne jegliche Mimik vor ihm aufragte und ihn einfach nur anstarrte. Automatisch konzentrierte sich Sascha auf die dunklen Edelsteine vor sich, was sofort wieder ein Bild aus der Nacht vor ein paar Tagen hervorrief. Es war wie eine Reise zurück, alles blitzte wieder vor seinen Augen auf. Doch eines war anders: Janniks Augen waren nicht mehr erschöpft, nein, sie strahlten eine extreme Aufmerksamkeit aus. Fast schon lauernd fixierte er den Jungen vor sich, was Saschas unangenehmes Bauchgefühl noch verstärkte. Was hatte er vor? Wollte er... Er will mich doch nicht wieder küssen, oder?! Bei diesem Gedanken klopfte sein Herz vor Aufregung, wenn nicht sogar Panik. Sein Fluchtinstinkt regte sich spürbar in ihm, doch genau wie Janniks Arme Sascha den Weg versperrten, so war das Gefühl seines Inneren wie ein lasches Aufbegehren, als wäre es mit Ketten gefesselt und könnte nicht weiter als an den Rand der Oberfläche dringen. Einige Sekunden verstrichen, in denen Sascha angestrengt versuchte Janniks Blick zu erwidern, doch immer wieder glitten seine Augen an dem starken, eisernen Blick ab. Er wollte so gerne weg, hielt diese bohrenden Saphire nicht aus, die sich wie Dolche in sein Gewissen gruben. Sein schlechtes Gewissen, das, obwohl Janniks Mimik keinen Funken Anklage enthielt, selbst wusste wie mies er sich verhalten hatte. Wie ungerecht und feige. Plötzlich, ganz unerwartet, durchbrach Jannik die Stille. „Willst du lieber das Zimmer wechseln?“ Es war wie ein Schlag ins Gesicht, als hätte jemand einen Eimer mit eiskaltem Wasser über Sascha gegossen. Und bevor er auch nur eine Sekunde darüber nachdachte, was er tat, da rief er schon entsetzt: „Nein!“ Es herrschte kurzzeitig wieder Schweigen. Sascha spürte das Blut wie kleine, züngelnde Flammen in sein Gesicht peitschen und blickte verlegen zu Boden, bevor er sich wieder dazu bringen konnte Jannik zumindest halbwegs ins Gesicht zu sehen. Was zum Teufel war das gewesen? Er hatte ein solches Ziehen, ein solches Entsetzen in seinem Inneren gespürt, als er diese unvorhergesehenen Worte vernommen hatte. Allein die Vorstellung, dass Jannik denken könnte, dass er, Sascha, nicht mehr mit ihm ein Zimmer teilen wollte war absurd! Vollkommen unberechtigt! Oder... doch? So wie ich mich benommen habe in der letzten Zeit... Da ist es doch eigentlich mehr als nachvollziehbar, dass er auf sowas kommt. Ich hab ja echt das Gefühl vermittelt vor ihm zu flüchten. Naja, um ehrlich zu sein, ich habs ja auch getan... „Also... ich... ähm...“, stammelte er hilfesuchend vor sich hin. Er musste ihm diese blitzschnelle Antwort erklären, auch wenn Jannik immer noch nicht die leiseste Gefühlsregung vermuten ließ. Ohne Überraschung, Verwunderung, Ärger oder irgendeiner anderen Empfindung sah er Sascha an und wartete einfach nur. „Nun, ich will... ich will das Zimmer nicht wechseln. Der Grund, warum du das vielleicht denkst ist einfach nur, dass... ja, also...“, murmelte der Junge zaghaft. Nur mit Mühe brachte er überhaupt etwas heraus. Er sah abwartend zu Jannik, erhoffte sich eine Aufforderung weiterzusprechen, um ein bisschen Sicherheit zu gewinnen. Doch nichts, rein gar kein Zucken eines Gesichtsmuskels. „DAS was da passiert ist... das ist so unheimlich verwirrend für mich...“ Endlich war es raus. Er hatte es angesprochen. Den Kuss, alles. Er rechnete fest damit, dass jetzt wieder eine Pause sein würde, Jannik wenigstens verlegen wäre oder nachdachte was er erwidern sollte. Doch es kam ganz anders. „Das?“, flüsterte Jannik stattdessen und bevor Sascha sich versah, war er ihm auch schon ein Stück näher gekommen. Eine Sekunde später spürte er sie. Janniks Lippen. Sanft und leicht lagen sie auf den seinen und wirkten wie ein Frühlingswind, der zart über Sascha hinwegstrich. Alle Sinne hatten sich auf seinen Mund konzentriert, die Umgebung schien langsam zu zerfließen und nichts schien mehr wichtig. Außer das, dieser Kuss. Wie eine Art lähmendes Gift breitete sich ein Gefühl von Saschas Lippen aus und befiel jede Zelle seines Körpers. Seine Gedanken überschlugen sich, wechselten zwischen vergangenen Bildern und den Wahrnehmungen aus der Gegenwart hin und her. Reine Verwirrung herrschte in ihm. Wieso? Wieso tat er das? Diese Unklarheit belastete, verunsicherte ihn so sehr und er konnte nicht anders. Instinktiv verzog er das Gesicht, ob des ungewohnten Gefühls, jetzt da er mehr Zeit hatte sich bewusst zu werden was geschah. Doch gleichzeitig fiel ihm auf, dass diese Reaktion nicht war, weil ihm dieser Kuss direkt missfiel. Er war nur abgeschreckt, wusste nicht wie er sich verhalten sollte. Doch nach ein, zwei Sekunden begann es ihm zu gefallen, er mochte die weiche Berührung auf seinem Mund. Genoss die Nähe des anderen, die Wärme und den unterschwelligen Geruch, der von Jannik ausging und den er nicht beschreiben konnte. Und genau das schürte seine Verwirrung. Ihm gefiel der Kuss. Er... wollte mehr. Da war er, dieser Gedanke, der ihn anstachelte und die Fluchtinstinkte immer mehr in den Hintergrund drängte. Mach weiter, komm schon! Und ohne dass er überhaupt noch eine weitere Sekunde nachdachte, begann er zaghaft seine Lippen zu bewegen. Er spürte dieses aufregende Gefühl in seiner Brust, das aufkeimte, wenn man etwas Neues, etwas Unbekanntes tat. Die Sanftheit von Janniks Lippen überraschte ihn, er wollte sie näher kennenlernen, wollte mehr von ihr spüren. Kaum, dass er den Druck auf seinem Mund auch nur ein kleines Stückchen erwidert hatte, da spürte Sascha schon wie Jannik seinerseits auf die Bewegung reagierte. Zärtlich strich er mit den Lippen über die des Jüngeren, umschloss hin und wieder Saschas Ober- oder Unterlippe mit den seinen und zog sie so in eine hingebungsvolle Umarmung. Dessen Herz klopfte wie wild und machte Sprünge und Hopser als wäre es nicht mehr ganz bei Sinnen. Nichts hätte ihn jetzt ablenken können, so eingenommen war er von Janniks Kuss. Dieses neue Gefühl war so berauschend, dass er am liebsten gar nicht mehr aufgehört hätte. Und doch blieb da diese Vorsicht, diese Zurückhaltung. Saschas Hände waren immer noch gegen die kalte Wand gepresst und seine Erwiderungen zaghaft und unbestimmt. War es richtig was er tat? Hätte er sich nicht darauf einlassen sollen? Doch diese Empfindungen, die mussten doch begründet sein. Es musste richtig sein, wenn es ihn in so eine Stimmung versetzte! ... Oder? Plötzlich entfernten sich Janniks Lippen und Sascha öffnete die zuvor geschlossenen Augen wieder. Er blickte mit roten Wangen zu dem anderen hinauf und sein gerade noch fast enttäuschter Gemütszustand wurde durch einen heftigen Satz seines Herzens überschattet. Dieser Blick! Diese dunklen, mysteriösen Augen, die ihn musterten ließen Sascha nicht mehr denken. Was war das nur alles? Wieso fühlte er sich so zu ihm hingezogen? Gerade eben noch wollte er nichts anderes als fliehen und jetzt? Jetzt wünschte er sich nichts sehnlicher als den anderen in seiner Nähe zu haben, diese wunderschönen Gefühle wieder zurückzurufen. Sascha dachte nach, versuchte es zumindest, doch allein Janniks Anblick ließ es nicht zu. Lenkte ihn einfach nur ab. Allerdings drängte sich ein einzelnes Wort seinem Unterbewusstsein auf, unklar und doch eindeutig. Es war wie in einem tiefen See der Verleugnung und Angst vor dem Unbekannten versunken und kam nur langsam an die Oberfläche. Doch plötzlich war es da, klar und deutlich. Liebe. Sascha stockte der Atem. Das konnte nicht wahr sein. Nicht jetzt, nicht so schnell. Nicht Jannik. Das ist unmöglich. Er ist ein Junge und... Sascha sah weiter in Janniks Gesicht, das ihm einfach nur entgegenblickte. Anscheinend wartete er eine Reaktion ab, geduldig wie er war. Ja, was denn eigentlich? Was spricht dagegen? Ob Junge oder Mädchen... das ist mir eigentlich egal, so konservativ bin ich nicht. Nur... es ist Jannik. Der, den ich nicht leiden konnte, der immer schlechte Laune hat und nicht reden will. Der so viele Dinge nicht mag, die ich liebe. Und jetzt? Jetzt soll ich für diesen Jannik so viel empfinden? Ihn lieben? Kann man das sagen? Nach nur einem Kuss? Saschas Gesichtsausdruck wurde noch unsicherer. Er wusste nicht, ob er das glauben sollte oder nicht. Doch welchen Unterschied hätte es gemacht? Ihm war in den letzten Minuten klar geworden, dass er es nicht schaffte Jannik noch länger aus dem Weg zu gehen. Sein Herz ließ es nicht zu... aus welchen Gründen auch immer. Also wieso sollte er diesem Wunsch nicht einfach nachgeben? Welche schlimmen Folgen konnte es schon für ihn haben? Es kostete Sascha einige Überwindungskraft, doch letztendlich rang er sich doch dazu durch und ein sehr zögerliches und vor allem schüchternes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Janniks Augen flammten kurz in einer Art schelmischer Freude auf, was ihm einen ungewohnt spielerischen Ausdruck gab. Sascha war sofort fasziniert von dieser neuen Seite, doch das Glitzern war gleich darauf wieder verschwunden. Stattdessen ließ Jannik seine Arme sinken und trat einen Schritt zurück. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, das in Sascha irgendwie einen Trommelwirbel seines Herzens hervorrief. Dieses Herausfordernde in Janniks Blick machte ihn ganz unruhig, aber auf eine positive Art und Weise. Der andere trat noch ein, zwei Schritte zurück ohne den fixierenden Blick von Sascha abzuwenden, doch schließlich drehte er sich um und verließ das Bad ohne ein weiteres Wort. Sascha sackte etwas in sich zusammen und seufzte leise. Irgendwie war er froh, dass Jannik weg war, immerhin musste er das alle erst einmal verarbeiten. Aber andererseits auch enttäuscht darüber, dass Jannik nicht mehr da war... ihn nicht mehr küsste. Was soll das nur werden? Ich weiß ja selbst nicht was ich will... Ich kann nichts anderes tun, als mich treiben, einfach von dieser gigantischen Welle mitreißen zu lassen und hoffen, dass ich nicht untergehe. Letztendlich riss sich Sascha doch noch aus seinen Gedanken und wartete ein paar Minuten, bevor er endlich auch das Badezimmer verließ. Das würde eine ziemlich chaotische Zeit werden, da war er sich sicher. Aber tief in seinem Inneren freute er sich auch darauf. Kapitel 5: right decison ------------------------ „Über was denkst du nach?“ Sascha zuckte bei dem dunklen Klang der rauen Stimme an seinem Ohr erschrocken zusammen. Sein Herz hatte unbewusst einen Satz gemacht und ein wohliges Kribbeln auf den Weg geschickt, dass jetzt durch seine Arme marschierte. „Ach... nichts, ist egal“, murmelte Sascha nur, denn zu mehr war er auch gerade nicht imstande. Mit einem zugekniffenen Auge versuchte er nicht in Ohnmacht zu fallen, während sich Jannik mehr als zärtlich an seinem Ohr zu schaffen machte. „Hm...“, schnurrte der Ältere nun und strich mit den Lippen noch einmal den Rand seiner Ohrmuschel entlang, bevor er sich etwas zurücklehnte und Sascha mit einem seiner neuen Katzenblicke fixierte. Bitte nicht... Diesem Blick kann ich einfach nicht widerstehen... Da hatte er recht. Die letzten Tage waren zwar unheimlich bizarr und teils auch fast schon unangenehm ungewohnt gewesen, doch mittlerweile hatte er sich an ihre neue Beziehung gewöhnt. Und damit meinte er nicht nur ihre allgemeine Bindung zueinander. Es war komisch Jannik jetzt so zu bezeichnen. Als seinen Freund. Seinen festen Freund. Dennoch, er hatte sich daran gewöhnt und mit jedem Quäntchen Sicherheit, das er gewonnen hatte, da nahm auch seine Zuneigung zu. Er wollte immer bei Jannik sein, stahl sich nachts sogar in sein Bett, nur um sich wie ein verschmuster Hund an ihn zu kuscheln. Jannik, von dem er eigentlich erwartet hatte, dass er ihn wieder mit einem seiner spöttischen Blicke konfrontieren würde, hatte allerdings stets den Arm um ihn gelegt, ihn mit einem liebevollen Blick bedacht und zu sich gezogen. Und jedes Mal war es da gewesen, das Kribbeln und Pochen seines Körpers. Genauso wie das warme Gefühl um sein Herz. Sascha schien es selbst unerklärlich, dass er so fühlte. Wie konnte man sich nur so schnell in einen Menschen verlieben? Ihm so vertrauen? Sich so nach ihm sehnen? So extrem und bedingungslos für ihn empfinden? Vielleicht gibt es ja doch so etwas wie Bestimmung... Da war er wieder, der Gedanke, der in seinem Kopf so oft aufgetaucht war, dass er nächtelang manchmal nur ihn durch sein Hirn gewälzt hatte. Doch spätestens nach drei Tagen, in denen er sich sämtliche Gehirnzellen über eine Erklärung zermartert hatte, gab Sascha es schließlich doch auf. Bestimmung oder nicht. Er wollte bei Jannik sein, er genoss die Zeit mit ihm und es schien ihm unmöglich, dass sie jemals wieder getrennt sein würden. Außerdem hatten seine saisonal sehr unpassenden Frühlingsgefühle ja nicht nur seelische Vorteile. Wie durch ein Wunder klang seine Lungenentzündung auch mit jedem Tag mehr ab seit er mit Jannik endgültig zusammen war. Auch wenn er sich langsam um sein Herz Sorgen machte. Dieses meldete sich nämlich gerade lautstark zurück. „Ich möchte aber wissen was in deinem süßen Kopf vor sich geht, Sascha“, hauchte Jannik plötzlich und beugte sich vor. Ein sanfter Kuss wehte über die Wange des Jüngeren und genau dieser hatte den Trommelwirbel in seinem Brustkorb verursacht. „S- Süß...?!“, brachte Sascha schockiert hervor. Sein Gesicht war puterrot geworden, wie schon so oft in letzter Zeit. Janniks liebevolle und doch neckende Art brachte ihn immer wieder aus der Fassung. Er war zu Anfang zwar total überrumpelt von dieser ganz neuen Verhaltensweise gewesen, doch mittlerweile gefiel sie ihm ziemlich gut. Auch wenn der Junge jetzt immer wieder mit einem Herzinfarkt zu kämpfen hatte. „Ja. Sehr süß sogar“, schmunzelte Jannik und wanderte mit seinen Lippen zu Saschas Mund. Hauchzart war der Kuss, den er ihm aufdrückte. Sascha seufzte wie befreit und legte fast automatisch die Arme um den Hals des anderen. Gleich darauf wurde er mit einem fast schon harschen Ruck zu Jannik gezogen, woraufhin er ein leises Grummeln von sich gab, das mit einem Grinsen in den Kuss beantwortet wurde. Sascha saß nun auf dem Schoß des Älteren, auch eine bekannte Geste der vergangenen Tagen. Und er musste sagen, dass er sich dort sehr wohl fühlte. „Was, wenn die Schwester kommt?“, murmelte der Kleine plötzlich. Sie hatten den Kuss gelöst und Sascha legte nun den Kopf an Janniks Brust, sodass der andere sogleich begann sanft seinen Kopf zu kraulen. „Nichts.“ „War ja klar...“, grummelte Sascha auf diese interesselose Antwort, doch er musste schmunzeln. So war das eben. Jannik war halt doch irgendwie noch der Gleiche. Und das war gut so. Nicht aufhören! Sascha streckte den Kopf vor, als Jannik seine Lippen von den seinen löste. Kaum dass sie sich nun wieder berührten ging der andere darauf ein, bewegte seinen Mund stürmisch auf dem des Jüngeren. Wie schon seit einer fast unendlich langen Zeit. Jannik und Sascha lagen beide auf Janniks Bett, eng aneinander gekuschelt. Es war tiefschwarze Nacht, Sascha hatte aber keine Ahnung welche Uhrzeit genau. Es war auch egal, das einzige was zählte waren die Küsse. Janniks Küsse. Schon seit Stunden schienen sie förmlich übereinander herzufallen. Ihre Lippen pressten sich aufeinander, mal wild und leidenschaftlich, dann wieder sanft und zärtlich. Ihre Zungen trugen heftige Kämpfe aus oder strichen liebevoll über die des anderen. Es war wie eine Art Tanz, leicht und doch intensiv. Sie waren aufeinander abgestimmt, füreinander gemacht. Und jetzt, da Jannik versuchte diese göttliche Symphonie zu beenden, da wuchs in Sascha eine unstillbare Sehnsucht heran. Er hatte nicht anders gekonnt, er hatte sich Jannik entgegen drücken müssen. Und erst jetzt, als er dessen weiche Lippen wieder auf den seinen spürte, da war die Sehnsucht gestillt. Nicht aber das Verlangen. Es war gewachsen, stetig größer und größer geworden. Er wollte mehr von Jannik, wollte alles von ihm spüren. Es war, als würde diese Haut, dieser Körper zwischen ihnen einfach nur stören und Sascha musste einen Weg finden, um dieses Hindernis zu überwinden. „Jannik...“, hauchte er instinktiv in ihren Kuss und als Antwort spürte er die warme Hand des anderen auf seiner Wange. Doch dort blieb sie nicht sehr lange, denn zielstrebig wanderte sie nach unten. Strich über den flauschigen Stoff von Sascha Pyjama bis sie den Saum gefunden und unter ihn geschlüpft war. Sofort breitete sich eine wohlige Gänsehaut auf Saschas Armen aus, als er die zarten Finger auf seinem Bauch fühlte. Er mochte dieses Gefühl, verlagerte seine Konzentration von ihren immer noch verschlungenen Zungen zu den Fingerkuppen, die jetzt vorsichtig weiter seinen Bauch hinauf glitten. Sascha konnte nicht anders, einem inneren Gefühl folgend biss er Jannik leicht in die Unterlippe. Dieser ging mit einem fast schon zufrieden wirkenden Schmunzeln auf das Spiel ein und nahm Saschas Oberlippe sanft zwischen seine Lippen, nur um gleich darauf ihren leidenschaftlichen Kuss fortzusetzen. Sascha fühlte die unsägliche Hitze, die in ihm aufstieg und sich wie Janniks Hand langsam weiter nach oben schob. Er hatte das Gefühl zu verbrennen, diese Hitze nicht ertragen zu können. Doch gleichzeitig genoss er sie, wollte sie. Sein Verlangen nahm kein Ende, er wollte mehr, sehnte sich nach mehr Berührungen. Nach mehr Jannik. Plötzlich entfuhr ihm ein leises Keuchen, als er dessen Finger an seiner Brustwarze spürte. Sanft strichen sie darüber und brachten Sascha dazu den Kopf leicht nach hinten zu legen. Doch er wollte Janniks Kuss nicht verlieren, weshalb er schnell eine Hand in dessen Nacken legte und ihn mit sich zog. Kurz darauf zog Jannik seine Hand wieder unter dem Hemd hervor, allerdings nur um sich an den Knöpfen dafür zu schaffen zu machen. Sascha schluckte, doch er ließ ihn gewähren. Auch er spürte den Drang weiterzugehen, wollte mehr. Doch irgendetwas in ihm sprach dagegen. Ein kleines, schamvolles Etwas, das bei diesen Gedanken einen knallroten Kopf bekam. So sehr Sascha auch versuchte es in eine der hintersten, abgelegensten Ecken seines Gehirns zu verbannen, es sträubte sich mit Händen und Füßen und blieb hartnäckig präsent. Während all dieser inneren Zweikämpfe hatte Jannik Saschas Hemd geöffnet und legte nun seine Hand auf dessen Brust, sodass dieser leicht fröstelte. Trotz der Wärme die der andere ausstrahlte, trotz der immensen Hitze, die er in sich selbst spürte. Es war so ein angenehmes Gefühl, dass Sascha leicht seufzen musste, um seinem körperlichen Aufruhr Ausdruck zu verleihen. Jannik schien diese Reaktion zu gefallen, denn schon wieder huschte ein Schmunzeln über seine küssenden Lippen. Seine Hand wanderte weiter, erforschte die zarte Haut von Sascha Oberkörper. Strich zärtlich seine Seite entlang oder verwöhnte wieder Saschas Brustwarzen, was den anderen auf eine absonderliche und doch schöne Weise vollkommen verrückt machte. Plötzlich löste Jannik den Kuss, woraufhin Sascha die geschlossenen Augen halbwegs öffnete. Die tiefblauen Saphire blickten ihm kurz intensiv entgegen und schienen ihn wie schon so oft in ihren Bann zu ziehen. Doch nur eine Sekunde später wanderten sie nach unten und bedachten Saschas Lippen mit einem so verzehrenden und hungrigen Ausdruck, dass es diesem kalt den Rücken hinunter lief. Doch es war ein gutes, ein positives Gefühl. In diesem Blick von Jannik lag etwas Gefährliches, etwas Lauerndes. Zwar war dieses Etwas schon öfter in den Tiefen seiner Augen aufgetaucht, aber dieses Mal war es anders. Stärker. Überwältigender. Jannik wartete einige Sekunden, die für Sascha wie eine Qual waren, aber gleichzeitig schürten sie das Feuer, die Spannung. Umso schlimmer war es, als der Ältere nur ganz kurz seinen rechten Mundwinkel küsste und dann sofort ein Stückchen seines Halses mit den Lippen bedeckte. Sascha, zuvor noch etwas enttäuscht, musste leicht keuchen, als er die feuchte Zungenspitze auf seiner Haut spürte. Langsam kreiste sie auf dem Fleck umher, verschwand dann wieder und wurde von den zärtlichen Küssen abgelöst, die sich nun ihren Weg Saschas Hals hinunter bahnten. Es war als würden unzählige kleine Nadeln in seine Haut stechen, doch obwohl es ein so bizarres Gefühl war, Sascha mochte es. Es gefiel ihm, er wollte mehr davon. Und deswegen hob er langsam die schon zittrigen Hände, berührte Janniks Arm, dessen Hand immer noch mit der Erforschung des anderen Oberkörpers beschäftigt war. Mehr! Sascha tastete sich langsam und unsicher hinauf, spürte die zierliche und doch männliche Schulter unter seiner Hand und letztendlich das weiche Gesicht. Doch er wollte weiter. Endlich fühlte er die zarten Haarsträhnen zwischen seinen Fingern, die er gleich in ihnen vergrub. Es war ein Gefühl, als würde er seine Hand in einen sanft dahin rieselnden Bach gleiten lassen. „J-Jannik...“, brachte er hervor, als dieser leicht in seinen Hals biss. Es war so unerwartet, dass der Kleinere fast unmerklich zusammenzuckte, doch fast automatisch drückte er sich dem anderen noch ein Stückchen entgegen. Er spürte seine Hüfte an der des anderen und augenblicklich durchfloss ihn ein eindeutiges Kribbeln, das ihm gleichzeitig einen kleinen, unwillkürlichen Schock verpasste. Was...?! Das unbekannte Etwas, das nur so vor Scham strotzte, drängte sich gnadenlos in den Vordergrund, trieb Sascha eine zarte Röte ins Gesicht und verursachte, dass sich die Hitze in seinem Körper in eine unangenehme verwandelte. Sascha war froh, dass Jannik sich gerade daran machte, sein Hemd über seine Schulter zu streifen, sodass er langsam mit seinem Lippen weiter hinab gleiten konnte, denn so konnte er dessen plötzliche Zurückhaltung nicht bemerken. Was war das? Bis eben hatte er doch noch gar keine Scham gezeigt und er wusste, konnte definitiv sagen, dass es ihm gefiel. Er wollte mehr, wollte dass Jannik weitermachte. Und doch... irgendwo in seinem Inneren, versteckt unter unzähligen Wünschen und Trieben, war da eine Angst, die ihn zweifeln ließ. Wollte er soweit gehen? Wollte er das machen nach so kurzer Zeit? Jannik hatte zwar noch nicht gesagt, dass er mit ihm schlafen wollte, aber die Dinge, die sie jetzt gerade taten, würden unweigerlich darauf hinauslaufen. Und Sascha wusste, dass er daran nicht unschuldig war. Immerhin war er es gewesen, der zu Jannik unter die Bettdecke geschlüpft war. Er war es diesmal gewesen, der die Hand an seine Wange gelegt und ihn sanft geküsst hatte. Er war es gewesen, der ihn frech aufgefordert hatte seinen Mund zu öffnen, nur damit er seine Zunge in ihn eintauchen lassen konnte. Er war es gewesen, der den Kuss nicht hatte enden lassen wollen. Der sich an ihn gedrängt hatte, ob nun dazu den Kuss weiterzuführen oder aus Wohlgefallen über die Berührungen und Liebkosungen. Wohlgefallen... Sascha schloss die Augen, gab ein leises Stöhnen von sich, da Jannik nun seine Brustwarzen erreicht hatte und sie mit seinen zarten Lippen vorsichtig verwöhnte. Wohlgefallen. Es gefiel ihm. Er tat alles aus freien Stücken, fühlte sich gut dabei. Wieso also dachte er darüber nach, ob es richtig war? War das nicht vollkommen egal, ob es ihm peinlich wäre? Wieso eigentlich? Mittlerweile hatte Jannik von Saschas Brustwarzen abgelassen und küsste immer weiter seinen Oberkörper hinunter. Seine Küsse waren wie reines Feuer auf der Haut des Jüngeren, seine Zunge wie Wasser, das versuchte die Flammen zu löschen und doch nur alles schlimmer machte. Auf eine atemberaubend gute Art schlimmer. Sascha, zwischen Keuchen und schwerem Atmen, war immer noch gefangen in seinen Gedanken. Vertraue ich Jannik so wenig? Vor was fürchte ich mich eigentlich? Dass Jannik mich auslachen könnte, dass ich etwas falsch mache? Das ist... lächerlich. Ja, einfach nur lächerlich. So ist er nicht. Wenn ich ihm nicht gefallen würde, dann hätte er das alles gar nicht so weit kommen lassen. Er war sich sicher, endgültig. Er tat das Richtige und vor allem wollte er es auch. Je weiter Jannik vordrang, desto besser fühlte sich Sascha. Er genoss die Hitze, genoss das Prickeln. Noch nie hatte er aufregendere Gefühle erlebt als die, die ihm Jannik nun bereitete. Es war gut, das wusste er jetzt. Ein lautes Stöhnen entfuhr Saschas Mund. Der andere hatte seine Pyjamahose ein kleine Stück nach unten geschoben und auch wenn er immer noch nur seinen Bauch küsste, so war er schon bedenklich weit nach unter gekommen. Und Sascha bemerkte jetzt wie verdammt empfindlich er dort war. „Jannik... das...“, hauchte er mit zittriger Stimme. Seine Hände hatten Janniks Haare verlassen und bedeckten nun sein Gesicht. Eine Geste, die er instinktiv ausgeführt hatte aufgrund der Übermacht der Empfindungen. Doch Jannik, der die Bewegung anscheinend wahrgenommen hatte, hob den Kopf und sah ihn von unten herauf an. Sascha blickte durch die Lücken zwischen seinen Fingern, die wie Gefängnisstäbe vor ihm aufragten. Der Anblick von Jannik erinnerte ihn an ein Raubtier. Elegant, lauernd, gefährlich... und vor allem verführerisch. Der Junge ließ alle Luft seinen Lungen entweichen, so hingerissen war er von den blauen Augen, die ihn aufmerksam musterten. Doch erst ein paar Sekunden später fiel ihm der leise Zweifel, die Beunruhigung und Sorge darin auf. Sie war zu Anfang nicht da gewesen, als er hochgesehen und noch nicht gewusst hatte, was los war. Aber jetzt, da Jannik Saschas Anblick sah, da schien er das Ganze falsch zu interpretieren. Rasch rutschte er wieder nach oben, damit er mit Sascha auf Augenhöhe war. Die Sorge verstärkte sich, als er eine Hand vorsichtig auf die von Sascha legte und dessen Gesicht zärtlich von den einkerkernden Fingern befreite. „Hab ich etwas gemacht, dass du nicht wolltest?“, flüsterte Jannik auf einmal und sah den anderen abwartend an. Seine Miene war ausdruckslos, doch Sascha bemerkte sie trotzdem. Die kleine Sorgenfalte, die sich zwischen den schön geschwungenen Augenbrauen gebildet hatte. Beim Klang der tiefen Stimme musste Sascha kurz die Augen schließen. In seiner Verfassung erschien ihm alles was Jannik tat einfach göttlich, das Schönste auf Erden. „Nein“, antwortete er schließlich und öffnete die Augen wieder. Ein schüchternes Lächeln traute sich auf seine Lippen. „Es ist... Ich... ich hab das gemacht, weil...“ Es war schwer für ihn zu sagen, was er wollte. Es war eine Sache Dinge körperlich auszudrücken, doch viel schwieriger sie in Wort zu fassen. Jannik wartete, tat was er immer tat. Nie unterbrach er Sascha oder drängte ihn. Wenn es sein musste, würde er Stunden auf seine Antwort warten. „... weil es mir gefallen hat.“ Nun war es doch endlich ausgesprochen. Saschas Herz pumpte wie verrückt und er konnte den anderen Jungen gar nicht ansehen bis dieser plötzlich sein Kinn in die Hand nahm und ihn liebevoll küsste. „Dann willst du nicht aufhören?“, hörte er die so geliebte Stimme ganz nah vor sich. Jannik hatte den Mund genau auf Saschas Nasenrücken platziert, sodass dieser den warmen Atem auf seiner Haut spürte, was ihm ein erneutes Kribbeln verschaffte. „Nein, mach... mach weiter“, bat er mit einem roten Schleier im ganzen Gesicht. Jannik lachte sein tiefes Lachen, das Sascha immer an einen Stein erinnerte, der einen Berghang herunterrollte. Es war eine angenehme Vorstellung, genau wie Janniks Lachen. Und genau wie der erneute Hauch, der über Saschas Gesicht streifte und ihm eine extreme Gänsehaut verpasste. „Gut. Aber... sag Bescheid, wenn du aufhören willst.“ Sascha sah Jannik eindringlich an, als er diese Worte vernommen hatte. Jetzt war es da. Der Moment der Entscheidung und hingegen aller Erwartungen wusste Sascha auf einmal definitiv was er antworten musste. „Ich will nicht aufhören.“ Er hatte mit fester Stimme gesprochen, auch wenn immer noch ein Rest Scham vorhanden war. Aber es war ihm leicht gefallen diese Antwort zu geben und er war sich sicher, dass sie die richtige war. Jannik sah ihn überrascht an, ein seltener Moment, der auch nur ein paar Augenblicke dauerte. Denn er hatte sich schnell wieder gefasst und ein schiefes Grinsen zierte nun sein hübsches Gesicht. Er hatte natürlich begriffen worauf Sascha hinauswollte und fand es anscheinend notwendig ihm zu zeigen, dass er keine Angst zu haben brauchte, denn schon hatte er dem Kleinen einen liebevollen Kuss aufgedrückt. Sascha seufzte wieder wie befreit. Seine Arme schlangen sich um Janniks Hals und er öffnete bereitwillig seinen Mund, als er die Zunge an seinen Lippen spürte. Der Kuss wurde schnell leidenschaftlicher und Sascha krallte sich verlangend in Janniks Haare. Bald darauf löste sich dieser von ihm, liebkoste wieder Saschas Hals und entlockte ihm somit weitere zufriedene Seufzer. Sascha ließ seine Hand etwas nach unten gleiten und kraulte Janniks Hals, woraufhin dieser seinerseits ein sanftes Schnurren von sich gab. Es war ein himmlischer Ton, der Sascha so verzauberte, dass sich die feinen Härchen auf seiner Haut allesamt aufstellten. Die Hand des anderen wanderte währenddessen wieder nach unten. Sascha schauderte schon, als sie auf seiner Hüfte liegen blieb. Doch als sie sich dann langsam unter den Saum seiner Hose schob und Stellen berührte, die Sascha bis vor Kurzem noch gar nicht für möglich gehalten hätte, dass sie berühren würde, da entfuhr ihm erneut ein überraschtes Keuchen. Er krümmte sich etwas, allerdings war er darauf bedacht nicht nach hinten zu rutschen, sodass Jannik vielleicht wieder das Gefühl haben könnte, dass es ihm nicht gefiel. Denn das war definitiv nicht der Fall. Saschas Atem wurde noch unregelmäßiger als er ohnehin schon war, als Jannik begann seine Hand zu bewegen. Es war ein unglaubliches Gefühl, noch nie zuvor hatte er so empfunden. Und er wollte mehr, mehr davon! Ohne es wirklich zu bemerken drückte er Janniks Kopf etwas zu sich. Dieser schien seine unbewusste Geste zu verstehen, denn plötzlich umfasste er Saschas Erregung und streifte langsam mit seiner Hand auf und ab. Währenddessen wandte er seinen Kopf wieder Saschas Gesicht zu und küsste ihn innig. Dieser konnte sich aber gar nicht mehr auf die Lippen des anderen konzentrieren, alle Gedanken und Sinne waren auf den unteren Bereich seines Körpers gerichtet. Immer wieder unterbrach heftiges Stöhnen seitens Sascha ihre Küsse und schon bald zog Jannik seine Hand wieder zurück, da er bemerkte wie erregt der andere schon war. Ihre Lippen waren immer noch verbunden und seine Stimme klang merkwürdig heiser, als Jannik mehr nuschelnd als sprechend seine Frage stellte. „Bist du bereit?“ Saschas Herz machte einen Satz, doch sein Gehirn war schon lange mehr oder weniger ausgeschaltet. Es existierte nur noch das Bedürfnis. Und das musste gestillt werden. Somit nickte er, verwickelte Jannik aber sofort wieder in einen wilden Kuss. Man merkte, dass dieser ihn genoss und nur ungern löste. Doch letztendlich tat er genau dies, um sich über Sascha zu beugen und an die Schublade seines Nachtschrankes zu kommen. Der Kleinere blickte auf den Körper vor sich, der sein komplettes Sichtfeld bedeckte. Allein die Vorstellung wie muskulös es unter dem schwarzen Seidenpyjama aussehen musste ließ eine neue Hitzewallung in ihm entstehen. Jannik kramte kurz in der Schublade herum, bevor er sich wieder zurücklehnte und Sascha mit einem leichten Grinsen bedachte, als dieser das Kondom in seiner Hand überrumpelt musterte. „Woher...?!“,begann er, die ganzen anderen Gedanken schienen auf einmal wie weggeblasen. „Wer weiß“, antwortete Jannik geheimnisvoll und seine dunkle, verführerisch anmutende Stimme brachte Sascha schnell wieder zurück in die bis vor kurzem noch stattfindende und jetzt wieder präsente Realität zurück. Der Ältere legte die Hand samt Kondom auf Saschas Hüfte und drückte ihm einen seiner wundervollen Küsse auf den Mund, der sich schnell wieder in eines ihrer leidenschaftlichen Gefechte verwandelte. Währenddessen zog er den Jungen wieder zu sich und rutschte noch weiter an die Wand, damit er ihn sanft auf den Rücken drücken konnte ohne dass er Gefahr lief aus dem Bett zu fallen. Ihr Kuss löste sich nicht, die Zungen blieben sich treu. Selbst dann als sich Jannik halb erhob, um sich zwischen Saschas Beine zu setzten, die er zuvor sanft auseinandergedrückt hatte. Dabei war diesem wieder etwas mulmig zumute gewesen, als ihn das Prickeln und Kribbel in seiner unteren Gegend halb um den Verstand brachte. Doch in ihm wuchs mit jeder neuen Berührung eine gewisse Erwartung, die ihn neugierig machte. Eine Spannung, ein Gelüst, das er befriedigen wollte. Jannik legte nun beide Hände an den Saum von Saschas Pyjamahose und streifte sie ihm langsam ab. Für den anderen Jungen war es ein beklemmendes Gefühl so gut wie nackt zu sein, doch er musste sich schnell daran gewöhnen, weil ihn Jannik Sekunden darauf auch noch seines Hemdes vollständig entledigte. So sehr Sascha auch in gewisser Weise überfordert mit der Situation war, da war auf einmal ein Forscherdrang in ihm erwacht, als sein Blick wieder auf den seidenen Stoff fiel, der Janniks Haut bedeckte. Er wollte diesen Oberkörper sehen, wollte ihn berühren und genauso mit Küssen übersähen wie Jannik es zuvor bei ihm getan hatte. Schneller als er denken konnte, hatte Sascha schon die Hände gehoben, sich ein kleines Stückchen aufgerichtet und machte sich nun seinerseits daran die Knöpfe an dem Hemd seines Gegenübers zu öffnen. Jannik, zu dem er kurz hochsah, bedachte ihn mit einem abwartenden, aber eindeutig wohlwollenden Blick. Sein Mund war leicht geöffnet, was ihm einen erwartenden, verlangenden Ausdruck gab. Mit leicht abwesenden Augen schaffte er es doch das Gefühl zu vermitteln, dass er aufmerksam jede Bewegung des Kleineren genauestens verfolgte. Endlich hatte Sascha Janniks Hemd geöffnet und jetzt betrachtete er jeden Zentimeter seines blassen Oberkörpers ganz genau. Das Mondlicht gab seiner Haut einen noch helleren Ton als sonst, alles wirkte wie Marmor und als Sascha zaghaft die ansprechenden und doch sehr dezenten Bauchmuskeln berührte, erwartete er schon fast auf Kälte zu treffen. Doch sie war da, die gewohnte Wärme. Wie ein fasziniertes Kind strich Sascha mit den Fingerspitzen über den ganzen Oberkörper, schenkte jedem Fleck ein wenig Aufmerksamkeit bis er sich letztendlich vorbeugte und mit geschlossenen Augen endlich seine Lippen auf die so herbeigesehnte Stelle legen konnte. Sanft und fast ehrfürchtig bedachte er den Jungen vor sich mit Küssen, streichelte seine Haut mit den Lippen und konnte nicht umhin in wohligen Seufzern immer wieder seinen heißen Atem darauf entweichen zu lassen. Für ihn war dieser Körper perfekt. Er wollte mehr, wollte ihn spüren. Sascha sah hoch. Jannik hatte den Kopf leicht schief gelegt, was Saschas Verlangen nur noch mehr steigerte. Es schien ihm unerklärlich wie ein Mensch so verführerisch sein, so gut aussehen konnte. Er wäre wohl in einer Welle von Glück ertrunken, wenn nicht seine Triebe ihn zurückhielten. Er biss sich kurz auf die Unterlippe, dann legte Sascha die Hände fast schon vorsichtig an den Saum von Janniks bereits enger gewordenen Hose. Als er begann die Hose hinunterzuziehen, erhob sich der andere bereitwillig aus seiner knieenden Position. Nachdem Sascha mit einer leichten Röte im Gesicht den Anblick bewundert hatte, der sich ihm bot, sah er wieder zu dem anderen hoch. Dieser schmunzelte leicht, was Sascha das Ganze noch peinlicher machte. Doch er hatte ohnehin keine Zeit darüber nachzudenken, da er plötzlich zwei Hände auf seinen Schultern spürte, die ihn sanft nach hinten drückten. Bereitwillig ließ er sich zurückfallen und sah Jannik mit vor Aufregung schwerem Atem zu, wie er die Kondompackung öffnete und es sich überstreifte. „Entspann dich, Sascha“, hauchte der Ältere ihm ins Ohr, als er sich wieder nach vorne beugte, ganz nah zu ihm. Der Kleine spürte wie zwei Hände seine Beine hochhoben und auf Janniks Schultern platzierten. Ein kleiner Schimmer von Angst flog über Saschas Herz, doch er verdrängte ihn schnell und schlang die Arme hilfesuchend um Janniks Nacken. Er versucht sich zu entspannen, aber es wollte nicht richtig klappen. Erst als Jannik erneut flüsterte, dass er keine Angst haben brauchte, da flaute die Furcht etwas ab und er verkrampfte sich nicht mehr so arg wie zuvor. Allerdings war es doch schlimm, was Sascha mit einem leisen, zum Glück verhaltenen Schrei auch verdeutlichte, als Jannik in ihn eindrang. Es schmerzte schrecklich und mehr aus Versehen hatten sich Saschas Fingernägel auch ziemlich tief in Janniks Rücken gegraben. Doch dieser zeigte keinerlei Reaktion deswegen, stattdessen schaute er dem Jüngeren tief in die Augen und murmelte beruhigende Worte, während er ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Aber erst als er ihn küsste, die weichen Lippen seine trafen und zärtlich über sie streichelten, da verlor sich Sascha wieder in ihrer Welt, vergas den Schmerz. Er war deswegen auch nicht mehr ängstlich, als sich Jannik langsam zu bewegen begann. Zu Anfang hatte er allerdings dann immer noch die Schmerzen gespürt, aber schon nach kurzer Zeit wurde es besser bis es sich endlich richtig anfühlte. Dieses Gefühl übertraf all seine Erwartungen, war überwältigender als er für möglich gehalten hatte. Ihre Stimmen vermischten sich zu einer Symphonie aus Stöhnen und Keuchen, der ganze Akt ein Konzert nur für sie beide. Immer wieder schob Sascha sein Becken Jannik entgegen, verlangte nach mehr, wollte ihn spüren ohne irgendeine Barriere zwischen ihnen. Es war wie in einem Rausch, keine Gedanken, nur Aktionen. Sie ließen sich beide nur von ihren Instinkten, ihren Impulsen lenken und es war gut so. „J-Jannik...!“, hauchte Sascha plötzlich, als er spürte, dass er es nicht mehr lange zurückhalten konnte. Der andere sah ihm mit seinen verzehrenden Augen in die seinen, küsste ihn stürmisch, doch kein Wort verließ seine Lippen. Stattdessen spürte Sascha seine Hände auf beiden Seiten seines Pos, die ihn ein letztes Mal zu sich zogen, bevor beide keuchend und aneinander gepresst kamen. Janniks Brustkorb hob und senkte sich rasch, als er sich etwas nach hinten lehnte, um Sascha ins schweißnasse Gesicht zu sehen. Ein liebevolles Lächeln erschien auf seinen Lippen und er wollte gerade eine Hand heben, um dem anderen eine der Strähnen aus der Stirn zu streichen, als er plötzlich schmerzverzerrt das Gesicht verzog. Mit einem Ächzen ließ er sich zur Seite fallen und lag nun mit zusammengekniffenen Augen auf dem Rücken, wobei sein Atem immer noch unregelmäßig und schwergängig war. „Jannik?“, brachte Sascha etwas ängstlich hervor und setzte sich schnell auf. Auch er war erschöpft, zitterte sogar etwas. „Was ist los mit dir?“ Der andere öffnete die Augen gerade soweit, dass er ihn ansehen konnte. Seine nicht geschlossenen Lippen formten sich unvermittelt zu einem dieser kaum bemerkbaren Lächeln, die er zu Anfang immer gezeigt hatte. „Bauchschmerzen“, kam es dann fast unhörbar aus seinem Mund. „Was? Wieso? Ich-“, begann Sascha und riss die Augen schon wieder panisch auf. An Janniks gefährliche Magenentzündung hatte er gar nicht gedacht. Doch der Ältere unterbrach ihn sofort wieder, das Lächeln breitete sich nun endgültig über sein nasses Gesicht aus. „Vergiss es, Kleiner.“ „Aber-“ „Wenn du jetzt wieder losrennst und einen Arzt holst, könnte das ziemlich peinlich werden“, stellte Jannik nüchtern fest und hob ganz leicht die Augenbrauen. „Außerdem geht das gleich wieder vorbei. Ich habe mich nur...“ Er stützte sich auf die Ellenbogen und legte die eine Hand an Saschas Wange, um ihm einen beruhigenden Kuss zu geben und ihn danach mit einem amüsierten, schiefen Grinsen anzusehen. „ ... etwas überanstrengt.“ Sascha wurde sofort knallrot, als er das hörte. „Du bist blöd...“, nuschelte er, als er das Gesicht an der Brust seines Gegenübers vergraben hatte und dieser ihm mit einem seiner sanften Lachen durch die Haare wuschelte. „Komm her zu mir, Kleiner.“ In einer liebevollen Geste zog er Sascha wieder zu sich und dieser kuschelte sich auch gleich bereitwillig an ihn, während Jannik die Bettdecke über sie legte. Einige Minuten verstrichen, in denen sie einfach nur die Nähe des anderen genossen. Doch plötzlich durchbrach Saschas Flüstern die Stille. „Es war sehr schön. Danke.“ „Danke?“ Jannik lachte. „Für so etwas bedankt man sich nicht.“ „Ich schon!“, murrte Sascha, der sich schon wieder fühlte, als wäre er in ein Fettnäpfchen getreten. „Ach, Süßer. Ich bin doch froh, dass es dir gefallen hat“, erwiderte Jannik plötzlich mit zärtlicher Stimme und küsste Saschas Haar. Dieser kuschelte sich noch mehr an den Jungen neben sich. Ja, er hatte eine Entscheidung getroffen. Er hatte sich für Jannik entschieden. Für alles was mit ihm zu tun hatte. Und es war die richtige Entscheidung gewesen. Kapitel 6: disconnected ways ---------------------------- „Was soll denn das?“ Sascha bedachte Jannik mit einem entrüsteten Blick, als er mit einem unsanften Ruck ins Badezimmer gezogen wurde. Doch dieser scherte sich nicht um die verzweifelten Versuche des Kleineren ihm ein schlechtes Gewissen zu verursachen. Stattdessen ging er rückwärts zur Tür und schloss sie seelenruhig mit einem äußerst beunruhigenden Grinsen im Gesicht. Einem eindeutigen Grinsen. „Oh nein“, meinte Sascha bestimmt und trat kopfschüttelnd einen Schritt zurück, während Jannik auf ihn zuschritt und vielsagend auf seine Unterlippe biss. „Nicht schon wieder.“ „Ach, komm schon, Kleiner“, bat der andere in schon fast flehendem Tonfall. Wieder musste Sascha daran denken, dass er sich in letzter Zeit wirklich unheimlich verändert hatte. Nein, halt. Das stimmt nicht. Er hat sich nur mir gegenüber verändert. Da ist er offen, lustig und, wie man sieht, ziemlich extrovertiert. Aber dem Krankenpersonal und allen anderen gegenüber ist er immer noch so abweisend wie vorher. Sascha konnte nicht umhin sich irgendwie stolz zu fühlen. Er durfte diese Seite von Jannik kennenlernen. Wobei sie ihn gerade wieder vor eine schwere Entscheidung stellte. „Ich hab gesagt nein. Es ist gerade mal... achtzehn Stunden her seit... du weißt schon!“ Sascha errötete leicht. Er hatte immer noch Probleme über diesen Teil ihrer Beziehung zu reden. „Ah, du zählt die Stunden seit wir es das letzte Mal getrieben haben? Ich glaube, eine gewisse Sehnsucht in diesem Tun zu erkennen“, zog ihn Jannik auf. Er war nun bei ihm angekommen und begann mit merklicher Wonne an seinem Ohr zu knabbern. Sascha lief nun knallrot an. Getrieben! Jannik hatte offenkundig keinerlei Hemmungen dieses Thema anzusprechen und je mehr er selbst sich dafür schämte, desto rüder wurde die Ausdrucksweise des anderen. Er tat das mit purer Absicht. „Nein, das hast du ganz falsch... Uh.“ Sascha zuckte zusammen, als Jannik mit der Zunge seine Ohrmuschel entlangfuhr. Ein angenehmes Prickeln zischte durch seinen Körper. „Ja?“, schnurrte Jannik selbstzufrieden und zog die Frage hörbar amüsiert in die Länge. „Hör... hör auf damit...!“, murmelte Sascha, der geradezu erbärmliche Versuche unternahm sich gegen die verführerischen Liebkosungen zu wehren. Doch der Schwarzhaarige dachte gar nicht daran. Stattdessen wandte er sich jetzt Saschas Hals zu. Dieser konnte einfach nicht mehr anders und gab ein wohliges Seufzen von sich. Wie soll ich ihn denn bitte davon abhalten, wenn ich mich selbst nicht davon abhalten kann? Aber achtzehn Stunden... das ist wirklich schon so lange her... Und schon war es um Saschas Selbstkontrolle geschehen. Er legte die Hände an Janniks Kopf und grub die Hände in seine weichen Haare, wie er es die vergangenen Tage schon so oft getan hatte. Es war ein unstillbares Verlangen, dass ihn jedes Mal ergriff, wenn Jannik ihn auf diese Weise verwöhnte. Und dieses Verlangen lebten sie beide aus, genossen es in vollen Zügen. Jannik setzte sein Spiel fort, küsste Saschas Hals, sein Schlüsselbein. Währenddessen streiften seine Hände suchend unter sein Hemd, beglückten Saschas Haut mit Streicheleinheiten und fanden schließlich ihren Weg nach oben, wo sie ihre Arbeit fortsetzten. Saschas Atem beschleunigte sich daraufhin und er kniff die Augen zusammen, um die ständigen kribbelnden Stöße, die durch ihn hindurch jagten, zu ertragen. Sie machten weiter, schürten ihr Verlangen nacheinander bis es zu einem gewaltigen Feuer herangewachsen war, dass sich mit einer verzehrenden Blindheit durch jede einzelne Zelle ihrer Körper zu fressen schien. Mit jedem Kuss, mit jeder Berührung wurde es stärker und nichts schien Linderung zu versprechen. Sascha spürte Janniks Hände an seine Hüfte. Ein letzter Blick in die hungrigen Augen des Größeren und schon wurde er mit einer bestimmten Bewegung umgedreht, sodass er mit dem Rücken zu dem anderen stand. Ein erwartungsvolles Seufzen drang aus Saschas Kehle, keine Sekunde darauf spürte er den Stoff seiner Hose an ihm hinab gleiten. Es verstrich einige Zeit, in der das Geräusch einer Verpackung ertönte, die aufgerissen wurde. Ihm entfuhr ein lautes Keuchen, als Jannik in ihn eindrang. Es war immer noch komisch für ihn, doch schnell lenkte ihn die Zungenspitze des anderen ab, die seinen Nacken sanft entlang strich, während Jannik sich vorsichtig zu bewegen begann. Schon bald waren alle Bedenken vergessen und sie beide verloren sich in ihrem Liebesakt. Lautes Stöhnen und Keuchen erfüllte den Raum, keiner der beiden Jungen machte Anstalten es zu vermeiden seinen Gefühlen mit der Stimme Ausdruck zu verleihen. Und genau aus diesem Grund hörten sie das leise Klopfen nicht, das verschüchtert versuchte ihr Liebesspiel zu stören. Doch es dauerte nicht lange, da wurde es durch ein aufdringliches, energisches Hämmern unterbrochen. Jannik und Sascha hielten erschrocken inne. Mit schweißnassem Gesicht und nunmehr verklungenen Stimmen starrten sie beide zur Badezimmertür. Saschas Herz hämmerte mindestens so laut wie die Faust gegen die Tür. „Aufmachen, aber sofort!“, befahl eine herrische Stimme, die alles andere als wohlwollend klang. Sie gehörte einer Frau, wahrscheinlich einer Ärztin. Jannik sah Sascha an, seine Züge wirkten beunruhigt, aber nicht mehr entsetzt. Sascha ärgerte sich unterbewusst darüber, dass er die Situation schon wieder so gelassen sah, doch dieses unwichtige Gefühl wurde von stärkeren Empfindungen überlagert. Angst. Schock. Scham. Sein Gesicht war wieder knallrot angelaufen, doch schlimmer waren die gelähmten Muskeln in seinem Körper. Wir sind geliefert... Die werden uns aus dem Krankenhaus schmeißen. Und noch viel schlimmer: Meine Eltern werden von Jannik und mir erfahren! Als Sascha das bewusst wurde, setzte sein Herz einen Schlag lang aus. Wie sollte er das seiner Mutter erklären? Und seinem Vater erst? Es wäre schon Schock genug für sie, dass ihr Sohn mit einem Jungen zusammen war. Und dann auch noch die Tatsache, dass sie das dadurch in Erfahrung brächten, dass die beiden erwischt wurden, wie sie es hemmungslos im Badezimmer eines Krankenhauses trieben? Sascha war so in seine panischen Gedanken vertieft, dass es ihm nicht einmal mehr peinlich war dieselben ungenierten Ausdrücke wie Jannik zu verwenden. „Komm, wir müssen da raus“, holte ihn plötzlich die ruhige Stimme Janniks zurück. Raus? Hatte er sie noch alle?! „Nie im Leben! Weißt du, bei was die uns gerade erwischt haben?!“, flüsterte Sascha aufgebracht. Im Hintergrund wetterte die wütende Stimme der Ärztin weiter. „Ja, das weiß ich in der Tat, aber es hilft ja nichts. Oder willst du dich hier drin verbarrikadieren? Könnte schwer werden. Die Zahnpasta ernährt uns wahrscheinlich nur maximal drei Tage“, spottete Jannik und Sascha hätte ihm am liebsten eine gescheuert. Stattdessen zog er nur ärgerlich die Stirn kraus und machte sich genau wie der andere daran sich anzuziehen. Doch seine Gedanken pulsierten immer noch wie eine tickende Bombe durch seinen Kopf. Er malte sich unzählige katastrophale Folgen aus, die ihn ereilen würden. Am liebsten hätte sich der Junge einfach in eine Ecke verkrochen und losgewinselt, dass es ihm leid tue. „Wird’s bald?!“, keifte die Stimme von draußen ungeduldig. „Bereit?“, fragte Jannik leise, die Frau einfach ignorierend. Sascha sah ihn nicht an, starrte nur immer panischer auf die Tür. Er war nicht bereit, das war klar. Aber letztendlich hatten sie keine andere Wahl. Ihm drängte sich immer mehr das Gefühl auf, dass das hier alles zu schnell ging, dass er mehr Zeit brauchte um ruhiger zu werden. Ein Kribbeln, diesmal aber unangenehm und Unglück verheißend rieselte durch seine Adern, was Sascha dazu veranlasste die Arme um seinen Oberkörper zu schlingen. Er wollte da nicht raus, um nichts in der Welt wollte er dieses Zimmer verlassen. Doch Jannik ging auf die Tür zu und schloss sie auf. Ein letzter Blick zu Sascha, dann war sie auch schon offen. „Meine Herren.“ Eine hochgewachsene Frau mit hochgesteckten braunen Haaren baute sich vor den beiden auf, die Hände in die Hüften gestemmt. Ihre eigentlich schöne Miene war zu einer grimmigen Fratze verzogen, die Sascha vorkam wie der Teufel persönlich. Instinktiv duckte er sich etwas hinter Jannik. Dieser stand selbstsicher da und starrte mit gewohnt ausdruckslosem Gesicht zu der Frau vor sich. Erst jetzt bemerkte Sascha die schüchterne, junge Krankenschwester im Hintergrund, die selbst ganz rot war. Sein Schamgefühl wuchs. „Es ist mir unerklärlich, wie es zu solch einer“, begann die Ärztin sichtlich erzürnt, bevor sie eine kurze Pause machte, um die richtigen Worte zu finden. „... ordinären und nicht zu verantwortenden Ausschreitung kommen konnte. Ich hoffe Ihnen ist bewusst, was sie hier getan haben. Dieses Verhalten wird sicher weitreichende Konsequenzen tragen.“ Sie bedachte die beiden mit dem strengsten Blick, der Sascha je untergekommen ist. Er spürte das Verlangen aus dem Fenster zu springen oder den Kopf gegen die Wand zu schlagen, sodass er ohnmächtig wurde. Einfach irgendetwas, damit er dieses peinliche Gespräch nicht mehr mitbekam. Es herrschte Stille, Sascha hatte nicht vor etwas zu sagen und Jannik schwieg provozierend. Ich frage mich, ob das der richtige Weg ist... Seine Frage wurde schnell mit einem wütenden Schnauben seitens der Frau beantwortet. Es war der Falsche. „Na schön! Sie da!“ Ein vor Zorn zitternder Finger ragte plötzlich vor Sascha auf, was ihn zusammenzucken ließ. Er spürte, wie sich Jannik anspannte. Ängstlich sah Sascha in die funkelnden, braunen Augen vor sich. „Packen Sie Ihre Sachen, Sie werden ein neues Zimmer beziehen“, verkündete sie. „Und Sie..“ Ihr Blick wanderte zu Jannik. „Sie bleiben hier. Ein weiteres Erlebnis dieser Art werden wir zu vermeiden wissen.“ Saschas Herz setzte aus. Er sollte von Jannik getrennt werden? Aber... „Ich...“, begann er, doch der Mut verließ ihn schnell, als alle Augen auf ihm ruhten. „Was?“, fauchte die Ärztin und Sascha zuckte wieder zusammen. Als er wieder aufblickte, starrte sie ihn herausfordernd an, was ihm endgültig den Mut nahm. Verzweifelt schwieg er. Die Ärztin nahm dies mit Wohlwollen zur Kenntnis. In einer energischen Drehung wandte sie sich zur Tür um. Im Hinausgehen trug sie der Krankenschwester noch auf, beim Packen auf die beiden aufzupassen. „Den Rest erledige ich.“ Mit diesen Worten war sie verschwunden. Sascha stand wie versteinert da. Er hatte die letzten Geschehnisse gar nicht mehr richtig mitbekommen. Getrennt... Von Jannik. Nein, das darf nicht sein! Das kann nicht... „Entschuldigung.“ Die sanfte Stimme der Schwester holte ihn zurück in die Gegenwart. „Du solltest nun deine Sachen zusammensuchen...“ Sascha reagierte nicht. Wortlos starrte er sie an, suchte immer noch einen Ausweg aus dem Ganzen. Bis sich eine Hand auf seine Schulter legte. „Wir finden einen Weg“, flüsterte Jannik beruhigend. Dann strich er ihm die nassen Haare aus dem Gesicht. „Mach die keine Sorgen, Kleiner.“ Die liebevollen Worte des Älteren ließen Sascha wieder klar denken. Am liebsten hätte er sich ihm in die Arme geworfen, doch die Anwesenheit der Krankenschwester hielt ihn davon ab. Obwohl sie die beiden gutmütig anlächelte. Mit hängenden Schultern schlich Sascha zu dem kleinen Schrank hinüber, in dem er seine Kleidung aufbewahrte. Ein Seufzen entfuhr ihm, gleich darauf ein verhaltenes Schnappen nach Luft. Die Entspannung seiner Muskeln hatte dazu geführt, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen, doch er wollte auf keinen Fall weinen. Was hätte Jannik dann von ihm gedacht? „Soll ich dir helfen?“, fragte plötzlich eine weiche Stimme neben ihm. Er drehte sich erschrocken um und blickte in das immer noch lächelnde Gesicht der Krankenschwester. Nachdenklich besah Sascha sie. Eigentlich war sie ja für das ganze Chaos verantwortlich. Aber ich kann nicht wütend auf sie sein. Sie scheint ein schlechtes Gewissen zu haben, aber es ist nun mal ihre Arbeit... Also nickte Sascha langsam, um gleich darauf damit zu beginnen seine Wäsche wieder in den kleinen Koffer zu verfrachten. Doch trotz seines Verständnisses für die Entscheidungen der Ärztin und auch der Schwester drohten ihm immer wieder Tränen über die Wange zu laufen, wenn er daran dachte, dass er Jannik jetzt den Rest seines Aufenthaltes wohl nicht mehr sehen würde. Am liebsten wäre er aufgesprungen, zu der Frau gerannt und hätte auf Knien darum gefleht sie zusammen zu lassen. Er hätte bei seinem Leben geschworen, dass das nicht mehr vorkommen würde. Doch was hätte das schon gebracht? Es war zu spät dafür. Hätte er nur gleich von Anfang an mehr Standhaftigkeit bewiesen und nein gesagt. „War das alles?“, erkundigte sich die junge Frau neben Sascha, als der Schrank leer geräumt war. Er nickte, enttäuscht und ängstlich dass sie jetzt würden aufbrechen müssen. „Gut. Dann komm, bevor die Oberärztin wieder zurückkommt“, meinte die Krankenschwester leise und mit einem beruhigenden Lächeln. Sie fasste Sascha sanft am Arm und half ihm hoch. Saschas Blick fiel auf Jannik, der sich während der ganzen Zeit nicht von der Stelle gerührt hatte. Als Sascha bewusst wurde, dass er ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen haben musste, konnte er sie einfach nicht mehr zurückhalten. Kleine Perlen aus Wasser flossen seine geröteten Wangen hinunter, während er auf Jannik zustürmte. Dieser breitete die Arme aus und fing ihn auf, als Sascha seinerseits die Arme um den schmalen Oberkörper des anderen schlang. „Hey, hör auf zu heulen. So schlimm ist es nicht, wir schaffen es schon sie dazu zu kriegen, dass wir uns sehen dürfen“, flüsterte er ihm ins Ohr, sodass nur der Kleinere es hören konnte. Nicht so schlimm?! Es ist das Schlimmste, dass sie tun können, verdammt! Doch Sascha schwieg, weinte einfach nur weiter und presste das nasse Gesicht an die Brust des anderen. Erst nach einigen Minuten schob Jannik ihn sanft zurück. „Wir sehen uns.“ Und mit diesen Worten hauchte er ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund, der alle Gefühle beiseite fegte. Ein letzter sehnsüchtiger Blick in die unergründlichen, tiefblauen Saphire und dann drehte sich Sascha endgültig um, um der Schwester hinaus in den leeren Flur zu folgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)