Hospital Story von Heartsbane ================================================================================ Kapitel 1: slow change ---------------------- Langsam kam Sascha wieder zu sich. Die Augen immer noch geschlossen, wartete er ab bis seine Sinne allmählich wieder zurückkehrten. Er wusste, dass er sich irgendwo befinden musste wo es sehr hell war. Unter seinen Händen fühlte er irgendetwas Weiches. Eine Matratze? Wahrscheinlich, denn Sascha spürte den Druck einer Bettdecke auf seinem Körper und sein Kopf wurde durch ein flauschiges Kissen gestützt. Was war passiert? War er ohnmächtig geworden und niemand hatte es bemerkt? Also befand er sich wohl immer noch in seinem Zimmer... Vorsichtig öffnete der Junge die Augen. Er musste blinzeln bis sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten. Immer noch etwas desorientiert blickte er sich um. War das... ein Krankenzimmer? „Sascha! Schatz, bist du in Ordnung?“, hörte er dann eine aufgeregte Stimme neben sich. Das besorgte Gesicht seiner Mutter schob sich in sein Blickfeld. „Wo... bin ich?“, brachte Sascha verwirrt und mit brüchiger Stimme hervor. Sein Hals tat sofort wieder höllisch weh. „Du bist im Krankenhaus. Ein Glück, dass deine Mutter gerade die Wäsche oben machen wollte, sonst hätte sie dich gar nicht gehört“, erklärte ihm sein Vater, den er erst jetzt bemerkt hatte. „Oh, Liebling! Schön, dass es dir wieder gut geht“, stieß Saschas Mutter gerührt hervor, da sie fast schon zu weinen begann. Stürmisch umarmte sie ihn. „Ist ja schon gut, Mom“, brummte dieser. Sein Kopf tat unheimlich weh und ihre Überschwänglichkeit trug nicht gerade zu einer Besserung bei. „Was ... ist eigentlich passiert?“, fragte der Junge schließlich und sah sich etwas genauer um. Alles war weiß und steril, nur die Vorhänge, die er nur flüchtig sah, weil seine Eltern im Weg saßen, hatten einen gelben Farbton. Saschas Krankenbett stand an einer Wand, die gleich rechts neben der Zimmertür war. Der Eingang zum Bad befand sich in der Mitte des Raumes links von eben dieser. Rechts von Sascha erstreckte sich die gesamte Länge des Krankenzimmers bis es letztendlich an der Fensterwand mit den bereits erwähnten gelben Vorhängen endete. „Du bist ohnmächtig geworden und wir haben dich sofort ins Krankenhaus gebracht. Der Arzt sagt, dass du eine sehr schwere Lungenentzündung hast und erst einmal hierbleiben musst“, erklärte ihm dann sein Vater. Na, bravo! Nur weil ich Vollidiot nicht einfach drinnen bleiben konnte. Sascha war frustriert. „Wir müssen jetzt leider gehen, Schatz. Aber wir besuchen dich bald wieder“, unterbrach ihn seine Mutter in seinen Gewissensbissen. „Wir schicken den Arzt zu dir.“ Saschas Eltern standen auf und wandten sich zur Tür. Oh Mann... Sascha drehte den Kopf in Richtung Fenster, als seine Eltern gegangen waren. Erst jetzt entdeckte er den Jungen, der in dem Bett ein paar Meter von ihm entfernt lag. Ich dachte, ich sei alleine hier. Er nutzte die Tatsache, dass der andere nicht hersah, um ihn etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Junge hatte schwarze, gefärbte Haare, die ihm fast bis zum Kinn rechten und sanft sein Gesicht umspielten. Seine Augen waren von einem tiefen Blau, das nun ausdrucklos an die weiße Wand gerichtet war. Er wirkt so... abweisend. Fast schon kalt. Sascha betrachtete den Unbekannten weiter. Er hatte feine, aber teils doch markante Züge und obwohl er sehr schlank zu sein schien, so war er doch unglaublich maskulin. Irgendetwas an ihm faszinierte Sascha, sodass er gar nicht mehr wegsehen konnte. Ich sollte mich vielleicht vorstellen. Schließlich muss ich hier ´ne Weile mit ihm ein Zimmer teilen. „Hey“, sagte er schließlich und ärgerte sich über seine erstickte Stimme. „Ich bin Sascha. Und du?“ Leicht lächelnd wartete er auf eine Antwort. Doch die kam nicht. Etwas perplex starrte Sascha zu dem anderen. Hatte er ihn nicht gehört? „Ich bin Sascha. Und du?“, wiederholte er mit etwas mehr Nachdruck. Es dauerte einige Sekunden bis der Junge endlich antwortete, jedoch sah er ihn nicht einmal an. „Jannik.“ „Und wieso bist du hier? Also ich hab ja diese grässliche Lungenentzündung abgekriegt. Okay, eigentlich bin ich ja selber Schuld und so, aber egal. Wie sieht´s bei dir aus?“, wollte Sascha weiter wissen und lümmelte sich in sein Bett. Bequem war es schon, das musste man Krankenhäusern schon lassen. „Gastritis“, war die kühle Antwort. Jannik machte sich immer noch nicht die Mühe ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Ach. Ich hätte jetzt einfach mal so auf Genickstarre getippt... „Was is´ n das? Gastritis?“ Sascha gab nicht so leicht auf. Er würde diesen Muffel schon noch dazu bringen mit ihm zu reden. Und zwar richtig. „Magenschleimhautentzündung.“ Okay, zugegeben. Jannik war echt ne harte Nuss. „Hört sich ja nicht so toll an. Und wie lange musst du dableiben? Ich hab ja keine Ahnung, hoffentlich nicht zu lange, weil ich es hasse unnötig rumzusitzen. Glaubst du Lungenentzündungen sind schlimm? Also so, dass man lange bleiben muss? Hm?“ Immer schön weiterfragen, dann musste er ja antworten. Sascha war siegessicher. „Weiß nicht“, erwiderte der andere Junge mit demselben abweisenden Ton, den er schon die wenigen Male vorher benutzt hatte. Auf einen Schlag war Saschas Optimismus zerstört. Schön! Wenn er nicht will, dann soll er´s eben bleiben lassen. Ich brauch mich nicht mit ihm zu unterhalten. Grummelnd drehte sich Sascha um und starrte auf das Weiß der Wand, so wie sein Zimmergenosse auch. Na, das konnte ja noch was werden. Mit so einem Typen auch nur länger als einen Tag aushalten zu müssen war wirklich Strafe genug. Nächstes Mal bleib ich drin, wenn ich krank bin. Wieder plagte ihn das schlechte Gewissen. Unruhig drehte er sich zurück und blickte hoch zur Decke. Zwei Sekunden später wandte er sich in Richtung Fenster und gleich darauf wieder zurück zur Wand. Aaaah!! Diese Stille war ja unerträglich! Wie konnte dieser Jannik das nur aushalten einfach nichts zu sagen? Verstohlen warf er diesem einen Seitenblick zu, nachdem er wieder gerade lag. Er hatte sich tatsächlich immer noch nicht gerührt! Ohne auch nur ansatzweise eine Gefühlsregung zu zeigen, schien er wie zuvor fast schon gebannt von der Wand vor ihm zu sein. Sascha sah wieder weg und studierte die Decke. Seine Gedanken allerdings drehten sich um den Jungen. Was war bloß los mit dem? Man konnte doch nicht so... so unkommunikativ sein! Ich war ja schließlich nett zu ihm. Da könnte man echt mehr erwarten. Fast schon automatisch wanderte sein Blick wieder zu Jannik. Eine Zeitlang beobachtete er ihn. Doch plötzlich, vollkommen überraschend, schoss dessen Blick zu ihm. Saschas Wangen liefen natürlich sofort puterrot an, seine Augen huschten in irgendeine andere Richtung. Boah, wie peinlich! Er hat mich beim Starren erwischt. „I- Ich hasse Krankenhäuser“, plapperte Sascha dann einfach drauf los. Ihm war die ganze Situation sowas von unangenehm und so hoffte er sie mit Hilfe von Reden überspielen zu können. „Weißt du, die sind so steril. Und dieses Weiß. Das ist echt abartig. Ich glaube ich würde, nein, ich werde verrückt werden, wenn ich hier so lange bleiben muss!“ Er lachte etwas unbeholfen und sah zu Jannik. Dieser erwiderte seinen Blick. Ausdruckslos. Und mit einem Male wendete er sich ab, sah ohne ein Wort aus dem Fenster. Saschas Gesicht fühlte sich an, als würde es gleich schmelzen. Wie konnte dieser Typ es wagen ihn sich so blamieren zu lassen?! Der Kerl ist sowas von ätzend! Bevor Sascha aber seinen Frust weiter gedanklich kundtun konnte, hörte er wie die Tür aufging und zwei Sekunden später tauchte ein Mann mit weißem Kittel vor seinen Augen auf. Er war ungefähr fünfzig, hatte blonde Haare, die aber leicht ins Braune gingen und auf seiner Nase thronte eine ziemlich weit nach unten gerutschte Brille. Alles in Allem wirkte er aber recht freundlich. „Guten Tag, die Herren“, begrüßte er sie und ein warmes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er begab sich neben Saschas Bett und reichte ihm seine Hand. „Wie ich sehe bist du ja schon wieder ziemlich fit. Ich bin Doktor Jensen.“ „Hallo. Ja, passt schon. Aber mein Hals tut höllisch weh“, erwiderte der Junge gequält und schüttelte die ihm angebotene Hand. „Ja, sowas ist normal bei einer Pneumonie“, lachte der Doktor. Er holte sein Klemmbrett hervor und schob sich die Brille wieder nach oben. „Pneumo- was?!“ Sascha verstand kein Wort. „Pneumonie, allgemein auch bekannt als Lungenentzündung. Im Klartext soll das heißen, dass dein Lungengewebe entzündet ist und zwar durch Viren. Grippeviren, um genau zu sein. Dein Immunsystem ist ziemlich angegriffen und deswegen bist du auch ohnmächtig geworden. Typischer Kreislaufzusammenbruch. Deine Mutter hat mir ja bereits erzählt, dass du unter Schüttelfrost, Fieber und heftigem Husten gelitten hast. Hattest du oft auch schleimigen Auswurf?“ Sascha verzog das Gesicht. Wie ekelig. „Ja... War echt widerlich.“ „Das denke ich mir“, schmunzelte der Arzt und notierte etwas auf dem Papier. „Leider wirst du einige Zeit bei uns bleiben müssen. Du bekommst schleimsenkende Inhalationsmittel, Antibiotika und musst viel Trinken. Außerdem wird dir die Krankenschwester später Wadenwickel anliegen, damit sich deine Temperatur senkt.“ Hilfe... Geht´s noch peinlicher?! Wadenwickel... „Nun denn. Also, wir werden jetzt gleich eine Röntgenaufnahme machen und deine Atemwege abhören. Vorher muss ich aber noch mit deinem Zimmernachbarn hier sprechen.“ Mit diesen Worten und einem erneuten Lächeln wandte sich der Mann ab und ging hinüber zu Jannik. Sascha folgte ihm mit dem Blick. Na, da bin ich mal gespannt... „Also, Jannik. Dein Zustand hat sich leider noch nicht gebessert, allerdings ist er nun stabil. Wir werden dich weiterhin beobachten und mit Antibiotikum behandeln. In drei bis vier Wochen solltest du dann wieder gesund sein“, erklärte der Arzt nun und sah den Jungen vor sich an. Dieser blickte jedoch mit demselben distanzierten Blick zurück, den er schon Sascha zugeworfen hatte. Ein Nicken war die einzige Reaktion, die sonst noch von ihm kam. „Na schön“, seufzte Doktor Jensen und drehte sich um. „Dann komm mal mit, Sascha. Aber vorsichtig, du bist immer noch sehr geschwächt.“ „Okay.“ Mühselig erhob er sich aus dem Bett und kniff gleich die Augen zusammen, als ihm etwas schwindelig wurde. Doch das ging gleich wieder vorbei und Sascha stand auf, um dem Arzt zu folgen. Bevor er hinausging, sah er noch einmal zurück. Jannik starrte wieder aus dem Fenster. Wenigstens weiß ich jetzt, dass er nicht nur zu mir so unfreundlich ist. Leise schloss Sascha die Tür hinter sich. Die Röntgenaufnahmen und das Abhören seiner Lungenfunktionen waren schnell vonstatten gegangen und so kehrte Sascha bald wieder ins Zimmer zurück. Zu seiner Überraschung war sein Zimmergenosse Jannik allerdings nicht aufzufinden. Vielleicht ist er ja auch bei irgendeiner Untersuchung. Erschöpft schleifte sich der Junge zu seinem Bett und ließ sich zufrieden darauf nieder. Er war ernsthaft nicht gerade in der besten Verfassung, das wurde ihm erst jetzt bewusst. Dass ich auch so dumm sein muss... Jetzt liege ich hier im Krankenhaus und muss es mit so ´nem unfreundlichen Typen aushalten. Seufzend sah Sascha zu dem leeren Bett auf der anderen Seite. Wenn er doch wenigstens ein bisschen nett zu mir wäre... Plötzlich hörte er ein Klicken. Sofort sah Sascha zur Badezimmertür, von der das Geräusch gekommen sein musste. Kurz darauf wurde diese dann auch geöffnet und Jannik trat heraus. Irgendetwas in Saschas Innerem zog sich zusammen, ein unbehagliches Gefühl breitete sich in ihm aus. Vorsichtig sah er zu dem schwarzhaarigen Jungen. Dieser hatte die Augen geschlossen und seine Hand umfasste fest die Türklinke. Sascha wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Art wie sich Jannik mit aller Kraft an dem Stück Metall festhielt, sein angestrengter Gesichtsausdruck, die kleine Falte auf seiner Stirn, die Tatsache, dass er am ganzen Körper zitterte... Sascha schmiss blitzschnell die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett, um zu dem anderen zu laufen. „Hey, was ist los?“, fragte er mit leicht panischer Stimme und versuchte den Jungen so gut es ging zu stützen. Jannik antwortete aber nicht, sondern verzog nur schmerzverzerrt das Gesicht und schlang einen Arm um seinen Bauch. „Sag doch was!“ Besorgt beugte sich Sascha etwas vor. „Bauchschmerzen...“, brachte der andere dann keuchend hervor. Doch gleich darauf zuckte er mit einem neuerlichen Geräusch, das eindeutig zeigte, dass es ihm nicht gut ging, zusammen. „Soll ich den Arzt-“, begann Sascha, doch Jannik unterbrach ihn sofort. „Nein!“ Ratlos legte Sascha sorgenvoll die Stirn in Falten. Was sollte er denn jetzt tun? Er konnte ihn doch nicht einfach so lassen... Mit diesen Schmerzen. „Hilf... hilf mir bloß zu meinem Bett.“ Huh? Verwirrt sah Sascha Jannik an. Hatte er das jetzt gerade wirklich gesagt? Es war ganz und gar seltsam eine Bitte aus seinem Munde zu hören. „J- Ja, klar“, erwiderte der Junge aber schnell und so legte er Janniks Arm um seine Schulter und schritt mit ihm Meter um Meter näher zu dessen Bett. Als sie dort endlich angekommen waren, ließ sich der Schwarzhaarige ganz langsam nieder, wobei auf seinem Gesicht wieder ein gequälter Ausdruck erschien. Sascha fühlte sich richtig elend, als er den Jungen da so sah. Elend und hilflos. „Und ich soll wirklich keinen Arzt rufen?“, erkundigte er sich deshalb noch einmal. Jannik sah ihn an. Es war wieder dieser ausdruckslose Blick, diesmal allerdings auch irgendwie forschend. „Nein“, war das einzige, das er sagte. Sascha wusste nicht was er darauf antworten sollte. Er fühlte sich immer noch nicht wohl bei dem Gedanken Jannik sozusagen einfach seinem Schicksal zu überlassen. „Danke.“ Blinzelnd starrte Sascha den Jungen vor sich an. Er war ebenso verwirrt wie schon zuvor, als Jannik ihn gebeten hatte ihm zu helfen. Und jetzt? Hatte er sich gerade ernsthaft bei ihm bedankt? „Ist doch klar, dass man sich hilft“, murmelte Sascha also und aus einem unerfindlichen Grund war er irgendwie verlegen. Und stolz. Schließlich hatte er es geschafft, dass Jannik wenigstens ein bisschen auftaute. „Du solltest schlafen gehen“, meinte Jannik dann und hob vorsichtig die Beine ins Bett, um sich hinzulegen. Sascha verstand und war etwas enttäuscht. Jannik wollte seine Ruhe haben. „Ja, ist gut“, erwiderte er dann aber. Schließlich war es nur zu verständlich, dass er in seinem Zustand nicht unbedingt auf Plausch aus war. Nicht, dass er wirkte, als würde er das irgendwann mal sein. „Aber Jannik?“ Sascha, der schon auf dem Weg zu seinem Bett war, drehte sich noch einmal um. Der andere Junge wandte langsam den Kopf zu ihm, sein Blick wirkte nichtssagend. Weder interessiert, noch genervt. „Wenn wieder was ist, dann... dann sag Bescheid, ja?“, bat Sascha zögernd. Er war sich sicher, dass Jannik sich einfach wieder abwenden würde. Doch zu seinem Erstaunen nickte dieser. „Okay.“ „Gut. Dann ... gute Nacht“, sagte Sascha schnell und ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Zwar kam keineswegs eine Antwort auf seine letzte Aussage, aber immerhin. Ich hab´s geschafft! Er redet mit mir! Überglücklich legte sich Sascha in sein Krankenbett und drehte sich zur Wand, damit Jannik nicht sein strahlendes Gesicht bemerkte. Auch wenn er anfangs nicht gerade sympathisch war... Ich glaube, Jannik ist eigentlich gar kein so schlechter Kerl. Und so schloss Sascha die Augen. Mit etwas Glück würde sein Aufenthalt im Krankenhaus vielleicht doch nicht so schlimm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)