Grandia II: Der Pfad zur Seele von Ghaldak (Eine Tragödie in 5 Akten) ================================================================================ Kapitel 5: 2. Akt: Das Lager im Wald ------------------------------------ Der Tag verlief ohne Probleme. Wir wandten uns östlich, zogen an den brennenden Ebenen vorbei und zogen hinein in den Lumirwald. Es war ein langes, hartes Stück und auf jedem Meter mussten wir fürchten, das Ziel von wilden Bestien mit Zähnen und Klauen zu werden, die diese wilde Ebene zwischen den Städten beherrschten. Hinzu kam die Tatsache, dass Elena eine solche Belastung nicht gewohnt war. Sie versuchte zwar, nicht zu lamentieren, doch es fiel ihr schwer. Zwischen Bergen und Sträuchern befand sie sich ganz eindeutig nicht in ihrem Element. Schließlich fanden wir, als es zu dunkel zum Weiterreisen wurde, einen Platz, an dem wir ein Zelt aufschlagen konnten. Noch einen Tagesmarsch, so kalkulierte ich, dann würden wir Mirmau erreicht haben. Elena zog sich um. Während ich es mir angewöhnt hatte, fast überall und in fast jedem Zustand schlafen zu können, konnte sie auf ihre Federbetten einfach nicht verzichten und als wir gemeinsam im Zelt lagen – diesmal wagte sie nicht, zu protestieren – hielt sie mich mit ihren Versuchen, bequem zur Ruhe zu kommen, recht effektiv vom Schlafen ab. Ich verfluchte sie dafür, denn für mich stand nicht weniger auf dem Spiel, bis es uns schließlich gelang, Ruhe zu finden. Ich erwachte mitten in der Nacht, ohne es zu verstehen. Elena lag halb auf mir, ihr Kopf ruhte schwer auf meinem Brustkorb und ihre Haare kitzelten mich an meinem Hals. Mein erster Impuls war es, sie schnell wegstoßen zu wollen, doch dann, noch schläfrig, kam ich langsam zur Ruhe. Ich lag einfach nur da in einem warmen und stickigen Zelt und bemerkte zum ersten Mal, wie anziehend Elena doch im Mondlicht wirkte. Ohne ihre Robe und ihre perfekt sitzende Frisur gewann sie etwas, was ich nicht beschreiben konnte. Ich hätte sie gerne geküsst. Der Gedanke kam mir ganz plötzlich. Ja, sie war schön und jetzt, wo kein störrischer Geist meine Blicke störte, auf ihre Art bezaubernd. Wie sie wohl unter ihrer Templerrobe aussah? Ich nutzte meine Phantasie und sah vor meinem geistigen Auge bleiches, zartes Fleisch, wunderschöne Beine und darüber… Ich erstarrte, als sie stöhnte. Ihr Kopf bewegte sie hin und her, so als wollte sie einer Situation entfliehen, ihre Atmung wurde unregelmäßig und dann, ganz plötzlich, stammelte sie meinen Namen. „Ryudo“. Ich musste grinsen, während ich den Kopf sinken ließ, um doch noch vielleicht etwas Ruhe zu bekommen. ‚Was ist los, kleiner Engel?’, dachte ich mir, ‚Willst du es auch? Es wäre schön, nicht wahr?’ Doch erst einmal brauchten wir beide Ruhe. Ich sollte sie schlafen lassen und selbst die Augen schließen, ohne mich von dem Kopf auf meiner Brust stören zu lassen. Vielleicht könnte ich ja von ihr träumen. Falsch gedacht, in dieser Nacht blieb mir keine Zeit dazu. Wenige Stunden später schreckte ich auf, panisch, und ich wusste, dass etwas passiert. Über mir die Sterne, kein Zelt, um mich herum keine friedlich schlafende Elena. Stattdessen loderten die Flammen und der Rauch war... Das Zelt brannte. Meine Reaktionen waren automatisch. Keine Zeit zum Denken. Gepäck? Elena? Aufwachen, mitkommen. Zerren. Und dann raus. Draußen dann mitten rein in das Chaos. Lange bevor ich mich fragte, was passiert war, schlugen meine Instinkte Alarm. Ich stieß Elena weg von mir und warf mich zur Seite. Und dies allein bewahrte mich davor, von einer riesigen Lanze aufgespießt zu werden. Irgendwas Riesiges, im Dunkeln kaum wahrnehmbar, stürmte da auf mich zu und sein Schrei ging durch Mark und Bein. Ich war jedoch ein Geronshund und nicht so leicht einzuschüchtern. Statt zusammenzubrechen, griff ich schon zum Schwert, noch ehe meinem Verstand überhaupt die Idee kommen konnte, und suchte einen sicheren Stand. Wenn ein Monster uns erwischt hatte, so standen nur meine Waffe und meine Kunst zwischen Leben und Tod. Sie würden sich auch gleich bewähren müssen, denn die Gestalt kam nun auf mich zugestürmt, die riesige Lanze in den Händen. Nur Zeit für eine Reaktion. Ich konnte den Schlag abwehren, doch die Wucht riss mir fast die Waffe aus den Händen. Mein Gegner war stark. Mächtig, verdammt. Was für ein Biest ging hier auf mich los? Und was sollte ich tun? Schlag auf Schlag donnerte auf mich ein und ich hatte Mühe, nicht zu verenden. Wenn sich nicht bald etwas tat, dann würde ich… Wie ein Engel erhob sich Elenas hell gewandete Gestalt. Sie verstand, dass sie nicht mehr im Bett lag und auch nicht träumte, und arbeitete nun daran, auch Kampf und Feuer aufzunehmen, doch ihre Instinkte betrogen sie. Sie bemerkte nicht, wie sich die Bestie zu ihr umwandte und knurrte. Offen im Mondlicht erstarrt, unbewaffnet und verwirrt, gab sie ein leichtes Ziel ab. Das Monster hatte es erkannt. Ich schrie: „Elena, nicht“, doch sie hörte mich nicht. Das Monster stürmte auf sie zu, selbst ohne seine schwere Lanze eine Macht wie eine Nashornherde und mir blieb keine Wahl, ich rannte hinterher. Elena blickte langsam in meine Richtung, vollkommen erstarrt und ich hoffte nur, sie könnte irgendwie noch diese Nacht überleben, alles andere wäre mir egal. Ich hätte mein Gefühl wegwischen sollen, dann hätte ich erkannt, dass das Monster mit einem Mal stehen geblieben war und sich umwandte. Seine Klinge wirbelte zurück, direkt auf mich zu, der nicht damit rechnete und seinen Schutz vernachlässigte. Ich kam erst zurück, als es platschte und mich der heftige Schlag von den Füßen riss. Ich schrie noch etwas, dann wurde es sehr schnell schwarz. Ich wusste nicht, wie lange ich weg gewesen war. Als ich verstand, dass ich erwacht war, lag ich in einem Bett und glaubte mich für eine Sekunde lang in einer anderen Welt. Erst langsam kamen die Bilder zurück, von Zelt, Bestie und Elena, und ich hatte das Gefühl, ich müsste brechen. Ich fühlte mich krank. Ich konnte meinen Körper gar nicht richtig spüren, als ich mir mein Hemd hochschob, um nach den Spuren einer Verletzung zu suchen, und ich war ganz überrascht, nichts zu finden. Keine Wunde, keine Schramme, nicht einmal einen blauen Fleck… ich seufzte und schloss die Augen wieder. Ich musste noch nicht alles verstehen. Mir fielen die Augen zu. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, bis ich auf die Idee kam, mich umzusehen. Es kostete mich Kraft, mich in meinem Bett aufzurichten, doch spürte ich keine Schmerzen. Um mich herum erstreckte sich ein reich eingerichteter, jedoch unpersönlicher Raum, wohl ein Gästezimmer. Mein Gefühl sprach von nicht wirklich viel Geld im Spiel, aber auch nicht wenig. Erst dann erkannte ich Elena, die auf einem Sessel zusammengesunken saß und offensichtlich schlief. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Keine sichtbaren Verbände und Verstümmelungen. Noch einmal aufatmen. Was immer auch geschehen war, sie musste mich gerettet haben – und geheilt, fiel mir gleich darauf ein. Ich sah sie an. Ich musste ihr wirklich dankbar sein. Trotzdem verlangte das Rätsel eine Lösung und ich wurde langsam ungeduldig, weshalb ich beschloss, sie zu wecken. „Elena“, rief ich, dann noch einmal lauter: „Elena“. Sie zuckte zusammen und grunzte. Ach, die kleine Elena. Friedlich schlafend hatte sie gewirkt wie ein Engel. Nun verrieten sie ihre Augen, die zeigten, dass auch für sie nicht alles leicht gewesen war. "Ryudo", sagte sie und ihre Stimme klang brüchig. "Wie fühlst du dich? Geht es dir gut?" Eine schwierige Frage, ich antwortete ehrlich: "Ich weiß es nicht. Fühlt sich alles taub an. Aber was ist geschehen? Und wo bin ich hier?" - "Wir sind in der Kirche von Liligau. Der Pastor war so nett, uns..." Sie ließ den Satz fallen, als ihr klar wurde, dass sie alles gesagt hatte. Sie sah mich nicht an, was mich vermuten ließ, dass da noch etwas fehlte. Ich wollte es wissen. „Danke, Elena“, sagte ich einfach, „für alles, was du für mich getan hast, was es auch…“ Ihre Augen wirkten tot genug für mindestens zwei Ableben, als sie sich zu mir umkehrte und mich abschnitt: „Ich habe nichts getan.“ – „Aber war es nicht deine Heilmagie?“, setzte ich an, bis mir klar wurde, dass ihre Antwort etwas anderes enthielt als höfliche Zurückhaltung. „Genug, Ryudo.“, sagte sie, während sie sich in den Sessel zurücklehnte und sichtbar die Augen schloss. Gespräch beendet. Ich drehte mich im Bett um und ließ ihr ihren Willen. Meine Kraftreserven waren ohnehin erschöpft, weswegen ich nichts gegen die Aussicht einwenden konnte, noch etwas Ruhe zu finden. Ich wurde mir erst klar, wie unangenehm Elena die Stille zwischen uns wurde, als sie hinzufügte: „Es tut mir leid.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)