My flower of love von Ito-chan (One year in my life) ================================================================================ Prolog: Januar -------------- Hallo ihr alle! Da ich die nächsten Kapitel lang, den Mund halten werde, nur kurz eine Sache: Ich würde euch alle bitten die Kurzbeschreibung zu lesen. Diese Geschichte ist für alle, die nach der großen Liebe suchen. Alles Liebe Ito ____________________________________________________ Some say love it is a river, that drowns the tender reed. Die Liebe ist ein nicht endender Fluss, der das zerbrechliche Schilf umspielt. Ich wusste immer, dass ich die Frau meines Herzens noch finden würde. Irgendwann musste ich sie doch finden, dachte ich mir immer. Doch Frauen und ich kamen einfach nicht klar, dachte ich zu diesem Zeitpunkt. Ich hoffte immer darauf, dass es mir irgendwann einmal passieren, dass ich mich so richtig verlieben würde und damit glücklich werden würde. Frauen fanden mich anziehend, aber keine faszinierte mich. In den kalten Wintertagen, die Ende Januar herrschten, konnte ich noch nicht begreifen, was passieren würde. Ich hatte Angst vor dem, was in mir zu schlummern schien und vor den Träumen, die ich immer wieder träumte. Nie wollte ich das wahrhaben, doch tief in mir drin wusste ich, was ich war. Doch wie konnte ich das sein, wenn ich doch meine Familie, meine Freunde, meine Schulkameraden enttäuschen würde? Das ging nicht! So konnte ich nicht sein und so durfte ich nicht sein! Ich starte in den kalten Januarmorgen und brach auf zur Schule, wo ich wieder suchen würde, nach der großen Liebe, nach einer Frau, mit der ich glücklich werden könnte. Doch konnte ich das wirklich? Würde ich damit mein Glück finden? Das würde sich in den kommenden Monaten noch zeigen, doch in gewisser Hinsicht, ahnte ich schon jetzt, was irgendwann geschehen würde... Kapitel 1: Februar ------------------ Some say love it is a razor that leaves your soul to bleed „Brian, ich liebe dich.“ Magie stand mir gegenüber. Sie war nur meine beste Freundin, jedenfalls für mich. Die kalte Luft schnitt mir ins Gesicht, aber das spürte ich viel mehr, als alles Andere um mich herum. Ich fror. Jeder andere wäre verglüht vor Glück, wenn Magie Singer ihm ein solches Geständnis gemacht hätte. Ich nahm es teilnahmslos an. „Magie... hör mal, ich...“ Ich vergrub meine Hände in den Hosentaschen. Schon wieder eine, der ich vor die Füße werfen würde, dass ich sie nicht liebte. Warum eigentlich? Ich könnte mich umdrehen und gehen. Ich könnte sagen, dass ich sie auch mag. Es wäre so leicht. Ich könnte das haben, was sie alle wollten. Magie Singer. Ich schaute sie lange an. Sie war hübsch. Sie zitterte leicht unter dem dicken Wintermantel. Sie war so zerbrechlich, so zart. Die blonden Locken fielen ihr weich über die Schultern und aus ihren blauen Augen blickte sie mich groß und abwartend an. Magie erschien mir so zart, so viel kleiner, als ich. Ich seufzte unhörbar und lächelte schließlich. Ich konnte sie nicht verletzen. Sie war so lange einer meiner liebsten Freundinnen gewesen und war es noch. Wie konnte ich ihr wehtun, dem Mädchen, dass mich so lange begleitet hatte und von dem ich alles wusste? Ich konnte ihr nicht wehtun. Eher würde ich mich verletzten, als ihr diesen Korb zu geben und mich ihrer Freundschaft zu berauben. „Was ist los Brian?“ Sie lächelte zaghaft. „Wenn du das nicht erwidern kannst, dann... es ist...“ „Magie!“, fuhr ich dazwischen, nahm die Hände aus den Hosentaschen und überbrückte die Distanz zwischen uns, sie in eine Umarmung ziehend. „Ich hab dich gern Kleines. Ich kann vielleicht noch nicht sagen, dass ich dich liebe, aber ich empfinde ähnlich wie du.“ Ich schaute auf sie herab und sie strahlte. Mir war, als würde etwas mich mitten in der Seele treffen. Es war ein Schmerz unendlich tief. Sie war so glücklich, wie konnte ich sie verletzen? Ich erwiderte das Lächeln und wusste, sie würde den Unterschied nicht sehen. Sie war zu glücklich. Vielleicht würde ich sie noch zu lieben lernen, dachte ich und ließ sie gewähren, obwohl ich noch mehr fror als zuvor. Sie war glücklich und irgendwie machte mich das doch auch glücklich. Oder? ~*~ „Mensch Brian, wie hast du das gemacht?“ Mein bester Freund Joel ging neben mir her nach Hause. „Ich weiß es nicht verdammt. Sie findet mich offenbar scharf. Du kennst Magie doch Jo.“ Ich lachte leicht. „Schon, aber du bist ihr bester Freund. Sie meinte mal, dass man nichts mit dem besten Freund anfangen sollte, weil das eh nicht klappt.“ Er schüttelte den Kopf und schaute mich ernst an. „Du wirst ihr doch nicht wehtun oder?“ „Nein. Es ist Magie. Du weißt schon, die Magie mit der ich befreundet bin, seit wir... keine Ahnung wie alt wir waren, aber Himmel, ich hab sie gern und ich würde alles tun, damit sie nicht weinen muss.“ Ich seufzte und mein Blick wandte sich zur Straße um. „Du liebst sie nicht oder?“ Joel fragte es, wenngleich ich wusste, dass er die Antwort auf seine Frage bereits kannte. „Ich werde es eben lernen müssen Jo. Sie darf nicht meinetwegen traurig sein. Du hast es selbst gesagt.“ Ich sah ihm fest in die Augen und ich wusste, dass er mich für meine Idee ohrfeigen würde, wenn er mich nicht so verdammt gut verstehen könnte. Niemand würde Magie gerne zum Weinen bringen, denn ihre blauen Augen wurden immer ganz groß und rund, ehe die Tränen kullerten. Sie weinte, wie ein kleines Kind, Tränen wie Perlen, die unaufhörlich zu Boden tropften. Ich wusste, dass ich das nicht ertragen konnte und auch Joel wusste, dass er es nicht könnte. Wer könnte das schon? Joel nickte und seufzte leicht: „Ich weiß nicht, aber keiner würde sie zum Weinen bringen wollen oder?“ Ich lachte spöttisch auf. „Nicht einmal ich kann das und ich kenne sie seit Jahren Jo. Wie also sollte das wer anders können?“ Wir waren an der Straßenecke angekommen, an der wir uns jeden Mittag nach der Schule verabschiedeten. „Nein, sicher nicht. Nur... Bri, hör mal... wenn du keine Gefühle für sie entwickelst, dann... du weißt, dass du sie nicht ewig anlügen kannst oder?“ Ich nickte stumm. „Ich werde mich selbst auch nicht ewig verletzten können Jo.“ Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Bis Morgen früh.“ „Wie heute Abend nicht zocken?“, fragte er etwas enttäuscht. „Sorry, aber ich hab keine Zeit. Magie hat mich dazu verdonnert mit ihr ins Kino zu gehen.“ Er nickte. „Das ist was anderes. Bis Morgen.“ Ich hob die Hand zum Gruß und drehte mich um, damit ich endlich verschwinden konnte. Mein Herz brannte vor Schmerz, denn ich hatte soeben meine beste Freundin verloren und wusste in diesem Moment, dass ich sie nie wieder zurückgewinnen würde. Spätestens nach dem Gespräch mit Joel gerade war mir das schrecklich bewusst. Ich musste mich jetzt von ihr als beste Freundin verabschieden und sie als Bestandteil meines Lebens annehmen. Wie konnte ich das? Es war der vierzehnte Februar. Valentinstag. Ich stellte es nur nebenbei in Gedanken fest. Ich sollte ihr später vielleicht etwas mitbringen. Blumen, Pralinen, etwas in der Richtung. Sie würde sich sicher freuen. Wobei ich ihr wahrscheinlich das größte Geschenk mit meiner Lüge noch vor wenigen Stunden gemacht hatte... ~*~ „Hi!“ Magie umarmte mich lächelnd und küsste mich auf die Wange. Ich erwiderte ihr Lächeln und auch ihre Umarmung zaghaft wie immer. „Hallo Kleines.“ Ich fror bitterlich. Es war fast Frühjahr, aber davon merkte ich nichts. Es lag Schnee und in meiner warmen Jacke war mir immer noch zu kalt, was ein Zeichen dafür war, dass es ziemlich kalt war. „Was hast du da?“, fragte sie unvermittelt und ich wurde mir wieder der Tatsache bewusst, dass ich doch noch ein Geschenk gekauft hatte. Ein Stofftier zwar nur, aber doch eine Kleinigkeit. „Für dich“, flüsterte ich lächelnd, griff in meine Plastiktüte und reichte ihr einen Teddy. Ich hatte gedacht, er würde ihr gefallen. Sie strahlte wirklich übers ganze Gesicht und fiel mir gleich noch einmal um den Hals. „Danke Brian. Der ist wirklich süß!“ Sie freute sich immer so schön. Warum also nicht, sie glücklich machen? Wir betraten schweigend das Kino. Sie hatte den Film ausgesucht und ich stellte direkt am Anfang fest, dass er mich kein bisschen interessierte. Wie konnte sie auch einen Film auswählen, in dem es nur darum ging, dass ein Kerl sich in ein Mädel verliebte, sie mit seinem besten Freund betrog, nur um danach wieder zu ihr zurückzukehren, weil er erkennt, dass er sie viel mehr liebt, als ihn? Ich hasste dieses kitschige Ding, reichte Magie aber dennoch Taschentücher, als es soweit war, dass sie vor Rührung weinte. Eigentlich weinte sie beim gesamten Film, aber das wollen wir mal dahingestellt lassen. Sie war nur sehr aufgewühlt denke ich. Magie war immer schon jemand gewesen, der sich gerne kitschige Filme ansah, aber dann meistens mit Freundinnen. Heute wimmelte es hier vor Paaren und nicht nur ich war gebeutelt mit dem Los meiner Freundin Taschentücher zu reichen und sie davor zu bewahren in Tränen aufgelöst zusammen zu brechen. Als mein Martyrium endlich endete, war ich froh, dass sie nicht wusste, wie sehr ich mich gelangweilt hatte. Sie schwärmte von der Darstellung der Schauspieler und von der sanften Art, mit der alles abgelaufen war, bis wir im Restaurant waren und bestellen konnten. Die Stille zwischen uns tat mir gut, denn ich wusste ihr nichts zu sagen. Das war nicht mehr meine beste Freundin, sondern meine Freundin, die Frau, die ich meinen Eltern vorstellen musste und irgendwie machte mich das traurig und glücklich zugleich. Ich war nicht mehr der, den alle schief ansahen, weil er alle Frauen abblitzen ließ, sondern sie beneideten mich, weil ich Magie hatte. Nur hatte ich damit meine beste Freundin verloren und ich wusste es. Würde es meine Beziehung zu ihr eigentlich auf ewig belasten, dass ich sie so gut kannte? Ich wusste es nicht, aber ich sträubte mich dagegen den Versuch zu starten, es herauszufinden. Nach dem Essen brachte ich sie natürlich nach Hause und sie lächelte mich vor der Haustür zaghaft an. „Brian... bekomm ich einen Gute Nacht Kuss?“, flüsterte sie sacht und errötete dabei. Ich seufzte leicht und zog sie in meine Arme. „Immer Kleines.“ Es war seit vielen Jahren Tradition, dass ich ihr einen Kuss auf die Wange gab, wenn ich sie zur Haustür gebracht hatte und so tat ich es auch zu diesem Zeitpunkt. Magie zitterte vor Kälte und ich wollte, dass sie hinein ging, damit wenigstens einer von uns nicht mehr fror. Sie bekam ihren Kuss, doch als ich sie losließ zog sie einen Schmollmund. „Brian, bitte. Du weißt genau, dass ich einen richtigen Kuss möchte. Ich hab mich doch so angestrengt.“ Ihr Augenaufschlag war unglaublich und ich lachte leicht. „Da will man nicht mit der Tür ins Haus fallen und es langsam angehen lassen und es passt der Lady nicht.“ Ich scherzte, wenngleich es unangebracht war. „Ich liebe dich Brian, da fällst du nicht mit der Tür ins Haus, wenn du mich küsst.“ Sie schaute mich abwartend an, zittere noch immer und ich lächelte zaghaft. Sie musste reingehen und sie musste etwas warmes trinken. Ich wusste das und deswegen beugte ich mich herab, um sie zu küssen. Unsere Lippen berührten sich zaghaft und ich merkte, dass sie es regelrecht genoss, dass ich sie so zaghaft küsste. Ich mochte sie gerne, gerade deswegen tat ich das hier und außerdem wollte ich mir beweisen, dass auch ich mit einer Frau zusammen sein konnte. Als wir uns voneinander lösten, schaute ich sie einen Moment lang direkt an, senkte dann aber den Blick und hoffte, dass ich nicht rot wurde. Ich wurde nicht rot. Kein Glühen, kein gar nichts. „Ich bin verliebt in dich Magie“, flüsterte ich und ich sah, dass sie glühte. „Gute Nacht Kleines.“ Wieder ein Kuss auf die Wange, dann wandte ich mich ab und ging. Es war bitterkalt, dabei war Valentinstag. Warum also war mein Herz so kalt wie ein Eisklotz? Zu Hause angekommen, spürte ich noch immer diese Kälte. Ich wusste nicht warum, aber ich wusste, dass ich noch lange frieren würde und dass es vielleicht mein Schicksal war, immerhin hatte ich etwas getan, dass unverzeihlich war... ~*~ Es vergingen zwei Wochen, in denen ich lernte Magie so zu behandeln, wie es ein Partner wirklich tun sollte. Joel war mir dabei sehr hilfreich, denn er schien Magie sehr gern zu haben und gab mir Tipps, wenn ich sie mal wieder nicht verstand. Der Schnee begann zu tauen und bald würde es Frühling werden. Jedenfalls hoffte ich das, denn diese Kälte machte mich wahnsinnig. Vielleicht würde ich im Frühling auch endlich diese berühmten Schmetterlinge spüren, die ich eigentlich haben sollte, wenn ich Magie sah. Vielleicht waren sie im Moment einfach nur eingefroren... Kapitel 2: März --------------- Some say love it is a hunger an endless aching need Bald war ich einen Monat mit Magie zusammen, nur noch zwei Tage. Der Schnee war fast ganz geschmolzen, aber es war noch kalt draußen und ich hatte noch immer nicht das Gefühl, dass ich Magie um alles in der Welt brauchte, dass ich sterben würde ohne sie, dabei hatte ich geglaubt, dass das irgendwann passieren würde, wenn ich sie nur lange genug anschauen, ja richtig lieben würde. Ich wusste nicht warum, aber sie war einfach nicht der Mensch, mit dem ich für immer zusammen sein würde und ich wusste das. Sie langweilte mich auf einmal, dabei war das in unserer Freundschaft nie vorgekommen, aber ich durfte auch nicht mehr mit ihr über alles reden. Joel und ich saßen an diesem Tag gemeinsam auf einer Bank im Pausenhof und unterhielten uns. „Es läuft nicht gut zwischen euch oder?“, stellte er fest und lehnte sich zurück. „Ich darf nichts sagen, sie fährt mir ständig über den Mund. Wenn ich sie frage, ob sie mit uns allen ins Kino will, passt es ihr nicht, obwohl sie das früher gerne getan hat und jetzt meinte sie, dass sie gerne hätte, dass ich sie weniger in Gruppenaktivitäten einbeziehe, sondern sie nur in Kenntnis setze, dass ich weggehe. Sie würde dann was mit den Mädels machen.“ Ich lachte. Sie war gerne mit zum Karaoke gekommen, wenn unserer ganzer Freundeskreis ging, aber sie hatte jetzt eher die Ambition mit den „Mädels“ auszugehen, was soviel hieß wie: Sich aufbrezeln und danach tanzen zu gehen. Etwas, dass sie vorher total lächerlich fand. „So sind die Weiber eben Bri“, Joel lachte. „Schon, aber... sie will unbedingt von 0 auf 100 und das geht mir zu schnell. Ich kann ihr Tempo nicht halten... ich meine, ich mag sie gerne und sie ist ewig meine beste Freundin gewesen, da kann ich jetzt aber nicht die Phase überspringen in der man einander näher kommt, nur um direkt in Phase zwei zu starten.“ Ich schaute in eine Ferne, die Joel wahrscheinlich wieder nicht verstand. „Hast du ihr gesagt, dass es zu schnell ist und dass sie die Bremsen anziehen muss?“ Joel schaute mich eindringlich an. „Davon will sie nichts hören...“ Meine Stimme versagte. Ich konnte Joel nicht mal mehr ansehen. Wieso auch immer, war mir alles, was Magie tat zu schnell. Ich wollte sie eigentlich nicht mal küssen. Es gab zwischen uns einfach keine Selbstverständlichkeit mehr und das machte mich traurig. „Du musst sie dazu zwingen, das zu hören Bri.“ Ich nickte und erwiderte nichts. Irgendwie war mir kalt, trotz dass die Sonne warm schien. „Bri... du liebst sie nicht so sehr, wie sie dich oder?“ Ich musste lachen, als Joel das fragte. „Noch nicht Jo, aber ich denke, es kommt. Ich muss erst mal mit dem Gedanken warm werden wirklich mit ihr zusammen zu sein. Sie ist toll und lieb und einfach eine klasse Frau, nur...“ „Was nur? Jeder andere würde sie auf Händen tragen und du ziehst die Bremsen so fest, dass sie Angst bekommen muss dich zu verlieren.“ Joel schüttelte den Kopf. „Sie wird mich verlieren, wenn ich nicht atmen darf und das weißt du Jo.“ Diesmal war es an mir ihn durchdringend anzusehen. „Sie hat Angst. Gib ihr Sicherheit und du darfst atmen.“ Die Klingel riss uns aus unserer Unterhaltung und zurück in die Klassenräume. Ich musste zu meinem Biologiekurs und Joel hatte Englisch, während Magie Chemie pauken musste. Ich kannte drei Stundenpläne auswendig und wusste auch, dass ich Magie nachher noch vor Joel wiedersehen würde. Langsam schritt ich die Stufen nach oben zu meinem Unterrichtsraum und wartete mit den anderen auf den Lehrer. Einige von den Jungs sprachen über ihre Eroberungen, ein paar wollten wissen, wie es zwischen Magie und mir lief, aber ich wollte ihnen nicht allzu viel sagen und das war wohl auch besser so. Mr. Summers schloss uns auf und meinte, er müsse nochmal nach unten, wir sollten uns setzen und schonmal die Seiten zweihundertdreizehn und vierzehn lesen. Ich vertiefte mich recht schnell in die Lektüre, wenngleich ich wusste, dass niemand außer mir es lesen würde. Es dauerte einige Minuten, ich hatte den Text schon längst gelesen und verstanden, sowie eine Zusammenfassung angefangen, als Mr. Summers zurückkam und jemanden mitbrachte. „Entschuldigt bitte, aber ich musste euren neuen Mitschüler abholen. Er ist eben erst gekommen, da das organisatorische heute Morgen etwas länger gedauert hat. Das hier ist Gilbert Black. Gilbert stell dich doch bitte vor und setz dich danach neben Brian ja?“ Ich sah auf und konnte kaum atmen. Gilber Black schaute mir genau ins Gesicht, also musste Mr. Summers auf mich gedeutet haben oder so. Bis eben war ich noch in eine Zusammenfassung des Textes vertieft gewesen und hatte nur die Hälfte mitbekommen. Ich sah ihn ebenfalls an und er zeigte unverhohlen Neugier. „Hallo. Ich bin Gilbert, bin neunzehn Jahre alt und gerade erst hergezogen. Wer mehr wissen will, kann gerne fragen, aber ich möchte den Betrieb nicht noch mehr aufhalten, als sowieso schon.“ Er lächelte und mir wurde ganz warm ums Herz. Die Mädchen hinter mir tuschelten aufgeregt, als er sich setzte und zaghaft lächelte. „Hi“, flüsterte ich und schob ihm mein Buch zu. „Kannst miteinsehen.“ Er lächelte wieder. „Danke. Brian, richtig?“ Ich nickte und wir konzentrierten uns vorerst auf den Unterricht. Bis etwa fünf Minuten vor Ende Mr. Summers meine Konzentration auf die Biologie wieder verschwinden ließ, indem er die Stunde vorzeitig beendete und mich bat mit Gilbert zusammen seine Bücher abzuholen und ihn auch zur nächsten Stunde zu begleiten, da er wisse, dass wir beide die nächsten Stunden gemeinsam haben würden. Ich nickte und versprach es. Immerhin hatte die Doppelstunde Biologie mir viel Konzentration abverlangt und Magie würde es jetzt auch noch einmal, da war es nicht schlecht, wenn ich zuerst Gilbert half und ihn danach mit in den Unterricht nahm. Wir beide verließen als letzte den Raum und Gilbert schaute mich unverwandt an. „Ist was?“, fragte ich vorsichtig, darauf bedacht höflich zu klingen und ihn nicht zu verschrecken. „Nein, nicht wirklich... ich bin es nur nicht gewohnt in eine neue Schule zu kommen und niemand stellt Fragen, nicht mal derjenige, der mir helfen soll alles zu finden.“ Er lächelte schüchtern. „Ich finde das immer aufdringlich. Wer was von sich erzählen will tut das in der Regel.“ Ich lachte ihn aufmunternd an. „Nicht, dass ich nicht neugierig wäre, aber ich denke die Mädels sind los, um meiner Freundin Bericht zu erstatten. Flurfunk ebend, deswegen bist du noch nicht belagert worden, aber das kommt noch.“ Irgendwie musste ich grinsen. „Ach so...“ Gilbert lachte. „Also, warum bist du hier?“, fing ich ein Gespräch an. „Weil ich irgendwo zur Schule gehen muss?“, lachte er. „Nein, was führt dich in diese Stadt und diese Schule, außer dem Grund, dass du wohl irgendwo dein Abi machen musst?“ Ich stieg in sein Lachen mit ein. Es wärmte mir die Seele. „Mein Dad hat 'nen neuen Job, meine Mutter kann für ihre überregionale Zeitung schreiben, wo sie will und ich muss eben mit, weil ich selbst kein Geld verdiene.“ Ich sah ihm an, dass er unsicher war. „Soll ich dir, wenn wir deine Bücher haben einfach mal ein, zwei Leute vorstellen, die dich nicht direkt beißen?“ Ich sah, dass er erleichtert aufatmete. „Danke, das wäre nett. Normalerweise finde ich nicht so schnell Anschluss, weil... na ja, Kerle mögen es irgendwie nicht, wenn man gut mit Mädels klarkommt.“ Er grinste verlegen. „Och, wir sind eine lustige Gemeinschaft, denen ist das egal. Jo ist ziemlich cool auch wenn er manchmal tut, wie ein Macho. Magie ist meine bessere Hälfte, kapselt sich im Moment etwas ab, weil sie denkt, dass wir nicht den selben Freundeskreis haben sollten, aber na ja... und den Rest stell ich dir später vor ja?“ Er nickte begeistert. „Deine Freundin... ist sie nett?“ Ich lachte: „Klar ist sie das. Sie war meine beste Freundin, bis vor einem Monat.“ „Mutig...“, kommentierte Gilbert die Sache. „Wieso das?“ Ich legte den Kopf schräg, doch wir waren fast am Sekretariat angekommen. „Später ja?“ Ich konnte nur nicken. Es dauerte nicht lange und wir hatten Gilberts Bücher beisammen und konnten den Trakt verlassen und auf den Pausenhof gehen. „Ganz schön viele Bücher“, seufzte Gilbert und lachte. „Tja, gewöhn dich dran, hier wird aus Büchern gelernt.“ Dieses Mal nickte er. „Was deine Freundin angeht... ich meinte nur mutig, weil ihr euch wahrscheinlich ewig kennt oder?“ „Klar, seit Jahren, warum?“ Ich zuckte die Schultern. „Ist das nicht komisch mit ihr zusammen zu sein?“, fragte er, „Immerhin kennst du sie in- und auswendig.“ „Schon, aber ich hab sie gern.“ „Wen hast du gern?“, hörte ich auf einmal ein zuckersüßes Flöten hinter mir und wurde umarmt. „Hallo Magie... dich, warum fragst du?“ Sie hatte sich ihren Weg in mein Blickfeld gebahnt. „Schön. Bekomm ich keinen Kuss?“ Sie zog eine Schnute und ich beeilte mich, ihr einen flüchtigen Kuss zu geben. „Magie, dass ist Gilbert Black. Ich habe die Aufgabe ihm zu helfen sich zu orientieren.“ Sie musterte ihn lange und nickte dann: „Hallo.“ Nun wandte sie sich wieder mir zu. „Aber... kann das nicht jemand anderes machen?“, wollte sie wissen. „Magie! Siehst du irgendjemanden, der als nächstes mit mir gemeinsam zum Englischkurs muss? Ich auch nicht, also bitte. Was soll das denn? So kenn ich dich gar nicht.“ Sie zog eine Schnute. „Du hattest gesagt, wir sehen uns in dieser Pause noch.“ „Magie, heute Nachmittag wollte ich bei dir vorbei kommen und dir bei deinem Bioproblem helfen, also... können wir uns drauf einigen, dass ich gerne jemand Neues helfe und dass ich dich trotzdem noch liebe, auch wenn ich das tue?“ Sie nickte, aber schien nicht überzeugt. Dennoch folgte sie uns, wie ein treues Hündchen, doch noch ehe wir die Gruppe von Leuten erreicht hatten, denen ich Gilbert vorstellen wollte, klingelte es zur nächsten Stunde. „Okay, das war wohl nichts. Dann erst Englisch und dann... tja... ist der Unterricht für mich gelaufen.“ Gilbert nickte: „Nicht nur für dich. Bin ich froh, dass ich dann nach Hause kann. Ganz schön anstrengend das hier.“ Magie drehte sich um und verschwand. „Ich glaub sie mag dich nicht“, lachte ich. „Liegt bestimmt daran, dass ich ihr wertvolle zehn Minuten mit ihrem ansehnlichen Freund gestohlen habe...“ Wir kamen beide nicht umhin herzlichst zu lachen. Magie war wirklich komisch und unhöflich heute. Wir kamen vorm Englischraum an und Gilbert musste jede Menge Fragen beantworten. Ich lauschte, weil mich doch interessierte, wer er oberflächlich war, selbst wenn ich wusste, dass er vielleicht nie mit mir befreundet sein würde. Während des Unterrichts saßen wir wieder zusammen, weil nirgends anders Platz war. Es war interessant zu sehen, wie er arbeitete, denn auch er war äußerst konzentriert, genau wie ich. Ihm war sein Abi offenbar ebenfalls sehr wichtig, wie mir auffiel. Nach dem Unterricht verließen wir beide gemeinsam den Kursraum und ich fragte: „Sag mal, wo wohnst du eigentlich genau?“ „Jacksonroad“, gab er knapp zur Antwort. „Nicht wahr!“ Dann war er vor einigen Tagen ins Nachbarhaus eingezogen und ich hatte nichts davon gewusst? „Wenn ich's doch sage.“ „Tja, dann sind wir beide wohl direkte Nachbarn.“ Ich kam nicht umhin zu lächeln. „Nicht wahr!“, ahmte er mich nach und ich grinste frech. „Wenn ich's doch sage.“ Wir würden uns ziemlich gut verstehen, das war jetzt schon klar. Kapitel 3: April ---------------- I say love it is a flower and you it's only seed Gilbert und ich gingen seit er bei uns zur Schule ging täglich gemeinsam zur Schule. Joel und er verstanden sich gut und auch mit dem Rest von den Jungs und Mädels kam er super aus. Nur Magie war noch immer eine Ausnahme. Keiner wusste, woran es lag, aber sie machte ihm das Leben wirklich schwer. Ich konnte keinen Schritt tun, ohne, dass sie kontrollierte, ob ich mit Gilbert rumhing. Wir saßen zusammen in meinem Zimmer, sie rief an und das nur, weil wir Musik hörten. Ich verstand sie nicht. Dauernd machte sie mir Szenen. Es war der vierzehnte April. Wir waren zwei Monate auf den Tag genau zusammen, als sie mir mitten auf dem Schulhof eine Szene machte. „Ich will nicht, dass du dich mit ihm triffst!“, schrie sie. „Wo ist das Problem? Ich hab dir gesagt, dass wir Morgenabend weggehen wollten und du machst es kompliziert. Hör auf mich zu kontrollieren!“, tobte ich zurück. Alle unsere Freunde standen drum herum und schauten uns zu, mal wieder. „Verdammt, ich habe kein Problem mit ihm. Ich mag ihn einfach nicht!“, wetterte sie. „Hör auf dich wie eine gottverdammte Zicke aufzuführen Magie! Ich gehe mit den Jungs weg und damit basta, wenn dir das nicht passt, bitte, dann lass es eben.“ Ich schaute sie herausfordernd an. „Wenn du mit ihnen weggehst, dann verlasse ich dich.“ In ihren Worten schwang mit, dass sie es ernst meinte. „Dann tu es halt, aber doch bitte gleich.“ Ich war wütend und es war an der Zeit ihr klar zu machen, dass Liebe zerbrechlich ist und dass sie mich nicht, wie ihr Eigentum behandeln konnte. „Gut... es ist aus. Das wolltest du doch die ganze Zeit. Werd doch glücklich mit der verdammten Schwuchtel.“ Sie warf mir die Worte vor die Füße und ich schüttelte nur den Kopf. „Du hast sie auch nicht mehr alle...“ Sie ging, einfach so und war weg. Ich stand da und schaute ihr noch einen Moment hinterher, bis Joel mir eine Hand auf die Schulter legte: „Alles okay?“ Nicht nur er wirkte besorgt. „Tja, das war es dann wohl.“ Ich seufzte und stellte mich wieder zu den anderen. „Tut mir Leid, dass ihr das mitansehen musstet. Die spinnt doch...“ „Bri, warum hast du nicht einfach abgesagt und bist mit ihr ausgegangen, wenn ihr das so wichtig war?“, Jake, einer meiner Kumpel schaute mich fragend an. „Weil ich atmen möchte, deswegen. Ich lass mir nicht sagen, dass sie ausgehen kann, wann und mit wem sie will, aber wehe ich tue einen Schritt ohne sie und beschließe, mein eigener Mensch zu sein... Sowas geht so gar nicht.“ Ich schäumte vor Wut. „Sag mal Brian, hat sie dir da gerade wirklich vorgeworfen, dass einer von uns schwul sei?“, Alex, ein anderer von meinen Freunden schaltete sich ein. „Ja, ich denke, sie ist eifersüchtig drauf, dass ich so gut mit euch klarkomme und sie eben nicht mehr... Versteh einer die Frauen. Jetzt weiß ich, warum ich so lange Single war. Sie sind anstrengend.“ Die anderen stimmten in mein Lachen ein. Doch ich lachte mehr über meine eigene Dummheit, als über sonst etwas. Ich war ihrer einfach müde und ich war erschöpft, weil sie so viel von mir forderte. Auf dem Heimweg war ich wie üblich die letzten fünfzehn Minuten mit Gilbert alleine. Joel hatte versucht die Stimmung locker zu halten, aber jetzt herrschte Schweigen. „Ich war mit Schwuchtel gemeint oder?“ Ruckartig blieb ich stehen. „Woher...?“ „Früher oder später kriegt man mit, was die Leute sagen...“ Er lächelte zaghaft. „Was kümmert es mich, was sie sagen?“ Ich lachte. „Wir sind befreundet und daran würde sich nichts ändern, nur weil wir nicht gerade die selbe Sexualität haben. Wobei wir darüber noch nie geredet haben und ich das deswegen von dir auch gar nicht weiß.“ Er starrte mich an. „Du bist ganz schön tolerant für nen Kerl.“ Ich grinste und zuckte die Schultern. „Mein Onkel ist schwul. Soll ich zurückzucken und ihm sagen, fass mich nicht an? Das geht nicht. Also bin ich tolerant aufgewachsen und akzeptiere die Menschen, wie sie sind.“ „Wow... du akzeptierst nicht, dass Magie dich für sich alleine haben will, aber eine Sexualität, die nicht mit deiner konform ist akzeptierst du sofort? Irgendwie komisch.“ Gilbert schaute mich nachdenklich an, während wir weitergingen. „Gar nicht. Das eine schränkt meine persönlichen Freiheiten ein. Das andere tut keinem weh. Deswegen kann ich das eine akzeptieren und das andere nicht.“ Ich lächelte. „Verstehe.“ Wir schwiegen eine Weile und dann sah ich, dass Gilbert lächelte: „Du bist ein netter Kerl Brian. Ich weiß echt nicht, warum du dich auf eine Tusse wie sie eingelassen hast. Dir würde ein netter Mensch viel besser stehen.“ „Danke für die Blumen, das tut gut das zu hören.“ Ich klopfte ihm auf die Schulter und grinste ihn an. Ich weiß nicht mehr, warum ich nicht beachtete, dass er nicht Frau, sondern Mensch sagte und damit jedes Geschlecht als passend an meiner Seite hinstellte. Ich war wahrscheinlich zu erleichtert wieder Single zu sein, als dass ich darüber hätte nachdenken können. „Also, da du nun wieder frei bist, wird es Morgen sicher lustig. Immerhin hatten Alex, Jake, Jo, Mark, Beth, Julia und Masy schon überlegt, wie wir dich rausholen, falls Magie dich nicht raus lässt.“ Wir lachten über die Vorstellung, dass die kleine, zarte Magie, mich wirklich hätte einsperren können. „Ihr seid echte Freunde.“ Wir verabschiedeten uns wie immer vor Gilberts Haus und wir huschten beide nach Hause, zum Essen und Lernen. Wir beide waren recht fleißig und hatten überwiegend die gleichen Kurse, was recht angenehm war. Gilbert war wirklich jemand, mit dem es Spaß machte, zu lernen oder mich einfach mit ihm zu unterhalten. Ich mochte ihn gerne. Er wärmte mich, seitdem ich ihn das erste Mal gesehen hatte und das tat mir gut. ~*~ Gilbert half mir die Treppen zu meinem Zimmer nach oben. Ich war ziemlich angetrunken oder doch eher betrunken? Mir war es nicht ganz klar, aber das letzte Bier musste schlecht gewesen sein. Das Bett, in das mir Gilbert half, war meins, das wusste ich. Er wollte auf dem Sofa in meinem Zimmer schlafen, weil seine Eltern übers Wochenende Gäste hatten und er keinen wecken wollte. Mir war schrecklich schwindelig. Gilbert beugte sich besorgt über mich. „Brauchst du was? Ein Glas Wasser vielleicht?“ Ich schaute direkt in seine braunen Augen und war erstaunt darüber, dass er so viel größer zu sein schien, als ich, dabei wusste ich eigentlich, dass er etwas um die zehn Zentimeter größer war, als ich. Sein dunkelbraunes, fast schwarzes Haar hing ihm ins Gesicht und ich war erstaunt darüber, dass ich ihn sexy fand. „Wasser wär toll und... die Jeans ist total eng...“, murmelte ich und schüttelte etwas benommen den Kopf. Ich würde wohl einen ordentlichen Brummschädel bekommen. „Hier dein Wasser...“ Ich hatte nicht bemerkt, wie er zum Tisch gegangen war und mir eines meiner Gläser, die immer in meinem Zimmer standen mit Wasser gefüllt hatte. Nur langsam kam ich hoch und setze mich auf, um ein Danke zu lallen. Mir war so schlecht. Dennoch war Gilbert toll. Er war wirklich fürsorglich. Er müsste das nicht tun. Eigentlich könnte er sich einfach aufs Sofa legen und schlafen, aber er war für mich da. Ich wusste gar nicht, warum er so lieb zu mir war. Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis ich wieder aufstehen und mir andere Klamotten anziehen konnte, damit ich ins Bett kam. „Gute Nacht Gilbert“, flüsterte ich und er erwiderte meinen Gruß. Wir lagen eine Weile stumm da, als er meinte: „Hast du wegen Magie so viel getrunken?“ Ich lachte leicht: „Eher weil es so lustig war mit euch. Ich... ich hab Magie nicht geliebt. Sie war eben doch nur meine beste Freundin, weißt du...“ „Du wusstest es eben nicht besser...“ Gilbert seufzte leicht. „Ja, mag sein, aber... sie ist so zerbrechlich und zart... ich mein, sie tut mir schon Leid...“ Ich schüttelte den Kopf. „Das stimmt schon, aber weißt du Liebe ist eine Blume, für die jeder Mensch nur einen einzigen Samen besitzt, der wirklich in der Lage ist aufzublühen. Egal, wie schwer es sein mag, du wirst die schönste aller Blumen finden, in dem Menschen, der für dich bestimmt ist.“ Ich wusste in meinem betrunkenen Kopf nicht, was er mir damit sagen wollte, doch ich fühlte mich sicher in seiner Gegenwart, aber da war mir nicht klar, dass noch einiges geschehen würde und dass er Recht hatte. Die Liebe ist eine Blume und es gibt nur einen passenden Menschen für jeden... Kapitel 4: Mai -------------- It's the heart afraid of breaking that never learns to dance Der Rest des Aprils war an mir vorbeigezogen und der Mai war still und leise gekommen. Ich hatte nicht gewusst, was ich sagen oder tun sollte, um Magies Freundschaft zu behalten, aber ich wusste auch nicht, was ich tun sollte, damit dieses komische Gefühl, dass mich seit einigen Tagen übermannte nicht mehr losließ verschwand. Immer wenn Gilbert mir direkt in die Augen sah, wurde ich knallrot oder eher ich hatte das Gefühl rot zu werden. Warum auch immer das so war, so wusste ich doch, dass es nicht so sein sollte. Magie erzählte jedem, der es hören wollte oder auch nicht hören wollte, dass Gilbert eine verdammte Schwuchtel war, um sie zu zitieren, die ihr den Freund weggenommen hatte. Aber er war sicher nicht Schuld daran, dass ich sie einfach nicht liebte. Ich konnte sie einfach nicht lieben. Warum wusste ich damals noch nicht. Es war die dritte Maiwoche, als Gilbert mich fragte, ob wir nicht gemeinsam einen DVD Abend machen wollten. Ich hatte keine Ahnung, dass es nur um uns beide ging, aber sagte dennoch zu. Ich würde wohl auch bei ihm übernachten können, meinte er, das sei kein Problem, dann müsse ich nachher niemanden wecken, wenn ich Heim ging. Ich wusste nicht, warum ich so entspannt zustimmte, aber es war mir nicht unangenehm, dass ich dort mit ihm zusammen auf einem Sofa hocken sollte, um mir Filme anzusehen. Ganz im Gegenteil freute ich mich darauf. Niemand fragte auf dem Schulhof in der Pause, ob er etwas mitbringen sollte, aber das Gesprächsthema Nummer eins, war wie so oft Magie, die eben Joel schief von der Seite angemacht hatte, von wegen, dass er dafür sorgen sollte, dass Gilbert die Finger von mir ließ. „Mensch Jo, nimm's nicht so schwer. Sie ist eifersüchtig, weil ich euch alle lieber habe als sie.“ Ich lachte herzlich über die Angelegenheit, doch Gilbert schien es etwas schwerer zu nehmen. „Hör mal Gil, das glaubt eh keiner, was sie sagt. Die Mädels fliegen doch auf dich, hör nicht auf die Kuh. Alle wissen, dass sie eifersüchtig ist, weil Bri und du sich so gut verstehen“, warf Julia ein. „Freundschaftstechnisch hast du eben ihren Platz hier eingenommen und den wollte sie gerne zurückhaben“, stimmte Masy, unsere zukünftige Psychologin zu. „Schon, aber dass sie solche Gerüchte verbreitet ist eben unangenehm oder Gil?“, verteidigte Jake ihn, der sonst ein ziemlicher Macho war. „Ja, das ist wahr. Ich frage mich sowieso, was sie gegen mich hatte. Ich hab ihr nun weiß Gott gar nichts getan“, stimmte Gilbert ein. Alex, Mark und Beth fingen daraufhin an zu kichern. Beths Zwillingsschwester war eng mit Magie befreundet und die Zwillinge hatten, wenngleich sie unterschiedliche Freundeskreise hatten, keine Geheimnisse voreinander. „Sie hat mitbekommen, worüber ihr beide am ersten Tag, als du herkamst geredet habt und sie weiß auch, dass du Bri dazu geraten hast, zu machen wonach ihm ist. Tja... das hat ihr nicht gefallen und sie denkt, dass du den lieben Bri gerne in die Kiste bekommen würdest.“ Sie lachte lautstark los. „Wenn er das gewollt hätte, hätte er dazu schon eine Gelegenheit gehabt. Immerhin war ich vor ein paar Wochen ziemlich betrunken. Da hätte ich mich gar nicht wehren können.“ Ich grinste Gilbert frech an. „Stimmt, aber ich war ganz brav, nicht wahr Brian?“ Wie um seinen Spaß zu unterstreichen, kniff er mir mit einem Zwinkern in den Hintern und ich fuhr mit einem 'au' herum und sah nur, dass seine Augen vor Schalk blitzten. „Hört, hört! Und bei euch soll nichts gelaufen sein?“, wieherte Alex und Mark stimmte ebenfalls mit ein. „Also dann fress ich 'nen Besen.“ „Tja, dann sollten wir dir einen besorgen gehen“, giggelte Gilbert und winkte spielerisch den Hausmeister heran, der nur die Augen verdrehte, ob unserer Kinderei. Wir hatten tierischen Spaß daran, uns darüber lustig zu machen, was unsere Lieblingstussi so erzählte, denn immer ging es gegen Gilbert und mich und irgendwie wunderte es mich nicht einmal, denn ihre Eifersucht zog Kreise, von denen ich damals keine Ahnung hatte. ~*~ Am Abend ging Brian als rüber zu Gilbert, was nicht besonders weit war, aber dennoch waren meine Wangen vom Wind leicht gerötet, als mein Gastgeber mir die Tür öffnete. „Hey, da bist du ja endlich.“ Gilbert grinste mich an und ließ mich rein. „Es ist ganz schön kühl heute Abend“, meinte ich nur und legte meine leichte Frühlingsjacke ab. „Tja, dann können wir ja froh sein, dass wir es uns oben bei DVDs gemütlich machen. Ich dachte so ganz stilecht, wegen der Gerüchte an Brokeback Mountain.“ Ein schallendes Lachen nahm mich gefangen. „Wenn du drauf stehst, bitte, aber ich garantiere nicht dafür, dass ich nicht einschlafe“, konterte ich, „Sind die anderen schon da?“ „Wieso das? Julia und Masy, sind mit Beth auf irgendeiner Tussenparty, Marc, Alex, Jake und Jo sind zusammen zu so einer Autoshow gegangen und du sagtest vor zwei Wochen, dass du daran kein Interesse hast und da ich nicht wollte, dass wir beide heute Abend alleine zu Hause sitzen, dachte ich, dass wir uns zusammen einen schönen Abend machen. Hab Popcorn, Chips und diverse andere Süßwaren oben, wenn dir danach ist. Außerdem jede Menge Getränke und... Alles okay, du bist ja kreidebleich.“ Gilbert hatte vor sich hin geplappert und ich war offenbar ziemlich blass geworden. „Nur wir beide? Warum hast du das nicht gleich gesagt?“, wollte ich etwas zögernd wissen. „Komm erstmal hoch und dann sagst du mir bitte, wo bei nur wir beide das Problem liegt...“, meinte Gilbert und ich ging wirklich mit ihm nach oben. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich war entsetzlich nervös. Irgendwas stimmte doch nicht mit mir und ich wusste beim besten Willen nicht, was es sein könnte. Warum reagierte ich so entsetzlich nervös auf die Tatsache, dass ich mit Gilbert allein bleiben würde? Ich war doch nicht zum ersten Mal mit ihm alleine in einem Raum und ich wusste immer noch nicht, ob er Frauen oder Männer als Sexualpartner bevorzugte. Warum also sollte ich mir Gedanken machen? Wenn er nichts Anderes erwähnt hatte, war er sicher hetero und ich brauchte keine Angst zu haben, dass er mir irgendwie zu nahe kam oder wollte ich das vielleicht? Mein Hirn spielte mir offenbar schon Streiche. Das durfte einfach nicht sein! Ich und sch... STOP... Gehirn einschalten. Sehr gut, der Gedanke war erfolgreich verdrängt. Ich konnte also wieder anfangen meine Gedanken in andere Bahnen zu lenken. In Gilberts Zimmer setzte ich mich etwas zaghaft aufs Sofa, dass gegenüber des Fernsehers stand. „Also Brian, was ist los mit dir?“, fragte Gilbert vorsichtig. „Ach, es ist nur... ich hab einfach nicht erwartet, dass wir alleine sein werden und bin überrascht“, log ich. Doch Gilbert kannte mich schon eine Weile und durchschaute mich offenbar. „Und jetzt die Wahrheit.“ „Das ist die Wahrheit Gilbert. Ich... ich mein... na ja... ich steh nicht sonderlich auf Brokeback Mountain.“ Wir beide lachten und er hielt mir ein paar Filme hin, bei denen ich sicher sein konnte, dass ich sie mochte. Wahllos tippte ich auf einen. Gilbert kuschelte sich neben mich aufs Sofa und so schauten wir beide den Film, bis der Abspann lief weitestgehend stumm. Nicht, dass ich etwas davon mitbekommen hätte, aber er würde es nicht merken, weil wir beide Popcorn, Chips und Gummitiere in uns stopften und ab und zu etwas tranken. Doch, auf Gilberts Frage nach noch einem Film reagierte ich nicht, sondern starrte weiterhin auf den Fernseher, der mittlerweile nur noch ein Flimmern zeigte. „Brian! Hörst du mir zu?“, rief er etwas lauter und ich schreckte hoch. „Wie bitte?“ Sein Gesicht war unheimlich nahe, wie war das dahin gekommen? „Ob du noch einen Film sehen willst. Aber du hast eh nicht hingesehen oder?“ Er ließ sich neben mich fallen und legte mir die Hand auf den Oberschenkel, als ich leicht nickte. „Was ist los mit dir? So vertieft in Gedanken?“ Er lachte leicht und ich schaute an ihm vorbei aus dem Fenster. „Ich weiß einfach nicht, was in mir vorgeht...“, flüsterte ich und er sah mich etwas erschrocken an. „Was meinst du damit?“ Sein Arm legte sich um meine Schultern und er zog mich etwas an sich, sodass ich meinen Kopf an seinem Oberkörper vergraben konnte. „Ich wollte Magie nicht und jetzt... ich weiß nicht, aber ich hab dauernd das Gefühl zu erröten, wenn ich jemand bestimmten begegne. Ich weiß einfach nicht, was mit mir los ist. Ich werde so nervös, in der Gegenwart dieser Person.“ Ich seufzte. Es war unglaublich warm bei ihm. „Was für eine Art Nervosität ist es denn?“, fragte Gilbert leise und strich mir beruhigend über den Rücken. „Ich weiß nicht, ich werde ganz kribbelig und kann nicht mehr aufsehen. Meine Hände werden feucht... ich weiß nicht...“ Ich seufzte, wollte mich aus dieser Umarmung befreien, weil mir schrecklich heiß wurde und mein Herz wie wild in meiner Brust schlug. Sacht lachte er. „Hör mal Brian, die Gerüchte, dass ich Magie den Freund weggenommen habe, sind zwar nicht wahr, aber das wissen nicht alle.“ Ich schaute etwas irritiert auf. „Das weiß ich auch, aber was...“ Ich stockte. Er wollte mir sagen, dass sie Recht hatte und er auf Männer stand oder? Ich sah ihn einfach nur an. „Brian, ich sag dir das, weil ich denke, du wirst es niemandem sagen. Ich bin schwul. Meine Eltern haben sich mit der Situation arrangiert, aber meine ehemaligen Klassenkameraden kamen damit weniger klar, deswegen sind wir hergezogen und deswegen bin ich hier. Es ist nicht so schwer, schwul zu sein, wenn man Freunde hat, die Rückendeckung geben Brian.“ Er lächelte aufmerksam. „Du hast es gemerkt und deswegen sind wir heute Abend alleine oder?“, flüsterte ich. „Wie sollte ich nicht, wenn deine Wangen ständig glühen, wenn du mich siehst?“, er lachte leicht und wuschelte mir durchs Haar. „Ich hab Angst...“ Meine Stimme gab nach und er nickte leicht. „Ich weiß Brian und es gibt Dinge, vor denen man aus gewissen Gründen Angst hat. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, aber... vielleicht...“ Er blickte auf mich hinab und ich nickte zaghaft. „Ich weiß nicht, was ich machen soll, aber ich will versuchen damit klar zu kommen und ich möchte versuchen zu verstehen, was mit mir los ist, bevor ich etwas Konkretes sage.“ Meine Stimme klang sehr weit weg. „Klar Brian, ist kein Problem. Ich weiß, dass es nicht so leicht ist, wie es aussieht. Aber vergiss nicht, dass es das Herz ist, welches fürchtet zu zerbrechen, dass niemals lernt, leicht in der Luft zu tanzen.“ Ich musste lachen: „Wie war das mit Brokeback Mountain du Philosoph? Vielleicht lerne ich doch noch was.“ Er stimmte in mein Lachen ein und die Atmosphäre entspannte sich merklich, denn wir beide wussten, dass meine Angst nicht ewig andauern würde... Kapitel 5: Juni --------------- It's the heart afraid of waking that never takes the chance Ich saß zusammen mit Joel in meinem Zimmer. Gilbert war mit seinen Eltern übers Wochenende zu irgendeiner Familienfeier losgezogen und ich hatte das erste Mal das Bedürfnis mit jemand Anderem, als Gilbert über mein Gefühl zu reden. „Jo, sag mal... was würdest du machen, wenn ich wirklich was mit 'nem Kerl anfangen würde?“ Meine Stimme zitterte leicht und ich sah, wie Joel sich an seiner Cola verschluckte. Als er das Husten beendete, schien er eine Weile nachzudenken. „Ich würde dich auslachen, weil du nie schwule Züge gezeigt hast.“ Er grinste. „Jo, jetzt mal im Ernst.“ Ich zog die Beine an und umschlang meine Knie mit den Armen. „Du hast dich in nen Kerl verliebt oder?“ Joel flüsterte es nach einer Weile und ich nickte. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber... ich friere nicht mehr. Immer wenn er da ist, wird mir warm ums Herz. Ich... ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.“ „Hast du Gilbert gesagt, was du für ihn empfindest?“ Joel schaute mich fragend an. „Woher weißt du...?“ Meine Augen mussten gerade so groß, wie Servierplatten geworden sein. „Ich bin nicht blind und nicht taub Bri. Ich kann damit leben, wenn du schwul sein willst. Ich mein, Gilbert ist ein toller Typ und du bist seit Ewigkeiten mein bester Freund und... Na ja...“ Joel schaute nach unten. „Du würdest gerne versuchen bei Magie zu landen, weil du noch immer die Hoffnung hast, dass sie nur mir gegenüber so eine Zicke geworden ist?“ Ich grinste. Sein Nicken sagte mir alles. „Versuch es. Aber... sag Gilbert nichts, ich... ich weiß nicht, ob ich bereit dafür bin, es zu versuchen.“ Ich lächelte schwach. „Bri, du solltest die Chance ergreifen, sonst werden deine Gefühle nie vollkommen erwachen und das möchtest du doch sicher nicht oder?“ Er lachte und wir beide ließen den Nachmittag ruhig ausklingen. Es tat so gut Joel um mich zu haben. Ich hatte ihn als Freund wirklich gern. ~*~ Gilbert kam Sonntagnachmittags von seinem Familienfest zurück und fragte mich, ob ich am Abend noch vorbei kommen wollte. Er betonte auch, dass wir zu zweit sein würden, weil er auf mehr Gesellschaft keine Lust hatte und ich sagte zu, wenngleich ich wusste, dass ich wieder kaum ein Wort herausbekommen würde. Mein Herz wummerte jedes Mal viel zu sehr, als dass ich vernünftig hätte sprechen können. Ich ging dennoch hin und er strahlte mich an, als er mich sah. „Ich freu mich so, dich zu sehen“, hörte ich ihn sagen und dann fiel er mir schon um den Hals. „Hi Gilbert. Du warst doch gar nicht so lange weg.“ Ich lachte leicht. „Seine Großeltern haben einen Verkupplungsversuch gestartet, da ist er froh, jemanden zu sehen, der ihn nimmt, wie er ist, weißt du Brian.“ Seine Mutter stand plötzlich hinter ihm und lächelte. „Gilbert, lass ihn reinkommen!“, rief sein Vater aus der Küche und ich musste noch mehr lachen. „Hör auf deine Eltern du Weichei.“ Nur widerwillig ließ er mich los und ich konnte reinkommen. „Wollt ihr beide auch Kaffee und ein Stück Kuchen? Wir haben Unmengen von Großmutters Kuchen mitnehmen müssen Brian und der wird jetzt ständig verzehrt, damit er nicht verdirbt, also?“ Gilberts Mutter lächelte freundlich und ich nickte unsicher. „Gerne, warum nicht?“ Gilbert strahlte mich an und sagte nichts mehr dazu. Die Kaffeerunde mit seinen Eltern war wirklich angenehm. Ich ahnte zwar, dass sie nur den neuen Schwarm ihres Sohnes kennenlernen wollten, aber sie tarnten es subtil und waren einfach nur natürlich und lieb. Ich wusste gar nicht, dass Eltern so cool sein konnten. Nach dem Kaffee und dem wunderbaren gedeckten Apfelkuchen entschuldigte Gilbert uns aber dann doch und meinte, er würde mir gerne erzählen, was am Vortag geschehen sei, er wolle eine andere männliche Meinung zu der Sache hören. Oben angekommen setzten wir uns auf sein Sofa und ich sah ihm direkt in die Augen. „So schlimm?“, fragte ich, als ich sah, dass diese sich mit Tränen füllten. „Sie hat schrecklich über meinen Onkel hergezogen, währen sie mir ein, wie nannte sie es gleich, nettes, junges Mädchen, an die Seite stellte, die ich doch unterhalten sollte. Sie meinte, dass Homosexualität nur eine Entscheidung sei, um die Familie zu demütigen und dass sie das nicht noch einmal in ihrer Familie dulden wird. Sie war so... so...“ Gilbert zitterte leicht und ich sah, wie die Tränen flossen. „Sie war eiskalt...“, beendete er schließlich den Satz und warf sich in meine Arme. „Gilbert, hör mal, das ist nicht der Untergang der Welt. Du musst ihr ja nicht sagen, dass du auf Männer stehst hm?“, beruhigend strich ich ihm über den Rücken, versuchte ihn zu trösten. „Ich hab ihr vor den Kopf zugesagt, dass sie im Unrecht ist.“ Seine Stimme verlor sich und ich seufzte. „Du hast ihr auch gesagt, dass du schwul bist, nehme ich an?“ Er nickte leicht. „Und ich hab ihr auch gesagt, dass ich mich in jemanden verliebt habe... und... ach scheiße... Alle haben sie mich angesehen, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Ich weiß einfach nicht, wie ich denen nochmal ins Gesicht sehen soll.“ Er schluchzte leise und ich hielt ihn fest. „Das musst du nicht, wenn du das nicht möchtest Gilbert und das weißt du auch oder?“ Ich lächelte leicht. „Ich bin so froh, dass du da bist, sonst... Ich wüsste nicht, mit wem ich reden sollte...“ Ich gab einen verstehenden Laut von mir. „Du kannst jeder Zeit mit mir reden, das weißt du doch.“ Er lächelte zaghaft. „Du Brian... ich... ich wünschte, ich...“ Er senkte den Blick und ich seufzte leicht. „Sagst du mir, was du wünschtest Gilbert oder hast du Angst?“, flüsterte ich. „Ich...“ Er sah auf und ich wusste genau, was er gerade mehr als alles Andere wollte. „Ich wünschte, du würdest mich öfter so in den Arm nehmen.“ „Das kann ich jeder Zeit tun, wenn du darum bittest oder aber... es einfach andeutest.“ Mein Lächeln sollte möglichst liebevoll und warmherzig sein. „Danke“, hauchte er und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Verwunderung ergriff von mir Besitz, doch dann lächelte ich einfach nur und strich ihm übers Haar. „Du bist so viel mehr wert, als die Leute, die dich beschimpfen Kleiner. Lass dich nicht kaputt machen.“ Mir kamen Joels Worte in den Sinn. Ich durfte keine Angst haben, dieses Gefühl aufblühen zu lassen, immerhin gab ich zu, mehr für Gilbert zu empfinden, als Freundschaft. Er war jemand Besonderes für mich geworden und ich wollte ihm das so gerne zeigen. Nur, wie sollte ich das tun? Wir saßen eine ganze Weile schon in der Stille seines Zimmers. Der Mond schien hell ins Zimmer hinein und Gilbert kuschelte sich an mich, wie ein streunendes Kätzchen, dass jemanden gefunden hat, der es aufnimmt. Es dauerte sehr lange, bis Gilbert wieder aufsah und unsere Blicke sich begegneten. Ich war so überwältigt von dem, was ich in seinen braunen Augen lesen konnte, dass ich errötenden den Blick senkte. „Hast du schonmal einen Mann geküsst Brian?“, flüsterte er und setzte sich etwas auf. Ich schüttelte den Kopf. Ich hörte, wie er tief ausatmete, als habe er die Luft angehalten. „Darf ich... darf ich... nur ganz vielleicht...“ Noch ehe er zu Ende sprechen konnte, legte ich meinen Finger auf seine Lippen und nickte zaghaft. Er sollte es einfach tun. Es war vielleicht die Chance, die ich ergreifen musste, selbst wenn das bedeutete, dass ich bald auch zu meinen Gefühlen stehen musste, aber Gilbert hatte es mir doch von Anfang an angetan, warum also jetzt warten? Ich sah in seinem Gesicht eine Mischung aus Überraschung und Glück, ehe er sich sacht vorbeugte und mich zärtlich enger an sich zog. „Wenn es dir zu viel wird, dann musst du mir das deutlich machen, ja?“, hauchte er. Im nächsten Moment verteilte er federleichte Küsse auf meinem Gesicht und Hals und ich musste mich an ihm festhalten. Ich konnte einfach nicht anders. Als seine Lippen hungrig meine suchten, hatte ich schon längst meine Augen geschlossen und genoss nur noch. Unsere Lippen tauchten zuerst nur leichte, liebevolle Zärtlichkeiten aus, doch dann wurde es immer intensiver. Ich spürte, wie seine Zunge leicht über meine Unterlippe fuhr, wie ich meinen Mund gefangen in Leidenschaft etwas öffnete, um ihm Einlass zu gewähren und spürte, wie er meine Mundhöhle erkundete, dabei immer wieder meine Zunge anstubste, mich herausforderte mit ihm zu spielen und nur zu gerne tat ich es. Es war so unglaublich, ihn zu küssen, von ihm geküsst zu werden, zu spüren, wie intensiv es sein konnte, wenn man einander wirklich wollte. Es dauerte eine Weile, doch dann forderte die Natur ihren Tribut. Mir blieb die Luft ebenso weg, wie Gilbert. Lange sahen wir einander in die Augen und ich konnte nicht glauben, was da geschehen war. Ich spürte seine starke Umarmung, seine Fingerspitzen, die sacht meinen Rücken auf und ab streiften und seine Nähe unglaublich intensiv und das auch nach diesem Kuss und noch immer hielt ich mich an ihm fest, hatte Angst vom Sofa zu rutschen, wenn ich ihn losließ. „Brian, brauchst du einen Schluck Wasser?“, flüsterte Gilbert nach einer Weile und küsste mich auf die Wange. Ich schüttelte zur Antwort nur den Kopf, war langsam weniger benommen. „Alles in Ordnung?“, fragte er leise und streichelte mir über die Wange. „Du hast mich nur schwindelig geküsst“, lachte ich und kuschelte mich an ihn. Ich wusste nicht warum, aber ich wollte gerne eine Zukunft mit ihm haben. Nie hatte ich über eine Beziehung zu einem Mann nachgedacht, aber ich wollte es bei ihm wirklich. Er gab mir einfach Wärme und Liebe. Zum ersten Mal seit langem, hatte ich das Gefühl, jemandem etwas wert zu sein und ihm mehr zu bedeuten, als nur einen Status. Ich war glücklich. Kapitel 6: Juli --------------- It's the one who won't be taken who cannot seem to give Diese Sache war jetzt ungefähr zwei Wochen her und wir beide hielten gut versteckt, was zwischen uns vor sich ging. Es war nicht, dass ich den anderen nicht vertraut hätte, aber ich wollte niemandem Angriffsfläche geben und Gilbert ging es genauso. Wir wollten zuerst ganz sicher sein, dass es mehr bedeutete, als nur eine kurze Liason. Natürlich war ich unglaublich glücklich, ihn bei mir zu haben und ich wusste auch, dass ich froh darüber sein konnte, dass er mich liebte, aber ich hatte Angst. Wer hätte keine Angst. Ich meine, gerade mal hatte ich einen Mann geküsst, ahnte, dass ich absolut unabänderlich in ihn verliebt war und wusste auch, dass ich das auf lange Sicht meinen Freunden und auch meiner Familie sagen musste. Vielleicht erst nur meinen Eltern, aber irgendwann würde auch der Rest meiner Familie es erfahren und was das bedeuten würde, wusste ich nicht. Ich hatte noch nicht einmal Ahnung davon, wie mein Vater reagieren würde. Meine Mutter würde vielleicht mehr Verständnis haben, als er, aber... Ich hatte schreckliche Angst, wenngleich ich auch etwas genießen wollte, was ich hatte, nämlich meine Nähe zu Gilbert. ~*~ Es war Joel, der mich als erster auf die Sache ansprach, als wir beide einfach mal einen Abend zu zweit im Kino verbracht hatten. „Sag mal Bri“, fing er an, „ich will dir echt nicht zu nahe treten, aber... stehst du auf Gil?“ Ich sah ihn erstaunt an und versuchte es mit Angriff. „Warum?“ „Weil du ständig nervös wirst in seiner Gegenwart und... ihr beide strahlt euch an, wie zwei frisch Verliebte. Nichts gegen dich, aber es ist echt hart, wenn du so guckst. So hättest du mal bei Magie schauen sollen, dann hättest du sie sicher noch eine Weile gehabt.“ Er grinste verlegen und schaute nach unten. „Jo, ich hab Magie nicht geliebt. Ich mein... Ich werd sie auch nie lieben, weißt du. Es war echt schwer so zu tun, als ob, aber da war nichts, was ich hätte lieben können oder was auch nur halbwegs anziehend war in meinen Augen.“ Ich lachte leicht. „Gilbert ist also sexy und anziehend?“, fragte er und ehe ich mich versah rutschte mir die bejahende Antwort schon raus und Joel starrte mich an. „Du stehst wirklich auf ihn oder?“ Ich nickte. „Weiß er das?“ Seine Augenbrauen schnellten im Unglauben nach oben. „Ja, er weiß das und... er erwidert das. Er weiß, dass ich es langsam angehen lassen will und findet es okay, dass ich unser Tempo bestimme.“ Ich lächelte verträumt, beim Gedanken an Gilbert. „Du hast mir nichts gesagt?“ Ich sah Joel an, dass er mehr über diese Sache entsetzt war, als über die Tatsache, dass ich mit einem Mann zusammen war. „Nein. Ich hab es niemandem gesagt, wenn es dich tröstet und du bist der Erste, der es herausgefunden hat. Nur bitte kein Wort zu Gilbert. Wir wollen es euch sagen oder mitteilen, aber eben noch nicht.“ Ganz plötzlich stieg Verunsicherung in mir auf. „Klar kein Thema. Nur wartet nicht zu lange.“ „Wir warten, bis wir entschieden haben, wie tief unsere Bindung ist und was wir beide machen wollen...“ Ich sprach sehr leise, dennoch wusste ich, dass Joel jedes Wort hörte. ~*~ Es waren einige Tage nach diesem Gespräch vergangen, als Gilbert und ich auf dem Fußboden in meinem Zimmer saßen. Ich hatte mich gegen ihn gelehnt und er hatte locker seine Arme um mich geschlungen. „Sagen wir es jemandem?“, fragte er plötzlich unvermittelt und ich schluckte leicht. „Joel ist von selbst drauf gekommen, aber er sagt nichts...“, sagte ich leise. „Und die anderen?“ Gilbert streichelte sanft durch mein Haar. „Tja... ich weiß nicht, aber wir können es ihnen sagen, wenn du willst... nur...“ Verlegen seufzte ich. „Nicht gerade auf dem Schulhof?“ Er lachte und ich spürte die Wellen seines Lachens auch durch meinen Körper hindurch. „Ja, ich meine... Es muss ja nicht gleich jeder wissen. Mir haben die Gerüchte echt gereicht.“ Leicht stimmte ich in sein Lachen ein. „Sie ist eben eifersüchtig auf alles und jeden und sie kann es nicht ertragen, nicht diejenige zu sein, die du dir ausgesucht hast, an deiner Seite zu sein. Sie wollte, dass du ihr die Liebe gibst, die sie vorgab dir zu geben, dabei wollte sie sich damit nur beliebter machen und das wissen wir alle.“ Gilbert lachte und ich lehnte sacht den Kopf zur Seite, um zärtliche Küsse auf seinem Hals zu verteilen. „Deswegen bin ich so gerne mit dir zusammen. Du hattest Angst nicht derjenige zu sein, den ich will und hast mir dennoch so viel Liebe gegeben“, hauchte ich gegen seinen Hals und arbeitete mich nach oben zu seinen Lippen, wo ich ihn herausforderte auf meine Zärtlichkeiten einzugehen und nur zu gerne gab er mir, was ich wollte. Wenn ich eines in den vergangenen Tagen und Wochen gelernt hatte, dann die Tatsache, dass küssen unglaublich viel Spaß machte, vor allem Gilbert zu küssen. Als wir uns, wie immer notgedrungen, voneinander lösen lächelte er mich strahlend an. „Weißt du, wie viel du mir bedeutest Brian?“ Seine Stimme war belegt und rau. Ich schüttelte den Kopf. „Ich ahne es, aber von wissen kann keine Rede sein.“ Er grinste und drückte mich wieder an sich, um mich erneut zu streicheln, denn genau das tat uns beiden am Besten, noch war keiner von uns bereit mehr zu geben, als unsere Küsse und Streicheleinheiten. Dafür war es auch noch viel zu frisch... ~*~ Es vergingen noch einige Tage, bis wir alle gemeinsam, als Gruppe ausgehen wollten. Gilbert hatte angeboten, dass wir bei ihm etwas „vorglühen“ könnten und es war einstimmig angenommen worden. Ich war schon etwas früher da und hatte ihm geholfen die Utensilien in sein Zimmer zu schaffen, damit alle es bequem hatten. „Heute sagen wir es ihnen“, sagte ich mit fester Stimme und er schaute mich verwundert an. „Nicht zu früh für dich?“, fragte er und kam auf mich zu, um mich in die Arme zu nehmen und sanft zu küssen. „Es ist besser jetzt, als später. Joel kann nicht ewig dicht halten.“ Ich lächelte zaghaft und schmiegte mich an ihn. „Das heißt nicht, dass ich keine Angst mehr hätte, aber es heißt, dass ich weiß mit dieser Angst umzugehen Gilbert und genau das will ich schaffen.“ Er nickte verstehend. „Das mag ich so an dir, deine unverstellte Art.“ Wir hatten nur noch knapp zehn Minuten, um ungestört zu kuscheln, denn dann tauchten die ersten Leute aus unserer Truppe auf. Gilbert empfing unsere Ladies mit Sekt und die Männer konnten Bier haben oder aber auch Sekt. Ich selbst hatte mich für Bier entschieden, aber eher, weil ich Sekt weniger mochte, dafür wusste ich, dass Gilbert noch irgendwo in seinem Zimmer eine Flasche Wein stehen hatte, aber die hatte er uns aufgehoben, für einen besonderen Anlass. Daher musste ich wohl darauf warten. Als wir alle beisammen saßen und alle schon etwas getrunken hatten, die meisten waren schon beim zweiten oder dritten Getränk, schaute Gilbert mich fragend an und ich nickte. Sacht klopfte er gegen sein Glas und stilecht verstummten alle, nur Alex gab etwas unsinnig von sich: „Hört, hört Gil hat was zu sagen!“ Alle lachten kurz, wohl eher, damit Alex Ruhe hatte, aber dann schauten alle abwartend in unsere Richtung. Ich schluckte nervös, meine Hände wurden feucht, mein Mund trocken und ich hatte Angst. Das waren meine Freunde, seit Jahren schon, nur hatte ich keine Ahnung, wie ich ihnen das hier sagen sollte. Mein Kopf fühlte sich leer an. Wie oft hatte ich mir überlegt, was ich ihnen sagen würde und jetzt öffnete und schloss sich mein Mund, als könne ich es nicht mehr. Gilbert schaute mich einen Moment an und fragte leise: „Soll ich anfangen?“ Zu mehr als einem Nicken, war ich nicht mehr fähig. „Brian und ich haben eine Weile darüber nachgedacht, euch das zu sagen, aber... wir wussten nicht wie.“ Er sah zu mir rüber und ich nickte leicht, um ihm verstehen zu geben, dass es okay war, ich versuchen würde, weiter zu sprechen. Ich räusperte mich und sprach schließlich weiter, wenngleich meine Stimme leise und rau klang. „Wir beide sind seit einer Weile zusammen.“ Joel lehnte sich nach hinten, sagte gar nichts und wartete. Die anderen jedoch sahen uns nur entgeistert an und schüttelten die Köpfe. „Seit wann?“, fragte schließlich Beth und ich seufzte. „Knapp vier Wochen.“ Nur langsam wurde mir bewusst, dass sie alle Schwiegen, dass niemand etwas dazu sagte. Gilbert legte seine Arme schützend um mich und ich konnte nicht anders, als mich an ihn zu drücken. „Bist du jetzt wirklich schwul Bri?“, fragte Mark. Sacht nickte ich. „Ich denke schon.“ „Aber du stehst doch wohl auf keinen von uns oder?“, hörte ich Alex fragen und etwas Ekel lag in seiner Stimme. „Klar Alex, dich vernasch ich dann Montag in der Pause“, lachte ich und Gilbert stimmte ein. „Ernsthaft... ihr seid meine Freunde. Ihr seid Tabu.“ Ich lächelte. „Die Gerüchte sind also wahr.“ Julia sah Gilbert an und dieser gab einen zustimmenden Laut von sich. „Wir sind hergezogen, weil ich in meiner alten Schule aufgrund meiner Sexualität gemobbt wurde. Ich will nicht, dass mir das hier wieder passiert und wenn ihr Brian nicht so verdammt wichtig wärt und ihr mich nicht so nett aufgenommen hättet und damit auch irgendwie meine Freundschaft errungen hättet, hätte ich noch nicht den Schneid euch das zu sagen.“ Ich sah eine Spur Traurigkeit in Gilberts Augen, streckte mich hoch und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Dann hab ich also jetzt nur noch Chancen bei Alex“, lachte Masy. „Nein, bei mir auch noch.“ Jake lachte und aus irgendeinem Grund, war damit das Thema vom Tisch. Sie hatten uns akzeptiert. Nur Joel hatte nichts dazu gesagt und ehe wir das Haus verließen, zog ich ihn bei Seite. „Ist es okay für dich, dass wir es einfach so rausposaunt haben?“ „Klar. Ich freu mich für euch und... ich bin stolz auf dich. Du stehst endlich zu dem, was du möchtest.“ Er lächelte und klopfte mir brüderlich auf die Schulter und damit ging es auf zur Party. Wir wollten immerhin ein Fest feiern... Kapitel 7: August ----------------- And the soul afraid of dying that never learns to live Wir hatten eine ruhige Zeit miteinander verbracht. Gilbert und ich machten uns gegenseitig sehr glücklich und ich war froh darüber, dass er so nahe bei mir war. Ich vertraute ihm in allem sehr. Doch ich wusste nicht, wie zerbrechlich Glück sein kann. Der August war schrecklich warm in diesem Jahr, die Sommerferien hatten angefangen und es waren die letzten Sommerferien für meine Freunde und mich. Gilbert war einige Tage mit seinen Eltern verreist und ich blieb daheim, weil ich einen Sommerjob hatte. Ich kellnerte in einem süßen Café und hatte dabei wirklich Spaß, denn es war eine Tätigkeit, bei der ich auch zeigen konnte, wie nett ich doch war, wenn nicht gerade eine Furie hinter mir stand. Gilbert kam am Ende der zweiten Augustwoche aus dem Urlaub zurück. Seine Eltern waren mittlerweile über unser Verhältnis zueinander eingeweiht worden und hatten versprechen müssen, es meinen Eltern noch nicht zu sagen. Ich wollte das selbst übernehmen, nur wusste ich noch nicht, wie und wann genau, denn das war ein längeres Gespräch. An besagtem Tag hatte ich Schicht im Café und hatte versprochen direkt nach meiner Schicht bei ihm vorbei zu gehen. Nur hatte ich nicht bedacht, dass viele Kunden kommen würden und hatte wirklich Angst, dass ich zu spät kam. Eigentlich hatte ich vorgehabt, etwas früher zu gehen, aber meine Ablösung kam genau mit der Uhr und ich konnte erst entsprechend spät verschwinden. Wie ein Irrer rannte ich. Er war zu Hause und gleich würde ich in seinen Armen liegen und ihn küssen und einfach genießen, dass er wieder bei mir war. Der Weg vom Café in unsere Straße war nicht sehr weit, dennoch schmerzten, als ich ankam meine Lungen und ich war völlig außer Atem, als ich die Türglocke läutete und wartete. Gilberts Mutter öffnete mir und lächelte sacht. „Hallo Brian, du musst aber gerannt sein. Dabei wohnst du nebenan“, lachte sie. „Hi Mrs. Black. Komme von der Arbeit, bin spät dran. Entschuldigen Sie.“ Ich lächelte, japste nach Luft. „Komm rein.“ Sie lächelte und deutete nach oben. „Gilbert ist oben in seinem Zimmer.“ „Danke.“ Langsam und nach Atem ringend ging ich nach oben. Gilbert, nach fast zwei Wochen hatte ich ihn endlich wieder. Vor seiner Tür blieb ich einen Moment stehen und holte tiefer Atem, dann klopfte ich. „Ja bitte?“, hörte ich von drinnen und machte die Tür auf. Gilbert stand mit dem Rücken zur Tür am Fenster und starrte nach draußen. Seine Augen suchten den Gartenweg zwischen unseren Grundstücken ab. „Ich bring meine Wäsche gleich ins Bad Mum.“ Seine Stimme klang belegt. Hatte er geweint? Gilbert hatte mich nicht kommen sehen können, da die Einfahrt des Hauses im toten Winkel zu seinem Zimmer lag und er nicht gerade nach unten schauen konnte, wenn er sich nicht aus dem Fenster lehnte, sodass er auch die Treppen zur Haustür nicht ohne weiteres einsehen konnte. Leise schloss ich die Tür hinter mir und trat an ihn heran, dann schlang ich die Arme um seine Taille und hauchte an sein Ohr: „Meinetwegen musst du die Wäsche noch nicht ins Bad räumen.“ Ich spürte, wie er einen Moment inne hielt, dann hörte ich einen Aufschrei und spürte, wie er sich aus meiner Umarmung riss, nur um mir danach um den Hals zu fallen, sodass wir beide auf dem Bett landeten, welches rechts neben uns stand. „Du bist gekommen!“, rief er und erstickte jeden Erklärungsversuch, warum ich mich verspätet hatte im Keim. Seine Lippen schienen ausgehungert, denn sie ließen mich nicht mehr los. Es dauerte ewig, bis er zitternd und schwer atmend in mein Gesicht blickte, seine Augen tränenverschleiert. „Ich hab dich so vermisst“, flüsterte ich und er schluchzte leise. „Hey... ist ja gut. Ich hab dich doch auch vermisst Süßer.“ Zärtlich küsste ich ihm die Tränen weg und strich ihm übers Haar. „Ich wär früher da gewesen, aber heute war total viel los auf der Arbeit und meine Ablöse kam genau pünktlich, weswegen ich nicht früher los konnte. Tut mir Leid.“ Ich sah, dass er zaghaft lächelte und beugte mich nach unten, um ihn wieder zu küssen. Er war unglaublich verletzlich manchmal und vor allem heute, war so ein Tag, also brauchte er heute meine Nähe ganz besonders. Nach einer Weile war er soweit mir seine Urlaubserlebnisse zu erzählen und ich lachte, als ich herausfand, dass er mehr geschlafen und am Strand gelesen hatte, als sonst was. „Ich wollte dich dauernd anrufen, weil ich so viel lieber bei dir gewesen wäre“, gestand er und ich küsste ihn sanft. „Ich wollte dich auch gerne hier haben Gilbert.“ So verging unser Abend und wir genossen den Rest des Sommers... ~*~ Das letzte Augustwochenende brach herein und wir gingen zusammen mit unseren Freunden aus. Inzwischen hatten sie sich daran gewöhnt, dass Gilbert und ich Händchen hielten, wenn wir unbeobachtet waren oder auch in der Deckung unserer Freunde einen Kuss tauschten. Sie alle verloren darüber kaum ein Wort, sondern akzeptierten es stillschweigend, während ich es meinen Eltern noch immer nicht hatte sagen können. Gilbert wusste nichts davon, aber wir hatten auch nicht darüber gesprochen. Uns hatten andere Dinge beschäftigt und daher war ich froh, dass er es nicht angeschnitten hatte. In einem unserer Lieblingsclubs war heute einiges los, doch wir hatten trotzdem Spaß, so konnten Gilbert und ich wenigstens unbemerkt auf der Tanzfläche etwas enger aneinander rücken, als notwendig. Wir hatten Spaß und die Zeit schritt voran, sowie auch der Alkoholpegel. Gerade war ich dran für Nachschub zu sorgen, als ich an der Bar von Magie angesprochen wurde: „Na, bist du jetzt doch mit der Schuchtel zusammen?“ Sie klang spöttisch und überheblich. „Was willst du Magie?“, fragte ich und bestellte für den Rest und sagte dem Keeper gleich die Tischnummer, weil ich so viel gar nicht schleppen konnte. „Ich will wissen, warum du offenbar mit dem rummachen kannst, aber mit mir nicht.“ Sie funkelte mich wütend an. „Magie, ich hab dich einfach nicht geliebt okay?“ Ich wandte mich zum gehen. „Ich weiß, dass ihr beide zusammen seid Bri! Ein Vöglein hat es ihrer Schwester gezwitschert und die hat keine Geheimnisse vor mir, das weißt du!“ Sie lachte und trat vor mich, als ich herumwirbelte. „Was soll das Magie?“, fragte ich und funkelte sie an, lehnte mich ans Geländer. Ich sah noch, wie sie aufmerksam in eine bestimmte Richtung blickte und dann näher an mich rantrat. „Weißt du Brian...“, sie spielte an meinem Shirt herum, sah scheu nach oben, „ich liebe dich trotz allem.“ „Magie, ich...“, doch weiter kam ich nicht, denn sie streckte sich nach oben, legte mir die Arme um den Hals und küsste mich. Was sollte das bitte? Als sie von mir abließ, sah sie herausfordernd nach rechts und ich folgte ihrem Blick. Gilbert musste das, was er gerade gesehen hatte völlig missinterpretieren und ich schien Recht zu haben. Er kam auf uns zu, blickte mich einfach nur an und ich sah den Schmerz in seinen Augen, dann sah er auf Magie herunter und zischte: „Miststück!“ Seine Schritte beschleunigten sich und er rannte dem Ausgang entgegen. Erst vor der Tür erwischte ich ihn und konnte ihn am Handgelenk festhalten. „Gilbert warte!“ „Warum sollte ich? Du hast doch sehr deutlich gezeigt, was ich dir wert bin, lass mich los!“ Er wandte sich um und ich sah, dass Tränen in seinen Augen schwammen. Nicht auch das noch. Alles nur keine Tränen. Ich wollte es doch nur richtig stellen. „Ich hab den Kuss nicht erwidert, sie hat das inszeniert. Beth hat's ihrer Schwester erzählt und die hat's Maul auch nicht gehalten. Du weißt schon, die Sache mit uns. Gilbert, ich liebe sie nicht!“, versuchte ich ihn davon abzuhalten, sich los zu machen und einfach weg zu rennen. „Was ändert das bitte? Brian, du hast sie geküsst, du musst doch irgendwas gesagt haben, was ihr den Eindruck vermittelt, dass du sie willst.“ Er sah mich herausfordernd an. „Ich habe nichts getan! Wirklich nicht!“ Verzweiflung machte sich in mir breit. „Und selbst wenn! Liebst du mich denn überhaupt genug, um den Mut aufzubringen es deinen Eltern zu sagen? Wirst du jemals zu uns als Paar stehen Brian?“ Ich sah nach unten. Seinem verzweifelten Blicken konnte ich nicht länger stand halten und auf die Frage wusste ich auch keine Antwort. „Das dachte ich mir.“ Ich merkte, wie er sich losließ. Ich wollte ihn nicht verlieren, aber andererseits hatte ich Angst ein Leben mit ihm zu leben, weil ich wusste, dass es gesellschaftliche Ächtung bedeuten konnte. „Brian...“ Ich sah auf, als er mich ansprach. „Du bedeutest mir viel, aber ich kann nicht mit dir zusammen bleiben, wenn du nicht in der Lage bist klare Grenzen zu ziehen.“ Er drehte sich um und ging weg. Meine Stimme gab keinen Laut, obwohl ich schreien wollte. Meine Füße bewegten sich nicht, obwohl ich laufen wollte. Meine Arme streckten sich nicht nach ihm aus, obwohl ich ihn halten wollte. Mein Körper blieb stumm, obwohl meine Seele schrie vor Schmerz und mein Herz so laut brach, dass ich dachte, ich hätte es deutlich gehört. Ich dachte in diesem Moment, ich würde sterben, denn ich wusste, dass ich noch nicht richtig gelebt hatte und dass ich es mit ihm zusammen gekonnt hätte. Meine Seele verlangte nach ihm und doch konnte ich nichts tun, weil ich wie angewurzelt stehen blieb, während der Mann, den ich liebte wegging und das für immer, wenn ich nichts sagte. Ich konnte nicht und ich wusste nicht, warum. Es dauerte eine Weile, bis Joel mich fand, doch als er mich nach Hause brachte, nicht wissend, was geschehen war, musste ihm klar sein, dass etwas Schlimmes zwischen Gilbert und mir vorgefallen war. Erst in der Dunkelheit meines Zimmers, realisierte ich, was gerade geschehen war und bemerkte ich, dass ich alleine war, dass er nicht wieder kommen würde und mir liefen verzweifelt schluchzend Tränen über die Wangen, weil ich gerade etwas so Wichtiges verloren hatte und das nur, weil ich Angst hatte... Kapitel 8: September -------------------- When the night has been to lonely and the road has been too long Die Tage zogen ziellos an mir vorbei. Ich war ein fleißiger Schüler, aber mehr mochte man über mich nicht sagen. Der Unterricht war schier unerträglich, wenn ich von meinem Platz aufsah, denn überall saß Gilbert neben mir und wir schwiegen uns an, sogar bei Partnerarbeiten schwiegen wir und schoben uns nur stumm Ergebnisse zu. Jeder merkte, die Spannung zwischen uns und ich wusste, dass es kindisch war. Ich brauchte ihn, aber ich wusste auch, dass ich ihn nicht zurückhaben konnte. Ich hatte Angst, dass ich ihn für immer verloren hatte und eigentlich wusste ich, dass ich das hatte. Nachts weinte ich, weil gerade dann wurde ich mir meiner Einsamkeit besonders bewusst. Vor einigen Wochen noch, war ich in Erinnerung an Gilberts warme, liebevolle Küsse mit einem Lächeln eingeschlafen, doch jetzt war das nicht möglich. Ich erinnerte mich immer nur an sein abweisendes Verhalten. Ich hatte das Gefühl an einer endlos langen Straße zu stehen und sie gehen zu müssen, um die nächste Stadt zu erreichen. Ich fürchtete mich so sehr und mein Herz war gebrochen. Konnten Herzen eigentlich brechen und nie wieder heilen? Konnte ich mit gebrochenen Herzen weiterleben? Würde ich irgendwann wirklich sterben? Immer wieder verfiel ich in einen unruhigen Schlaf und erwachte immer noch im Traum von Gilbert. Wie oft ich wohl seinen Namen schrie? War ich depressiv geworden, weil er mich verlassen hatte? Ich musste doch etwas tun können. Meine Freunde suchten sich Aktivitäten für mich. Joel ging mit mir ins Kino. Jake, Alex und Mark nahmen mich mit zum bowlen. Die Mädels gingen mit mir shoppen und doch erwachte ich nicht aus meiner Lethargie. Beth hatte sich so oft bei mir entschuldigt, weil sie es ihrer Schwester gesagt hatte, doch ich war ihr nicht einmal böse, wie hätte ich denn böse sein können? Sie hatte doch nur kein Geheimnis vor ihrer Zwillingsschwester haben wollen. Sie hatte ihre ältere Schwester eben lieb. Immer wieder wollte ich Gilbert sagen, was ich empfand, sah nachts Licht in seinem Fenster, so wie in meinem noch Licht brannte, während ich Briefe an ihn zu schreiben versuchte, in denen ich die Situation erklärte. Doch ich fand keine Worte für das, was geschehen war und für das, was er mir nicht verzeihen konnte. Wie konnte ich ausdrücken, wie groß meine Angst war? Wie konnte ich ihm klarmachen, was er mir wirklich bedeutete? Und wie sollte ich ihm klarmachen, dass ich Hilfe brauchte, um es meinen Eltern zu sagen? Ich konnte es nicht alleine, fühlte mich so hilflos. ~*~ Der September schritt voran und Joel sprach auf dem Heimweg mit mir. „Bri, sag mal, willst du ihm nicht sagen, dass du ihn vermisst, du machst dich doch selbst kaputt.“ Gilbert ging gut hundert Meter vor uns her und konnte ihn sicher nicht gehört haben, denn sein MP3 Player war ziemlich laut gestellt, wie ich eben verwundert festgestellt hatte, ehe er an uns vorbei gezogen war. „Ich kann nicht Jo...“ Meine Stimme brach. „Aber du liebst ihn doch.“ Joel schüttelte ungläubig den Kopf. „Was ändert das denn? Ich meine, er will mich nicht mehr und ich kann nichts dagegen tun, das ist alles...“ Meine Schultern zogen sich nach oben und fielen dann nach unten. Eine Geste der Gleichgültigkeit. „Du weißt, dass es ihm auch mies geht?“, wollte Joel wissen. „Woher hast du das?“ Ich legte den Kopf schräg. „Nur weil du kein Wort mit ihm sprichst, muss ich nicht auch aufhören, mit ihm zu sprechen.“ Er lächelte matt. Wollten sie alle, dass ich aufwachte und ihm sagte, was ich empfand? Darauf konnten sie lange warten. „Jo, ich kann es nicht. Ich bin nicht so stark, dass ich meinen Eltern sagen kann, was ich empfinde. Ich hätte ihn dabei gut gebrauchen können. Aber er war nicht da und hat dann ein paar Tage nach seiner Ankunft verlangt, dass sie es wissen. Wie sollte ich das machen?“, kam es flüsternd aus meinem Mund. „Ich hätte dir geholfen. Du hättest nur fragen müssen...“ Er seufzte. „Früher oder später wirst du deinen Eltern sagen müssen, was los ist und das weißt du auch tief in deinem Inneren und genau das ist das Problem Bri. Du willst es nicht wahrhaben. Du rennst lieber weiter diese nicht enden wollende Straße hinab und kannst nachts kaum ein Auge zu machen.“ Ich lachte bitter auf und seufzte: „Sei mir nicht böse Joel, aber ich denke nicht, dass ich wieder mit Gilbert zusammen kommen werde...“ „Sehen wir uns heute Abend?“, fragte er wenigstens hoffnungsvoll. „Ich hab schon was vor.“ Meine Antwort war knapp und präzise, denn ich hatte wirklich etwas Anderes vor. ~*~ Ich betrat den halbdunklen Club in einem Viertel der Stadt, dass mir weniger gefallen hatte, mit einem mulmigen Gefühl. Das hier war mein erster Besuch in einer Schwulenbar. Langsam ließ ich mich auf einen Barhocker gleiten und der Barmann lächelte mich an. „Na, was darf's denn sein Süßer?“, fragte er. „'Nen Whiskey bitte.“ Er nickte und stellte mir kurz darauf ein Glas vor die Nase. „Du bist zum ersten Mal hier oder?“, fragte er mich dann. Ich nickte. „Ja, so ist das manchmal.“ „Warum kommst du alleine? Die meisten kommen selbst dann zu zweit, wenn sie vorhaben zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu gehen.“ Ich sah ihn lächeln. „Ich will um ehrlich zu sein nur herausfinden, ob ich wirklich so bin, wie ich glaube zu sein und ich habe niemanden gewusst, denn ich hätte fragen können“, gestand ich. Ich hätte Gilbert fragen können, aber der wäre niemals mitgegangen. Ich hatte also wirklich niemanden gehabt. „Okay, du hattest also noch nie so richtig was mit 'nem Kerl.“ Der Barmann servierte jemand anderem einen Cocktail und ich stellte ihm mein leeres Whiskeyglas hin. „Nur was kurzes. Kannst du mir auch so was schickes Buntes mixen bitte?“, fragte ich und deutete auf die Cocktails, die einige der Männer tranken, die mit mir am Tresen saßen. „Klar kann ich.“ Er fing an Sachen zusammen zu kippen und ich schaute ihm zu. „Also kein Sex mit einem Mann?“ Ich verneinte wahrheitsgemäß. Der Mann stellte meinen Cocktail vor mir ab und lächelte. „Das ist ein Sex on the Beach und den schenk ich dir.“ „Danke schön.“ Ich strahlte ihn unvermittelt an. „Und jetzt geb ich dir einen guten Tipp Kleiner. Das soll nicht böse gemeint sein, aber wenn du mit einem der Männer hier rummachen willst, nur weil dein Freund dich verlassen hat, dann solltest du wissen, dass keiner dieser Männer dich gehen lassen wird, eher er bekommen hat, was er will und da ist das Minimum ein Blow Job. Kapiert?“, sagte er eindringlich. „Ja, natürlich“, kam es zur Antwort und ich probierte das orange Getränk in meinem Glas. „Lecker.“ Ich lobte gerne die Arbeit des Mannes hinter der Bar. „Pass auf... du solltest den Drink leeren und dann zu dem Mann gehen, mit dem du Krach hattest und das klären. Ich würde das jedenfalls machen, wenn es ums erste Mal ginge, weil das etwas Besonderes ist. Das solltest du nicht mit irgendeinem Kerl verbringen, sondern mit einem, der dich kennt.“ Er lächelte mich aufmunternd an. „Wir sind seit über einem Monat nicht mehr zusammen“, log ich. „Er glaubt, ich liebe ihn nicht.“ „Hast du ihm denn gezeigt, dass du es tust?“, wollte er wissen. „Ich weiß nicht... ich denke, ich habe es ihm gezeigt, aber vielleicht war es einfach nicht genug. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, alles richtig zu machen. Nur wie macht man alles richtig?“ Ich nahm noch einen Schluck von meinem Drink, während mein Gegenüber ein paar Getränke servierte. „Hast du ihm deine Eltern vorgestellt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, sie wissen nicht, dass ich schwul bin. Aber ich hab es meinen Freunden gesagt.“ Ich gab es nur ungern zu. „Hast du in der Öffentlichkeit gezeigt, dass ihr ein Paar seid, auch wenn du ihn deinen Freunden vorgestellt hast, wäre es wichtig euer Glück überall zu zeigen.“ „Nein... ich... das alles war so neu für mich, da konnte ich das einfach noch nicht“, sagte ich sehr leise. „Hast du ihm gesagt, dass du ihn liebst?“ Diesmal schwieg ich, schaute nach unten und schüttelte nur den Kopf. „Weißt du hinter verschlossenen Türen ist es so einfach zu dem zu stehen, was man ist, aber es in die Welt hinaus zu schreien ist schwer. Du hast einsame Nächte vor dir und einen langen Weg und vielleicht ist er zu lang, um ihn zurückgewinnen zu können, aber du solltest zu dir selbst stehen Junge. Wie willst du sonst Verantwortung für andere tragen, denn in einer Beziehung trägt man auch Mitverantwortung für die andere Person, so schwierig das auch sein mag.“ „Ich verstehe.“ Langsam trank ich den Rest meines Drinks und zahlte den Whiskey und ein Trinkgeld. „Ich danke dir.“ Dann verließ ich die Bar, ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte, aber doch in dem Bewusstsein, dass ich etwas ändern musste. Nur wie, war mir noch nicht klar... Kapitel 9: Oktober ------------------ And you think that love is only for the lucky and the strong Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, das zu tun, was der Barkeeper mir gesagt hatte, dennoch wusste ich, dass er Recht hatte. Ich musste zu dem stehen, was ich war und auch zu meinen Gefühlen, Gilbert gegenüber. Aber ich hatte Angst und fühlte mich so schwach. Ich hatte doch die Liebe gar nicht verdient. Mitte Oktober brach eine Grippewelle über unserer Stufe ein und zog seine Kreise. Joel und auch Gilbert wurden niedergestreckt. Joel bekam seine Aufgaben von jemandem gebracht, der fast alle Kurse mit ihm hatte und auch ich hatte die unliebsame Aufgabe erhalten, meinem erkrankten Exfreund die Schulaufgaben vorbei zu bringen. Als könne er sich seine Unterlagen nicht selbst besorgen! Dennoch war es eine Gelegenheit für uns, das wusste ich. Als ich klingelte, öffnete seine Mutter und sah mich irritiert an. „Tut mir Leid, Mrs. Black. Ich weiß, ich störe, aber ich soll Gilbert seine Hausaufgaben bringen.“ Sie lächelte und ließ mich rein: „Er liegt oben im Bett, aber er war vor fünf Minuten noch wach, vielleicht hast du Glück.“ „Danke.“ Sie behandelte mich noch immer sehr zuvorkommend und lieb. Gilberts Mutter war genau wie immer. Langsam ging ich nach oben, klopfte an und bekam zur Antwort: „Nein Mum, ich habe keinen Hunger, geb dir keine Mühe bitte. Ich möchte schlafen.“ Ich unterdrückte ein Lachen. Das war so typisch Gilbert. Trotz der Abfuhr öffnete ich die Tür und sah ihn mit dem Rücken zu mir im Bett liegen. Gilbert hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und die Decke eng um sich geschlungen. Aus unbestimmten Gründen, überkam mich die Lust, mich dazu zu legen, doch ich durfte nicht, dass wusste ich. „Ich sagte doch, ich will nichts.“ „Entschuldige, wenn ich störe, ich wollte dir nur deine Hausaufgaben bringen Gilbert“, machte ich mich schließlich bemerkbar und sah, wie er sich ruckartig aufsetzte. „Verschwinde!“, zischte er. „Ich bin gleich wieder weg. Ich will dir nur deine Sachen bringen“, rechtfertigte ich mich, stellte meine Schultasche ab und kramte darin, nach den Arbeitsblättern und dem Zettel auf dem ich alles aufgeschrieben hatte. „Ich will dich nicht sehen und ausgerechnet dich schicken sie.“ Gilbert zog die Knie an seinen Oberkörper und legte die Arme darum, als wolle er sich schützen. „Ich kann nichts dafür, ich hab alles versucht, aber wir wohnen nebeneinander.“ Ich zuckte die Schultern, reichte ihm die Papiere, die ich endlich gefunden hatte. „Dann kannst du ja gehen.“ Ich nickte, griff nach meiner Tasche und wollte gehen, doch in der Tür überlegte ich es mir anders. Er sah so einsam aus, so als brauche er Schutz, Liebe, Wärme. Vielleicht drehte ich mich deshalb um und sah ihn direkt an. „Ist noch was?“ Er klang genervt. „Es tut mir Leid, was passiert ist zwischen uns. Ich wünschte, ich könnte es ändern, aber das kann ich nicht“, fing ich an. „Du bereust also alles, was zwischen uns war?“, fragte er aufgebracht und stand plötzlich mitten im Raum. „Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, dass mir Leid tut, was in dieser Nacht passiert ist, als wir in der Disco waren. Ich wollte das alles nicht. Ich weiß, ich hätte mutiger sein sollen, aber ich bin nun einmal nicht mutig. Ich bin unsicher und ich hätte verdammt noch mal deine Unterstützung dabei gebrauchen können, es meinen Eltern zu sagen. Es tut mir Leid, dass ich dir das nicht gesagt habe. Es tut mir Leid, dass ich nicht den Mumm hatte unsere Beziehung an die große Glocke zu hängen und es tut mir Leid, dass ich dir nicht gesagt habe, wie viel du mir bedeutest. Mir fehlte der Mut dazu und jetzt...“ Ich zuckte die Schultern. „Ja, genau jetzt ist es zu spät. Ich will dich nicht mehr! Du verletzt mich in einer Tour und merkst es nicht mal.“ Ich sah, wie er einige Schritte auf mich zumachen wollte, sah aber auch, dass er schwankte. Als er ausholen wollte, um mich zu schlagen, kippte er haltlos nach vorne und ich fing ihn auf. „Vorsichtig...“, flüsterte ich sacht und hielt ihn fest. Dann sah ich es: Er weinte. Haltloses Schluchzen schüttelte seinen Körper und seine geballten Fäuste hämmerten auf meine Brust ein. „Warum das alles? Warum tut es nur so verdammt weh? Warum nur hast du solche Angst?“ Immer wieder und wieder sprach er die Fragen aus, bis er schließlich einfach nur da saß und ab und an von einem Schluchzer geschüttelt wurde. „Wir lieben uns eben...“, flüsterte ich. „Das ändert aber nichts.“ Gilberts Worte trafen mich direkt ins Herz und ich zitterte leicht, als ich aufstand. „Gute Besserung“, flüsterte ich, dann verließ ich den Raum und das Haus fast fluchtartig. Das ändert nichts! Es ändert nichts! Nein, es änderte gar nichts! Bei mir zu Hause, sah meine Mutter, wie ich nach oben stürmte und meine Zimmertür laut krachend ins Schloss warf, nur um mich dann auf meinem Bett längs hinzuwerfen. Ich war nicht stark, ich war nicht einer von denen, der die Liebe zugeworfen bekam und dann nur noch festhalten musste. Leider gehörte ich nicht zu den glücklichen, die ohne zu investieren ewig glücklich waren und ich besaß auch nicht die Stärke, die Gilbert von mir erwartete, was also sollte ich tun? Jetzt war ich es, dem die Tränen über die Wangen liefen und ich war es, der vom Schmerz gepeinigt laut weinte. Leise betrat meine Mutter das Schlafzimmer und setzte sich auf meine Bettkannte. Sie wartete geduldig, bis ich aufhörte zu weinen und sagte gar nichts dazu. Erst, als ich mich aufsetzte und sie ansah, fragte sie leise: „Liebeskummer?“ Ich nickte und schaute nach draußen. „Willst du darüber reden?“ Ich schluckte und sah sie lange an, ehe ich meine Geschichte erzählte. Alles, von Anfang an. Ich sprach über Magie, über Gilbert und alles, was in den vergangenen neun Monaten und den letzten Minuten geschehen war. „Du liebst ihn sehr oder?“, fragte sie leise. Ich nickte. „Ja, über alles.“ „Solltest du ihm das nicht sagen?“ Sie lächelte und wuschelte mir durchs Haar. „Doch sicher, aber... er will mir ja nicht zuhören. Er glaubt, ich sei ein Feigling.“ Meine Mutter lachte. „Das warst du auch lange, aber heute hast du verstanden, dass Mut nicht bedeutet, dass man keine Angst hat. Das ist es nicht, was Mut ausmacht. Mutig sein, bedeutet zu erkennen, dass etwas anderes wichtiger ist als deine Angst.“ Ich nickte. „Aber ich verdiene seine Liebe nicht. Diese Art von Liebe ist nur etwas für die Menschen, die Stärke besitzen und das Glück haben jemanden halten zu können.“ Sie schüttelte den Kopf und seufzte leise. „Junge, du verdienst es zu lieben und geliebt zu werden, also solltest du dir überlegen, was du genau willst und es dir holen, aber zuerst, wirst du beim Abendessen deinem Vater die ganze Geschichte erzählen. Ich werde dir helfen.“ Ich nickte leicht und sie ließ mich allein. Das hätte ich schon so lange tun sollen und jetzt tat ich es. Jetzt, wo ich wusste, dass ich bei Gilbert keine Chance mehr haben würde, war es mir noch wichtiger, ihm zu sagen, dass ich ihn liebte und ihm zu beweisen, dass ich ihn liebte. ~*~ Mein Vater kam wie immer pünktlich von der Arbeit. Meine Mutter sagte mir vor dem Essen, dass ich ihn erst alles aufessen lassen sollte. Satt und zufrieden, würde er es gefasster aufnehmen und so war es auch. „Papa, ich muss dir etwas sagen“, fing ich an und er nickte. „Nur zu, was ist los?“ Ich sah ihn lächeln und ich seufzte. Er war so stolz auf seinen einzigen Sohn und ich würde ihm jetzt die Hoffnung darauf nehmen, dass er je Enkelkinder haben würde. „Ich bin schwul.“ Die Worte standen plötzlich im Raum und ich hörte, wie mein Vater entsetzt nach Luft rang, aufstand und ins Wohnzimmer verschwand. Meine Mutter legte mir nur eine Hand auf die Schulter, dann kam mein Vater zurück. Eine Flasche Wodka und Pinchen in der Hand und goss uns allen ein. „Wie ist das passiert?“, fragte er, nachdem er das erste Gläschen geleert hatte. „Ich weiß es nicht. Es war einfach da... und dann kam Gilbert...“ Auch ihm erzählte ich die Geschichte meiner Liebe und er hörte zu, nahm ab und an einen Schluck Schnaps, um sich zu beruhigen. Als ich geendet hatte, wurde es still und er nickte nur: „Denk nicht, dass es leicht für mich ist, mir vorzustellen, wie es ist, wenn du jetzt mit einem Mann zusammen bist, aber ich kann damit leben, wenn du diesen Kerl zurückgewinnst. Wenn du wirklich liebst, dann soll es wohl so sein.“ Ich nickte und lächelte: „Danke Dad und... danke Mum.“ Beide waren nicht in der Lage, mein Lächeln zu erwidern, aber ich wusste, sie versuchten wenigstens, mich zu verstehen und mir Beistand zu leisten und das war der erste Schritt. Sie würden den Mann, mit dem ich zusammen war, vielleicht nicht unbedingt lieben, aber sie würden ihn akzeptieren, was ein guter Schritt war und mich sehr glücklich machte... Der Oktober neigte sich dem Ende zu und ich wusste, bald würde der Winter Einzug halten, nur in meinem Herzen sollte es nicht kalt bleiben, wenn ich würde kämpfen und mir zurückholen, was ich verloren hatte... Kapitel 10: November -------------------- Just remember in the winter far beneath the bitter snow... Noch hatte ich es nicht geschafft, mit Gilbert zu reden. Er ging mir erfolgreich aus dem Weg und ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich es schaffen sollte, mit ihm zu sprechen. Schließlich wandte ich mich an Joel und die anderen. Gilbert sonderte sich in den Pausen grundsätzlich von uns ab. „Er geht mir aus dem Weg...“, murmelte ich und schaute zu ihm rüber. „Wenn ich auf ihn zugehe, rennt er weg und sperrt sich sicher irgendwo ein.“ Joel lachte leicht: „Kannst du es ihm verdenken? Du fängst etwas spät an, um ihn zu kämpfen.“ „Das weiß ich selbst Jo.“ Ich schüttelte den Kopf. „Hmm... du solltest einfach über ihn herfallen“, schlug Mark vor und ich lachte. „Was besseres fällt dir nicht ein?“ „Dem doch nicht“, kommentierte Alex, „aber wie wär's, wenn du zu ihm nach Hause gehst?“ „Seine Mutter verleugnet ihn immer“, gestand ich. Es war nicht so, dass ich es nicht schon versucht hatte und ans Telefon ging er auch nicht. „Und wenn du ihm sagst, dass es dringend ist, irgendeine Geschlechtskrankheit oder so?“, fragte Jake. Ich schüttelte den Kopf. „Wir haben nicht...“ Die anderen nickten leicht und ich wusste, sie verstanden. Beth flüsterte leise: „Es tut mir Leid, dass ich dir nicht...“ Dann stockte sie. „Was ist los Beth?“, fragte Julia und auch Masey schaute neugierig. „Ich glaub, ich weiß was...“, sagte diese. „Was weißt du?“ Masey nahm mir die Worte aus dem Mund. „Sekunde.“ Beth verschwand. Ich sah sie mit ihrer Schwester tuscheln und dann zurückkommen. Sie grinste: „Weihnachten seid ihr sicher wieder ein Paar.“ „Was hast du gemacht?“, wollte ich wissen, aber sie schüttelte nur den Kopf und legte den Finger an die Lippen. Die dritte Novemberwoche kam, ohne das ich wusste, was Beth getan hatte, aber so ging es auch den anderen. Wir rätselten alle, bis ich es schließlich herausfand. Wir saßen alle in der Pausenhalle, weil der Schnee den Schulhof viel zu kalt machte, um draußen zu stehen. Ich hatte gerade mit Joel über eine neue CD diskutiert, als ich Magie durch die Halle auf Gilbert zugehen sah. Ich hörte sie bis hierher: „Du kannst deine Finger auch nicht bei dir behalten oder?“ Ich sah ihn verdutzt aufschauen und etwas sagen, nur wusste ich nicht genau was, denn er redete nun wirklich nicht so laut, wie Magie. „Natürlich weißt du, wovon ich rede. Du schläfst mir ihm!“ Gilberts Lippen formten ein „mit wem“ und ich musste grinsen. „Jetzt spielen wir also den Unschuldigen... Mit meinem Brian natürlich!“ Ich hörte das Raunen der anderen, aber es kümmerte mich nicht. „Bri, was macht...“, fing Joel an, doch ich bedeutete ihm zu schweigen. „Magie, lass mich einfach zu Frieden!“, sagte er jetzt so laut, dass es alle hören konnten. „Das werde ich sicher nicht! Du spannst mir den Freund aus und ich dachte es sei endgültig vorbei nach der Sache in der Disco und du schläfst mit ihm!“, schrie sie. Langsam wurde sie hysterisch. Beth tippte mir auf die Schulter und grinste: „Jetzt wäre der richtige Moment ihm zu zeigen, wie viel er dir bedeutet.“ Sie sprach sehr leise, aber ich verstand. DAS hatte sie also ihrer Schwester erzählt. Magie sollte es erfahren und glauben, damit so eine Sache passierte. „Danke Beth.“ Ich stand auf und wartete einen Moment. „Magie, es geht dich nichts an, was ich in meinem Schlafzimmer tue.“ Gilbert wurde wütend und war aufgestanden. „Lass mich in Ruhe und geh dir wieder die Fingernägel lackieren.“ „Du kannst mich mal! Einer wie du, hat hier nichts verloren! Du bist ein Mistkerl, der nur mit denen spielt, die er kennen lernt!“, tobte sie. „Magie, es reicht!“, fuhr ich dazwischen und ging durch die Halle zu den beiden. „Es reicht nicht! Er hat dich mir weggenommen!“, schimpfte sie und ich sah, wie ihre Augen sich mit den für sie typischen Kullertränen füllten, doch sie berührten mich nicht. „Es ist doch wohl meine Sache in wen ich mich verliebe oder?“ Ich sprach so laut, dass mich jeder der wollte hören konnte. „Er hat dich verhext!“, behauptete sie. „Siehst du irgendwo einen Zauberstab?“ Ich lachte und sah auch Gilbert grinsen. „Magie die Liebe läuft nicht immer so, wie du dir das denkst. Es hat auch was mit Arbeit zu tun. Man muss füreinander da sein, ein Stück Verantwortung füreinander tragen. Ich konnte das für dich, für uns nicht. Ich habe dich nicht geliebt.“ Ich seufzte und schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe dich nie geliebt.“ Gilbert zog scharf die Luft ein und ich sah, wie Magie mir eine verpasste. „Aber er bedeutet dir etwas?!“, schrie sie und weinte verzweifelt, von Eifersucht zerfressen. „Ja.“ Ich sah sie direkt an und ich hörte das Raunen der anderen. Es war draußen und es fühlte sich gut an, auch wenn ich wusste, dass niemand mehr zu mir stehen würde. Ich drehte mich um, sah in Gilberts entsetztes Gesicht und er schüttelte den Kopf: „Idiot.“ Dann verließ er die Pausenhalle und ich verstand gar nichts mehr. Warum ging er einfach? Ich blickte ihm stumm nach, bis Joel mir meine Tasche brachte. „Ihm nach, wenn du ihn willst.“ Er grinste und ich rannte los. Erst auf dem Hof holte ich ihn ein. „Gilbert! Warum rennst du weg?“, rief ich und ergriff sein Handgelenk. „Lass mich los!“ Seine Augen funkelten mich böse an und ich tat, was er wollte. „Du hast nie zu mir gestanden, aber jetzt tust du es?!“ Ich nickte. „Ich will um dich kämpfen. Ich will dir beweisen, dass ich dich liebe und für dich da sein kann.“ Meine Stimme war nicht mehr unsicher. Ich hatte geschafft zu mir selbst zu stehen, auch wenn ich Angst hatte vor dem, was mich erwartete. „Ach ja? Dann musst du mir Zeit lassen Brian und... ich will etwas wissen...“ Ich sah, wie er zögerte. „Meine Eltern wissen über alles Bescheid. Ich hab es ihnen gesagt“, gab ich ihm die Antwort auf seine unausgesprochene Frage. „Nur der ganzen Familie habe ich es nicht gesagt. Dazu besteht auch noch kein Grund oder?“, fragte ich leise. „Nein, aber ich bin froh, dass es deine Eltern wissen.“ Ich stimmte ihm zu: „Als es raus war, war es leichter. Ich meine, es bedeutet nicht, dass ich keine Angst mehr habe, aber meine Liebe zu dir ist wichtiger, als meine Angst.“ „Brian...?“ Jetzt war es Gilbert, der unsicher war. „Ja?“ „Was ist mit allem anderen, was schief gelaufen ist?“, flüsterte er und schaute zu Boden. „Ich stehe zu uns, wenn du mich willst und...“ Ich hielt inne, wartete, bis er aufblickte und ging ganz nah zu ihm heran. „Ich habe es dir vielleicht nie gesagt, aber ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, dass ich dachte, ich müsste sterben, als du gegangen bist.“ Ich strich ihm sacht über die Wange. „Brian, egal, wie wunderbar das klingt... ich weiß nicht, ob ich das vergessen kann, was passiert ist. Ich brauche Zeit.“ Ich sah, dass er zitterte. „Alle Zeit, die du brauchst, wenn dir das hilft.“ Er lächelte und flüsterte: „Danke Brian. Für alles. Lässt du mich jetzt etwas allein?“ Ich nickte und fragte: „Meldest du dich bei mir, wenn du dich entschieden hast, was du möchtest?“ „Ja, mach ich.“ Seine Stimme klang weit weg und dann ging ich nach drinnen. Joel wartete auf mich, als ich wieder eintrat. „Na, Stein erfolgreich ins Rollen gebracht?“ Ich nickte. „Das hat Beth gut hinbekommen. Ich sollte mich bedanken.“ Und das tat ich auch, wenngleich es noch nicht so weit war, dass sie gratulieren konnten, freuten sie sich total. Auch meine Mutter freute sich darüber, das zu hören, denn ich lächelte und ich wusste, dass ich Gilbert ebenfalls ein Weihnachtsgeschenk kaufen wollte. Nur eine Kleinigkeit, aber dennoch ein Beweis meiner Gefühle für ihn. Doch bis Weihnachten dauerte es noch und ich wartete so gespannt auf seine Entscheidung, dass ich nicht mehr wusste, wohin mit mir. Ich liebte ihn und diese Liebe wollte ich feiern, wenn das möglich war... Epilog: Dezember ---------------- ... lies the seed that with the sun's love in the spring becomes the rose Es vergingen zwei Wochen und der Dezember war hereingebrochen. Gilbert schien zu überlegen, behandelte mich aber nicht mehr so unterkühlt, wie noch vor einigen Wochen. Ich war froh darum, denn so konnte ich wenigstens mit ihm reden. In dieser Zeit sprachen wir über so vieles. Vor allem aber über das, was uns bewegte, uns wichtig war. Er war etwas Besonderes und das ließ ich ihn spüren. Jeder konnte sehen, wie nahe wir uns waren und vielleicht war das der Grund, warum er in der zweiten Dezemberwoche eine Einladung zum DVD Abend bei ihm aussprach. Ich war schrecklich aufgeregt, wusste ich doch, dass wir allein sein würden. Meine Mutter wünschte mir Glück, mein Vater brummte nur etwas, aber das war besser, als alles, was er sonst gesagt hätte. Kurz darauf drückte ich schon auf den Knopf der Türklingel und mir wurde geöffnet. Seine Mutter stand da. „Hallo Brian. Gilbert ist oben. Er wartet schon auf dich. Was hast du mit ihm gemacht, er ist ganz nervös?“, wollte sie wissen und ich ging an ihr vorbei. „Ich hab nichts getan Mrs. Black“, lachte ich, ahnte aber, was los sein könnte und beeilte mich daher nach oben zu gelangen. Gilbert erwartete mich schon in der geöffneten Tür. „Hi“, flüsterte ich und auch ich erwiderte den Gruß. Das Zimmer hatte er abgedunkelt, auf dem Tisch stand Naschkram und eine Flasche Wein. Sorgsam schloss er die Tür hinter uns und legte irgendeinen Film ein. Stumm saßen wir nebeneinander, bis er schließlich entnervt den Fernseher abschaltete. Das Zählwerk des DVD Players lief dennoch weiter. „Brian, ich weiß nicht, wie du das machst, aber... Ich komm nicht von dir los. Ich will es so gerne, aber ich kann es nicht. Ich muss ständig an dich denken. Immer wieder und wieder...“ Seine Stimme brach und ich sah, wie Tränen über seine Wangen liefen. „Ist ja gut“, flüsterte ich beruhigend und ich zog ihn in meine Arme. „Ich will das nicht mehr, bitte hilf mir. Stell es ab!“, flehte er. „Das kann ich nicht Gilbert... Alles was ich dir geben kann, ist mein Herz und meine Seele“, sagte ich leise und wischte ihm die Tränen von den Wangen. Er war so wunderschön, wie er mich ansah und ich schluckte, als er sich nach oben streckte und mir ins Ohr hauchte: „Beweis es.“ Sacht beugte ich mich zu ihm und küsste ihn. Es war nicht so, wie beim ersten Mal. Es lag einfach viel mehr Liebe und Leidenschaft darin, als noch vor wenigen Monaten. Als wir uns voneinander loseisten, kam ich nicht umhin, ihn anzusehen. „Ich liebe dich Gilbert. Über alles liebe ich dich.“ Meine Stimme war nur ein Hauch im Halbdunkel des Zimmers, aber er hatte es gehört. Leicht flüsterte er mir zu: „Ich liebe dich auch.“ Ob wir je wieder aufhören würden, uns zu küssen? Immerhin war wieder alles gut zwischen uns und ich hatte meine Lektion gelernt. Die Liebe ist zerbrechlich, wie eine Blume, die im Winter zu erblühen versucht. Sie trotzt allen Widrigkeiten, wissend, dass unter dem Schnee ein Samen verborgen ist, der eine noch strahlendere Blume hervorbringen kann... Eine Blume der Liebe zweier Menschen. Gilberts und meine Liebe war erblüht und ich hoffte, dass unsere Blume noch lange blühen würde, wie die strahlenste Rose im Garten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)