Der Eisfürst von moonlily (Splitternde Erinnerungen) ================================================================================ Kapitel 8: Garten der Freude ---------------------------- *Teller mit Keksen hinstell* Heute wird sich einiges klären. ^^ Hilft der Fluss Joey oder wird ihn die Flut verschlingen? Und was ist mit Seto geschehen? (1) http://www.youtube.com/watch?v=xXgPIxSEFAY&feature=related Keiko Matsui – Water Lily (2) http://www.youtube.com/watch?v=eMeZNbjRrcg X-Ray Dog – Dark Empire Kapitel 8 Garten der Freude (1) Warm strahlte die Sonne auf den Fluss und ließ glänzende Lichtreflexe auf der sich sanft kräuselnden Wasseroberfläche entstehen. Der Vormittag war weit vorangeschritten, nicht mehr lange, und es würde zur Mittagsstunde schlagen. Zahllose Schmetterlinge flatterten zwischen den bunten Frühlingsblumen umher, die auf den Wiesen zu beiden Seiten des Gewässers wuchsen. Yugi hatte es sich auf dem Steg in der Nähe des kleinen Hauses bequem gemacht, das er sein Eigen nannte, ließ die Füße knapp über dem Wasser baumeln und genoss den schönen Tag. Er hatte seine Angel ausgeworfen und hoffte, heute noch einen Fisch für sein Abendessen zu fangen. Bisher war seine Ausbeute noch nicht besonders gut, geschweige denn essbar gewesen. Er hatte lediglich ein Paar rote Sneaker aus dem Wasser gefischt. Eine fröhliche Melodie pfeifend, ließ er den Blick über den Fluss gleiten. Plötzlich weiteten sich die violetten Augen entsetzt, als sie einen leblosen Körper im Fluss treiben sahen. Das nasse blonde Haar hing dem Jungen ins Gesicht, seine Arme waren um ein Stück Holz geklammert, mit dem er sich über Wasser hielt. Vergessen war der Fisch, Yugi ließ die Angel fallen, rannte den Steg entlang zurück ans Ufer, ohne Joey, denn um keinen anderen handelte es sich bei dem Unglücklichen, aus den Augen zu lassen. Hastig suchte er nach der flachsten Uferstelle, von wo aus er zu ihm gelangen konnte. Auch wenn er an einem Fluss lebte, war er kein besonders guter Schwimmer, so dass er vorsichtig sein musste, wenn er den ihm unbekannten Jungen retten wollte. Eine Stelle, an der das Ufer mit Kieselsteinen übersät war, erschien ihm günstig, er stolperte die mit Sträuchern bewachsene Böschung hinunter und ins Wasser. So schnell er konnte, watete er durch die Fluten. Yugi wusste, dass er sich beeilen musste, falls er zu lange wartete, würde der Blondschopf abtreiben und er konnte ihn nicht mehr erreichen. Je weiter er kam, umso schwerer fiel es ihm, das Wasser mit seinem Körper zu teilen und sich auf dem glitschigen Untergrund zu halten. Nach einer für ihn scheinbaren Ewigkeit hatte er Joey erreicht, schlang die Arme um dessen Oberkörper und begann ihn Richtung Ufer zu ziehen. Die feuchten Kleider und besonders die Jacke, die sich mit Wasser voll gesogen hatte, machten ihn schwer. Yugi schüttelte den Kopf, wie konnte der Junge bei dem Wetter noch herumlaufen, als wäre Winter? Kurz entschlossen zog er sie ihm aus, das erleichterte ihm den restlichen Transport, bis er ihn auf den Kieselstrand geschleift hatte und sich keuchend neben ihm niederließ. „Hey, du!“ Yugi tätschelte seine Wange, er rührte sich nicht. „Hörst du mich?“ Er legte Zeige- und Mittelfinger an Joeys Hals, doch der Puls, den er fühlte, war schwach, nicht mehr als ein leichtes Flattern. „Wenn ich nichts tue, wird er gleich in die Geisterwelt hinüber gleiten. Aber dafür bist du doch noch viel zu jung, Kleiner“, murmelte er, die Tatsache, dass Joey ein ganzes Stück größer als er war, geflissentlich ignorierend. „Dann hilft wohl nur eines.“ Yugi atmete tief durch, schlug seine Handflächen zusammen und rieb sie gegeneinander. Weiße Funken entstanden an seinen Fingerspitzen und zogen sich zu einer kleinen glitzernden Kugel zusammen, die er an seinen Mund führte. „Du musst wieder atmen. Komm zurück ... komm zurück“, flüsterte er, beugte sich herunter und legte seine Lippen auf die von Joey. Er fühlte sich kühl an, hoffentlich war es noch nicht zu spät. Yugi schloss die Augen und konzentrierte sich. Lebe!, dachte er unablässig. Deine Zeit ist noch nicht abgelaufen. Ich rufe dich zurück ... Dann spürte er, wie sich die magische Kraft von ihm löste und auf den Jungen überging. Erleichtert beendete er den Kuss. Joey drehte den Kopf zur Seite und hustete. Das Wasser, das er geschluckt hatte, kam in mehreren großen Schwallen heraus. Seine Augen flogen unsicher umher, bis Yugi in sein Blickfeld kam. Dreifarbiges Haar, an den vorderen Spitzen blond, das Haupthaar schwarz und rot – so etwas sah man auch nicht alle Tage. „Wo ... wo bin ich?“ „Wieder unter den Lebenden“, sagte Yugi. „Willkommen zurück.“ „Und ... wer bist du?“ „Nenn mich Yugi. Und wie ist dein Name?“ „Ich bin Joey.“ „Freut mich.“ Er lächelte sein Gegenüber freundlich an. „Was hattest du im Fluss verloren? Bist du reingefallen oder wolltest du dich umbringen?“ „Oh ...“ Joey stockte, der Kleine war ganz schön direkt. „Nein, wollte ich nicht. Ich bin auf der Suche nach jemandem.“ „Willst du mir nicht drinnen und in Ruhe erzählen, was dich hierher geführt hat?“ „Wach auf, wir sind da.“ Seto blinzelte verschlafen und öffnete die Augen. Im Schlaf hatte er sich an eine Ecke des Schlittens gelehnt, aus der er sich nun wieder in eine aufrecht sitzende Position schob, um sich umzusehen. Pegasus war damit beschäftigt, die Pferde auszuspannen. Sie befanden sich in einem großen Raum, einer Kombination aus Garage und Stall. Durch einige Fenster fiel schwaches Dämmerlicht herein. „Wo sind wir? Wohin hast du mich gebracht, Pegasus?“ Dieser lächelte lediglich und reichte Seto, nachdem er die Pferde in den Ställen untergebracht hatte, die Hand, um ihm vom Schlitten zu helfen. „Wir sind in meinem Palast. Du kannst es auch das Ende der Welt nennen – ganz wie es dir beliebt, Seto.“ „So war das also“, sagte Yugi und betrachtete Joey, der ihm gegenübersaß und sich einen Bissen Kuchen in den Mund schob. Sie hatten sich am Esstisch in der Küche von Yugis Haus niedergelassen. Er hatte eine offensichtliche Vorliebe für viel Farbe, die Einrichtung war knallbunt, hier ein gelber Stuhl, dort ein blauer Schrank oder ein cremefarben gestrichenes Wandbord. Joeys nasse Kleider hingen draußen auf der Wäscheleine zum Trocknen, stattdessen trug er nun ein weißes T-Shirt und eine Jeans. „Noch ein Stück Erdbeertorte?“ „Nein danke, nach den drei Stücken platze ich bald“, lehnte Joey ab und strich sich über seinen vollen Bauch. „Und ein paar Erdbeeren oder Kirschen?“ Yugi hielt ihm auffordernd die Schalen hin, bis sich Joey von den Früchten genommen hatte. „Die habe ich alle selbst geerntet“, erklärte er stolz und steckte sich selbst eine der süßen Erdbeeren in den Mund. „Die sind lecker, nur so, wie du mich mästet ...“ Joey beäugte ihn gründlich, „wenn ich mich so an Hänsel und Gretel erinnere ... Ah ... Du bist doch nicht so was wie die böse Hexe, nur in niedlich, oder?“ „Willst du mich mit dieser alten Schachtel vergleichen?“, fragte Yugi eingeschnappt. „Nein, sorry ... Aber um auf Seto zurückzukommen –“, wechselte er schnell das Thema. „Ich weiß schon“, unterbrach ihn der Kleinere, „du würdest am liebsten gleich weiterlaufen und nach ihm suchen. Wirklich nichts mehr?“ „Ich bin pappsatt und das will bei mir was heißen.“ Yugi stand auf und räumte die Tortenplatte und das Geschirr weg. Aus einem kleinen Bastkorb, der neben einer Schale mit Äpfeln und anderem Obst stand, nahm er einen Kamm, der aus Elfenbein geschnitzt war. Joey, der schon wieder grübelte, welche Richtung er nun einschlagen sollte, merkte nicht, wie er sich ihm näherte. Erst als er den Kamm in seinen noch feuchten Haaren spürte, schreckte er aus seinen Gedanken hoch. „Was machst du da?“ „Ich kämme nur ein bisschen dein Haar aus, das ist ganz zerzaust.“ Wieder und wieder, unablässig fuhr Yugi mit dem Kamm durch Joeys Haare. Der Blondschopf gähnte herzhaft. „’tschuldige, Yugi, irgendwie fühle ich mich hundemüde.“ „Macht doch nichts. Du hast einen anstrengenden Tag hinter dir. Leg dich schlafen.“ „Und Seto? Ich muss doch zu ihm.“ Als Joey aufstehen und gehen wollte, wurde er von Yugi auf den Stuhl zurückgedrückt. „Du kannst ihn auch noch morgen suchen. Ruh dich aus.“ Der Kleine ist ja zuckersüß, dachte Joey und ließ weiter seine Haare bearbeiten. Je länger Yugi dies tat, umso schwerer wurden dem anderen die Lider, bis er sie nicht mehr aufhalten konnte. Joeys Gähnen registrierte er mit einem zufriedenen Lächeln und legte den Kamm weg. Er nahm ihn an der Hand und führte ihn in ein Zimmer, das voller Spielsachen war. Teddybären, Puzzle, Spiele, Kuscheltiere, Spielzeugautos ... Selbst auf dem Bett lag ein Plüschhund. Aus einer Kommode förderte Yugi einen Schlafanzug zu Tage, der mit kleinen Sündenböckchen bedruckt war, und forderte Joey auf, sich umzuziehen und sich hinzulegen. Joey, der sich etwas genierte, sich vor Yugi auszuziehen, bat ihn, draußen zu warten. Der Kleine wurde knallrot und verschwand mit einer gestotterten Entschuldigung aus dem Raum, bis ihm sein Gast durch einen Ruf zu verstehen gab, dass er fertig sei. „Sind das alles deine Spiele, Yugi?“ „Ja ... über die Jahre hat sich einiges angesammelt. Leg dich hin und schlaf erst mal, morgen früh sieht die Welt dann schon ganz anders aus.“ Etwas Schlaf kann ja nicht schaden, dachte Joey und schlüpfte in das Bett. Sein Blick wanderte zum Fenster, an dem sich rote Rosen hochrankten. Beeil dich, schienen sie zu flüstern, es ist schon spät. Die Zeit verrinnt. Du musst ihn finden. „Oh, da sind ja Rosen. Sie erinnern mich an ... Seto“, murmelte Joey schläfrig. „Muss ... ihn finden ...“ „Schlaf jetzt.“ Als sich Yugi von ihm abwandte, verfinsterte sich sein Gesicht. Er trat an das Fenster und zischte den Rosen zu: „Fort mit euch! Verschwindet, ab mit euch unter die Erde!“ Seinem Befehl folgend, zogen sie sich unter leisem Rascheln ihrer Blätter zurück, verließen das Fenster und verschwanden im Erdreich. „... gleich morgen früh ...“ „Streng dich nicht an, Joey, mach die Augen zu“, sagte Yugi, schloss die Fenster und verließ das Zimmer. Joey kuschelte sich in die Bettdecke und war kurz darauf eingeschlafen. (2) Über eine Reihe von Gängen gelangten Pegasus und Seto in eine große, achteckige Halle. Wände, Säulen, Decke, die Treppen, die in die oberen Etagen führten ... wohin Seto auch blickte, alles war von einer dicken Schicht Raureif überzogen. Selbst die Leuchter bestanden aus klarem Eis, doch in ihnen steckten keine Kerzen, so dass auch hier, wie im Rest des Schlosses, ein beständiges Zwielicht herrschte. In der Mitte der Halle stand ein mehrere Meter hoher Spiegel mit einem reich verzierten, goldenen Rahmen – oder eher das, was noch von ihm übrig war. Das Spiegelglas war in Tausende von Splittern zerbrochen und lag ordentlich aufgetürmt davor. Manche Stücke waren nicht größer als ein Salzkorn, andere groß wie Pflaumen. Seto hob eine der Scherben auf und betrachtete sie nachdenklich. „Es ist traurig, nicht wahr?“, sagte Pegasus, was Seto dazu veranlasste, den Kopf zu heben. „Dieser Spiegel zeigt, was immer du willst, aber unglücklicherweise wurde er zerbrochen. Deine Aufgabe wird es sein, ihn wieder zusammenzusetzen.“ „Was? Aber ... ich kann unmöglich hier bleiben! Dieser Palast besteht aus Eis, ich würde erfrieren“, wehrte er ab. „Obwohl, wenn ich mir ein Feuer anmachen könnte ...“ Seto sah sich um, auf der Suche nach brennbarem Material. „Nein, kein Feuer!“, schrie Pegasus auf einmal aufgeregt, als würde schon sein ganzer Palast in Flammen stehen, und fuchtelte hektisch mit den Armen herum. „Kein Feuer.“ „Aber –“ Der Eisfürst holte tief Luft, um sich zu beruhigen. „Seto, ich verspreche dir, dass du gehen darfst, sobald du den Spiegel fertig gestellt hast – wenn du es dann noch willst. Bei deiner Intelligenz sollte das kein Problem darstellen, ich bin mir sicher, du wirst dieses Puzzle schnell lösen.“ „Ich lasse mich doch nicht entführen, damit ich dir irgendeinen dämlichen Spiegel zusammenpuzzle!“, entfuhr es Seto. „Wofür hältst du mich eigentlich?“ Pegasus’ bernsteinfarbene Augen hefteten sich mit einem eisigen Blick auf ihn. „Du solltest den Mund nicht zu voll nehmen.“ Langsam hob er die Hand. Seto keuchte erschrocken auf, als er sah, wie sich seine eigenen Hände mit blankem Eis überzogen. „Vergiss nicht, dass du dich hier in meinem Reich befindest.“ „Ja ... ja, aber hör auf damit.“ Die Kälte stach in seine Finger und machte sie taub. Als Pegasus den Arm senkte, wich das Eis von seinen Händen zurück. Der Brünette starrte ihn ungläubig an. Er hatte nicht gedacht, dass er zu so etwas fähig war. „Ich werde mich nun schlafen legen“, sagte Pegasus und wandte sich von ihm ab. „Wehe dir, wenn du mich den Sommer über weckst. Mein Schlaf ist nicht ganz so fest wie deiner.“ „Warum sollte ich dich wecken?“, fragte Seto, was dem anderen ein leises Kichern entlockte. „Ich habe dich einmal geküsst und du hast zwei Monate lang durchgeschlafen. Doch ein Kuss reicht nicht für immer. Du wirst mich bald um einen weiteren bitten und wenn es soweit ist, dann weck mich bitte nicht dabei. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf.“ „Dich küssen ... Das werde ich ganz sicher nicht!“, rief Seto. „Warum sollte ich dich noch einmal küssen wollen? Ich will nichts von dir, Pegasus.“ „Das sagen sie anfangs alle“, lächelte er, stieg die Treppe zu einer Galerie hinauf, die rund um die Halle verlief, und verschwand in einem der Gänge, die von dort abzweigten. „Ich werde nicht hier bleiben!“, rief ihm Seto nach. Während sich Seto die Frage stellte, was Pegasus von ihm wollte und Joey bei Yugi saß und Erdbeertorte in sich hineinschaufelte, stieg Mai die Treppe zu seinem Zimmer herauf, um ihn zu wecken. Sie wusste ja, dass er ein kleiner Langschläfer sein konnte, besonders in den Ferien, aber zum Mittagessen immer noch nicht aufgestanden zu sein, war selbst für ihn ungewöhnlich. „Joey! Hey, bist du wach oder schläfst du immer noch?“, fragte sie und klopfte an seine Tür. Als sie auch nach wiederholtem Rufen keine Antwort erhielt, öffnete sie und trat ein. Von Joey war nichts zu sehen, das Bett war gemacht – was lag da für ein Brief auf dem Kissen? Einer Ahnung folgend, nahm sie ihn an sich und öffnete das nicht zugeklebte Kuvert. Ihre Augen wurden beim Lesen der Zeilen weit vor Schreck. „Nein, das ... Joey!“ Mai stürzte zur Tür hinaus, hinüber ins Hotel, wo Mr. Wheeler mit der monatlichen Abrechnung beschäftigt war. „Jonathan!“ Ohne anzuklopfen, lief sie in das Büro ihres Chefs. „Mai ... ist was passiert?“ „Joey, er ... er ist weggelaufen, um Seto zu suchen. Hier!“ Jonathan war ebenso fassungslos wie die Köchin, als er las, was sein Sohn vorhatte. „Wir müssen ihn aufhalten, schnell! Ehe es zu spät ist.“ Dem Portier gab er noch rasch die Anweisung, sich in seiner Abwesenheit um das Geschäft zu kümmern, dann eilte er mit Mai aus dem Hotel. Eine knappe Stunde später, in der sie die halbe Stadt nach Joey durchkämmt hatten, erhielten sie per Handy einen Anruf der Polizei, sie habe sein Fahrrad an der Brücke gefunden, sein Schal sei, verhakt an ein paar Zweigen, im Wasser nahe des Ufers entdeckt worden. Vom Besitzer der Sachen fehlte allerdings jede Spur. An diesem Abend mischte Jonathan Wheeler zum ersten Mal keinen Whiskey in seinen Tee. Er nahm stattdessen gleich einen kräftigen Schluck direkt aus der Flasche. ♥ . ¸ ¸ . • * Ψ * • . ¸ ¸ . ♥ Als Joey am nächsten Morgen aufwachte, erwartete ihn Yugi bereits mit dem Frühstück in der Küche. „Was spielen wir denn heute?“, erkundigte sich der Blondschopf und bestrich sein Brötchen mit Erdbeermarmelade. „Was du willst“, erwiderte Yugi lächelnd, wobei er einen kurzen Seitenblick zu dem Körbchen warf, in dem der Elfenbeinkamm lag. Er war kein böser Magier, er liebte es nur zu spielen und besonders gern spielte er den Menschen in seiner Umgebung kleine Streiche. „Und Cut!“, rief Ryou. „Super, die Szene war perfekt, die nehmen wir. Ihr habt erst mal Pause, Jungs.“ Anzu legte das Märchenbuch auf den Tisch neben sich und ging zu Yugi hinüber, der in seiner grünen Latzhose und dem T-Shirt am Tisch sitzen geblieben war und seinen Früchtetee austrank. „War das niedlich. Du bist so süß in deiner Rolle, Yugi“, quietschte das Mädchen und bevor er überhaupt reagieren konnte, hatte sie die Arme um ihn geschlungen und drückte ihn. Yugis Gesicht verzog sich unwillig. „Ich bin nicht süß!“, brummte er, wobei er vergeblich versuchte, seiner Stimme einen erwachseneren Klang zu geben. Er machte sich von ihr los, stand auf und verließ das Studio. Süß ... Er hasste es, so genannt zu werden. Dieses Wort bekam er seit Jahren andauernd zu hören. Nahm ihn denn hier kein Mensch ernst? „Ach, Anzu, du weißt doch, dass er das nicht mag“, seufzte Ryou. „Schon, nur ... Er ist so putzig als Frühlingsmagier.“ „Lass ihn das bloß nicht hören, sonst weigert er sich am Ende noch, weiter zu spielen“, meinte Katsuya. „Und dann muss Yami wieder als Vermittler herhalten. Apropos, wo ist der überhaupt? Hat einer von euch ihn gesehen?“ „Keine Ahnung, ich weiß nicht, wo der ist.“ Anzu sah sich im Studio um. „Da fällt mir ein, Bakura ist auch verschwunden.“ Ryou entfuhr ein tiefes Seufzen, seine Hand fuhr an seine Stirn. „Ich ahne schon, wo die zwei wieder stecken“, sagte er und verdrehte die Augen. In einem anderen Teil des Gebäudekomplexes stapfte Yugi mit missmutiger Miene den Flur entlang. Die nächsten Szenen, die auf dem Drehplan standen, waren ohne ihn, da konnte er genauso gut das Studio verlassen und sich in seiner Garderobe über sein Mittagessen hermachen, während er ein bisschen vor sich hinschmollte. Als er an der Garderobe seines Bruders vorbeikam, stockte er mitten in der Bewegung, drehte sich zu der Tür um, auf der Yamis Name angebracht war ... Kein Zweifel, die Geräusche waren eindeutig. Warum musste sich Yami unbedingt mit Bakura einlassen?, wetterte er, ohne dass ein Laut über seine Lippen kam. Ich verstehe Ryou ja so gut, dass er für die jetzigen Dreharbeiten aus ihrer Wohnung aus- und in ein Hotel gezogen ist. Wie soll man bei der Geräuschkulisse schlafen ... ♥ . ¸ ¸ . • * Ψ * • . ¸ ¸ . ♥ Joeys Verschwinden löste bei der Polizei von Domino die zweite große Suchaktion innerhalb weniger Monate aus, doch sie blieb ebenso erfolglos wie die nach seinem Geliebten. Sein Vater zog sich schwer getroffen in seine Wohnung zurück und überließ es die meiste Zeit seinen Angestellten, sich um die Leitung des Hotels zu kümmern. Mai tat ihr Bestes, um ihn aus seinem Wohnzimmer raus- und wenigstens zurück in den Salon zu holen, wo sie ihn besser im Auge behalten konnte. Nachdem er nach seiner Frau und seiner Tochter nun auch noch seinen Sohn verloren hatte, fürchtete sie, er könnte auf die Idee kommen, sich etwas anzutun. Sie und ihre Kollegen verteilten Jonathans Aufgaben unter sich, um ihren Chef zu entlasten und kamen meist nur zu ihm, wenn sie seine Unterschrift benötigten. Mit großer Sorge beobachtete Mai, wie er sich immer öfter ein Glas Whiskey, Sherry oder anderes einschenkte. Sprach sie ihn aber darauf an, brummte er, das ginge sie nichts an und wandte sich von ihr ab. Beim letzten Mal hatte er sich dank seiner Arbeit wieder gefangen. Ihr blieb nur zu hoffen, dass er es dieses Mal auf gleiche oder ähnliche Weise schaffen würde. Der regnerische April, zu dessen Beginn Joey fortgelaufen war, ging in einen warmen Mai über, der die Rosen aus ihren Knospen lockte und das Leid des Hoteldirektors damit noch vergrößerte. Mai schaffte es nur mit Mühe und dem vollen Einsatz ihrer Überredungskunst, ihn davon abzuhalten, die Rosenstöcke aus der Erde zu reißen und auf den Kompost zu werfen. Gemeinsam mit dem Oberkellner brachte sie ihn zum Wohnhaus, wo sie ihn die Treppen hoch schleppten und in sein Bett legten, damit er seinen Rausch ausschlafen konnte. „Oh, Joey“, seufzte sie, als die Tür hinter ihr zugefallen war. „Wo bist du bloß? Wir brauchen dich hier so dringend.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)