Der Eisfürst von moonlily (Splitternde Erinnerungen) ================================================================================ Kapitel 3: Ein neues Leben -------------------------- (1) http://www.youtube.com/watch?v=-nSYU1EVeqQ&feature=related Yiruma – Love hurts (2) http://www.youtube.com/watch?v=S-ets2ZvWwc&feature=related Yurima – When the Love Kapitel 3 Ein neues Leben (1) In den folgenden Tagen wurde es Seto immer schwerer, die freundliche Miene aufzusetzen, die von den Angestellten eines guten Hotels erwartet wurde. Die geringschätzigen Blicke der Gäste – sofern sie ihn überhaupt beachteten – entgingen ihm nicht und er kannte sie nur zu gut. Die gleiche Art von Blicken hatte er dem Personal der Hotels zugeworfen, in denen er auf seinen zahlreichen Geschäftsreisen abgestiegen war. Allein mit den Augen hatte er ihnen klar gemacht, auf welcher Stufe sie sich in der Hierarchie befanden. Er hatte sich nie darum geschert, was die Leute über ihn dachten, doch diese ständige, offensichtliche Missachtung ging selbst an ihm nicht ganz spurlos vorüber. Nie zuvor war er so dankbar für seine eiserne Selbstbeherrschung gewesen. Am Ende der Woche platzte ihm allerdings der Kragen. Ob der Hund ihn mit einem Baumstamm verwechselte oder etwas gegen ihn persönlich hatte, wusste er nicht. Fest stand jedoch, dass dieses unverschämte Mistvieh ihn angepinkelt hatte und ihn obendrein noch ankläffte. Sein Besitzer, ein feister, älterer Geschäftsmann, bemerkte den Vorfall erst, als sich sein vierbeiniger Liebling auf der Flucht vor Setos Eisblick hinter ihm versteckte. Der Mann verlangte umgehend den Hoteldirektor zu sprechen und beschwerte sich bei Mr. Wheeler lang und breit über sein unfreundliches Personal. Kaum war er, ausgestattet mit einem Entschuldigungsknochen, der fast so groß wie der Chihuahua selbst war, in seiner Suite verschwunden, wandte sich Jonathan an Seto. „Ich warne dich nur noch dieses eine Mal, Freundchen. Benimm dich unseren Gästen gegenüber, wie es sich gehört oder du fliegst in hohem Bogen.“ „Aber er hat mich ange –“ „Und wenn schon, dann lächelst du höflich, wartest, bis der Gast gegangen ist und gehst dich umziehen. Was ist daran bitte so schwierig?“ Die Glocke am Empfang wurde betätigt und er entließ Seto mit einem Nicken. In der Nacht lag Seto lange wach und dachte über die Worte seines Chefs nach. Er hatte immer gekämpft, sich nie unterkriegen lassen. Sollte er jetzt etwa damit anfangen? Er stellte sich den Triumph auf Mr. Wheelers Gesicht vor, wenn er die Kündigung einreichte und verneinte seine Frage. Er hatte sich durch Gozaburos harte Schule gebissen, mit der er ihm das nötige Wissen für die Leitung der Firma eingetrichtert hatte, er würde auch das hier überstehen. Dass er die Kaiba Corp übernommen hatte, hatte er seiner harten Arbeit zu verdanken gehabt und er würde sich wieder hocharbeiten, auch wenn es dieses Mal länger dauern sollte. Am nächsten Morgen trat er seinen Dienst mit dem freundlichsten Lächeln an, das man im Schwarzen Rotauge je gesehen hatte. Er dachte nicht daran, Jonathan noch einen Grund zur Klage zu geben. Der Blauäugige ahnte nicht, dass nicht nur Mr. Wheelers scharfe Augen auf ihm ruhten, sondern sich auch die seines Sohnes häufiger auf ihn richteten, nachdem die anfängliche Verärgerung vergangen war. Er wunderte sich, dass sein Vater ihn härter heran nahm, als er es sonst mit neuen Angestellten zu tun pflegte. Zwar wurden auch diese bei Fehlern ermahnt, hatten in den ersten Tagen aber noch ein gewisses Maß an Schonfrist, um sich an die neue Stelle zu gewöhnen. Als Joey ihn darauf ansprach, hüllte er sich in Schweigen und meinte lediglich, dass Kaiba den Stress nun mal ertragen können müsse. Mai konnte ihm seine Frage ebenso wenig beantworten, war aber erfreut, dass Joey Seto nicht mehr so feindselig gegenüberzustehen schien wie in den ersten Tagen, als sie mehrfach unglücklich zusammengestoßen waren. Der Blondschopf wurde unterdessen das Gefühl nicht los, den Brünetten schon einmal irgendwo gesehen zu haben, bevor er im Schwarzen Rotauge aufgetaucht war, doch er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wo das gewesen sein könnte. „Hast du nicht eine Idee, woher ich Kaiba kenne?“, fragte er Ryou in der zweiten Maiwoche auf dem Rückweg von der Schule, knapp zwei Wochen, nachdem Seto bei ihnen angefangen hatte. „Dafür, dass du ihn nicht sonderlich magst, machst du dir aber viele Gedanken um ihn“, bemerkte sein Freund. „Ich weiß, aber dieser dämlich Gedanke geht mir einfach nicht aus dem Kopf“, erwiderte Joey verzweifelt. „Ich hab mich schon durch das Schülerverzeichnis unserer Schule und durch unsere Gästebücher der letzten drei Jahre gearbeitet. Nichts.“ „Hast du es mal im Internet versucht?“ Joey schlug sich gegen die Stirn. „Manchmal hab ich echt ein Riesenbrett vorm Kopf. Da hätte ich auch von selbst drauf kommen können. Okay, dann sehen wir uns am Montag. Bis dann!“ Ryou konnte ihm seinen Abschiedsgruß nur noch hinterher rufen, Joey bog schon um die Ecke und flitzte auf das Hotel seines Vaters zu. Er umrundete ein paar Hotelgäste, die ihm entgegenkamen, und gelangte durch einen Torbogen in den kleinen Innenhof des Nebengebäudes, in dem die Wheelersche Privatwohnung und die Zimmer der Angestellten lagen. Die Haustür zum Angestelltentrakt öffnete sich und entließ Seto in die warme Nachmittagssonne. Sein Blick hingegen war eisig und wurde noch einige Grad kälter, als er Joey entdeckte. „Guten Tag, Mr. Wheeler“, nickte er ihm zu und ging an ihm vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Ihr Streit in der Küche war Mr. Wheeler senior nicht verborgen geblieben und hatte Seto einen weiteren Tadel eingetragen. Seither siezte er Joey, falls er ihn sah – falls, denn er vermied es, wenn möglich, ihm über den Weg zu laufen. Dieser „blonde Trampel auf vier Pfoten“ oder kurz „Köter“, wie Seto ihn im Geheimen getauft hatte, bedeutete nur Ärger und gerade den konnte er nicht gebrauchen. Joey erwiderte den Gruß und schloss die Tür der Wohnung auf. Sein Zimmer befand sich im ersten Obergeschoss, wie das Schlafzimmer seines Vaters und Serenitys Zimmer. Jonathan hatte mehrfach Anstalten gemacht, ihre Sachen einzupacken und auf den Dachboden zu räumen, doch Joey hatte sich beharrlich dagegen geweigert und so war es so geblieben, wie es an ihrem Todestag gewesen war. Während der Laptop auf seinem Schreibtisch mit einem leisen Summen anlief und sich hochfuhr, trat Joey ans Fenster und sah in die Richtung, in die Seto eben verschwunden war. Blaue Augen mit einem Ausdruck wie blankes Eis und dennoch hatte Joey in den letzten Tagen mehrmals kurz gedacht, noch etwas anderes als die Kälte in ihnen gesehen zu haben, wann immer sich ihr Besitzer unbeobachtet gefühlt hatte. Eine Art Melancholie, als trauere er um etwas. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen, ging ins Internet und tippte „Seto Kaiba“ als Suchbegriff ein. Ein überraschter Pfiff drang über seine Lippen, als ihm die Suchmaschine Sekundenbruchteile darauf ihre Ergebnisse präsentierte. Die Liste war überwältigend, mehr als 200.000 Einträge. „Wo soll ich da anfangen“, murmelte er und klickte aufs Geratewohl den ersten Eintrag an. Noch während er die ersten Zeilen las, weiteten sich seine Augen sowohl vor Erstaunen als auch vor Erkenntnis. Kaiba handelt Millionenvertrag mit Industrial Illusions aus. Seto Kaiba auf Platz 1 der begehrtesten Junggesellen des Landes. Eine Schlagzeile jagte die andere. Während der folgenden Stunden klebte er förmlich am Bildschirm. Vor seinen Augen tat sich das Leben eines Mannes auf, der es seit seinem elften Lebensjahr gewohnt war, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ständig begleitet von den Blitzlichtern der Fotografen, das Auge immer auf die Firma gerichtet, die er von seinem Stiefvater übernommen hatte. Langsam setzten sich die einzelnen Teile, die Eindrücke, die er bisher von Kaiba gewonnen hatte, zu einem Puzzle zusammen. Plötzlich verstand er die Bitterkeit, die ein paar Mal in der Miene des Brünetten aufgeflackert war, und den kühlen, abweisenden Blick, mit dem er jedem außerhalb des Dienstes begegnete. Aber das erklärt immer noch nicht, warum Dad ... Oder könnte es sein, dass – Er sprang auf und lief in das kleine Arbeitszimmer seines Vaters hinüber, wo er in einem Aktenschrank die Ordner mit den privaten Unterlagen der Familie aufbewahrte. Im dritten Ordner, den er hervorzog, fand er, wonach er suchte, inklusive der überhöhten Rechnung, die der Anwalt Jonathan Wheeler nach dem Prozess geschickt hatte. Also ist Kaiba der Idiot, über den Dad so lange geschimpft hat. Aber ist das gleich ein Grund, sich jetzt so an ihm zu rächen? Joey schüttelte den Kopf. Kaiba tat ihm irgendwie leid. Wie er ihn allerdings einschätzte, würde er ihn für sein Mitleid eher verfluchen, als ihm das Herz auszuschütten. Beim Abendessen fragte er seinen Vater vorsichtig, ob er Setos Arbeitsbedingungen nicht allmählich normalisieren wolle. Jonathan lachte lediglich kurz und meinte, diese einmalige Chance würde er sich nicht entgehen lassen. Kaiba sollte sich einmal so fühlen, wie er damals. (2) Der Mai neigte sich seinem Ende zu. Flieder und Maiglöckchen waren verblüht, dafür hatten Lilien, Tagetes und andere Blumen sie abgelöst. Die Rosenstöcke, die Joey voller Hingabe pflegte, waren voller Knospen, von denen die ersten bereits aufgegangen waren. Er wanderte im schwindenden Licht der Abendsonne durch den Garten, knipste mit der Schere einen abgeknickten Zweig von einer Kletterrose ab. Der Himmel sah aus, als wäre er in Brand geraten. Gelb, Orange, Rot und dunkles Rosa wetteiferten miteinander und badeten die aufziehenden Wolken und den Garten in einem rötlich-goldenen Schimmer. Joey schnitt einen Zweig mit zwei zartrosafarbenen Rosen ab, die eine bereits erblüht, die andere hatte gerade erst ihre Knospe geöffnet. Diese Rosen hatte Serenity am liebsten gemocht, der Rosenstock war zu ihrer Geburt gepflanzt worden. Der von Joey, der volle, dunkelrote Rosen mit betörendem Duft trug, stand gleich daneben. Er brachte seiner Schwester regelmäßig Blumen ans Grab, stellte aber auch häufig welche in ihr Zimmer. Nachdem er die Dornen entfernt hatte, legte er die Schere wieder an ihren Platz im Geräteschuppen und machte sich über die Wiese, auf der die Gäste im Sommer lagen und sich sonnten, auf den Rückweg zum Haus. Lächelnd winkte er einem jungen Ehepaar zu, das auf dem Balkon seines Zimmers stand und den Sonnenuntergang genoss. Sie waren frisch verheiratet und verbrachten nun ihre Flitterwochen in Domino. Die Wolken, die sich von Westen näherten, wurden dichter und verschluckten den Sonnenuntergang immer mehr, bis kaum noch etwas von ihm zu sehen war. Schade, dabei war heute so ein schöner Tag, dachte Joey. Er beschloss, noch kurz bei Mai vorbeizusehen. Es war fast neun, das Abendessen war lange beendet, sie musste also mit ihrer Arbeit fertig sein. Der Eingang zur Küche lag an der Nordseite des Hauses, wo es kaum Gästezimmer gab und somit auch keine unzufriedenen Gäste, die sich an den Gerüchen stören konnten, die aus den großen Containern aufstiegen, in welche die Essensreste entsorgt wurden. Auf der Hand des Blondschopfs landete ein Wassertropfen. Sein Blick richtete sich nach oben, weitere Tropfen folgten. Noch während er seine Schritte beschleunigte, öffneten sich die Schleusen des Himmels. Wir müssen hier endlich für bessere Beleuchtung sorgen, dachte Joey, als er die Tür nach einem kurzen Sprint erreichte. Es gab nur eine Lampe über dem Eingang, der größte Teil der Hotelseite lag im Dunkeln. Seine Hand lag schon auf der Türklinke, als ihn ein leises Stöhnen, das aus der Dunkelheit zu seiner Rechten drang, aufhorchen ließ. Er wandte sich um. „Ist da jemand?“ Langsam, mit schleppenden Schritten löste sich eine Gestalt aus den Schatten und näherte sich ihm. „Whe ... Wheeler?“, murmelte eine Stimme. Die Person schwankte, fast als hätte sie zu viel getrunken. Dann kam sie in Reichweite der Lampe. Joeys Augen weiteten sich, als er Seto erkannte – oder das, was von ihm übrig war. Seine Unterlippe war aufgeplatzt und blutete, eine weitere große Wunde hatte er an der Stirn davongetragen. Er hielt sich die Seite. Die Uniform war an mehreren Stellen zerrissen und auch sonst war er in einem erbärmlichen Zustand. Unbarmherzig prasselte der Regen auf ihn nieder. „Kaiba, was –“, setzte Joey an. Seto machte einen weiteren Schritt auf ihn zu und strauchelte. Seine Augen schlossen sich, dann brach er bewusstlos zusammen. „Kaiba!“ Die Rose entglitt Joeys Händen und fiel zu Boden. Mit zwei Schritten war er bei ihm und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken. „Hey, aufwachen! Kaiba!“ Er schlug sachte mit dem Handrücken gegen die Wange des Älteren. Erleichtert stellte er fest, dass dieser wieder zu sich kam. Für Sekunden war sein Blick verwirrt, wurde dann jedoch schlagartig wieder klar und nahm seinen üblichen kühlen Ausdruck an. „Was ist mit dir passiert?“, fragte Joey. „Nichts weiter ... Mr. Wheeler“, presste Seto hervor und setzte sich abrupt auf. Seine Hand fuhr an seine schmerzende Stirn. „Komm hoch, ich kümmere mich um deine Wunden.“ „Das kann ich alleine.“ „Du kannst kaum laufen“, widersprach Joey und half ihm aufzustehen. Entschieden marschierte er auf das Wheelersche Wohnhaus zu und zog Seto mit sich. Er führte den Brünetten ins Wohnzimmer und nötigte ihn trotz seines Protestes, seine Kleider seien durchnässt, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Joey lief kurz in sein Zimmer, um seine nassen Sachen loszuwerden und sich ein frisches T-Shirt und eine Hose anzuziehen. Im Bad durchsuchte er das Medizinschränkchen nach den nötigen Utensilien und eilte damit zu dem Verletzten zurück, dem er ein großes Badetuch um die Schultern und ein Handtuch über die feuchten Haare legte. „Wie ist das geschehen?“, versuchte er noch einmal sein Glück, eine Antwort zu erhalten, tränkte einen Wattebausch mit Desinfektionsmittel und begann damit, die Platzwunde an Setos Stirn zu betupfen. „Unglücklich gefallen“, kam die gemurmelte Antwort. Von dem Blondschopf kam ein trockenes Lachen. „Ich bin in meinem Leben schon oft hingefallen und ich sah nie so lädiert aus wie du, Kaiba. Du siehst eher aus, als wärst du unter einen Laster geraten – oder zwischen die Fäuste einer Straßengang.“ „So was ähnliches.“ „Was ist mit deiner Seite?“ „Alles in Ordnung, nur ein blauer Fleck.“ „Davon möchte ich mich selbst überzeugen. Zieh das Hemd aus.“ „Ich denke nicht daran, mich wegen einer Lappalie vor dir zu entblößen“, erwiderte Seto und fiel, ohne es zu merken, in die Du-Form zurück. „Jetzt stell dich nicht so an oder ich ziehe es dir selbst aus.“ „Nein.“ Seto verschränkte demonstrativ die Arme. „So ein sturer Drache.“ „Besser ein Drache als ein Hund.“ „Meinst du etwa mich?“ „Siehst du noch einen Hund außer dir im Raum?“, entgegnete Seto, erhob sich und funkelte ihn herausfordernd an. Joeys Hand ballte sich unwillkürlich. Dieser überhebliche Ton seines Gegenübers machte ihn wahnsinnig. Blaue und braune Augen fochten einen stummen Kampf miteinander aus. Seto war sich sicher, dass er dieses kleine Duell unter normalen Umständen jederzeit für sich entschieden hätte, doch das Vorangegangene hatte ihn sehr geschwächt, so ungern er es auch zugeben mochte. Seine Beine gaben unter ihm nach, er ließ sich auf den Stuhl zurücksinken. Auf keinen Fall wollte er sich noch einmal die Blöße einer Ohnmacht geben. So schnell wie Joeys Wut gekommen war, verrauchte sie wieder. Er besaß ein hitziges Temperament, konnte jedoch ebenso nicht zusehen, wie es jemandem schlecht ging. „Ziehst du dein Hemd jetzt freiwillig aus?“, erkundigte er sich. „Ich möchte wirklich nur nachsehen, ob alles okay ist und du dir keine Rippe gebrochen hast.“ Wenn auch widerwillig, kam Seto dem Wunsch nach und zog Jacke und Hemd aus. Seine linke Seite war rot und blau. Joey tastete die Prellungen vorsichtig ab, alle Knochen schienen noch an ihrem Platz zu sein. Er bat Seto, morgen vorsichtshalber zum Arzt zu gehen, sich von ihm untersuchen und die nächsten Tage krankschreiben zu lassen. Der Brünette sah ihn entrüstet an. „Ich kann mir nicht einfach so eine Auszeit nehmen.“ „Das ist keine Auszeit aus Spaß, du bist verletzt und durch das Kofferschleppen wird es sicher nicht besser.“ „Aber –“ „Dann erteile ich dir als Sohn des Hoteldirektors und stellvertretender Direktor hiermit die dienstliche Anordnung, dich ärztlich untersuchen und krankschreiben zu lassen“, sagte Joey ernst. Seto brummte unzufrieden und zog das Badetuch enger um sich. Er hasste es, wenn er sich geschlagen geben musste. „Wenn’s denn sein muss.“ „Es muss. Hast du sonst noch irgendwo Schmerzen?“ „Nein, du hast mich ja ... Ich meine, Sie haben mich –“ „Du kannst gern beim Du bleiben“, unterbrach ihn Joey. „Ich glaube, wir hatten vor ein paar Wochen einen schlechten Start. Joseph Jay Wheeler, genannt Joey.“ Er streckte ihm die Hand hin. Seto betrachtete sie einen Augenblick und reichte ihm dann seine. „Kaiba.“ „Hast du keinen Vornamen?“ „... Seto.“ „Freut mich, Seto.“ Joey lächelte leicht. „So, und jetzt geh dich umziehen, bevor du dir noch ’ne Erkältung in dem nassen Zeug holst.“ „Dann gute Nacht und ... Danke.“ „Keine Ursache, Seto.“ ♥ . ¸ ¸ . • * Ψ * • . ¸ ¸ . ♥ Anzu nahm einen tiefen Schluck von ihrer heißen Schokolade. So lange am Stück vorzulesen, war anstrengend für die Stimme. Was sie den vier Kindern erzählte, sollte im späteren Film zum Teil als Hintergrundstimme verwendet werden. Mokuba ordnete seine Beine auf der Couch um und murrte, als Noah ihm den letzten Schokokeks vom Teller schnappte. „Seto begab sich in sein Zimmer“, fuhr Anzu fort, „und –“ „Nein, nein, nein, ich will das nicht anziehen!“, drang plötzlich Pegasus’ Stimme durch die Tür zum Studio. „Herr Pegasus, warten Sie!“, rief Hitomi, die für die Kostüme verantwortlich war. „Sie können da jetzt nicht rein, die Aufnahme läuft.“ „Aber ich muss mit dem Regisseur sprechen.“ Die Tür wurde schwungvoll aufgestoßen, zu schwungvoll, wie Pegasus gleich darauf feststellte, denn sie prallte mit einem lauten Knall gegen die Wand. Anzu sah von ihrem Buch auf. „Aus!“, rief Ryou und unterbrach damit die Aufnahme. Er drehte sich in seinem Regisseurstuhl um und sah zur Eingangstür. Seine Miene verfinsterte sich. „Pegasus, was zur Hölle soll das? Wir stecken mitten in der Aufnahme.“ „Ryou, ich kann das nicht anziehen“, sagte Pegasus. Er schwenkte einen Kleiderbügel mit einem langen weißen Mantel durch die Luft. Hitomi bemühte sich, ihm das Kleidungsstück abzunehmen, doch er entzog es ihren zugreifenden Fingern immer wieder. Tief durchatmend erhob sich der Weißhaarige von seinem Stuhl. Er hatte geahnt, dass es nicht einfach werden würde, die Regie zu übernehmen, hatte aber keine große Wahl gehabt. Ihr Regisseur war zwei Tage vor Drehbeginn in seinem Haus beim Auswechseln einer Lampe von der Leiter gestürzt, die Treppe heruntergefallen und lag jetzt im Krankenhaus. „Und warum nicht?“, erkundigte sich Ryou. „Es ist so ... weiß.“ „Wir haben doch darüber gesprochen, Pegasus, dass ich deinem Vorschlag nicht nachkommen kann.“ Seine Finger trommelten gegen seinen Oberschenkel. Fast eine Stunde hatten sie deswegen vorgestern diskutiert. „Schon, nur ... Warum denn nicht rosa?“ Tiefe Falten gruben sich in Ryous Stirn, so dass er seinem älteren Bruder Bakura verblüffend ähnlich sah. „Du bist nicht der Frühling!“, erklärte er genervt. „Du bist der Eisfürst, der Herr der Kälte, des Schnees und des Eises und damit ist deine Farbe Weiß, nicht Rosa!“ Er holte ein weiteres Mal tief Luft. „Ich bin sicher, wir finden einen Weg, der uns beide zufrieden stellt. Lass uns das besprechen, wenn wir mit der Szene durch sind.“ Pegasus brummte noch etwas Unverständliches und verließ dann das Studio. Ryou wandte sich wieder dem Set zu. „So, weiter geht’s. Alle auf ihre Plätze!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)