Hail to the Thief von Arianrhod- ([OS-Sammlung]) ================================================================================ Kapitel 1: Valediction ---------------------- Oh ja, neue OneShot-Sammlung, wo ich noch nicht mal die Alten abgeschlossen habe, aber das ist mir egal. Die anderen sind sowieso größtenteils Naruto und ich bin momentan 'etwas' YGO-besessen. Wie auch immer - dieser OneShot ist eine Antwort auf die August-Challenge, die da lautet 'Eine Person kommt in eine Bar'. Der OS fängt etwas früher an, aber ich glaube (und hoffe), dass das okay ist? ö__ö Das Fandom ist Yu-Gi-Oh! und das Pair Citronshipping (aka Thief King Bakura x Malik Ishtar), mein 'Er-Erzähler' Bakura. Außerdem ist die FF sehr deutlich AU. Auf diese Art hatte ich es noch nie mit Bakura zu tun, darum seht es mir nach, wenn er etwas weniger aggressiv/irre ist, wie man das aus der Show gewohnt ist... Nebenbei ist das hier auch mein erster Versuch, mit Steampunk herumzuspielen. Mit diesem Subgenre hab ich nicht sonderlich viel Erfahrung, aber ich wollte es unbedingt mal probieren. (Vor allem, ehe ich mit dieser anderen Idee loslege... >.<) Das Death Sentence und Sathi gehören mir und die (sehr unausgegorene) Welt natürlich ebenfalls. XD" Namen: (Weil die ein Kreuz sind in diesem Fandom ~___~) Bakura = der Thief King Malik = Malik Ishtar, der Normale Assur = Yami no Malik Atemu = der Pharao Isis = Ishizu Ishtar Rishid = Odion Ishtar ~~~~~~~ Valediction Das Death Sentence hatte sich kein Stück verändert in den vier Monaten, in denen er nicht in Domino gewesen war. Durch die halbblinden Fenster fiel der goldene Lichtschein von Gaslampen auf die verdreckte Straße. Das Schild über der Tür mit dem Totenkopf und dem verschnörkelten Schriftzug knarrte leise im Wind und wirkte wie stets, als könne es jeden Moment aus der Halterung fallen – was es noch nie gemacht hatte. Lärm drang heraus, wirre Stimmen, Geschrei und Musik, die wahrscheinlich von einem Phonographen stammte. Doch die Besucherschaft der stinkenden Kaschemme hatte sich verändert. Musste sich verändert haben. Schnell und hart, so war das Leben hier. Doch die, auf die es auf die eine oder andere Art ankam, waren immer noch da. Nur einer davon nicht, aber das war Bakura selbst. Vielleicht hatte schon jemand den Titel ‚König der Diebe’ für sich beansprucht, nachdem Bakura nicht zurückgekehrt war und nun bereits vier Monate auf sich warten machte. Das Leben war zu kurz um eine solche Zeit zu warten. (Weil es tatsächlich so war, würde er kurzen Prozess mit dem Emporkömmling machen, der es gewagt hatte, auf diese Weise seinen Platz einzunehmen. Niemand war so gut wie er und niemand hatte seinen Titel verdient oder durfte sich sein Nachfolger nennen. Also würde es heute einen blutigen Tod geben. Vorausgesetzt Atemu oder Malik hatten das nicht schon für ihn erledigt. Malik mochte sich gekränkt fühlen und Atemu sein Feind sein, doch manche Dinge würden sie einfach tun, weil sie Malik und Atemu waren und sie zu den wenigen Leuten in Domino gehörten, die einen (zugegebenermaßen sehr komplizierten) Ehrenkodex besaßen.) Wahrscheinlich war die Hälfte der Huren und Straßenjungen neu in dieser Gegend und es gab noch einen ganzen Haufen Herumtreiber, die er noch nie zuvor gesehen hatte und vielleicht würde sogar jemand Unwissendes versuchen, Streit mit ihm anzufangen... Das würde sicher Spaß machen. War aber eher unwahrscheinlich. Da würde nur Assur sein, der sich mit gezogener Klinge auf ihn stürzen würde wie ein tollwütiger Wolf, weil er wahnsinnig und übereifrig war und Bakura Malik gekränkt hatte. Und wenn es um seinen Zwilling ging, verlor Assur jegliche Relation. Jeder hier kannte Assur, selbst wenn er auf eine seltsam verquere Weise einer von Atemus Leuten war und der noch immer nicht genug Macht haben konnte, sich mit den kleineren Größen der Stadt anzulegen. Selbst wenn er auf dem Weg zur Spitze war, die er eines Tages erreichen würde. Wahrscheinlich ohne größere Probleme, jetzt, da Bakura nicht mehr da sein würde. Aber Assur... Assur war anders und darum war sein Name schon nach Tagen in aller Munde gewesen. Bakura würde seinen Lieblingsdolch schlucken, wenn er nicht zumindest Duke der Würfelspieler, die Harpyie Mai, und Bandit Keith antreffen würde. Vielleicht genehmigte Mako der Freibeuter sich auch Landurlaub, wer wusste schon wann der in der Stadt war mit seinem Flugschiff? Auf jeden Fall würde es genug Leute geben, die den wahren König der Diebe erkennen würden, wenn sie ihn sahen, und darauf kam es an, denn die Neuigkeit, dass es ihn nun doch nicht erwischt hatte, würde schnell wie ein Lauffeuer durch die Stadt ziehen. Und genau darum war er auch hier. Bakura ließ seine Zigarette in den Rinnstein fallen und grinste. Mit in den Nacken gelegtem Kopf blies er den Rauch wieder aus und betrachtete den dunklen Horizont und den Himmel über der Stadt, der von einer schwarzen Masse bedeckt war. Mit etwas Phantasie hätte man es für Wolken nehmen können, die schwer und vom fehlenden Licht grau und dunkel über den Häusern hingen. Doch Bakura war nie der große Romantiker gewesen, darum sah er es als das, was es war: Smog von den großen Fabriken im Süden der Stadt, dicker, schwarzer Rauch aus den riesigen Schloten, der von den Dampfmaschinen herrührte, die das angenehme Leben am Laufen hielten, vor allem für die Reichen, hier und in jeder anderen größeren Ansiedlung. Er schnaubte verächtlich. Die Nacht war dunkel und kalt, nass und schmutzig und der Dunst am Himmel war nur ein Teil des Unrats, der hier produziert wurde. Es war die perfekte Nacht für sein Vorhaben. Vielleicht hatte er deswegen auf sie gewartet oder vielleicht hatte sie auf ihn gewartet. Heute würden seine Pläne ins Rollen kommen und darum war er hier. Hier würde er einen kleinen Auftritt hinlegen, damit jeder wusste, dass er noch da war, und dann wieder in die Nacht eintauchen um einer Menge Leute in die Suppe zu spucken, ehe er mit großem Aufsehen und fetter Beute ins Nichts verschwand. Zumindest war das sein fein säuberlich ausgeklügelter Plan. Doch tief im Inneren wusste er, dass er das nur vorschob und seine Pläne um diesen Besuch im Death Sentence herumgebaut hatte, um seine Begegnung mit Malik, ganz egal, wie sie verlaufen würde. Es gab auch andere – vielleicht bessere – Orte um sich zu präsentieren. Aber er musste den Junge noch einmal sehen. Nur noch einmal, ehe er ging, ehe er dieser schmutzigen, verruchten, untergehenden, stinkenden, düsteren, einst so prachtvollen Stadt den Rücken kehrte. Wer hätte gedacht, dass ihm ein Abschied so schwer fallen würde? Wer hätte gedacht, dass Malik ihm so wichtig geworden war? Den wahren Wert mancher Dinge erkenn man erst, wenn man sie verliert, hieß es und bis jetzt hatte er nicht daran geglaubt. Was konnte schon von Wert sein, wenn man es mit geübtem Auge nicht auf den ersten oder zweiten Blick erkannte? Jetzt konnte er nur bitter darüber lachen, denn jetzt erst erkannte er, wie wahr diese Worte waren, wie sie gemeint waren; jetzt, da er gehen musste. Lieber würde er hier bleiben, die Nacht – wie früher – in Maliks Armen verbringen, aber manche Taten verlangten nach einer bestimmten Reaktion. Ohne Zweifel würde er eine Horde hoher Tiere in dieser Nacht gegen sich aufbringen und sie würden keinen Stein dieser verdreckten Stadt auf dem anderen lassen, sollten sie denken, dass er noch hier in Domino war. Sie würden niemanden ungeschoren davon kommen lassen, sollten sie glauben, sie würden ihm helfen oder ihn verstecken. Nicht seine Feinde, nicht seine Verbündeten, nicht seine Freunde, erst recht nicht jene, die ihm näher standen. Doch Bakura konnte keine solche Herausforderung, wie sie ihm vor vier Monaten entgegengeschleudert worden war, einfach ignorieren. Unbewusst tastete er nach dem Verband, der die noch immer schwärende Wunde unter seinem rechten Auge verbarg. Sie würden schon sehen, was es bedeutete, sich mit dem König der Diebe anzulegen. Und nur mit ihm allein. Die Absätze seiner schweren Stiefel klangen bei jedem Schritt dumpf auf den Pflastersteinen der unebenen Straße, als er auf die Tür zuging. Zwischen ihm und dem Himmel spannten sich Wäscheleinen quer über den Weg. Von mehreren hing noch die Kleidung herab, zu hoch, als dass sich jemand die Mühe machen würde, sie zu stehlen. Der rote, extravagante Mantel des Diebeskönigs bauschte sich hinter ihm und mit wenigen Handgriffen vergewisserte er sich, dass seine Waffen an Ort und Stelle waren; der lange, gebogene Dolch, die Steinschlosspistole und der langläufige Revolver, die Wurfmesser und die drei kleineren Klingen, die er versteckt am Körper trug. Natürlich hätte er es gemerkt, wenn sie ‚plötzlich’ verschwunden wären, aber Vorsicht war besser als Nachsicht. Ab jetzt durfte nichts mehr schief gehen. Er stieg die drei Stufen zum Eingang des Death Sentence hinauf und stieß die Tür auf. Ein Schwall warmer, verrauchter Luft, die nach Alkohol, Tabak, Schweiß und heißem Fett stank, schlug ihm entgegen, ebenso wie der Lärm, den er schon auf der Straße gehört hatte und der jetzt viel lauter war. Musik, Stimmen, das Trampeln von Schritten. Bakura ließ kurz seinen Blick über die Masse der Leute schweifen, während die Tür hinter ihm wieder ins Schloss fiel. Hier versammelte sich der Abschaum der Stadt, in der fast nur Abschaum lebte. Huren, Straßenkinder, Diebe, Mörder, Herumtreiber und all jene anderen, die so gern mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Ihre Klamotten waren ein buntes Sammelsurium aus zusammengewürfelten Kleidungsstücken, abgetragen, verdreckt und oft geflickt. Viele trugen Waffen und wenn es nur ein Messer mit einer langen Klinge war; gefährlichere Leute trugen Schusswaffen, teilweise sogar schwere Kaliber. Die meisten waren in dunklen und zurückhaltenden Farben gewandet, schwarz, braun und grau – doch es gab auch viele, die herausstachen; Huren vor allem. Ihre grell geschminkten Gesichter und die knatschbunten, zu weit ausgeschnittenen Kleider zogen die Aufmerksamkeit auf die Trägerinnen, wie sie es tun sollten. Doch die meisten Besucher der Bar zogen es vor, schnell und unauffällig im Schatten verschwinden zu können, wenn es sein musste, weil ihr Beruf es verlangte. Bakura wusste, dass er schon immer zu ihnen gehört hatte. Er entdeckte die schöne blonde Mai in Violett an dem langen Tresen, der sich rechts an der Wand quer durch den Raum zog. Wie immer sprengte ihre beachtliche Oberweite fast ihr Mieder und ihr Rock ging ihr kaum über den Arsch, aber Bakura wusste genau, dass jeder, der sie für eine billige Hure hielt bald im Rinnstein endete – tot oder schlimmeres. Den jungen Mann, der einen Arm um sie gelegt hatte, hatte er noch nie gesehen, darum war er entweder unwichtig oder einfach zu neu in der Stadt um eine Bedrohung für Bakura zu sein. Außerdem hatte er nicht vor, sich Mai auf irgendeine Weise zu nähern. Bandit Keith und seine Leute hingen in ihrer üblichen Ecke ab, in der es verrauchter war als im restlichen Raum. Der blonde, bullige Mann mit dem farbigen Bandana war deutlich in ihrer Mitte zu erkennen und Bakura tat ihn ab. Keith hatte es immer vorgezogen, ihm aus dem Weg zu gehen. Duke der Würfelspieler war ebenfalls unübersehbar. Der Selbstdarsteller liebte den Mittelpunkt, die Mädchen und das Spiel und darum saß er genau da, wo man ihn erwartete – an dem großen Tisch, der den Blickfang des Schankraumes darstellte. Der rabenhaarige Duke verwandelte den Spieltisch mit seinem gutem Aussehen und seinem Charisma in einer Art Bühne für sich selbst. Es war immer wieder beeindruckend, wie er die Aufmerksamkeit aller Mitspieler auf sich lenkte. Auf sich und weg von den Karten. Bei diesem Anblick fiel Bakura ein, dass der Spieler ihm noch eine beträchtliche Menge Geld schuldete. Nachher würde er Zeit dafür finden oder eben nicht, dachte er, nicht, dass es jetzt noch eine Rolle spielte, und ließ den Blick weiterwandern. Und dann war da Atemu. Atemu, den man schon jetzt den Pharao nannte, obwohl er und seine Leute neu in der Stadt waren, obwohl sie so jung waren, Kinder noch, obwohl sie es kaum geschafft hatten, sich einen Namen zu machen. Atemu, der junge Emporkömmling, der manchmal nicht wusste, wo sein Platz war und es doch immer wieder schaffte, mit kaum mehr als dem einen oder anderen Kratzer wegzukommen. Atemu, der eigentlich zu großes Ehrgefühl hatte für die Gosse und die Arbeit, die er sich ausgesucht hatte. Aber die klugen Leute wussten, dass er ein steigender Stern war, keine Eintagsfliege. Bakura würde es nicht verwundern, wenn er sich zu einer Supernova wandeln würde, die alles verbrannte, was ihr zu nahe kam. Wie schade, dass er nicht mehr da sein würde, wenn es soweit war. Atemu war der Einzige, der ihn sofort bemerkte, als er die Wirtsstube betrat, noch ehe er selbst Zeit hatte, einen Blick über die Leute schweifen zu lassen. Denn er blickte ihm bereits offen entgegen, kaum eine Spur Erstaunen in seinem Gesicht, als Bakura seinem Blick begegnete. Der Pharao war eine auffällige Gestalt, mit der bronzefarbenen Haut, wie die Hälfte der Einwohner der Stadt sie besaß, goldenen Ohrringen und breiten Halsreifen und wildem Haar, das in alle Richtungen abstand, schwarz und blond und dunkelrot. Er war athletisch und stärker, als er wirkte, allerdings war er auch verhältnismäßig klein, was für jeden, der ihn nicht kannte eine Quelle des Amüsements und der Unterschätzung war. Außerdem hatte er eine fast lächerliche Schwäche für Leder und Nieten. Doch all das nahm ihm nichts seiner Seriosität. Wer ihn unterschätzte, wurde sehr schnell vom Feld gekickt. Denn bei allem Ehrgefühl – Gegnern begegnete er ohne Gnade und wenn er es doch tat, dann hatte er Mahaado und Mana, Assur und Malik, Rishid und die eiserne Jungfrau Isis. Die letzteren beiden saßen mit ihm am Tisch. Der fast monströse Rishid mit der einzelnen Haarsträhne und den schwarz gefärbten Narben im Gesicht, deren Ursprung für alle ein Rätsel war, außer für Atemu und seine Leute selbst (und von denen ebenfalls kaum jemand wusste, dass sie auf Maliks Rücken ein ungleich größeres Gegenstück hatten) und die schlanke, kurvenreiche Gestalt der schönen, ernsten Frau mit dem langen Rabenhaar und den funkelnden, blauen Augen, die mehr zu sehen schienen als jeder andere. Von den anderen vier war nichts zu sehen, aber er wusste, dass zumindest Malik und Assur hier waren. Wenn nicht musste er sich seinen nächsten Schritt gut überlegen. Er musste Malik noch einmal sehen. Atemu hob eine Augenbraue und legte den Kopf schief, während Rishid und Isis jetzt ebenfalls ihre Aufmerksamkeit auf den Neuankömmling an der Tür richteten. Der große Krieger erhob sich halb, ehe Atemu ihm die Hand auf den Unterarm legte und auf den fragenden Blick hin nur den Kopf schüttelte. Schwer ließ der Mann sich wieder auf seinen Stuhl fallen. Atemu hatte seine Hunde gut trainiert. Bakura verzog die Lippen zu einem spöttischen Grinsen und steuerte auf den Tresen zu, während er weiterhin nach dem Jungen, wegen dem er hier war, und dessen Zwillingsbruder Ausschau hielt. Assur bemerkte er beinahe zu spät. Die Spitze einer blitzenden Halbmondklinge kratzte über das Leder des schwarzen Gilets, das Bakura über dem Hemd trug, und wäre er nicht zurückgewichen, hätte die Waffe eine blutende Wunde hinterlassen. Seine Hand schnellte vor, kaum das er die in Schwarz und Purpur gekleidete Gestalt des Jungen erkannte, und packte das kräftige Handgelenk, um den Dolch von sich wegzudrücken und um ihn gleichzeitig herumzuwirbeln, dass er Bakura im Rücken hatte. Aber Assur war schneller, nutzte den nächsten Stuhl und stieß sich davon ab. Sein Schwung trug ihn im hohen Bogen über seinen Gegner hinweg. Bakura ließ ihn los, während er noch durch die Luft flog, und fuhr herum, gerade rechtzeitig, um dem nächsten Schlag auszuweichen, der auf sein Gesicht gezielt war und einen blutigen Strich auf seiner Wange hinterließ. Assur ließ ein gutturales Knurren hören und attackierte ihn erneut, was Bakura dazu veranlasste, zur Seite zu treten. Wieder zuckte seine Hand nach vorn, packte das Gelenk des anderen Jungen an derselben Stelle wie vorher. Sein Griff war hart wie Eisen und es war ihm ein leichtes, die Hand des anderen zu drehen, bis er die Waffe fallen lasen musste, dass sie mit einem metallischen Poltern zu Boden fiel. Der Dieb knurrte und stieß den Jungen heftig von sich, dass er rücklings auf den Boden fiel. Im Moment hatte er weder Zeit noch Nerv für einen Kampf wie diesen, darum griff er nicht nach seinem Dolch, sondern der Pistole. Es war inzwischen totenstill im Raum und aller Augen waren auf den Kampf gerichtet. Jetzt, als er den langen Lauf der Feuerwaffe auf die Stirn des Jungen, der aus verengten Augen anstarrte. Vielleicht würde er es schaffen, diese Situation umzukehren. Oder er dachte das zumindest. Bakura wusste, dass es nicht sein würde, selbst wenn der Blonde noch einmal einen Angriff wagte. Er fuhr sich mit dem Handballen über die Wange, wo Assurs Waffe einen blutigen Kratzer hinterlassen hatte. Doch er war nicht der Rede wert – neben der verdeckten Wunde unter seinem rechten Auge würde das hier kaum auffallen und es würde auch ohne Probleme wieder heilen. „Verdammt. Ich hatte fast vergessen, wie schnell du bist.” Niemand anderes hätte ihn so leicht erwischen können. Der blonde Junge knurrte nur, ein gefährlicher Laut, der den Umstehenden – nicht Bakura selbst, nicht ihm – einen Schauer über den Rücken jagte. Seine dunkelvioletten Augen schienen in Flammen zu stehen vor Hass und Eifersucht. Manchmal fiel Bakura auf, wie seltsam es war, dass Malik und Assur sich als eineiige Zwillinge nicht so ähnlich sahen, wie man denken sollte. Auf dem ersten Blick mochten sie aussehen wie Abbilder voneinander und auf einem Foto würde man lange suchen müssen, bis einem die eine oder andere Ungleichheit auffiel. Es musste ihr Charakter sein, der sie so unterschiedlich machte, was sich auch auf ihr Aussehen auswirkte, denn trotz gewisser Parallelen waren sie verschieden wie Tag und Nacht. Assur, tödlich, jähzornig und wahnsinnig, was sich nicht zuletzt in der Obsession mit seinem Zwilling bemerkbar machte. Malik, wild, abweisend und freiheitsliebend, was ihm mehr Probleme bereitete, als er bewältigen konnte. Bakura legte den Kopf schief und erklärte jovial: „Ich will dich nicht umbringen, Assur. Du weißt, warum, und du weißt auch, dass ich es trotzdem tun werde, wenn du mich dazu zwingst.“ Den Lauf seiner Waffe noch immer auf die Stirn des Blonden gerichtet, wich er einen Schritt zurück. Eigentlich konnte eine solche Drohung den anderen kaum beeindrucken. Er hatte viele derartige Warnungen einfach in den Wind geschlagen und manche waren von kaum weniger gefährlichen Männern wie dem König der Diebe gekommen. Viele Leute wunderten sich, warum Assur Ishtar trotzdem noch lebte. Bakura wusste, dass genau diese Ignoranz, diese Tollkühnheit, dieser Wahnsinn der Grund war, warum Assur noch lebte. Der junge Messerkünstler hatte seine Waffen besser im Griff als die meisten Leute ihm zugestanden. Aber er wusste nicht, warum der Blonde sich langsam aufrappelte, seinen Dolch vom Boden angelte und wieder in die passende Scheide schob. Vielleicht war es derselbe Grund, den Bakura selbst hatte, den anderen nicht einfach das Hirn wegzupusten. Jedenfalls wich Assur zurück und sie beide wussten, dass sie zumindest heute Nacht keine Klingen mehr kreuzen würden. Noch immer war es still im Raum, wenn man von dem eifrigen Getuschel und Geflüster um sie herum absah. Spätestens jetzt musste jedem hier klar sein, dass er nicht einfach irgendwer war, und dann hörte er seinen Namen und seinen Titel aus den leisen Sätzen heraus. Sie schwebten wie die Worte eines Zaubers im Raum oder wie Flüche. Gut. Seine ... ‚Wiederauferstehung’, nachdem man ihn vier Monate lang für tot gehalten hatte, würde rechtzeitig an die Ohren dringen, die es anging. Bakura wandte keinen Blick von seinem Gegner, der jetzt einen Blick über die Schulter warf, um sich zu vergewissern, ob er nicht doch umdrehen und sich abknallen lassen sollte wie ein räudiger Hund in einer Gasse. (Obwohl er selbst das sicher aus einem anderen Blickwinkel sehen würde als sein Gegner, da war Bakura sich sicher. Wahrscheinlich dachte er eher daran, den König der Diebe aufzuschlitzen und seine Eingeweide über die strohbedeckten Dielen zu verteilen oder doch zumindest sein Blut. Dafür jedenfalls war seine Klinge wie geschaffen. Aber noch war er einfach nicht gut genug, es mit dem größeren Mann aufzunehmen.) Doch es war nicht Atemu, den er im Raum suchte, sondern die einzige Person, die ihm wirklich etwas bedeutete – Malik. Erwartungsvoll folgte Bakura dem Blick, wissend, wen und was er sehen würde. Dennoch traf es ihn wie einen Schlag, als er die schlanke Gestalt entdeckte, die lässig an einem der Holzpfeiler lehnte. Malik sah noch immer genau so aus, wie Bakura ihn in Erinnerung hatte, vielleicht noch etwas lebendiger, noch etwas begehrenswerter, noch etwas abweisender, aber deutlich Malik. Für einen Moment nahm es ihm den Atem. Die Fliegerbrille, die er in die wilde, sandblonde Mähne geschoben hatte; die Ponysträhnen, die ihm ins Gesicht fielen. Das zweischneidige Messer an seinem rechten Oberarm. Die goldenen Spangen um seinen Hals, den Handgelenken, dem anderen Arm, die großen Ohrringe. Die lange Klinge neben der Tasche an seinem breiten Gürtel, die Bakura ihm ganz am Anfang geschenkt hatte. Die große, rote und sandbraune Katze mit den zwei Schwänzen auf seiner Schulter. Für einen Moment schien auch die Welt den Atem anzuhalten. Bakura stieß seinen eigenen heftig aus, verärgert mit sich selbst. Es war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr er Malik vermisst hatte. Und er wollte jetzt wieder gehen und das hier aufgeben, einfach wegwerfen? War er denn ein solcher Narr?! Es dauerte nur einen Augenblick, ehe er sich selbst die Antwort gab. Ja, war er. Weil sein Stolz, alles zuzugeben, einfach zu groß war und sein Rachedurst und die Angst, Malik in diese ganze Sache mit hineinzuziehen, die er nicht ruhen lassen konnte. Wieder wegen seinem Stolz. Aber jetzt und hier, unter den erstaunlichen, hellvioletten, juwelenartigen Augen Maliks, der ihm offen entgegensah, schwankte sein Entschluss. Dann wandte der Junge sich ab und brach den Bann selbst, der Bakura an ihn zu binden schien. Der Dieb runzelte die Stirn und fuhr sich durch den Mob weißen Haares, ehe er die Pistole wieder in ihr Halfter schob und sich ebenfalls von dem anderen abwandte. Er schlenderte auf die Bar zu, wo man ihm bereitwillig – oder ängstlich, ganz wie man es sah – Platz machte. „Gib mir ’nen doppelten Schwarzen.“, verlangte er von dem Mädchen hinter dem Tresen, das rasch nickte und in seiner Hast fast etwas von der wertvollen Flüssigkeit verschüttete. Die Flasche klirrte mehrmals gegen den Rand des Glases, das sie ihm hingestellt hatte, und es war deutlich zu hören. Dann aber begann der Lärm der Stimmen wieder einzusetzen und irgendwer legte wieder eine Platte auf, so dass Musik erneut ein Hintergrundgeräusch bildete. Bakura entriss dem erschrockenen Barmädchen fast sein Glas und kippte den Inhalt herunter. Der Alkohol setzte seine Kehle in Brand und trieb ihm die Tränen in die Augen, aber es gab nichts Besseres als dies um sich auf das Treffen vorzubereiten, das ihm jetzt bevorstand. Noch ehe die Nachwirkung nachgelassen hatte, winkte er dem Mädchen, sein Glas wieder aufzufüllen. Er konnte Maliks Blick fühlen und wusste genau, wo der Junge war, nur wenige Meter entfernt, und sein Körper zitterte beinahe vor Aufregung. Seine Hand, die jetzt das Glas erneut an seine Lippen führte, bebte tatsächlich und nur eine äußerste Willensanstrengung brachte sie dazu, ruhig zu werden. Wie ein Drogensüchtiger auf Entzug. Wie jämmerlich... Vielleicht war es doch ganz gut, dass er jetzt ging. Selbst wenn Malik ihm die Entscheidung noch so schwer machte. Er klatschte ein paar Münzen auf die Theke und wollte sich gerade in Bewegung setzen, als Duke neben ihn glitt und sich lässig gegen den Tresen stützte. Der junge Mann lächelte ihn freundlich an und seine intensiven Smaragdaugen funkelten. Hätten Juwelen diese Farbe, hätte Bakura sie schon längst gestohlen. „So sieht man sich wieder.“, plauderte der Spieler drauflos. „Du siehst nicht so aus, als wären die letzten Monate dir besonders gut bekommen.“ Er machte eine Geste zu seinem Gesicht um auf Bakuras Verband hinzuweißen. Der König der Diebe ließ sich wieder zurücksinken. „Was willst du?“ Duke hob eine Hand, die in einem fingerlosen Lederhandschuh steckte, und angelte in seiner Jacketttasche nach etwas, ehe er ein Bündel Geldscheine zum Vorschien brachte. Sein Lächeln verwandelte sich zu einem zähneblitzenden Grinsen. „Dir dein Geld zurückgeben. Mitsamt Zinsen.“ Er wandte den Blick ab und seine Stimme wurde beinahe spielerisch, als er fortfuhr: „Ich weiß, wer wütend auf dich ist und es ist nicht Assur.“ Sein Gesprächspartner ließ ein Schnauben hören und nahm seine Scheine an sich, um sie achtlos in die Tasche zu stopfen. Das Bündel mochte in dieser Gegend viel sein, aber im Gegensatz zu dem, was er heute noch erbeuten würde, war es nicht einmal ein Taschengeld. „Ich weiß das auch. Hältst du mich für dumm?“ Duke warf ihm einen unleserlichen Blick zu. „Nein. Aber manchmal ist dein Ego viel zu groß. Nimm’s nicht persönlich, aber nicht jeder vergibt dir, nur weil du plötzlich vorbeischneist. Und der schon gar nicht.“ Er musste nicht sagen, wen er meinte, sondern stieß sich vom Tresen ab, um wieder zu seinem Spiel und seinen Mädchen zurückzuschlendern. „Nichts für ungut.“ Bakura knurrte und fragte sich, wie viel von dem, was Duke angesprochen hatte, er unterschätzt hatte. Er hätte daran denken müssen, dass das nicht so einfach werden würde... Er kannte doch Malik und seinen unsinnigen Drang, unabhängig dazustehen und ohne Bindungen. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Dann musste er einfach als erster sprechen und ein paar Worte wählen, die Malik für eine gewisse Zeit zum Schweigen bringen würden. Er konnte sowieso nicht mehr lange bleiben. Diesmal störte ihn niemand, als er seinen Weg zu dem Pfeiler im Hintergrund machte, an dem Malik noch immer lehnte und von wo er ihn erneut offen anstarrte. Der Junge blickte ihm abwartend entgegen, aber da war kein offenes Feuer in seinem Blick, nur heiße Glut hinter einer Schicht aus Eis und Ablehnung. Bakura stellte dies mit leisem Bedauern fest. Er liebte es, wenn Maliks schöne Augen, die so oft wirkten wie seltene, wertvolle Juwelen, brannten vor Emotionen, wie ein brüllendes Inferno. Dann ließ er den hungrigen Blick tiefer sinken, prägte sich jedes einzelne Detail ein, das lange Hemd unter der praktischen Weste, die golden blitzenden Messingschnallen und Ketten an seiner Hose, der athletische, biegsame, wunderschöne Körper unter der Kleidung, den er am liebsten noch einmal unter sich gespürt hätte. Malik war schlanker als Assur, wirkte leichter und anmutiger und so viel sinnlicher. Niemand dachte daran, mit Assur in die Kiste zu steigen. Malik war da anders, denn trotz, dass Malik bekanntermaßen mit dem König der Diebe das Bett teilte, flirteten die Mädchen mit ihm oder kicherten hinter vorgehaltenen Händen oder Fächern, wenn er vorbeiging, und auch an männlichen Verehrern mangelte es ihm nicht. Wahrscheinlich würde er nicht lange allein bleiben, nachdem Bakura gegangen war. Die plötzliche Eifersucht, die bei diesem Gedanken in ihm aufflammte, traf ihn völlig unvorbereitet. Eifersucht war nie ein Thema für ihn gewesen – Malik war bei ihm und interessierte sich nicht für jemand anderen. So einfach war das gewesen. Aber jetzt, wenn er ging konnte er nicht verlangen, dass der Junge allein blieb. Er war noch jung und stand mitten im Leben und er würde es genießen, so gut er es konnte und Sex würde nur ein Teil davon sein. Bakura konzentrierte sich wieder auf das Gesicht des anderen; die hohen Wangenknochen, die vollen Lippen, die geschwungenen Augenbrauen, die langen Wimpern um diese betörenden Augen... Nicht, dass er den anderen doch noch mitnahm; einfach stahl wie jene Juwelen, die er immer mit solcher Leichtigkeit und solchem Stolz mitgehen ließ, oder jene Reichtümer, auf die er es heute Nacht abgesehen hatte. Selbst wenn Malik ein Schatz war wie kein anderer... Doch Atemu hätte das nicht gern gesehen und Assur hätte er dann so oder so an den Rockzipfeln gehabt. Außerdem würde Malik nicht freiwillig mitkommen und ihn einfach zu nehmen und einzusperren würde bedeuten, ihn zu verlieren. Das war selbst dem König der Diebe klar. Dann stand er vor dem Jungen, der ihm noch nicht einmal bis zum Kinn reichte und nun den Kopf in den Nacken legte um ihn den abschätzenden Blick sehen zu lassen. Sathi, die schlanke Katze auf Maliks Schulter, ließ ein leises Maunzen hören und ihre zwei Schwänze peitschten nervös durch die Luft. Sie konnte die Spannung spüren, die sich rasch zwischen ihnen aufbaute, und das machte auch sie unruhig. Malik blickte ihn auffordernd an und schwieg, die Lippen zu einer harten Linie zusammengepresst. Reden musste er auch nicht, denn die vor der Brust verschränkten Arme sagten genug. Bakura zögerte einen Moment, dann hob er die Hand um eine der sandblonden Strähnen aus dem viel zu hübschen Gesicht zu streichen. Malik entzog sich ihm nicht, also ließ er die Hand durch das weiche Haar gleiten und beugte er sich hinunter. „Ich hab dich vermisst.“, gestand er plötzlich und er spürte, wie der Körper des Jungen sich überrascht versteifte und die feste Mauer, die die verschränkten Arme bildeten, sich etwas lockerte. Sathi stieß ein Fauchen aus und verschwand, den Pfeiler nach oben bis sie einen der Balken über ihnen erreichte. Das gab ihm die Gelegenheit, einen kurzen Kuss auf Maliks Schläfe zu drücken und dann tief den Geruch des anderen einzuatmen. Da war der Gestank, der im gesamten Schankraum hing und an Maliks Haut haftete wie Dreck. Aber darunter hing der Duft, den er gewohnt war, nach exotischen Gewürzen und dem Zimt, den Isis so gern verwendete. Und dann das Malik ganz eigene Aroma, das in diesem Moment so betörend erschien, dass er Maliks Kinn anhob, damit der Junge ihm ins Gesicht blickte, und ihn küsste. Es war herrlich einfach. Einfach, weil Malik die Arme um seinen Nacken schlang und ihn näher an sich zog. Einfach, weil der Junge den Kuss erwiderte und die Lippen für ihn öffnete. Einfach, weil sich Maliks Körper so leicht gegen seinen schmiegte. Einfach, weil es sich so natürlich anfühlte. Einfach, weil sie einfach passten. Es fühlte sich an, als wäre er nach Hause gekommen. Seine Hände glitten von ganz allein zu Maliks schmalen Hüften um ihn von plötzlicher Leidenschaft beflügelt zu packen und heftiger an sich zu ziehen. Maliks Mund war offen und einladend und schmeckte so süß wie die gestohlenen Süßigkeiten direkt von der Tafel des Stadtlords oder die verbotenen Früchte des Paradieses. Maliks Hände in seinem Haar trieben ihn nur noch mehr an und der schlanke, schmale Körper, der sich ungestüm gegen seinen presste, bebte vor Verlangen und Sehnsucht. Bakura biss ihm in die Unterlippe, noch nicht fest genug um ihn bluten zu lassen, und tauchte wieder ein in diese verlockende Süße, entlockte dem Jungen damit ein heiseres Stöhnen, das Bakura gierig aufnahm. Das hier war Glück. Sein eigens Heiligtum, ein Altar nur für ihn um jenes göttliche Wesen zu verehren, das sich ihm so bereitwillig hingab. Er war wirklich dumm. Dumm und viel zu stolz. Und auch wenn er dies wusste, er würde seine Pläne nicht über den Haufen werfen. Vielleicht machte ihn das noch dümmer. Beinahe vorsichtig löste er sich von dem anderen, der einen Moment wirkte, als wolle er seinen Kopf wieder zu sich hinunterziehen. Doch dann ließ er los und seine Arme glitten von Bakuras Schultern und weiter hinunter, bis sie einen Moment zögernd an seinen Seiten ruhten. Dann stopfte der Junge die Hände in die Hosentaschen und wirkte trotzig und zornig zur gleichen Zeit, auch wenn Bakura den Ausdruck in seinem Gesicht nicht lesen konnte, da alles, was er von dem Gesicht des anderen sehen sollte, hinter sandfarbenem Haar verborgen war. Der Auftritt hätte wahrscheinlich überzeugender ausgesehen, wenn er den Kopf gehoben und den größeren Mann aus wütend blitzenden Augen angefunkelt hätte. „Warum hast du nichts gesagt?“, wollte er wissen und seine Stimme klang dumpf und wäre beinahe untergegangen in dem Lärm, der um sie herum herrschte. Doch Bakura hörte sie deutlich. „Ich hab mir Sorgen gemacht. Das waren vier Monate! Vier Monate, du Arsch.“ Maliks Kopf schnellte nach oben und für einen Moment wirkte er, als wolle er Bakura einfach ins Gesicht schlagen. Auch die Wut wirkte nicht ganz ehrlich, denn seine Wangen waren noch rosig und seine Lippen noch feucht und rot und geschwollen von dem leidenschaftlichen, sündigen Kuss, den sie eben noch geteilt hatten, und seine Augen noch dunkel von Lust. Er schlug jedoch nicht zu (vielleicht dachte er, Assur habe schon genug in dieser Richtung getan), sondern zog nur die Augenbrauen zusammen und runzelte die Stirn. „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“ Bakura sah ihn offen an. Dann nahm er Maliks Gesicht zwischen seine Hände, die so groß wirkten, und küsste ihn noch einmal, sanfter diesmal und ohne Zunge, weil er wusste, dass dies die letzte Gelegenheit war. Diesmal umarmte Malik ihn nicht, aber er erwiderte den Kuss ebenso ruhig und bedächtig und als hätten sie eine Ewigkeit vor sich. Er wusste nicht, dass sie keine Zeit mehr hatten. Bakura würde ihm jetzt das Herz brechen und er wusste das. Ob Malik ihn danach hassen würde? Der Gedanke machte ihm die Sache auf seine eigene verquere Art leichter. Ebenso vorsichtig wie vorher löste er sich wieder von dem Jungen, der ihn verwirrt anblickte, ehe der Ausdruck in seinen Augen wieder fordernd wurde. Es gab nur eins, was Bakura jetzt sagen konnte, um sich von dem anderen zu lösen, ohne dass dieser versuchte, ihn aufzuhalten und mit seinen bohrenden Fragen und seinen (berechtigten) Vorwürfen weiterzumachen. Nur eines, was er sagen konnte ohne eine falsche Reaktion zu bekommen, von Malik und von sich selbst. „Ich wollte dir nur etwas sagen.“, hauchte er dem anderen mit heiserer Stimme ins Ohr. Malik erschauderte und drehte den Kopf, um ihm ins Gesicht sehen zu können. „Nur eins... danke, Mariku.“ Damit löste er sich gänzlich und entgültig von dem Jungen, drehte sich um und ging wieder auf die Tür zu. Er konnte Maliks Blick im Rücken spüren, verwirrt und etwas verletzt und ... etwas anderes. Sonst kümmerte sich niemand um seinen Abgang, nicht Atemu, nicht Isis, nicht einmal Assur stellte sich ihm in den Weg. Keiner von ihnen konnte gehört haben, was Bakura gesagt hatte, doch Maliks Reaktion darauf sprach gewissermaßen Bände; sie alle wussten, dass es etwas Extremes sein musste, wenn es den Blonden so aus der Fassung brachte. Wäre Bakura nicht Bakura gewesen, hätte er erleichtert aufgeatmet, als er die Tür erreichte und sie aufziehen konnte, ehe Malik wieder zu Sinnen kam. Kühle Nachtluft schlug ihm entgegen und Maliks Blick brannte in seinem Rücken, doch er hielt keine Sekunde inne. Es war besser so. Für alles, was Malik ihm gegeben hatte, durfte er nichts tun, was ihn in Gefahr brachte. Die Tür schloss sich gerade wieder hinter ihm, als er Maliks Stimme vernahm, die laut seinen Namen rief. Er wusste, dass der andere ihm nachrannte, also beschleunigte er seine Schritte zu einer rascheren Gangart, die gerade noch als Gehen zählte. „Bakura!“ Anscheinend hatte sein kleiner Freund die Wirtsstube inzwischen verlassen. Jemand anderen konnte der Angesprochene jedoch nicht hören – vielleicht war er allein. Trotzdem drehte er sich nicht um, das würde all seine Pläne gefährden und das durfte nicht sein. „Bakura! Was soll das?!“ Sathi stieß ein lautes Fauchen aus, aufgeregt und überdreht. Anscheinend hatte sie sich Malik wieder angeschlossen. Doch die Gefühle ihres Meisters mussten zu aufgewühlt sein und sich völlig im Kreis drehen, um eine solche Reaktion aus dem Tier zu kriegen. „Bakura! Bleib stehen! Erst tauchst du hier nach vier Monaten Abwesenheit auf und dann verschwindest du wieder, du Mistkerl?! Glaub ja nicht, du könntest noch einma...“ Bakura hob die Hand zum Abschied um Malik verstummte mitten im Wort. Die Nacht war dunkel und kalt, nass und schmutzig und der Dunst am Himmel war nur ein Teil des Unrats, der hier produziert wurde. Es war die perfekte Nacht für sein Vorhaben. Vielleicht hatte er deswegen auf sie gewartet oder vielleicht hatte sie auf ihn gewartet. Heute würden seine Pläne ins Rollen kommen und darum war er hier gewesen. Und deswegen ging er jetzt. Bakura drehte sich nicht um und Malik folgte ihm nicht, während der Junge zusah, wie der muskulöse, in den langen, roten Mantel gehüllte Körper des Königs der Diebe in der Dunkelheit verschwand. Das silberweiße Haar war das letzte, was die Nacht verschluckte. ~~~~~~~ Falls jemand Tipps hat, was Steampunk angeht - sowas nehm ich gerne an. Wie gesagt, hab ich noch nicht sonderlich viel Erfahrung damit, aber ich find das t.o.t.a.l. interessant. :D [Das selbe gilt für Cyberpunk. XD"] Valediction ist offensichtlich Englisch und heißt Abschied / Abschiednehmen, für alle, die es nicht wussten. Was besseres fiel mir nicht ein. Bis dann Sorca~ PS. Der nächste OS ist schon länger in Planung und wird wohl bald begonnen. :) Kapitel 2: Swordsages: Blade and Flower --------------------------------------- Okay, nicht wirklich das, was ich als 2. OS hier sehen wollte, aber den anderen hab ich nicht fertig gebracht, dann kam mir das hier dazwischen. (Der andere hat aber auch schon über 6ooo Worte und wird wohl der übernächste sein... [Der nächste wird etwas kurzes, das ich schon Ewigkeiten auf meinem PC rumgammeln habe. XD" Naja...] Dies ist die Antwort auf die Oktober/November-Challenge, Blumenfreude. Es ging darum, eine Blume zu wählen, ihre Bedeutung herauszusuchen und daraus eine Story zu machen. Ich hoffe, das Blumensprachenlexikon, das ich im Netz gefunden habe, war richtig, und wenn nicht, dann ist das halt Pech. u_u" Meine Blume war die Schwertlilie/Iris. Der OS ist etwas über 7ooo Worte lang und irgendwie passiert kaum etwas wirklich Aufregendes darin. (Ursprünglich hab ich mit höchstens 2ooo Worten gerechnet - irgendwie scheine ich das Talent verloren zu haben, kurze Sachen zu schreiben. *drop*) Allerdings gibt es einen Haufen wahrscheinlich unnötiger Details, die mir allerdings (wie immer) ungeheuren Spaß gemacht haben. X3 Die FF ist außerdem sehr deutlich AU und spielt in meinem Swordsages-Universum, Fantasy, irgendeine seltsame Kreuzung aus High und Low Fantasy. *drop* Das Universum ist allerdings ziemlich ausgebaut (ich schwöre, das hat das ganz von allein gemacht!), da wird vermutlich noch die eine oder andere Sache dazukommen, ich mag das Universum nämlich echt. Und es ist schon so detailiert... .___. Und der OS ist Vanishshipping (Atemu x Anzu), auch wenn Anzu nicht wirklich persönlich auftritt. (Etwas Malik/Anzu-Friendship (*Banner schwing*) ist auch drin. Bin grad ganz verliebt in diese Kombination.) Und falls es hier Rechtschreibfehler gibt - ich hab ihn zweimal durchgelesen oder so, aber momentan hab ich kein Rechtschreibprogramm auf dem Computer. X___X Ich werd wohl in ein, zwei Wochen nochmal drübergehen. Oh, ja, die Namen, weil ich die immer dazuschreibe: Atemu - Teh Pharao, of course Anzu - Tea (falls das jemand noch nicht weiß) Malik - der Normale Isis - Ishizu Assur - Yami no Malik ... und mehr tauchen nicht auf, glaub ich... ~~~~~~~ Blade and Flower Die Nacht lag wie ein dickes, schwarzes Tuch über der weiten Ebene. Nur wenige Sterne waren zu sehen und der Mond nur ein heller Fleck hinter dunklen Wolken, die so massiv wirkten wie Stein. Außerhalb des Lichtkreises, den das kleine Feuer warf, konnte man nur Silhouetten erahnen. Von den wenigen Büschen und verkrüppelten Bäumen, die aus dem Gras ragten, das manchmal nur bis zu den Knöcheln reichte und manchmal bis zur Hüfte hoch. Von kleinen Gesteinsbrocken hin zu den mächtigen Felsen, die überall verteilt lagen, als hätten Riesen damit ein Werfspiel gespielt. Und von scharfen Steinen, die ausbebleicht und kantig aus dem Boden ragten wie die Knochen der Erde. Außer ihrem kleinen Feuer gab es nur eine andere nennenswerte Lichtquelle und das waren die beiden Himmelsflammen, die kreischend über den Himmel tobten; riesige Vögel, deren Federn leuchteten wie Sternenkristalle und gleißendes, weißes Licht verströmten, das scharfe Schatten warf. Sie wirkten wie tanzende Sterne, die dem Erdboden viel zu nahe waren. Auch in den letzten drei Nächten waren sie bereits da gewesen, verstrickt in einen ewigen Kampf, bei dem nur einer überleben würde. Von dem anderen würden nur noch Fetzen übrig bleiben und über die Ebene verteilte, leuchtende Federn. Atemu war froh, dass sie nicht näher kamen. Himmelsflammen waren wunderschön, aber gefährlich. Wenn sie einem zu nahe kamen, lief man in Gefahr, dass sie einen auffraßen. Darum wagten es auch nur wenige Leute, sie zu jagen, trotz der imensen Summen, die man für eine einzige, intakte Feder bekam. Jedoch scheuten auch leuchtende Himmelsflammen wie jedes andere Tier das Feuer und darum fühlten die beiden Wanderer sich relativ sicher. Außerdem waren die beiden da oben sowieso abgelenkt. Die großen Vögel waren ausgesprochene Einzelgänger und duldeten keinen Artgenossen in ihrem Revier. Atemu seufzte und nahm den Ast auf, der auf dem Boden gelegen hatte, um damit im Feuer herumzustochern. Er war rastlos und unruhig, kaum dazu in der Lage, still zu sitzen oder gar Ruhe zu finden, so dass er wieder etwas Kraft schöpfen konnte. Denn auch wenn er Wache halten musste, so könnte er sich doch in jenen tranceartigen Zustand versenken, der zu den ersten Dingen gehörte, die ein Novize der Illyria lernte. Es war keine Meditation, aber es war ähnlich. Während der Körper ruhte, wurden alle Sinne geöffnet, so dass man bei der kleinsten Ungereimtheit hellhörig wurde. Der Geist war wach und aufmerksam, doch für einen Beobachter sah es so aus, als wäre der Körper zu Stein geworden. Jeder konnte es lernen, aber es setzte einen gewissen Grad an Konzentration voraus. Einen Grad, den Atemu im Moment nicht erreichen konnte, obwohl ihm dieser Zustand früher so leicht gefallen war. Wie alles andere in der Ausbildung zu einem von Illyrias Schwertweisen ebenfalls. Es war einfach alles natürlich zu ihm gekommen, er hatte nicht darum kämpfen müssen, er hatte nicht dafür arbeiten müssen, es war einfach da gewesen. Vielleicht lag es daran, dass ihm jetzt so viel nicht mehr gelingen wollte. Anzus Entführung hatte sein Leben auf den Kopf gestellt und zu einem völlig überstürzten Aufbruch geführt. Er konnte nur froh sein, dass nicht nur er davon betroffen war, sondern dass Malik ihn begleitete und ebenso wie er darauf brannte, die schöne Priesterin zurückzuholen. Es war verrückt, dass man erst merkte, wie viel man eine Person schätzte und liebte, nachdem diese Person verloren war. Oh, er hatte schon vorher gewusst, dass Anzu ihm viel bedeutete. Die Sho'dakka-Priesterin hatte ihn von Anfang an verzaubert mit ihrem lebendigen Lächeln, den anmutigen Bewegungen, ihren leuchtenden Augen und dem scharfen Verstand. Aber wie wertvoll sie ihm in der kurzen Zeit, die sie sich kannten – ein paar Monde nur! – tatsächlich geworden war, das hatte ihn getroffen wie ein heftiger Schlag. Die Welt schien aus den Angeln zu kippen, als die Vorsteherin des Tempels ihm erklärt hatte, dass jemand Anzu entführt hatte. Für einige Zeit war er handlungsunfähig gewesen, wie betäubt. Und dann war er einfach gegangen. Vielleicht war es kein guter Schachzug gewesen. Die Priesterinnen von Sho'dakka versuchten sicherlich ihren eigenen Rettungstrupp für Anzu zusammenzustellen, die immerhin die Hüterin der Weißen Flamme und damit sehr wertvoll für den Orden. Er hätte sich der Gruppe anschließen sollen – niemand hätte 'Nein' gesagt zu jemandem wie ihm. Wahrscheinlich hätten sie ihm das Kommando übertragen. Aber er hatte nicht warten können. Es war seltsam einfach gewesen zu erfahren, wer hinter dem Verbrechen steckte, und es war nur ein Zufall, dass Malik ihn in ihrem Zimmer aufgefunden hatte, als er seine Sachen zusammenpackte. Sonst wäre er allein losgezogen, was eine Dummheit gewesen wäre. Allein reisende Wanderer überlebten in Ishiyadani nicht lange, selbst dann nicht, wenn sie Schwerweise von Illyria waren. Malik hatte eher aus Langweile denn aus tatsächlichem Interesse heraus nach dem Grund für den plötzlichen Aufbruch gefragt – sie waren Kampfgefährten für einen Auftrag gewesen und suchten gerade nach dem nächsten. Es war Unglück oder die List des Klingenrates oder Schicksal oder doch etwas anderes, was sie in eine gemeinsame Gruppe gebracht hatte. Sie arbeiteten gut zusammen, aber sie konnten sich nicht sonderlich leiden. Oder besser: Malik hasste Atemu, während dieser inzwischen nur noch versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. Früher hatte er versucht, die Schlucht zu überbrücken, die sie trennte, aber Malik hatte immer so aggressiv darauf reagiert, dass Atemu bald aufgehört hatte. Aber die Frage hatte der jüngere, blonde Mann trotzdem gestellt. Schwertweise arbeiteten niemals allein und Atemu hatte kein Wort an ihn verloren. Vielleicht war er in Sorge, allein zum Waffenturm zurückkehren zu müssen, wenn er doch eigentlich zu arbeiten hatte. Vielleicht einfach seine Neugierde, die er zwar unter Kontrolle zu halten versuchte, aber doch immer wieder ausbrach. Vielleicht etwas anderes. Aber er hatte gefragt. Und dann hätte er Atemu fast umgebracht in seiner Wut, die sich für einen Moment gegen alles und jeden zu richten schien, ehe er sich wieder fasste. Malik war beherrscht. Immer und überall. Zu beherrscht. Die kühle Aura, die ihn zumeist umgab, schien gar nicht zu passen zu dem feurigen Temperament, das sich hinter der sorgfältig aufgebauten Fassade verbarg. Es brauchte den sprichwörtlichen Hammer und Meißel, diese Front aufzubrechen. Wie der Verlust einer geliebten Freundin. Für Atemu mochte Anzu die Frau sein, and deren Seite er sein Leben verbringen und die er als die Mutter seiner Kinder wollte. Für Malik war Anzu das Gegenstück zu Isis, seiner Schwester, jünger und lebhafter, der noch eine Art Unschuld anhaftete, die der weltgewandten, weisen Isis fehlte. Ka'Henedrat nannte er sie, Herzschwester. Malik und Anzu kannten sich schon seit Jahren und Malik war es auch gewesen, der sie Atemu vorgestellt hatte. Es war ironisch und verrückt und seltsam bitter, wenn Atemu daran dachte und daran, wie leidenschlaftlich Malik ihn hasste für die Tragödie, der seine Familie vor vier Generationen anheim gefallen war und unter der sie noch immer litt. Die Tragödie, an der Atemus Familie die Schuld oder den Bärenanteil trug, was jeder irgendwie wusste, aber niemand laut aussprach. Und doch war in jedem Krieger der Zweifel verankert, tief wie die Wurzeln der Berge. Denn trotz allem, die Wahrheit konnte niemand mehr wissen und es gab nur die beiden Versionen von zwei verfeindeten Familien, die sich gegenseitig widersprachen. Vielleicht lag die Wahrheit irgendwo dazwischen. Atemu verübelte dem anderen Schwertkämpfer seinen Hass nicht mehr. Malik und seine Geschwister, Isis und Assur, waren die erste Generation ihrer Familie, die – unter Vorbehalten – wieder in die Reihen von Illyrias Novizen aufgenommen worden waren, damals vor Jahren. Jetzt gehörten sie zu den besten; sie waren aufgestiegen wie Sterne oder Atemu selbst. Sie hatten etwas zu beweisen gehabt und sie hatten es immer noch, darum duldeten sie bei sich selbst keine Fehler. Daher kam auch Maliks Fassade und Isis' Abgebrütheit. Assur war ein Thema für sich und Atemu schnitt es lieber nicht an. Er seufzte. Es war schon verrückt mit dieser Familie. Und mit ihm und Malik. Und Anzu. Sie hatte eine Gabe, sich in die Herzen einzuschleichen, unbemerkt, aber stetig und gewaltig. Deswegen waren sie jetzt beide hier, gemeinsam und das freiwillig. Sie stritten nicht einmal sonderlich häufig. Gut, das konnte auch daran liegen, dass sie all ihre Kraft aufsparten und im Allgemeinen kaum redeten. Sie hatten keine Pferde – Reittiere waren teuer – und legten ihren Weg daher zu Fuß zurück. Und das, während sie einer Gruppe folgten, die ihrerseits gute Pferde und Kamele besaß. Sie waren zwei Irre auf einer scheinbar unmöglichen Queste, aber die Entschlossenheit und die Sorge um eine Priesterin einten sie. Wütend warf Atemu den Stock zu Boden und sprang auf. Konnte er nicht zwei Minuten verbringen, ohne daran zu denken, in welcher Gefahr sich seine geliebte Anzu in diesem Moment befinden mochte?! Nein. Nein, das konnte er nicht und wenn er es doch könnte, dann würde sie ihm nicht halb so viel bedeuten, wie sie es tat. Wer wusste, was ihre Entführer mit ihr tun würden? Sie hatten nicht vor dem Frevel zurückgeschreckt, eine Sho'dakka-Priesterin zu entführen. Sie würden sie auch nicht zu sanft behandeln, wenn es ihren Zwecken diente, davon war er überzeugt. Er hoffte nur, es ging ihr noch gut... Für jemanden in ihrer Situation zumindest. Beinahe hätte Atemu seiner Frustration mit einem wütenden Schrei Ausdruck verliehen, aber er hielt im letzten Moment inne, um seinen Reisegefährten nicht zu wecken. Kurz zuckte sein Blick zu dem fast kleinen Bündel unter der Decke auf der anderen Seite des Feuers hinüber. Malik lag auf der anderen Seite des Feuers, zusammengerollt wie ein Baby. Es war verrückt, wenn man bedachte, dass er im wachen Zustand kühl, berechnend und wild war, ein eiskalter, genialer Kämpfer, der ohne zu zögern tötete, wenn er musste. Wie konnte jemand, der vor eiskaltem Hass und heißem Zorn brannte, der derartig zynisch und berechnend war, derartig unschuldig aussehen und nur, weil er schlief? Malik hatte die Decke beinahe über den Kopf gezogen, dass nur noch ein wilder Mop sandblonden Haares und sein hübsches Gesicht darunter hervorschaute. Im Feuerschein wirkte seine Haut fast bronzefarben und die vollen Lippen waren leicht geöffnet, was den Eindruck von Unschuld nur noch verstärkte. Atemu fuhr sich durch das dreifarbige Haar, das die Angewohnheit hatte, in alle Richtungen abzustehen ohne, dass er etwas dagegen tun konnte, und drehte dem blonden Jungen den Rücken zu. Malik hatte etwas an sich, dass er nicht begriff, und Atemu verstand gerne, was um ihn herum loswar, was andere dachten und wie die Natur der Dinge war. Er hatte im Allgemeinen eine gute Menschenkenntnis und durchschaute die meisten Personen, denen er begegnete, ob sie nun Menschen waren oder nicht. Aber es gab immer Leute, die sich ihm entzogen. Malik gehörte dazu, ebenso wie dessen Schwester und ihrer beider Bruder (aber der war ... anders; darum glaubte Atemu nicht, dass es irgendjemanden gab, der ihn verstand, außer Malik selbst, vielleicht), und auch Anzu. Anzu mit ihren großen, ozeanblauen Augen, den tänzerischen Bewegungen und der magischen Energie, die durch ihre Adern sang. Mit ihrer Hingabe zu ihrer Göttin und ihrer Aufgabe, ihrer Loyalität zu ihrem Orden und ihren Freunden, ihrer Standhaftigkeit und Stärke gegenüber Unrecht, die nur durch ihren Sinn für Gerechtigkeit aufgewogen werden konnten. Anzu, die so voller Leben war wie der junge Frühling, so voller Frohsinn und Leidenschaft und einer Art Unbeflecktheit, die in ihrer gemeinsamen Welt so schwer zu finden war. Erneut riss Atemu sich gewaltsam aus den Gedanken an die Frau, die er liebte und die ihm mit Gewalt genommen worden war. Sie war fort und im Moment unerreichbar, das wusste er, aber er würde nichts unversucht lassen sie zurückzuholen. Er würde Festungen niederreißen, die Flammen der Niederen Höllen durchqueren oder über den Rand der Erde gehen, wenn es sein musste. Aber er würde sie wieder in den Armen halten. Er glaubte nicht daran. Er wusste es. Malik wusste es auch. Würden sie es nicht tun, hätte dieses ganze Unternehmen keinen Sinn, waren sie zwei Kämpfer gegen eine ganze Gruppe von Kriegern, die nicht nur selbst die Klinge führten, sondern auch reich genug waren, Söldner anzuheuern. Selbst wenn die beiden Kämpfer Schwertweise von Illyria waren, von denen es hieß, dass kein einzelner Mann, ihnen gewachsen war und dass selbst Drachen lieber die Jungfrauen zurückließen, als sich mit einem von ihnen zu messen. Mit einer wütenden Bewegung nahm Atemu sein Schwert auf, das an seinem Bündel lehnte, und rannte los. Vielleicht war es dumm, Malik und ihr Lager allein und unbewacht zurückzulassen, aber er konnte einfach nicht weiterhin still bleiben. Die Anspannung, die ihn während der letzten neun Tage begleitet hatte, seit jener Stunde, in der er von Anzus Entführung gehört hatte, ließ es nicht mehr zu. Um den Kampfgefährten und ihr Gepäck nicht ganz ungeschützt zu lassen, rannte er in einem weiten Bogen um den Lagerplatz herum. Er wusste nicht, wie lang er lief und wie oft er im großen Kreis er um ihr kleines Feuer herumlief, aber es war auch egal. Er hielt sich nicht zurück. Seine Füße trommelten rhythmisch auf den Boden, irgendwelche Schnallen an seiner Kleidung schlugen mit metallischem Klirren gegeneinander und das Gras knisterte unter seinen Schritten. Die Luft, die ihm in den Ohren pfiff, und das Blut, das in seinen Adern rauschte, lenkten seine Gedanken weg von Anzu und dem, was man ihr antun mochte. Über ihm tobten die beiden leuchtenden Vögel über den Himmel und er konnte ihre heiseren Schreie hören und manchmal sogar das donnernde Rauschen ihrer Schwingen, wenn der Wind richtig stand. Bald schon schlug sein Herz beinahe schmerzhaft gegen seine Rippen und das Geräusch seines keuchenden Atems erfüllte seine Welt und überdeckte fast alle anderen Laute. Inzwischen war das Licht der Himmelsflammen das einzige, was seine Umgebung beleuchtete. Die Wolken waren dichter geworden, dass er vermutete, dass irgendwann einer der sinnflutartigen Regenfälle über die Steppe hereinbrechen würden. Es mochte noch Tage dauern, aber es würde kommen. Allerdings waren die Vögel erneut näher gekommen, dass sie die Welt in einen überirdischen Schein tauchten. Er wusste nicht, ob es ein Unglück war oder ob es ihn überhaupt stören sollte. Er blieb stehen, noch immer schwer atmend, und legte den Kopf in den Nacken. Die beiden großen Tiere so weit über ihm führten einen grazösen, ungebändigten Tanz am Himmel auf, der ihm trotz aller Fremdartigkeit bekannt war. Schnelle Vorstöße wechselten sich mit strategischem Rückzug ab, Abwehr folgte auf Angriff, alles ausgeführt mit vollendeter Anmut; ein Kampf auf Leben und Tod. Schwertweisen war dies nicht fremd. Im Gegenteil, ihr Leben bestand im Grunde daraus. Dies war einer der Gründe, warum sie existierten, eines der Dinge, die sie Sinn des Lebens nannten, jeder für sich auf seine Weise mit einer eigenen Definition des Kampfes und der Frage nach dem Warum dahinter. Das eigene Leben so unverfälscht in der Natur gespiegelt zu sehen, in etwas, das nicht befleckt war von menschlichem Denken, von Moral und Urteil, hatte für ihn stets etwas Tröstliches gehabt, etwas, das ihn und die Schwertweisen außerhalb von richtenden Augen stellte. Etwas, dass ihn dazu brachte, sich nicht für seine Berufung zu schämen, selbst wenn er Leben nahm. Doch jetzt konnte Atemu sich nicht auf die Schönheit des Augenblicks, den großartigen Kampf der Himmelsflammen und die Katharsis, die der Anblick für ihn mitbrachte, einlassen. Seine Gedanken kreisten noch immer um Anzu. Vielleicht sollte er einfach weiterlaufen. Vielleicht würde ja irgendwann der Punkt kommen, ab dem er vor den Gedanken, den Erinnerungen davonlaufen konnte. Stattdessen ließ er sich nach hinten ins Gras fallen, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt. Seine rechte Hand krampfte sich um sein Schwert, das er noch immer bei sich trug, und er fühlte sich vollkommen erschöpft und gleichzeitig hellwach. Das war schlecht. Wie konnte er jemals hoffen, Anzu einzuholen, wenn er nicht ruhte? Und wie konnte er darauf warten einzuschlafen, wenn Anzu sich in einer derartigen Gefahr befand? Und wieso konnte er die Sorgen nicht in den Hintergrund schieben, damit er der Logik folgen konnte, die sagte, dass er Anzu müde rein gar nichts nutzte? Weit über ihm spannte sich der wolkenbedeckte Himmel, über den flackernde Lichter huschten, ausgesannt von zwei riesigen, leuchtenden Vögeln. Um ihn herum erstreckte sich eine Ebene, die beinahe endlos schien. Nur im Westen schob sich das Chakiamassiv zwischen ihn und den Horizont, eine wuchtige Masse aus Gestein, die sich so hoch in den Himmel schob, dass die Wolken die meisten der Gipfel verschlagen. Morgen, nicht lange nachdem die Sonne den Zenit überschritten hatte, würden sie es erreichen. Atemu war vor Jahren, kurz nach seiner Ersten Weihe schon einmal dort gewesen, nur viele Meilen weiter im Süden. Der einheimische Führer hatte jedoch gesagt, dass das Gebirge überall gleich aussähe, egal in welche Richtung man ging. Nach allem, was Atemu bis jetzt davon sah, war das die Wahrheit. Das Chakiamassiv war so beeindruckend gewesen, dass er sich ohne Mühe Bilder von scharfkantigen Graten, steilen Felswänden, mit gelbbraunem Gras und dürren, scheinbar verdorrenden Büschen bewachsenen Hängen und wilder, abweisender Vegetation zurück ins Gedächtnis rufen konnte. Das hohe Gras um ihn herum versperrte ihm die Sicht auf das Lager und dämmte den Feuerschein ein, so dass er die gezackten Silhouetten der Berge sehen konnte. Dorthin führte die Spur, eine fast schnurgerade Linie durch die Steppe, direkt auf den Roghapass zu, den einzigen Pass, den es in dieser Gegend gab. Alles andere würde zu viel Zeit stehlen. Denn eigentlich war das Chakiamassiv eine langezogene Bergkette, die als äußerst gefährlich galt. Man lebte entweder auf der einen oder der anderen Seite, eine Überquerung kam nur für Reisende in Frage, nicht für Einwohner. Das machte die Sache leichter, die Spur der Entführer zu verfolgen. Obwohl das nun wirklich kein Problem war. Sie waren Schwertweise und keine Fährtenleser, aber sie hatten eine gewisse Grundausbildung genossen. Doch selbst ein Kind hätte der Spur folgen können, die diese Leute hinterlassen hatten. Und dabei hatten sie nicht einmal versucht, Anzu zu verbergen. Jeder hatte sie sehen und hören können. Natürlich hatte niemand ihr geholfen – Helden waren rar gesäht in diesen Gefilden und starben sehr schnell – aber man hatte stets bereitwillig Auskunft gegeben. Die Sho'dakka-Priesterinnen mochten nicht viel Besitz haben, weswegen ihnen das Aufbringen einer Gruppe von Kriegern schwer fiel. Atemu hatte keine Ahnung, ob sie es bereits geschafft hatten oder noch immer nach qualifizierten Leuten suchten, die die Aufgabe für die geringe Bezahlung, die sie bekommen würde, übernahmen. Aber Sho'dakka-Priesterinnen waren geachtet. Darum antwortete man gern und rasch auf die richtigen Fragen. Malik und Atemu waren auch keine Helden. Sie waren Schwertweise. Eigentlich kämpften sie für Bezahlung. Aber das hier war persönlich. Sie würden Anzu befreien oder bei dem Versuch sterben. Noch wusste Atemu nicht, welches Ende diese Sache haben konnte. Malik vermutete, dass die Entführer geradewegs nach Port Goldclam unterwegs waren, eine Hafenstadt, die sich auf der anderen Seite des Chakiamassivs befand, nur sechs Tagesreisen entfernt. Dort, hatte er gemeint, würden sie vermutlich ein Schiff nehmen – oder ihr eigenes Schiff wieder besteigen – und diesen Kontinent, Ishiyadani, verlassen. Das machte ihm Angst. Niemand ging von hier. Und niemand kam hierher. Aber diese Männer... Die Männer, die Anzu in ihrer Gewalt hatten, die waren nicht von hier. Sie waren Fremde in einem barbarischen Land und das hatte man gesehen. Ihre Kleidung, ihr Auftreten, ihre Sprache, ihr Gehabe, ihr ganzes Sein war anders. Fremdartig. Kultivierter. Zivilisierter. In jedem Dorf, in dem sie Halt gemacht hatten, hatte man ihnen dasselbe erzählt. Dass die Männer freundlich gewesen waren und bezahlt hatten, aber gleichzeitig auch auf die Einwohner herabgeblickt hatten, mit einer seltsamen Art von Arroganz, die daraus entsprang, dass man sich für etwas besseres hielt und gleichzeitig die Barbaren um sich herum bemitleidete. Es war seltsam, Männer wie diese in einer Welt wie der ihren zu sehen. Die beiden Schwertweisen hatten sehr schnell herausgekommen, dass sie nicht nach Ishiyadani gehörten, sondern Reisende aus einem Land jenseits des Horizontes waren auf der Suche nach ... Etwas. Vielleicht hatten sie Anzu entführt, weil sie dachten, dass sie der Schlüssel dazu oder gar das Gesuchte selbst wäre. Vielleicht war sie es auch. Aber das spielte keine Rolle. Ob fremd oder nicht, ob kultiviert oder nicht – sie würden damit nicht davon kommen. Nicht einfach so. Mit einem wütenden Grunzen rollte Atemu sich herum und stand mit einer fließenden Bewegung auf. Er blickte nach Westen, dort wo Anzu irgendwo sein musste. Er ballte seine rechte Hand zur Faust, dass sich seine Fingernägel in seinen Handballen gruben. In der anderen Hand hielt er noch immer das Schwert und seine Finger krampften sich um den Griff, dass die Knöchel weiß hervortraten. Oh, Anzus Entführer mochten sich für etwas besseres halten, die Abkömmlinge einer zivilisierten Hochkutlur, und Ishyadanis Einwohner allesamt für ungebildete, primitive Wilde und vielleicht mochte das stimmen. Aber dennoch gab ihnen das kein Recht, einfach über ihre Leben zu bestimmen als wären sie schwachsinnige Kinder. Mit einem wütenden, grobschlächtigen Ruck riss er die Schwertklinge aus der Scheide. Er ließ die Klinge durch die Luft zischen, völlig stillos und plump, aber schnell wie eine zubeißende Schlange, dass nur ein silberner, verschwommener Strich zu sehen war. Die Waffe erzeugte ein befriedigendes fauchendes Geräusch und er fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn er sie aus dem letzten von Anzus Entführern zog. Er fragte sich, ob es wohl ein ebenso erfreuliches Gefühl sein würde. Das wäre das erste Mal. Atemu genoss den Kampf, nicht das Töten. Er war nicht wie Maliks Zwillingsbruder, für den es beinahe mit Sex gleichkam, die Klinge in einen Körper zu stoßen. In dieser Sache glich er eher Malik selbst – sie beide genossen die Gefühle der Macht und des Rausches, die einen Kampf begleiteten, selbst wenn man der Unterlegene war, genossen die Bewegungen des eigenen Körpers und die Führung der Klinge und dem Bewusstsein, das Leben in der Hand halten zu können, genossen den Tanz mit dem Gegner; einfach den Kampf, nicht dessen Ende. Atemu wechselte die Klinge in die linke Hand; das Leder, das um den Griff gewickelt war, schmietge sich wie natürlich in seine Handfläche. Normalerweise kämpfte er mit rechts. Oder er begann den Kampf mit rechts. Meistens reichte das. Manche Gegner jedoch waren stärker und darum wechselte er zu links – seiner eigentlich dominanten Hand. Das war immer für eine Überraschung gut. Atemu schloss die Finger der rechten Hand ebenfalls wieder um den Schwertgriff. Dann hob er die Klinge und richtete sie nach vorn, dass die Spitze direkt nach Westen deutete. Sein Schwert war – wie jede Gebundene Waffe eines Schwertweisen – ein herausragendes Schwert. Die sechzig Fingerbreit lange und drei Finger breite Klinge war leicht gebogen und schimmerte in einem bläulichen Silber. Eine Reihe von Runen zog sich am ungeschärften Rand der Klinge vom Griff nach oben. Auf halber Höhe endeten sie, ebenso wie auch die breiten Zacken, die an jene eines Sägeblattes erinnerten und hässliche Wunden hinterließen. Das Heft war aus schwarzem Metall gefertigt. Die Parierstange hatte die Form von nach oben gebogenen Schwingen und der Knauf sah aus wie ein Löwenkopf mit violetten Juwelenaugen. Es war gefertigt aus dem Feuerknochen eines Silberdrachen, jenem nahezu perfekt ovalförmigen Knochen, in dem die Flammen der riesigen, schuppigen Bestien ruhte. Es war eine geheime Kunst, Waffen aus diesem harten, nahezu unzerstörbaren Material zu fertigen, und Illyira hatte nur ihren Kriegern dieses Mysterium anvertraut. Die Gebundenen Waffen der Schwertweisen waren ebenso berühmt wie ihre Träger selbst. Doch jedem Krieger war nur einmal gestattet, einen der Drachen zu töten – zur Dritten Weihe hin ging jeder auf diese Queste, damit sein Schwert und die Reihe von Sichelklingen, Krummdolchen und Messern, die im gleichen Zug ebenfalls gefertigt wurden, rechtzeitig fertig wurde. Ebenso wie das kleine, ovale Plättchen, das den Träger als Schwertweisen nach der Dritten Weihe ausweisen würde und das er an seiner Serinn-Daih, tragen würde, den langen Perlenschüren, die eine Kreuzung aus Gebets- und Schwurgegenstand darstellte. Bei jeder Weihe kam ein weiteres Plättchen von anderem Material hinzu; Atemu besaß bereits sieben der ovalen Abzeichen mit den verschlungenen Symbolen darauf. Die Gebundenen Klingen waren stets einzigartig und auf den Träger angepasst. Atemu trug diese breite, gefährliche Waffe, die, richtig geführt, schreckliche Wunden schlagen konnte. Sein Vater hatte ein scheinbar einfacherers Schwert bekommen, das zu seinem geradlinigen, redlichen Charakter passte und einem edlen Ritter wohl gestanden hätte. Es hatte viel glattere Wunden geschlagen, war es doch frei von Widerhaken, die das Fleisch aufrissen. Atemu fragte sich manchmal, was dies bedeutete, aber jetzt war er einfach froh, dass er ganz genau wusste, wie er sein Schwert zu führen hatte. Vielleicht war dies die Antwort auf diese Frage... Das Licht der Himmelsflammen tanzte auf der blanken Klinge, verwandelte sie in einen weißen Blitz, als Atemu sie durch die Luft schwang. Er führte erst die einfachsten Grundtechniken aus und stieg dann um zu den Höheren Techniken des Schwerttanzes, den man erst nach der Dritten Weihe zu lernen begann. Sie waren kompliziert und schwer durchzuführen, aber Atemu beherrschte jede einzelne Technik fast zur Perfektion. Er hatte schon Tage damit verbracht, sie nacheinander durchzuführen, manchmal nur zwei oder drei in einer Abfolge, manchmal mehr. Jetzt hielt er jedoch nicht lange durch – seine Kräfte waren erschöpft von den langen Tagen des ständigen Laufens, die er und Malik hinter sich hatten, den halb durchwachten Nächten, weil immer einer von ihnen Wache halten musste, seiner Sorge um Anzu. Keuchend fiel er auf die Knie und stützte sich schwer auf seine Klinge. Seine Brust hob und senkte sich schwer mit jedem Atemzug und einige Momente starrte er blicklos zu Boden. Erst nach einer Weile fokussierte sich sein Blick wieder und er bemerkte die Blumen. Sie hatten lange schmale Blätter und fest geschlossene Blüten, die in der Nacht fast schwarz wirkten. Die wirkliche Farbe war nur zu erahnen, durch das Licht, das flackernd vom Himmel herabfiel. Er wusste, dass sie eigentlich violettblau waren und wie sie geöffnet aussahen. „Dies ist eine Schwertlilie.“ Langsam stand er auf und blickte sich um, beinahe verwundert. Sie waren überall um ihn herum, ein ganzes Feld von Schwertlilien. Während seiner Schwertübungen waren sie ihm nicht aufgefallen und er hatte einen komplizierten Pfad durch sie hindurchgetrampelt, als würden sie nicht existieren. Die Schreie der Himmelsfeuer klangen plötzlich laut in seinen Ohren und kurz darauf überflutete ihn ihr Licht und er konnte die Pflanzen deutlich sehen. „Dies ist eine Schwertlilie. Sie steht für Hoffnung...“ Er drehte sich um die eigene Achse, einmal, zweimal, ohne erfassen zu können, wie er so blind für gerade diese Blumen hatte sein können. War er schon vorhin durch sie hindurchgerannt ohne es zu merken? Hatten sie ihr Lager mitten in einem Feld von Schwertlilien aufgeschlagen und er hatte es nicht einmal realisiert? Nach all dem, was sie für ihn bedeuteten?! War er denn so blind geworden für alles und jeden?! Hatte er vergessen, was zählte; nicht nur eine Sache, sondern dass immer mehr dazu gehörte als nur dieses Eine? „Dies ist eine Schwertlilie. Sie steht für Hoffnung und Glaube...“ Die Erinnerungen kamen ungebeten zurück, gerade jetzt, als er geglaubt hatte, die Gedanken an Anzu verdrängen zu können. Die Priesterin kannte sich aus mit dererlei Dingen – Pflanzen und Magie und Bedeutungen. Damit, wie alles zusammenkam und an den richtigen Ort fiel, stets zur richtigen Zeit. So wäre der Lauf der Welt, hatte sie gesagt, und das Schicksal lasse sich nicht einfach verdrängen. Atemu hatte es schon öfter gesehen – Dinge, die einfach zu seltsam waren, oder Zufälle, die zu groß waren und doch so passend. Es geschah einfach. Wie die Anwesenden dann damit umgingen, war dann ganz ihre eigene Wahl. Man konnte immer in die eine oder doch die andere Richtung gehen. „Dies ist eine Schwertlilie. Sie steht für Hoffnung und Glaube, für Weisheit...“ So weise, wie Anzu glaubte, war er wohl doch nicht. Nicht, wenn er alles vergaß, was ihr und ihm und ihnen so wichtig war. Selbst wenn es hier direkt um Anzu ging. Langsam und bedächtig schob er sein Schwert wieder in die Scheide zurück. Dann ging er in die Hocke und ließ die Hand über die Pflanzen streichen. Die geschlossenen, dunklen Blütenblätter fühlten sich fast seidig unter seinen Fingern an. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, eine der Blumen mitzunehmen, ließ es dann aber bleiben und dachte noch einmal zurück an Anzus Worte und das Lächeln, das sie getragen hatte, während sie sie sagte. „Dies ist eine Schwertlilie. Sie steht für Hoffnung und Glaube, für Weisheit und Tapferkeit.“ All diese vier Eigenschaften konnte er jetzt gebrauchen. Gerade jetzt sogar. Die Hoffnung würde ihm auf dem gewählten Pfad halten, hinter Anzu und ihren Entführern, mit einer Hand an dem Griff seines Schwertes. Der Glaube würde dafür sorgen, dass er unterwegs nicht wankte und zauderte, sondern geradeaus weiterlief, den Blick immer nach vorn gerichtet. Die Weisheit würde dafür sorgen, dass er die richtigen Entscheidungen traf, dass er Anzu immer näher kam, obwohl man sie eigentlich von ihm entfernen wollte, dass er am Ende seine Waffe gegen die richtigen Leute führte. Und die Tapferkeit schließlich würde dafür sorgen, dass Anzu am Ende wieder sicher und unverletzt in den Armen halten konnte, selbst wenn seine Klinge noch rot von Blut war. „Dies ist eine Schwertlilie. Sie steht für Hoffnung und Glaube, für Weisheit und Tapferkeit. Ich glaube, sie steht für uns und für mich und für dich.“ Es war schade, dass die Blüten geschlossen waren. Aber was konnte er erwarten, mitten in der Nacht? Und morgen, wenn die Sonne aufging, würden er und Malik schon lange unterwegs sein, weiter auf dem Pfad, auf den man Anzu gezwungen hatte. Sie würden laufen und ihre Geschwindigkeit würde die Meilen fressen, die zwischen ihnen und dem Zielort lagen, den sie nicht kannten. Sie würden Anzu und ihre Entführer nicht einholen, bevor sie Ishyadani verließen, dem war Atemu sich sicher, es sei denn, sie machten in der Hafenstadt einige Tage lang Rast. Das konnte sein – er hatte keine Ahnung, wie diese Männer dachten. Aber wenn nicht... Dann war Anzu weg, wenn Atemu und Malik Port Goldclam erreichten, denn sie hatten einige Zeit Vorsprung zu ihren Verfolgern und waren auch noch zu Pferde unterwegs. Sie mochten nur langsam reisen und erst nach Sonnenaufgang das Lager abbrechen, das sie früh genug vor der Dunkelheit errichteten, doch sie waren noch immer schneller als zwei Krieger zu Fuß, selbst wenn es Schwertweise waren. Gut für sie. Dann würden sie etwas länger leben, ohne den Zorn eines von Illyrias Schwertweisen gespürt zu haben. Atemu lächelte grimmig und ballte die Hand zur Faust. Entschlossen stemmte er sich hoch und marschierte zum Lager zurück und dem tanzenden Feuer mit seinem freundlichen Licht, das fast verloschen war. Gemächlich schürte er es, bis die Flammen wieder höher schlugen, dann schüttelte er seine Deckenrolle aus und legte seine Klinge griffbereit daneben. Es war an der Zeit, Malik zu wecken und diesem den Rest der Nachtwache zu überlassen. Malik rüttelte ihn einige Stunden später wach. Es war noch immer dunkel und diesmal war das kleine Lagerfeuer die einzige Lichtquelle. Die Himmelsflammen waren verschwunden. Aber das Fehlen von kleinen, weißen Lichtfedern, die nicht verstreut auf dem Feld um sie herum lagen wie Sterne am Boden, zeigte, dass der Kampf zwischen den Vögeln noch nicht entschieden war. Atemu wandte gleichgültig den Blick ab. Er packte sein Bündel zusammen, während er ein paar Bissen trockenes Fladenbrot und Dörrfleisch herunterschlang. Es schmeckte wie Staub. Malik hinter ihm tat dasselbe. Viel Proviant hatten sie nicht mehr, darum war es fast ein Glück, dass sie nur morgens und abends überhaupt Zeit hatten, etwas zu sich zu nehmen. An Wasserlöchern kamen sie hin und wieder vorbei, auch wenn sie in einer Gegend wie dieser meist schwer zu finden und verdreckt waren. Aber immerhin konnten sie ihre Wasserschläuche immer wieder auffüllen. Mit der eigentlichen Nahrung allerdings gestaltete sich die Sache schwieriger. Sie hatten einen Hasen gefangen und zweimal eines der großen Murmeltiere, die hier draußen lebten. Aber es dauerte zu lange – sie konnten das Fleisch nicht einfach roh hinunterwürgen. Einmal waren sie auch an einem Hof vorbeigekommen, wo man ihre Vorräte (gegen ein großzügiges Entgeld) aufgefüllt hatte. Aber sie hatten noch einen weiten Weg vor sich und wenn sie nicht erneut Glück hatten und auf eine Ansiedlung stießen, mussten sie gänzlich auf die Jagd zurückgreifen. Das würde wertvolle Zeit kosten, die sie nicht hatten. Die Anzu nicht hatte. Atemu knurrte und hievte sich seinen Rucksack auf den Rücken. „Fertig?“, wollte er von seinem Begleiter wissen, der gerade die letzte Schnalle schloss. Atemus Stimme klang kratzig und unbenutzt – sie beide sprachen nicht viel. Es gab nichts zu sagen und für unnötiges Geschwätz konnten sie keine Kraft vergeuden. Malik sagte sowieso selten viel. Und Atemu selbst würde das Reden schon nicht verlernen. Einen Moment später griff Malik nach seinen Schwertgurten und legte sie an, dass die Griffe der daran befestigten Schwerter links und rechts über seine Schultern ragten und die Gurte selbst sich über seiner Brust kreuzten. Malik gehörte zu den wenigen Leuten, die eine beidhändige Veranlagung hatten. Für einen Krieger, vor allem einen Schwertweisen, war das eine wertvolle Gabe, war ihm doch damit das Talent zum Zweiklingenkämpfer in die Wiege gelegt worden, etwas worum ihn mehr als eine Person beneidete. Der blonde Schwertkämpfer nickte. „Dann los.“, murmelte Atemu und setzte sich schon in Bewegung. Malik folgte ihm. Sie fielen rasch in den weitausgreifenden, federnden Schritt, den sie sich seit ihrem Aufbruch angeeignet hatten. Sie würden tagelang so laufen können. Sie waren tagelang so gelaufen. Die Stunden und die Meilen zogen an ihnen vorbei und Atemu konnte nicht sagen, ob es zäh war oder sie nur so dahinflossen. Jeder Schritt brachte sie ihrem Ziel näher, einem Ziel, das sich jedoch noch schneller entfernte. Der Rucksack wog schwer auf Atemus Schultern, doch nicht zu schwer; nur ein gewohntes Gewicht, ohne das er schneller laufen könnte, wenn er es müsste. Doch sie brauchten ihr Gepäck, es war lebensnotwendig. Das war nahezu alles, was sie besaßen – auf die Besitztümer, die sie in ihren Zimmern auf Illyrias Feste aufbewahrten, konnten sie jedoch getrost verzichten. Ein Schwertweiser lebte aus dem Reisegepäck; immerhin war seine Berufung es, durch die Lande zu ziehen und sich verschiedenen Kriegslords und Fehdefürsten anzuschließen bis diese ihnen nicht mehr genug zahlen konnten oder sie gegen die Prinzipien des Söldners verstießen. Die wenigsten von ihnen leisteten sich Pferde und wenn, dann war es meist vorrübergehend, dass es nicht lohnte sich größeres Gepäck anzuschaffen, außer das, was man für das Tier brauchte. Der wichtigste Teil des Besitzes eines Schwertweisen waren so oder so die Waffen, die sie trugen. Nicht nur die Gebundene Klinge und die Dolche aus Drachenknochen, die den Grundstock der Ausrüstung eines von Illyrias Kriegern waren, auch andere – Bogen mitsamt Pfeilen, Speere oder Lanzen, vielleicht ein Kriegsbeil oder einen der schweren Hammer, mit denen man Schädel zertrümmern konnte wie weiche Äpfel mit einem Stein. Atemu und Malik hatten sich allem unnötigen entledigt, selbst einigen Waffen. Einzig ihre Bögen hatten sie zusätzlich behalten. Jetzt zahlte sich das aus; sie kamen schnell vorann und ihre Kräfte wurden nicht so rasch aufgezerrt. Ihre gleichmäßigen Schritte wurden begleitet vom rhythmischen Rasseln und Klirren, wenn Metallteile aneinanderstießen. Manchmal klatschte die Scheide von Atemus Schwertes gegen sein Bein. Jedes Mal schloss er die Hand um den vertrauten lederumwickelten Griff und schob die Waffe und ihr Gehänge am Gürtel wieder weiter nach hinten. Für vier, fünf Meter mochte er die Hand nicht lösen; die Klinge gab ihm Sicherheit und ein Stück Vertrauen, das er sich nirgendwo anders holen konnte. Nach Stunden erreichten sie den Roghapass durch das Chakiamassiv. Hier betraten sie auch wieder eine Straße, nachdem sie fast seit ihrem Aufbruch quer durch die Wildniss gelaufen waren. Sie war kaum mehr als ein breiter, festgetrampelter Pfad, nur geschaffen durch all die Leute, die hier im Laufe der Jahre vorbeigekommen waren. In die eine Richtung führte sie schnurgerade in die Steppe hinaus, auf die nächste Stadt zu. Aber der steinige Weg den Berg hinauf zu dem Einschnitt zwischen zwei Gipfeln war gekennzeichnet mit hohen Stecken, an denen lange Fellfetzen und verdreckte Stoffbahnen befestigt waren, die im Wind flatterten, kleine Glocken aus billigem Metall, die misstönend klangen, und kahle Tierschädel, deren fahle Knochen im Sonnenlicht ausbleichten. Sie wurden die Ar-Shedyn genannt, die Gebeine Ars, und sollten bei den grausamen Berggöttern des Chakiamassives für die Wanderer um Segen und eine sichere Reise bitten. Unter dem ersten Ar-Shedyn befand sich eine riesige steinerne Schale. Sie war nur grob behauen, aber das störte nicht. Was konnte besser zu Göttern von Bergen passen als so etwas? Darin lagen diverse Dinge – seltsam geformte oder gefärbte Steine, Früchte, ein paar Münzen, Haarbänder, Kämme, Knöpfe und anderer Krimskams, der hier zu einem heiligen Opfer geworden war. Einen Moment blieben Atemu und Malik am Fuß des so plötzlich aus dem Boden wachsenden Berges stehen und starrten nach oben, dem Pfad nach. Er schlängelte sich deutlich zwischen scharfkantigen Felsen, dürren Büschen und gelbbraunem Gras hindurch, bis er zwischen zwei hoch aufragenden Felswänden in einer Schlucht verschwand, die einst ein Fluß gegraben haben mochte und bis zum anderen Ende des Massives führte. Die Spuren, denen sie seit Tagen folgten, waren deutlich am Boden zu sehen. Die Reisegruppe um Anzu hatte sich den Umweg, den die Straßen vom Sho'dakkatempel bis zu diesem Punkt machten, gespart und waren quer durch die Steppe gezogen. Darum war es sehr leicht gewesen, ihnen zu folgen, selbst wenn es seit vier Tagen niemanden mehr gab, den sie fragen konnten, ob man die Reisegruppe gesehen hatte. Jetzt vermischten die Spuren der Entführer sich mit denen von zahllosen anderen Personen, aber es bestand kein Zweifel, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Wahrscheinlich würden sie auch nach dem Pass wieder ihren eigenen Weg wählen bis nach Port Goldclam. Wenn nicht, dann würden ihnen genug Personen begegnen, die die Schwertweisen fragen konnten. Atemu seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch die wirren Haare. Malik neben ihm tastete seine Taschen ab, den Blick auf die Steinschale gerichtet. Er würde eine Opfergabe da lassen, wie schon so viele vor ihm. Jeder Reisende, der nicht dumm oder leichtsinnig war, tat das. Oder fremd. Atemu fragte sich, ob die Entführer eine Spende dagelassen hatten. Er entschied sich, kein Risiko einzugehen und zog zwei Kupfermünzen aus dem Beutel. Nacheinander ließ er sie klirrend in die Schale fallen, eine für sich, eine für Anzu. Malik folgte mit einem einfachen, silbernen Ohrring. Er klimperte leise auf den Münzen. „Hoffentlich bringt ihr das etwas.“, bemerkte Malik, dem Atemus doppelte Gabe sofort aufgefallen war. Der andere hob die Schultern. „Wir können es nur hoffen. Ich werde diesen Brauch niemals verstehen.“ Aber das bedeutete nicht, dass sie ihn nicht befolgen mussten. Sie liefen wieder los, langsamer als vorhin. Der Weg ging bergauf, darum würdeer mehr Kraft fordern als die flache Ebene. Der Weg nach unten würde dafür leichter werden. Es dauerte nicht lange, da ließen sie die offenen Bergflanken hinter sich, während die Wände der Schlucht um sie herum immer höher wurden. Ihre Schritte hallten, hin und hergeworfen von den Felsen, die manchmal so eng waren, dass ein Karren kaum hoffen konnte, hindurchzukommen. Einmal kam ihnen eine Gruppe müder Wanderer entgegen, die zwei Esel mit sich führten und sich auf Wanderstöcke stützten. Sie sahen abgerissen und zerlumpt aus und die besten Waffen, die sie mit sich trugen, waren ein altes Fleischerbeil und zwei notdürftig zurechtgeschnitzte Speere. Als sie die beiden Krieger kommen sahen, beeilten sie sich, so gut es ihnen auf dem schmalen Pfad möglich war, zur Seite zu weichen um sich nicht ihre Aufmerksamkeit oder gar ihren Zorn zuzuziehen. Atemu und Malik kümmerten sich kaum um sie, auch nicht um die befremdlichen, aber doch erleichterten Blicke, die ihnen nachgeworfen wurden. Ansonsten wurden sie nur von den Ar-Shedyn auf ihrem Weg durch den Pass begleitet und von dem scharfen, heulenden Wind, der an ihrer Kleidung, ihren hochgezurrten Umhängen und ihren Haaren riss, den Stoff an den Gebetsstöcken zum Tanzen und die Glocken zum Klingen brachte. Schließlich erreichten sie die andere Seite der Schlucht, wo sie sich plötzlich zu einer terrassenartigen Plattform öffnete. Der Weg bis zur Ebene hinunter, die ein Spiegelbild jener war, die auf der anderen Seite des Passes lag, war noch immer von Ar-Shedyn gesäumt, dennoch war das Bild hier so anders, dass die beiden Schwertkämpfer taumelnd zum Stehen kamen. Malik stützte sich auf die Knie und sog tief die reine Luft ein, während Atemu sich umsah. Von hier hatten sie einen weiten Blick über die Steppe. Er konnte zwei Karawanen erkennen, die sich von verschiedenen Seiten auf den Pass zubewegten; wahrscheinlich Händler, die hofften, ihre Waren auf der anderen Seite des Chakiamassivs teurer zu verkaufen als auf der hiesigen. Und weiter, knapp vor dem Horizont befand sich eine dritte Reisegruppe. Er richtete sich kerzengerade auf und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Ob Anzu dort war? Ob es ihre Entführer waren, die sich dort nonchalant einen Weg quer durch die Steppe bahnten ohne sich um die Straßen zu kümmern, die in völlig andere Richtungen führten? Er konnte es beinahe sehen. Er konnte sie beinahe sehen, die schöne Priesterin mit den Ozeanaugen und dem sanften Lächeln. Der Gedanke erfüllte ihn mit heftiger Sehnsucht und noch noch kraftvollerem Zorn, der heiß in ihm aufloderte wie eine Flamme, in die man Öl goss. Gerade wollte er Malik darauf aufmerksam machen, als der murmelte: „Hey, was ist das?“ Der Blick aus den hellvioletten Augen seines Begleiters war auf etwas gerichtet, das im Gras lag. Atemu zog eine Augenbraue hoch und wollte gerade fragen, was Malik meinte, als er es ebenfalls sah: etwas blitzte und funkelte im Licht der Sonne, eingebettet in Gras und Moos. Was auch immer es war, es gehörte nicht hierher. Der ältere Krieger trat darauf zu und bückte sich um es aufzuheben. Es war ein Kristall, bemerkte Atemu, als er die Hand darum schloss. Aber kein normaler, war er doch zu glatt, zu symmetrisch dafür. Das zeigte auch ein Blick auf den seltsamen Fund. Der durchsichtige Stein war etwa so groß wie seine Faust, flach und oval. Die Facetten schienen beinahe perfekt zu sein und die formende Magie war noch so neu, dass sie noch durch ihn hindurchvibrierte. Eingeschlossen in dem Kristall war die weit geöffnete Blüte einer blauvioletten Schwertlilie. „Sie steht für Hoffnung und Glaube, für Weisheit und Tapferkeit.“ Atemus Herz setzte für einen Moment aus, ehe es in doppelter Geschwindigkeit weiterschlug. Er hatte keinen Zweifel daran, dass dies ein Zeichen von Anzu war. Sie hatte ihn gemacht in mühevoller Magiearbeit, wahrscheinlich auch im Geheimen, ohne, dass ihre Entführer es mitbekamen. Damit er, Atemu, wusste, dass er auf dem richtigen Weg war, dass sie auf ihn wartete und er nicht die Hoffnung verlieren sollte. Dass sie auf ihn vertraute. „Nein, Anzu.“, flüsterte Atemu leise. Hatte sie geahnt, was ihn befallen würde, nachdem man sie ihm einfach so genommen hatte? Hatte sie geahnt, dass er ihre Worte brauchen würde, dass er sich erinnern und genau wissen würde, was sie bedeuteten, für damals und für jetzt? „Das werde ich nicht. Ich werde dich nicht enttäuschen.“ Malik warf ihm einen Blick zu, fragte aber nicht nach. Er erhob auch nicht die Stimme, als Atemu den Kristall in seinen Rucksack schob, ohne ihn ihm zu zeigen. Atemu war ihm dankbar dafür. Manche Dinge musste auch Malik nicht wissen, der Anzu so nah stand wie ein Bruder. Er blickte den jüngeren Krieger an und erklärte mit fester Stimme: „Lass uns gehen. Anzu wartet auf uns.“ Malik gab keine Antwort, aber Atemu wartete auch keine. Seite an Seite rannten sie den Pfad hinunter; ihre Beine fraßen die Meilen und der Wind die Hoffnung schienen ihnen Flügel zu verleihen. ~~~~~~~ So... Wie gesagt, passieren tut nicht viel, aber ... ^^" Wenn jemand Fragen zu der Welt hat, insbesondere Dingen, die hier erwähnt wurden - nur zu, einfach nachhaken. Der nächste OS wird, wie gesagt, etwas, das ich schon länger habe, Tristan/Joey-Friendship. Der OS danach wird (hoffentlich), der, den ich eigentlich zum 2. Kapitel machen wollte, ein Yami/Anzu. :3 (Wo Anzu auch mal vorkommt. XDDD) So... Mehr hab ich (glaub ich) nicht zu sagen. Momentan. Sorca~ Kapitel 3: Nocturnal Elegy: Ist Sex mit Vampiren eigentlich Nekrophilie? ------------------------------------------------------------------------ Wie versprochen, der nächste OneShot. :) Ist recht kurz und mein erster Versuch, etwas zu schreiben, das vorangig Humor ist. Keine Ahnung, ob es geklappt hat. Meine Testleserinnen sagten, es wäre in Ordnung, aber ich hab immer totale Probleme mit diesem Genre. ^^" Und zwischendurch wird es mal wieder ernst und ... x__X Naja. Zur Schreibübung Nummer 8 B - 'Schlaflos' und kaum mehr als 2ooo (:D) Worte lang. Der OS spielt in einem AU-Universum, das (wie das letzte auch) sehr ausgebaut ist, Fantasy, Drama und ... Mystery(?) - es gibt da jedenfalls Vampire (wie meistens im Geheimen vor dem größten Teil der menschlichen Bevölkerung), von daher... Es ist Joey & Tristan-Friendship. Sie sind die einzigen Charaktere, die auftauchen, also eine Pairs. Joey und Tristan sind Vampirjäger und ziehen so durchs Land. Sie halten sich mit Gelegenheitsjobs & Co. über Wasser. Mehr braucht man nicht zu wissen um das zu verstehen, schätz ich mal. (Wer doch Fragen dazu hat, kann sie gern stellen.) Ist übrigens auch mein erster Versuch mit Joey und Tristan, darum hab ich keine Ahnung, wie genau ich sie getroffen habe. ._. Mindestens PG-16, wegen dem Thema. ~~~~~~~ Ist Sex mit Vampiren eigenlich Nekrophilie? Joey konnte nicht schlafen. Das war daran zu merken, wie dieser blonde Idiot sich zappelnd von einer Seite auf die andere rollte, sich mit heftigem Gehüpfe auf den Bauch und dann wieder auf den Rücken drehte, die Decke unter lautem Geraschel bis zum Kinn hochzog und sich dann wieder frei strampelte. Alles in allem wäre das noch erträglich. Tristan konnte es aushalten, wenn die Decke raschelte oder der Bettrost knarrte, ja, sogar, wenn die Matratze quietschte. Er hielt es ja auch aus, wenn Joey schlief und dabei lautstark schnarchte, als ob er dabei die Regenwälder abholzen müsste. Allerdings, und darin lag das Problem, hatten sie sich eine billige Jugendherberge als Nachtquartier ausgesucht. Sie waren zwar im Moment die einzigen Personen im Zimmer, weil ihre momentanen Mitbewohner noch auf Sauftour in der Stadt waren (zumindest nahm er das an. Sie hatten nicht unbedingt viel miteinander geredet.), aber dennoch mussten sie in ihren Betten bleiben. Und das bedeutete, dass sie auf den beiden harten Matratzen eines einzigen einsturzgefährdeten Stockbettes lagen. Jede Bewegung, die Joey machte, wirkte sich auf die untere Matratze und damit auch auf Tristan aus. Es war völlig unmöglich zu schlafen, während das Bett wackelte, als hielte hier gerade ein überaus lokal begrenztes Erdbeben über Stunden hinweg an. Tristan knurrte frustriert und umarmte sein Kopfkissen fester, als wollte er es erwürgen. Joey über ihm bemerkte von all dem nichts, sondern hüpfte herum, als müsse er für eine Weltmeisterschaft trainieren. ‚Wer schafft die meisten Hopser hintereinander?’ Gerade erschütterte ein besonders schweres Joeybeben das Bett und Tristan rollte sich absolut frustriert herum, um gegen den Bettenrost und die Matratze über ihm zu treten. Einen Moment blieb es still. „Hey, was soll das?!“, fauchte Joey dann in rechtschaffenem Zorn. „Du hättest mich fast aus dem Bett geworfen, du Spinner!“ „Dann lieg endlich still, du Hampelmann! Es gibt hier Leute, die wollen schlafen.“ „Dann tu’s doch.“, war die patzige Antwort. Wahrscheinlich war dem Blonden das Problem tatsächlich nicht bewusst. „Das geht nicht. Das ganze Bett wackelt; machst du da oben Gymnastik oder was?!“ Wieder blieb es einige Augenblicke still. „’tschuldigung.“, nuschelte Joey dann und kurz darauf wedelte seine Hand ein paar Mal an der Seite vorbei. Tristan seufzte. Das war ein Friedensangebot. Er hoffte nur, Joey würde jetzt eine Weile still liegen. „Schon gut.“ Er zupfte an seiner Decke und schloss wieder die Augen. Jeder weitere Moment, der verstrich, ließ die Hoffnung wachsen, jetzt endlich Ruhe zu finden... Einfach wegzudämmern... Das Bett wackelte. Zu früh gefreut! Tristan rollte sich auf die andere Seite und zerrte dann an der schmalen Decke, damit er sich den Hintern nicht abfror. Es war doch noch etwas frisch zur Zeit. Erneut ging ein Joeybeben durch das Bett. „Joey...“ Das drohende Grollen machte keinerlei Eindruck auf den Angeknurrten, der sich wieder auf die andere Seite drehte. „Sorry.“, schob er dann hinterher. „Aber ich kann einfach nicht schlafen.“ Er ließ sich auf den Rücken fallen und Tristan trat noch einmal gegen die Matratze. „Hey, lass das!“ „Dann lieg still, du Idiot.“ Und Wunder über Wunder – er tat es! Der Braunhaarige begann, ins Reich der Träume hinüberzugleiten, bis ihn erneut ein Beben den Armen des nahenden Schlafes entriss, diesmal begleitet von einer Stimme. „Hey, Tristan.“ Der Angesprochene blieb still, selbst mit vom Schlaf benebeltem Hirn wusste er, dass eine Antwort nur eine Ermutigung für seinen Freund war, einfach weiterzumachen und ihn nicht schlafen zu lassen. Also ignorierte er ihn einfach. „Hey! Schläfst du schon?“, wollte Joey wissen und trampelte mit den Beinen auf die Matratze, dass das Bett erneut wackelte. Jetzt dagegen eine Antwort zu verweigern würde wahrscheinlich nur dazu führen, dass Joey das Bett umwarf oder so etwas in der Richtung. „Fast, also halt die Klappe.“ „Oh...“, machte Joey und stellte die Frage, die er auf dem Herzen hatte, trotzdem: „Ist Sex mit Vampiren eigentlich Nekrophilie?“ Tristan fuhr mit einem Ruck auf und krachte mit dem Kopf gegen das obere Bett. Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen ließ er sich wieder zurückfallen und rieb sich die – sicher bald wachsende – Beule an seiner Stirn. Zum Glück war Joey einfühlsam (oder klug) genug, die Klappe zu halten. Jetzt war Tristan jedoch wieder hellwach. Na toll! Den Schlaf konnte er sich heute wahrscheinlich sparen. Und das aus mehr aus einem Grund. „Danke für die äußerst ‚ansprechenden’ Bilder in meinem Kopf.“, knurrte er dann sarkastisch und zog sich das Kopfkissen über das Gesicht. Vielleicht konnte er ja so Joeys Stimme einfach aussperren. Aber nein, diese Theorie erwies sich leider als falsch, wie man ihm auch umgehend bewies. Der Blonde klang zwar jetzt etwas dumpfer, aber noch immer gut verständlich. „Jetzt sag schon. Ist es?“ „Streng dein Hirn an.“ Einen Moment blieb er still. „Oh, verzeih, ich hab vergessen, dass du keines hast.“ „Fick dich.“ „Nimm lieber mit deinen Vampiren vorlieb.“ Joey gab ein undefinierbares, aber eindeutig angewidertes Geräusch von sich. „Das ist widerlich!“ „Davon spreche ich ja die ganze Zeit.“ „Tust du nicht!“ „Tu ich doch.“ „Nicht!“ „Doch!“ „Nicht!“ „Do...!“ Tristan unterbrach sich. Sie konnten dieses Spiel die ganze Nacht machen und dann würde er erst recht nicht zum Schlafen kommen. Also sollte er lieber klein beigeben und schweigen. „Und? Was sagst du jetzt dazu?“, schwebte die Stimme des Blonden erneut zu ihm herunter. „Nekrophilie ist Sex mit Toten, Joey, und kein Thema, über das ich mich mitten in der Nacht unterhalten will.“, antwortete Tristan gereizt und fügte darum launisch dazu: „Seit wann kennst du überhaupt so große Wörter?“ Joey ignorierte die Stichelei. „Aber wenn wir doch grad nichts besseres zu tun haben?“ Eigentlich wollte der Braunhaarige ja schlafen, aber dazu das auszusprechen kam er nicht mehr, da der andere schon weiterplapperte. „Und dieses Thema ist so gut wie jedes andere auch.“ Tristan seufzte. Ehe er Joeys Frage nicht beantwortete, würde der wohl kaum Ruhe geben. Er war in diesem Sinne wie ein Hund, dem man erst das Leckerli geben musste, ehe er von einem abließ. „Sex und Vampire in einem Satz zu erwähnen ist einfach falsch! Das ist ... das ist...“ Tristan verstummte, weil die Worte nicht kommen wollten. „Vampire sind tot!“, platzte er dann heraus, als wäre das nicht die offensichtlichste Feststellung der Welt. „Naja, nicht wirklich.“, bemerkte Joey gedankenvoll. „Sie sind UN-tot. Darum frag ich ja – ist Sex mit Vampiren Nekrophilie? Oder ... was weiß ich, Fast-Nekrophilie?“ „Ich weigere mich, weiter über dieses Thema nachzudenken. Vor allem nicht jetzt.“ „Komm schon! Ein einfaches ‚Ja’ oder ‚Nein’ genügt!“ „Joey...!“ Das Bett wackelte, heftiger als vorhin, und krachte gegen die Wand zurück. „Werf das Bett nicht um, du Schwachkopf!“, rief Tristan alarmiert. „Jetzt hab ich dich erschreckt! Gib es zu!“ Er konnte das feixende Gesicht des Blonden beinahe sehen, obwohl der wahrscheinlich immer noch konzentriert gegen die Decke starrte, als würde Angelina Jolie dort gerade einen Striptease veranstalten. ... und diesen Vergleich hatte er nun Joeys bescheuertem Thema zu verdanken. „Du fällst tiefer als ich.“, gab er zu bedenken. Einen Moment war es wieder still, dann: „Stimmt...“ Joey klang nicht mehr so begeistert von seiner Bett-Umwerf-Idee und fuhr darum mit seiner Vampir-Sex-Theorie fort: „Ich würde sagen, es ist keine Nekrophilie. Die sind zwar tot, aber irgendwie doch nicht und ... verstehst du, was ich meine? Sie laufen ja rum und reden und denken und so.“ „Sie sind trotzdem tot.“, bestand Tristan auf dem wichtigsten Punkt. „Ja, aber nicht richtig.“ „Darum nennen wir das ja auch untot. Lass es uns gemeinsam buchstabieren. U-N-T-O-T.“ „Hör auf dumme Witze zu machen! Ich mein es ernst!“ Deprimiert presste sich Tristan wieder das Kissen ins Gesicht. Vielleicht konnte er sich ja so ersticken? Dann hätte er wenigstens Ruhe vor seinem dämlichen Partner im Vampirjagdgeschäft, der mit dummen Themen um sich warf, und nebenbei noch sein bester Freund war. „Ich auch.“, erklärte er darum, die Stimme durch das Kissen so stark gedämpft, dass er sich fragte, ob Joey ihn überhaupt gehört hatte. „Ich weiß, ich weiß, sie sind tot, sie haben keinen Herzschlag mehr und auch kaum Körperwärme, oder? Aber trotzdem müssen sie pinkeln – erinnerst du dich an diesen Idioten, den wir letztes Jahr dabei erwischt haben?“ Tristan lachte. Das war ein Anblick gewesen! „Ja.“ Er stopfte sich das Kissen wieder unter den Kopf. Dort gehörte es schließlich hin. „Frag mich jetzt nicht, wie denen ihr Metabolismus funktioniert.“ „Ihr was?“ Tristan seufzte. Erst dachte man, Joey hätte doch etwas mehr im Kopf, und dann kam so eine Frage. „Der Stoffwechsel. Du weißt schon – dass sie überhaupt ... äh ... leben können.“ Da fragte man sich doch, wo genau der Blonde in den Schulstunden gewesen war. „Die leben aber nicht.“ „Naja, irgendwie schon. Sie essen und scheißen und haben Sex und können gekillt werden, richtig?“ Tristan bemerkte, dass er sich gerade selbst widersprach; beschloss jedoch, das einfach unauffällig unter den Tisch fallen zu lassen. Joey murmelte etwas, was sich zustimmend anhörte, also breitete Tristan das Thema nicht weiter aus. „Hey, Tristan?“ Erneut war es der Blonde, der die Stille durchbrach, die Stimme seltsam flach und schwermütig. „Was, glaubst du, fühlen Vampire, wenn man sie tötet?“ Die Frage war hart und brutal wie ein Schlag ins Gesicht. „Nichts. Das geht zu schnell.“ „Und was fühlen sie, wenn sie merken, dass sie jetzt sterben werden, einfach so?“ Tristan schwieg, dachte an die Vampire, die er bereits erledigt hatte, und an die, bei denen er zugesehen hatte. Dann dachte er an seine Mutter und seine Schwester und schloss die Augen. „Meinst du, sie haben genauso Angst wie ein Mensch, wenn er es erkennt?“ Joey wusste, wovon er sprach. Tristan erinnerte sich noch an diesen Vampir, der den Jungen beinahe umgebracht hätte, wenn der Mann nicht gewesen wäre, der ihnen alles beigebracht hatte. Joey hatte sich in die Hosen gemacht und Tristan es nicht fertig gebracht, ihn deswegen aufzuziehen. Er weigerte sich, weiter über dieses Thema nachzudenken. „Joey... Ich will jetzt keine Grundsatzdiskussion darüber anfangen, ob Vampire und Menschen sich gleichen. Oder nicht. Oder sonst was.“ Das würde viel zu sehr in Frage stellen, ob das, was sie taten, richtig war. Oder falsch. Oder sonst was. Also schluckte er die schlechten Gefühle einfach hinunter und dachte daran, was für ein Leben er haben könnte, wenn sie nicht in diesen Irrsinn hineingezogen worden wären. Jedenfalls kein Leben, in dem die einzige Konstante tatsächlich Joey war, was den ganzen Wahnsinn nur noch vergrößerte und wofür er trotzdem mehr als dankbar war. Es blieb so still, dass er sich Sorgen machte, ob Joey in seinem Bett einen Herzschlag erlitten hatte und gestorben war. „Du hast recht.“, sagte der Blonde dann, erneut so kleinlaut und still, dass es fast unheimlich war. Wieder verfielen sie in Schweigen und der Braunhaarige wollte grad vorschlagen, dass das sie nun still und reglos in Schlaf sinken sollten, als wieder Joeys Stimme erklang. „Und was ist mit Sex mit Zombies?“ Tristan warf einen scharfen, ungläubigen Blick nach oben, der ‚Das ist doch nicht dein Ernst!’ bedeuten sollte, aber völlig sinnlos war. Denn Joey konnte ihn natürlich nicht sehen, weil da so etwas wie eine Matratze zwischen ihnen war. „Es gibt keine Zombies.“, bemerkte er darum. „Na und? Darum geht’s nicht. Außerdem, nach allem was wir wissen, könnten da draußen schon ein paar Zombies rumlaufen...“ „Es gibt keine Zombies, so gern du das auch hättest. Außerdem ist es noch ekliger, über Sex mit Zombies nachzudenken als über Sex mit Vampiren. Wenigstens würden letztere dich nicht währenddessen auffressen oder so.“ Joey stieß ein gedämpftes Lachen aus. „Aber Leersaufen!“ „Haha.“ Der Braunhaarige rieb sich über die Nase. „Sex mit Zombies ist Nekrophilie.“, bestimmte er dann und bekam ein zustimmendes Geräusch als Antwort. Tristan seufzte, dachte bedauernd an seinen Schlaf, den er heute Nacht wohl nicht mehr bekam, und fragte sarkastisch: „Willst du noch mehr Fragen über Sex, Vampire und Zombies stellen?“ Als eine Antwort erhielt er nur ein lautes Schnarchgeräusch, dass sich fast wie ein Grunzen anhörte. War der Penner jetzt doch etwa eingepennt?! Und das mitten im Gespräch?! War die Erkenntnis, dass Sex mit Vampiren keine und Sex mit Zombies tatsächlich Nekrophilie war, alles, was er dafür gebraucht hatte?! Manchmal beneidete er den anderen um seine Arglosigkeit ... oder Gleichgültigkeit ... oder wie auch immer man das nennen wollte. Einen Moment war Tristan versucht, erneut gegen die Matratze zu treten und den anderen wieder aufzuwecken. Doch dann kam ihm die glorreiche Erleuchtung, dass ein schlafender Joey bedeutete, dass er jetzt ebenfalls seine Ruhe hatte, denn einzig im Schlaf schaffte der Blonde es, nicht alle paar Sekunden herumzuhüfen wie ein hyperaktiver Hase. Zum Glück gehörte er selbst zu den Leuten, die auf einem Lattenzaun schlafen konnten. Darum drehte Tristan sich einfach zur Seite und schloss die Augen um endlich seinen wohlverdienten Schlaf zu bekommen und nicht mehr über Vampire, Sex und den Tod nachzudenken. ~~~~~~~ Okay... Das war's, ihr habt's überstanden. XD Der nächste OS wird (sofern ich das hinkriege), ebenfalls in diesem Universum spielen. :) Bis dann Sorca~ Kapitel 4: Swordsages: The Priestess' Resolution ------------------------------------------------ Also~ Hier ist der nächste. :D Schon wieder nicht der, den ich eigentlich wollte, aber egal. X3 Dieser hier gehört in dasselbe Universum wie Sword & Flower und spielt nur ein paar Tage danach. Er ist auch viel kürzer und erklärt weniger, darum wäre es vielleicht nicht schlecht, den anderen OS auch zu lesen. Auch wenn ich hoffe, dass er alleine stehen kann. Ich habe übrigens vor, noch mehr FFs für das Swordsages-verse zu schreiben - 2 sind bis jetzt in Planung. ^^ Ein paar Vanishshipping-Hints, natürlich, ansonsten muss ich vor nix warnen, nehm ich an. Danke nochmal an fürs Testlesen. :) ~~~~~~~ The Priestess' Resolution Das Schiff schaukelte leicht auf den Wellen. Es war ruhig hier, aber nicht stiller als in den endlosen Steppen Ishyadanis. Die meisten Seeleute hatten sich einen Platz gesucht, wo sie nicht so leicht gestört wurden. Ein paar von saßen in Gruppen zusammen und spielten Karten oder würfelten. Anderes hatten sie nicht zu tun – die Windstille, die seit drei Tagen anhielt, verhinderte, dass sie weitersegeln konnten. Anzu hatte sich an die Reling zurückgezogen und starrte auf das Meer hinaus. Man hatte ihr alle Fesseln abgenommen und nicht einmal mehr eine Wache begleitete sie – niemand erwartete, dass sie über die Reling sprang um zum Land zurückzuschwimmen. Sie hatten Recht. So viel Macht hatten sie schon über sie. Einfach, in dem sie sie getrennt hatten, von allem was sie kannte, von allem, was ihr lieb und teuer war. Der hochgewachsene, viel zu stolze, verschlossene Mann, den sie als Seto von Kaiba kennen gelernt und der sich vor nicht allzu langer Zeit zu ihr gesellt hatte, war keine Wache. Er war der Anführer dieser Männer, jeder konnte das sehen, mit nur einem Blick auf die stolze Gestalt, die aufrechte Haltung, die Sicherheit, mit der er Befehle austeilte. Jeder hier hörte auf ihn, kompromisslos. Denn jeder wusste, dass er unerbittlich war, manchmal sogar fast grausam. Aber das änderte nichts daran, dass er, wie sie inzwischen wusste, selbst nur Befehlen folgte. Ob es ihm ein Dorn in der Seite war, dass er das tun musste, selbst so viele Meilen von der Heimat entfernt, dass Anzu sich die Entfernung nicht einmal vorstellen konnte?! Wahrscheinlich. Jetzt stand er neben ihr und folgte ihrem Blick über das Wasser, dorthin, wo weit hinter dem Horizont ihre Heimat lag, wo sich die Sho’Dakka-Tempel befanden, die anderen Priesterinnen, ihre Freunde, Atemu. Seto trug einen Degen an der Hüfte, ein elegantes Meisterwerk mit kunstvollem Handschutz. Anzu wusste, dass dieser mehr war als nur eine Zierde oder ein Symbol seines Ranges. Sie hatte ihn damit kämpfen und in Sekundenschnelle töten sehen. Nach einigen Augenblicken brach er das Schweigen: „Ihr solltet aufhören, derartig sehnsüchtig da hinter zu starren – wir werden Euch nicht zurückbringen, Priesterin.“ Sie warf ihm einen Seitenblick zu und erwiderte wütend: „Du solltest es aber tun! Du hast nicht das Recht…“ „… Euch einfach mit mir zu nehmen? Nach Euren Gesetzen schon.“ Damit sagte er die Wahrheit. Auf Ishyadani herrschte das Gesetz des Stärkeren. Das Recht desjenigen, der mehr Krieger und Magier um sich scharen und die größere Streitmacht aufbauen konnte. Und er war hier eindeutig der Stärkere. Der, der nicht einmal davor zurückschreckte, einer Priesterin Gewalt anzutun. Einer Sho’dakka-Priesterin. Ihr. Dann bemerkte sie auch durch ihren Zorn das ‚Eure‘. Nicht seine Gesetze. Sondern ihre. „Dann handel nach deinen!“, fauchte sie. „Mein oberstes Gesetz ist das Wort meines Königs.“ Sein Gesicht blieb undurchdringlich, aber in seine Stimme schlich sich ein seltsamer Ton. So, als würde er etwas wiederholen, was ihm wieder und wieder eingeredet worden war, ihn jedoch anwiderte. Sie schwieg. Hatte sie das Recht, ihn dafür verantwortlich zu machen, wenn er selbst nur Befehle ausführte? Ein spöttisches Lächeln ließ seine Mundwinkel nach oben wandern. „Ihr solltet Euch an den Gedanken gewöhnen, Eure Heimat so bald nicht wieder zu sehen. Eure Zukunft liegt dort.“ Er zeigte in die entgegengesetzte Richtung. „Dort erwartet man Euch schon.“ Sie starrte ihn an und fragte sich, was sie aus seinen Worten machen sollte. Er wollte ihr etwas sagen. Sie wusste nur nicht, was. Vielleicht musste sie einfach genauer hinhören. „Euch.“, fügte er hinzu, leise nur, aber eindringlich. Für einen Moment war sie geneigt, nachzuhaken, einfach zu fragen. Dann sickerten seine Worte in ihren Verstand und sie begriff, was er ihr sagen und zeigen wollte. Sie begriff, dass sie, durch die Tatsache, dass man nur sie wollte, warum auch immer, Macht bekam. Weil niemand anderes in der Lage war, ihren Platz einzunehmen. Sie sollte ihm dankbar sein, denn er lenkte in diesem Augenblick ihren Fokus woanders hin. Weg von der Vergangenheit, von ihrem Unglück, ihrem Selbstmitleid. Hin zu Möglichkeiten. Den Möglichkeiten, die sie hatte, haben konnte, wenn sie richtig spielte. Stattdessen wünschte sie sich, er würde sie wieder zurückbringen, dass sie sich in den nächsten Tempel zurückziehen und weiterhin einfach nur Anzu, die Hüterin der Weißen Flamme, sein konnte, statt Anzu, die jemand für irgendetwas brauchte und darum entführen und in ein fernes, fremdes Land bringen ließ. Sie wusste wenigstens, wie sie ihre Rolle als Hüterin erfüllen musste. Das andere war neu, unbekannt und furchteinflößend. Sie senkte den Kopf und blickte auf ihre Hände. Vielleicht lag da ihr Fehler. Darin, dass sie sich von allem Fremden so einschüchtern ließ. Sie warf Seto einen kurzen, fast scheuen Blick zu. Er starrte zurück, scheinbar ungerührt, aber er hatte einen fast zufriedenen Ausdruck im Gesicht. „Werdet etwas selbstständiger, kleine Priesterin. Alles andere steht Euch nicht.“ Damit nickte er ihr kurz zu, drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte davon. Anzu blickte ihm nach. Das hatte sich fast so angehört, als wolle er ihr Mut machen. Abrupt drehte sie ihm den Rücken zu und starrte wieder über das Meer, zum Horizont, hinter dem Ishyadani lag. Was würde Atemu jetzt tun? Was würde er ihr raten? Sie schloss die Augen und versuchte, ihn sich vorzustellen, den starken, durchtrainierten Körper, das schöne Gesicht, seine warmen Augen. „Verzweifle nicht, kleine Lilie. Du bist stark genug dafür und wir sind schon auf dem Weg zu dir. Hab Mut.“ Hatte sie ihm nicht die Schwertlilie hinterlassen um ihm zu sagen, dass sie noch auf ihn wartete? Hatte sie nicht gehofft, dass er sie einholen würde, ehe ihre Entführer ihr Ziel erreichten? Das war jetzt vorbei – der Hafen war das erste Ziel gewesen, das zweite lag noch viel weiter weg. Aber wenn Atemu ihr bis zum Hafen gefolgt war, würde er ihr auch über das Meer folgen. Er und wer auch immer ihn begleitete. Sie atmete tief die Seeluft ein und spürte, wie sich ihr Entschluss verhärtete. Sie würde nicht wanken. Sie würde nicht brechen. Und ganz egal, was man tat oder womit man ihr drohte, sie würde nicht noch einmal in Panik verfallen wie zu Beginn. Nicht noch einmal würde sie sich derartig der Macht und Willkür von jemand anderem aussetzen, nur weil sie nicht mehr in der Lage war, klar zu denken, da sie ihrer Angst freien Lauf gelassen hatte und in Hysterie gefallen war. Sie drehte sich vom Meer weg, blickte über das Schiff – man hatte sie nicht gefesselt und eingesperrt. Man behandelte sie mit Respekt und teilweise sogar Ehrfurcht. Man brauchte sie. Und dadurch hatte sie Macht. ~~~~~~~ Der nächste OS für HttT ist schon in Planung. :3 Bis dann Sorca~ Kapitel 5: A pig with wings --------------------------- Okay, mal wieder auf den allerletzten Drücker, aber wenigstens bin ich fertig geworden. Ist doch was, oder? >.< Challenge war, dass ein Einhorn und ein Sparschwein eine Rolle spielen sollten. Ich hoffe, ich bin nicht zu sehr daran vorbeigesegelt, weil letzten Endes geht es doch um etwas anderes. Oder so. Falls es tatsächlich um irgendetwas geht. Das ist nämlich der nächste Punkt - wer hier einen Sinn oder Plot findet, darf mich gerne verständigen. :D Die Story ist AU und nur ein kleines Übungsstück, das letzten Endes völlig anders aussieht, als ich ursprünglich eigentlich wollte. Allerdings mag ich den OS irgendwie trotzdem, sehr gerne. Sollte auch eigentlich Malik-Anzu-Friendship werden mit etwas Duke/Mana an der Seite, aber jetzt ist es irgendein Ding mit Malik, Anzu, Duke und Mana. Nyo. Egal. Malik - Hikari!Malik Anzu - Tea (Assur - Yami no Malik) ~~~~~~~ A pig with wings Die Senke war ein Schlachtfeld. Die Erde war schwarz und verkohlt, das Gras völlig abgebrannt. Überall lagen zerfetzte Metallteile herum, die am vergangenen Tag noch zu der großen Flugmaschine gehört hatten, die nun am Grund der Mulde lag, innerhalb einer verbrannten Fläche mit einem verkohlten Schweif. Das Wrack der Maschine lag im Mittelpunkt und zog alle Blicke auf sich. Abgerissene und verbogene Metallteile lagen über den Erdboden verstreut und hatten sich teilweise durch die Wucht des Aufpralls in den Boden gegraben. Auch der Inhalt der Flugmaschine hatte sich über die Erde verteilt – Kisten, Kleidung, Werkzeug, andere Dinge. Erstaunlicherweise war keine einzige Leiche zu sehen und das Gepäck wirkte, als sei es in Eile durchsucht worden. Breie Reifen mit deutlichem Profil hatten sichtbare Spuren in Ruß und Asche hinterlassen. Die meisten waren verworren, aber zwei Paar lösten sich schließlich von dem Durcheinander und führten nach Nordosten. Von den Fahrzeugen war nichts mehr zu sehen. Ansonsten hatten sich noch nicht einmal Aasfresser in die Nähe des Wracks gewagt. Keine Füchse, keine Ratten, auch keine Vögel. Kein Lebewesen war zu sehen, außer einem Falken, der hoch über den vier Reitern kreiste und ein Schwarm von Gänsen, die in V-Formation nach Norden strebte. Die schweren Hufe der Einhörner erzeugten dumpfe, rhythmische Geräusche auf dem federnden Boden, als sich die Kriegergruppe der Absturzstelle näherte. Malik lenkte Schattenlied mit einer Hand, während er in der anderen den Bogen trug. Vor ihm am Sattel war ein gefüllter Köcher befestigt, gegenüber des schweren Reitersäbels, und am Gürtel trug er ein langes Messer – die Standartausrüstung der Shi’dane. Es waren nicht die einzigen Waffen, die er trug, aber die, die seine Begleiter neben ihren individuellen Waffen ebenfalls trugen. Sie alle waren angespannt und bereit, so dass sie innerhalb von einem Augenblick angreifen konnten. Aber eigentlich erwartete keiner von ihnen, jetzt und hier attackiert zu werden. Niemand war zu sehen und dies hier war ihr Land. Kurz ließ Malik den Blick über die weite, hügelige Steppe schweifen, aber außer dem dunklen Waldrand im Süden, nur drei Meilen entfernt, wirkte alles gleich. Er wandte sich wieder nach vorn, wo die Strahlen der hoch stehenden Sonne sich auf den blank polierten Silbereinsätzen von Dukes Schild fing, das er hinten am Sattel befestigt hatte, und Lichtblitze über die Ebene schoss. Dessen Reittier war ein riesiger, prachtvoller Hengst mit langem, schneeweißen Fell und Hufen mit der Größe von Töpfen und Muskeln wie ein Gebirge. Ein Schlachtross, das im vollen Gegensatz zu den schlankeren, anmutigeren Tieren der beiden Kriegerinnen der Gruppe stand, und hoch auch über Maliks eigene Stute ragte, die mitnichten ein kleines Pony war. Aber Würfelwender war nicht umsonst als eines der größten Einhörner, die je geboren worden waren, bekannt. Jetzt stampfte er unruhig mit seinen riesigen, gespaltenen Hufen, während Duke unbeeindruckt auf seinem Rücken saß und sich auf die abgestürzte Flugmaschine konzentrierte. Die anderen Shi‘dane lenkten ihre Rösser neben Duke und blickten auf das enorme Gerät herab. Von solcher Nähe hatte noch keiner von ihnen ein solches Ding gesehen – meistens flogen sie nur weit über ihnen und sogar weit über den Adlern über den Himmel, wenn überhaupt. Ihr Volk mochte stark sein, doch ihre Macht bezog sich nicht auf Technik, sondern stützte sich auf den anderen Pfeiler der menschlichen Kraft und Herrschaft: der Magie. Die Shi’dane mit ihren Bindungen zu den Einhörnern waren nur ein Part davon, wenn auch ein wichtiger und darüber hinaus ein einzigartiger, waren sie doch die einzigen, die es schafften, jene wunderbaren, wundersamen Tiere zu zähmen. Oder vielleicht war ‚zähmen’ das falsche Wort. Malik klopfte Schattenlied auf den muskulösen, von glänzend schwarzem Fell bedeckten Hals und fragte sich, warum die Flugmaschine abgestürzt war. Keiner von ihnen hatte je etwas Ähnliches gesehen. „Was ist denn hier passiert?“, fasste Mana seine Gedanken in einen kurzen Satz. Auch sie ritt, wie Duke, einen Hengst, doch war er kleiner, schlanker und viel eleganter als Würfelwender und sein Fell hatte jene hellgoldene Farbe, die so selten wie begehrt war und nur unter wenigen Einhörnern der südlichen Herden vorkam. Selbst die schwarzen Einzelgänger, wie Maliks Schattenlied einer war, bekam man häufiger zu Gesicht. „Das können wir nur raten.“, antwortete Anzu und fuhr sich durch das schulterlange, nussbraune Haar. „Ich glaube nicht, dass wir es jemals erfahren.“ „Auf jeden Fall scheint niemand mehr hier zu sein.“, erklärte Duke und trieb Würfelwender wieder an. Das Tier war bereits den halben Abhang hinuntergetrampelt, als sich die anderen entschlossen zu folgen. Anzu hielt ihre weiße Stute neben Schattenlied und stellte sich in den Steigbügeln auf, so dass sie einen besseren Überblick hatte. „Sie scheinen einige zurückgelassen zu haben.“, bemerkte sie. „Mh-hm.“, machte Malik als Antwort. Manchmal hatte sie die Gabe, das offensichtliche auszusprechen. Duke und Mana hatten inzwischen die Absturzstelle zur Hälfte umrundet und zügelten nun ihre Reittiere. „Es ist niemand da!“, brüllte Mana zu ihnen herüber und sprang vom Rücken ihres Reittieres. Ihr goldenes Einhorn schnaubte und entfernte sich ein paar Schritte. Davonlaufen würde es – wie alle anderen Reittiere der Shi’dane – nicht. Reiter und Ross waren aneinandergebunden und Malik wusste von keiner Gelegenheit, an der eine solche Bindung wieder aufgelöst worden war. Auch er ließ sich aus dem Sattel rutschen und schob dann den Bogen in das dafür vorgesehene Halfter. Allerdings löste er die Sehne nicht – solange sie hier waren, wollte er im Zweifelsfall sofort schießen können, sobald er die Schusswaffe in der Hand hatte. Anzu ließ ihre Stute noch ein paar Schritte gehen, ehe sie dem Beispiel der anderen folgte. Duke und Mana waren schon zwischen den Wrackteilen verschwunden und ihre schweren Stiefel hatten deutliche Abdrücke im Ruß hinterlassen. Anzu trat an ein geschwärztes Metallstück heran und berührte es leicht. „Das ist verrückt.“, murmelte sie. „Wie kann so etwas nur passieren?“ Gleichgültig zuckte Malik mit den Schultern, ehe er sich eine Strähne sandfarbenen Haares aus den Augen strich. „Selbst einer unserer Donnerpfeile könnte dies tun.“, erklärte er. Die besonderen Pfeile der Shi’dane waren einer der Gründe, warum sie so gefürchtet und ihr Volk derartig machtvoll war. Donnerpfeile, Flammenpfeile, Eispfeile und all die anderen – sie durchschlugen selbst zentimeterdicken Stahl und die Auswirkungen, wenn sie auftrafen, waren verheerend. Malik hatte gesehen, wie mit einem einzigen Flammenpfeil ein gesamtes Sommerjagdlager abgebrannt war. Es steckte natürlich Magie dahinter, doch für einen normalen Magier musste es schwer, wenn nicht unmöglich sein, sie zu wirken. Shi’dane dagegen brauchten nur einen Bogen, einen Pfeil, etwas Kraft und Erfahrung. Allerdings galten sie nicht als Magier, sondern als Krieger und Jäger und keiner von ihnen würde jemals den einfachsten Zauberspruch wirken. Ihre Kraft funktionierte nur auf eine bestimmte Art und Weise. Anzu nickte nachdenklich. „Aber dann müssen die Pfeile sehr hoch fliegen.“ Sie richtete den Blick in den Himmel, aber keine zweite Flugmaschine tauchte auf, um ihren Punkt zu unterstreichen. „Vielleicht flogen sie tief. Oder ihre Waffen reichen weiter als unsere. Oder der Täter saß darin.“ Malik stieß eine Kiste mit dem Fuß an, so dass sie endgültig umfiel und aufsprang. Kleidung und ein paar Bücher fielen heraus. Das war doch schon mal was. Er bückte sich und nahm eines der Werke auf. Es war dick und schwer und er konnte die Schrift auf dem Rücken nicht lesen. Doch das spielte keine Rolle – irgendwer auf Tharanaths Märkten konnte es bestimmt und derartig gut erhaltene Bücher brachten immer einen guten Preis. Vorsichtig nahm er auch die anderen Bücher auf. Es waren insgesamt fünf, sie alle hatten bunte Einbände mit phantastischen Motiven darauf und nur eines hatte eine angeschlagene Ecke. Er hatte noch nie so viele Bücher in so gutem Zustand auf einmal gesehen. Doch sie trugen alle die gleiche Schrift, so dass er kaum etwas damit anfangen konnte. Anzu sammelte derweil eines der herumliegenden Kleidungsstücke auf – ein quietschgelbes Hemd. Sie hob die Augenbrauen hoch und grinste dann spöttisch. „Wer würde so etwas anziehen?“ „Irgendwer sicher, sonst wäre es vermutlich nicht hier. Pack es ein.“ Bücher hatten den einen Wert und wurden meist verkauft. Kleidung hatte eine völlig andere Bedeutung und fast immer blieb sie im Dorf und wurde neu verwertet. Gemeinsam stopften sie Kleider und Bücher wieder in die Kiste zurück und stellten sie an die Seite. Später würden sie schon einen Weg finden, ihre Beute zu transportieren. Als die vier vom Dorf aufgebrochen waren, hatten sie nicht damit gerechnet, auf eine abgestürzte Flugmaschine zu treffen, in der sie reichlich Beute machen konnten, weil aus irgendeinem Grund der Großteil des Gepäcks nicht mitgenommen worden war. Eigentlich hatten die Shi’dane nur einen Jagdausflug geplant. Jetzt hatten sie keinen Wagen und auch kein Packpferd dabei, die Sachen zu transportieren. Vielleicht würde einer von ihnen allein zum Dorf zurück reiten und Hilfe holen. „Da ist noch mehr.“ Anzu deutete auf vier weitere Kisten. Zwei davon waren aufgesprungen und hatten ihren Inhalt auf dem Boden verteilt, eine wirkte, als sei sie im Feuer gewesen und die dritte war wie jene, die sie gerade untersucht hatten, noch geschlossen. Die junge Shi’dane wartete nicht auf die Antwort ihres Waffenbruders, sondern öffnete letztere einfach. Darin befanden sich, soweit Malik sehen konnte, weitere Beutel, eine Decke und ein unförmiger Gegenstand, den er nicht zuordnen konnte, doch er schien aus glasiertem, angemalten Ton zu bestehen. Anzu angelte nach einer der kleineren Taschen, während Malik an ihr vorbeiging und sich den heraus gefallenen Inhalt der nächsten Kiste ansah. Es waren weitere Kleidungsstücke, doch diesmal waren sie nicht so bunt, sondern gedeckter – Schwarz, Grau und grünbraune Tarnfarben. Außerdem wirkten sie aus einem nicht zu nennenden Grund zweckmäßiger. Er pflückte eine Hose aus dem Haufen und schüttelte sie. Ein paar Krümel Dreck fielen auf den Boden, ansonsten geschah nichts. Er hatte auch nichts erwartet, also machte er sich daran, den Kasten wieder mit seinem Inhalt zu füllen. Hinter ihm ließ Anzu etwas ins Gras fallen und kramte in ihrer eigenen Kiste herum. Kurz darauf stieß sie einen leisen Pfiff aus. „Was hast du gefunden?“ Er drehte sich um und riss erstaunt die Augen auf, als er sah, was sie in den Händen hielt. Es war einer der komplizierten, tragbaren Computer – Malik hatte einmal gesehen, wie jemand so ein Ding auf dem Markt verkauft hatte. Er hatte eine horrende Summe dafür bekommen und dennoch hatte der Käufer einen Gesichtsausdruck getragen, als hätte er seinen Geschäftspartner über den Tisch gezogen. Was war hier passiert, dass die Leute so etwas hier ließen? So etwas ließ man nicht einfach zurück. Vorsichtig legte Anzu das schmale, grauschwarze Gerät wieder in die Tasche zurück. Kurz wechselten die beiden einen Blick und in ihren Augen konnte er dieselbe Frage lesen, die er sich eben auch gestellt hatte. Doch sie hielt sich nicht lange damit auf, sondern nahm den nächsten Gegenstand aus der Kiste, das Ding aus Ton. Es war eine Figur und das Material mochte nicht unbedingt Ton sein. Doch unter Glasur und Farbe war das nicht unbedingt zu erkennen. Erst auf den zweiten Blick erkannte er ein Schwein. Es stand auf allen Füßen und hielt die Nase in die Luft gereckt. Aus seinem Rücken sprossen kleine Flügel. Darüber hinaus war es knallrot eingefärbt und mit weißen Herzen und Blümchen versehen. „Was ist das?“, entfuhr es ihm angewidert. Anzu betrachtete das Ding mit gerunzelter Stirn und zuckte dann langsam die Schultern. „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber es schaut aus wie ein Schwein.“, antwortete sie und drehte es, so dass er dem Tontier ins Gesicht schauen konnte. Blaue, leblose Augen starrten ihm entgegen. „Es hat Flügel.“, erklärte Malik, als würde ihm dazu nichts anderes einfallen. „Und es ist bunt.“ Anzu hatte noch immer die Augenbrauen zusammengezogen und schien nicht zu wissen, was sie daraus machen sollte. Dann blickte sie auf und hätte beinahe über seinen angewiderten Gesichtsausdruck gelacht. „Ich werde es mitnehmen.“ Entsetzt starrte er sie an. „Das ist doch nicht dein Ernst?!“ Sie hatten gar keinen Platz für das Ding! Hoffentlich sah sie das ein! Doch das tat sie anscheinend nicht, denn sie stellte es demonstrativ auf die Tasche des Computers und grinste ihn schadenfroh an. „Klar. Das Ding muss ich mir genauer ansehen! Außerdem würde sicher niemand glauben, dass es so was gibt, wenn wir es nicht als Beweis mitnehmen!“ Malik schnaufte. „Als ob ich jemand dafür interessieren würde…“ Das Schnauben Schattenlieds direkt neben ihm ließ ihn erschrocken zusammenzucken. Er hatte gar nicht gemerkt, dass seine Stute sich genähert hatte. Normalerweise wusste er immer, wo sie sich befand. Sie beide waren verbunden. „Hallo du.“ Er strich ihr über die samtweichen Nüstern und das Tier schnaubte erneut, leiser und sanfter diesmal, und ihre Seele war eine beruhigende, warme Präsenz in seinem Geist. Seit er vor einigen Jahren die Bindung mit ihr eingegangen war, war sie dort, eine spürbare, warme, starke, wilde Gegenwart, die inzwischen so selbstverständlich wie das Atmen war und die er auf keinen Fall missen wollte. Oder konnte. Wenn einer der Partner starb, so folgte der andere bald aus gebrochenem Herzen, hieß es. Dies war einer der Flüche der Shi’dane sagte man, doch für Malik, der wusste, wie sich diese Verbindung anfühlte, hatte dies schon lange keine Bedeutung mehr. Denn wie könnte er leben ohne dieses unbezähmbare, lebensfrohe Wesen an seiner Seite? Sie war inzwischen ein Teil von ihm, ebenso unbändig und wild und frei und unnachgiebig, aber aufgeschlossener und freudiger. Er lächelte und tätschelte ihr noch einmal die Nüstern. Schattenlieds dichtes, dickes Fell war schwarz wie das Gefieder eines Raben, vom Behang über ihren Hufen bis hin zu der langen Mähne und dem Schweif, der fast am Boden schleifte. Sie hatte sanfte, dunkle Augen, in denen Intelligenz schimmerte, und das lange, spiralförmig gewundene Horn war neben den scharfen, gespaltenen Hufen eines der Anzeichen, dass es sich bei Einhörnern keinesfalls um etwas andere Pferde handelte. Pferde waren leicht zu erschreckende Herbivoren. Einhörner nicht. Zwar ernährten sie sich auch – größtenteils – von Pflanzen, doch würden sie keinesfalls von einer Gefahr einfach so davonlaufen. Sie hatten ein spitzes Horn, scharfe Hufen und Muskeln wie aus Stahl. Sie würden angreifen. Das war einer der Gründe, warum es so schwer war, sich den wilden Einhörnern zu nähern, ohne getötet zu werden. Kein Wunder, dass nur Shi’dane auf ihnen ritten. Kein Wunder, dass ihnen so viele Leute aus dem Weg gingen oder zumindest Frieden hielten. „Hey!“ Dukes Stimme riss ihn aus den Gedanken. „Schaut mal, was wir gefunden haben!“ Der schwarzhaarige Krieger war hinter einer zerbrochenen Metallwand aufgetaucht und hielt etwas in den Händen. Für einen Moment fragte Malik sich, ob das, was er da sah, eine Halluzination war. Er schüttelte den Kopf und sah noch einmal genauer hin, aber an dem Bild änderte sich nichts. Duke trug zwei Dinge, die einem eigentlich nicht auf diese Art in den Schoß fielen. Das eine war ein Messer, lang wie Maliks Unterarm, das andere ein Gewehr, das in besserem Zustand war als alles andere, was er bis jetzt in dieser Richtung gesehen hatte. Er stand auf. „Da sind noch mehr.“, erklärte Duke. Auf seinem hübschen Gesicht zeichnete sich nicht nur Aufregung ab und in seinen smaragdgrünen Augen stand Skepsis. Das hier war zu einfach. Zu seltsam. Erneut stellte sich die Frage: Was war hier bloß geschehen? Warum hatten die Leute aus der Flugmaschine ihren Besitz nicht mitgenommen und sogar die überlebenswichtigen Waffen zurückgelassen? Oder hatten sie einfach so viel dabei gehabt, dass sie das hier nicht störte? Oder vielleicht waren die, die mit den Fahrzeugen gekommen waren, ausreichend ausgerüstet gewesen? Oder niemand hatte den Absturz überlebt? Aber wenn die Leichen geborgen worden waren, warum waren dann persönliche Gegenstände zurückgelassen worden, wie das rote Schwein mit den Flügeln? Oder wertvolle, wie der tragbare Computer? Das gab einige Rätsel auf. Malik stand auf, klopfte sich den Dreck von der Kleidung und folgte Duke und Anzu zu den Behältern, in denen die Waffen aufbewahrt wurden. Das ganze hier war doch irgendwie verrückt und er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Am Abend, nach der Jagd, holte Anzu ihre Beute aus der Tasche. Sie hatten ihr Lager unter einem Steilhang aufgeschlagen, auf einer Lichtung. Vorsprünge würden ihnen Schutz bieten, falls es plötzlich anfangen würde zu regnen, was hier keine Seltenheit war. Hohe Bäume umgaben den kleinen Einschnitt im Wald. Die Einhörner grasten nicht weit von ihnen, nur Würfelwender stand etwas entfernt, den Kopf mit dem langen Horn hoch erhoben, die Augen und Ohren aufmerksam auf den Wald gerichtet. Mana stocherte mit einem Stock im Feuer herum und warf dann ein weiteres Holzscheit hinein. Funken flogen durch die Nacht und die Flammen schlugen einige Augenblicke höher. Sie würde früh am nächsten Morgen aufbrechen um Hilfe wegen des Transportes ihrer Beute zu holen – es war viel mehr, als sie gedacht hatten. Duke hatte sich etwas abseits von ihnen an die Felswand gesetzt. Vor ihm stand eine schwarze Kiste, in der sich in weiches Material gepackt die Einzelteile eines Gewehres befanden. Jetzt versuchte der grünäugige Krieger, die Waffe zusammenzusetzen, aber es war wohl schwerer als gedacht, denn weit war er noch nicht gekommen. Dabei war er von ihnen derjenige, der sich am besten mit diesen Dingen auskannte. Die anderen Feuerwaffen sowie die zugehörige Munition hatten sie nicht unweit von ihm an der Wand gestapelt. Dort war die Gefahr, dass sie nass wurden, am geringsten. Malik dagegen interessierte sich eher für die Klingenwaffen ihrer Ausbeute und die hatte er sich auch vorgenommen. Es war faszinierend, was sie hier gefunden hatten. Eines der Messer, eine lange, scharfe Klinge, deren stumpfe Seite mit Sägezähnen versehen war, würde er ganz sicher für sich beanspruchen. Nur Anzu hatte nichts zu tun gehabt, bis ihr ihre eigene Trophäe wieder einfiel. Sie zog die Kiste, in der sie das ... Ding verstaut hatte, zu sich und zog die Tonfigur heraus. „Was ist denn das?“, wollte Mana sofort wissen und rutschte um die Feuerstelle herum um es näher anzusehen. Duke hätte bei dem Anblick beinahe seine wertvolle Waffe fallen lassen. Anzu hob es hoch. „Eine Schweinefigur.“, erklärte sie. „Es ist rot.“, röchelte der Schwarzhaarige, als würde er es kaum über sich bringen, es auszusprechen. Anzu funkelte ihn an, als ob ein Angriff auf das Schwein ein Angriff auf sie selbst war. Wahrscheinlich würde sie nicht so bissig reagieren, wenn Malik nicht von Anfang an dasselbe gesagt hätte. Der Blonde grinste nur und prüfte mit dem Daumen die Schärfe eines Messers. „Äh… Es hat Flügel?“ Mana klang unsicher, aber bemüht, die beiden Freunde nicht aufeinander losgehen zu lassen. „Das sehe ich.“, gab Duke zurück und Anzu streckte ihm die Zunge heraus. „Für was ist es gut?“, wollte das zweite Mädchen der Gruppe wissen und streckte die Hand aus um mit den Knöcheln darauf zu klopfen. „Es klingt hohl.“, meinte Malik. „Das ist bei so einer großen Figur wohl zu erwarten.“, murmelte Anzu und drehte es vorsichtig auf den Rücken. Mana schaute ihr über die Schulter. „Es ist verschlossen.“, gab sie dann bekannt. „Häh?“, machte Duke verdutzt und auch Malik blickte auf. „Naja, es hat eine Art Schloss da, wo das Loch ist.“ Anzu griff inzwischen zu und versuchte, es zu öffnen. Sie hatte keinen Erfolg, also drehte sie es wieder um. „Es hat einen Schlitz im Rücken.“, teilte sie dann mit. „Aha…“ Duke klang, als würde ihn jetzt gar nichts mehr überraschen. „Vielleicht tut man da Dinge rein und holt sie unten wieder raus, wenn man sie braucht.“, schlug Mana vor und griff nach dem Tier. Anzu zog es rasch aus ihrer Reichweite. „Das hab ich jetzt.“ Irgendetwas raschelte und klimperte im Inneren des Schweins. „Da ist sogar was drin!“, erklärte Mana begeistert. „Mach es auf!“ „Wie denn?! Ich hab das doch gerade versucht und es ging nicht.“ „Benutz den Stein da.“, schlug Malik boshaft vor und deutete mit seinem neuen Messer auf einen kleinen Felsen, der unweit des Feuers am Boden lag. „Spinnst du?!“, fuhr Anzu auf. „Dann geht es ja kaputt!“ „Das wäre ja der Sinn der Sache.“, nuschelte Duke, doch sie überhörte die Bemerkung glücklicherweise. Anscheinend hatte sie an dem knallroten Schwein mit den Blumen tatsächlich einen Narren gefressen. „Wahrscheinlich braucht man einen Schlüssel.“, erklärte sie dann und schüttelte das Schwein erneut, allerdings heftiger. Diesmal war das Rascheln und Klimpern lauter. „Was passt da eigentlich durch so einen engen Schlitz? Ich würd’s nicht mal mit einem flachen Stein versuchen.“, gab Mana zu bedenken und ließ sich wieder auf ihren eigenen Platz zurückfallen. „Keine Ahnung.“, gab Anzu zu. Dann drehte sie das Schwein auf den Rücken und schüttelte erneut. Hatte sie die Hoffnung, dass etwas von allein rausfallen würde? „Ich glaube, so kommst du nicht weit.“, bemerkte Malik spöttisch und sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Ach, halt doch die Klappe.“ Sie schüttelte weiter. Er grinste und angelte ein dünnes, schmales Stilett aus der Kiste, in der der größte Teil der gefundenen Klingen aufbewahrt wurde. Duke hatte diese Kiste unter andere an der Absturzstelle gefunden. Noch hatte Malik ihren Boden nicht erreicht. Wer, bei allen Sternen und Steinen, brauchte so viele Messer?! „Versuch‘s doch mal damit?“ Sie wollte ihm eine scharfe Antwort an den Kopf knallen, das sah er sofort. Dann allerdings besann sie sich und nahm die Klinge entgegen, um es mit ihr zu versuchen. Anscheinend passte sie tatsächlich durch den Schlitz, aber sie hatte keinen Erfolg damit, etwas dadurch nach draußen zu befördern. Dennoch wollte sie nicht aufgeben. Malik verdrehte die Augen und beugte sich wieder über seine Kiste. Das war viel interessanter als Anzu dabei zu beobachten, etwas aus ihrem abscheulichen Schwein zu fischen. Es war dagegen wahnsinnig interessant, was sich alles in der Box befand. Messer und Dolche der verschiedensten Herkunft – Armeemesser, wie sie die Bärenbrigade verwendete, Ritualdolche der Thi’nem, einfache Holzmesser, Dolche, fast so lang wie Schwerter, manche kunstvoll verziert, manche einfach, ein paar stumpf, aber keine einziges Stück war in schlechtem Zustand. Selbst das Jagdmesser eines Shi’dane hatte Malik bereits gefunden, nicht unähnlich dem, das er selbst und seine drei Begleiter an der Hüfte trugen; schwere, rasiermesserscharfe Klingen mit einem geschnitzten Beingriff und bestickter, lederner Scheide. Vielleicht gehörten die Waffen einem Sammler? Wenn ja, hatte er einen guten Geschmack… Das einzige, was ihn wunderte, war die Tatsache, dass sie so scheinbar achtlos in das Behältnis geworfen worden waren. Vielleicht war er geflohen und hatte seine Sammlung nicht zurücklassen wollen? Das würde auch mit den Spuren zusammenpassen, die sie am Absturzort gefunden hatten… Und mit der Tatsache, dass die Flugmaschine überhaupt vom Himmel geholt worden war. Und dass sich niemand mehr dort befunden hatte, als sie eingetroffen waren. Vielleicht sollte er sich dem Inhalt dieser Kiste widmen, wenn sie wieder im Dorf waren. Da hatte er mehr Zeit und mehr Platz und mehr Licht. Außerdem würde ihm dort sicher jemand helfen wollen und Assur würde es ihm vermutlich nicht so bald verzeihen, wenn er alles jetzt tat. Sein Zwillingsbruder stand nun mal ebenfalls auf Klingen. Etwas gelangweilt schob er ein paar weitere Messer zur Seite. Vielleicht war da ja noch etwas Interessantes drin? Und das da war ganz sicher keine Klinge… Er griff nach dem quadratischen Gegenstand, aber bevor er dazu kam, ihn zu inspizieren, stieß Anzu einen freudigen Schrei aus und stellte das Schwein beiseite. Anscheinend hatte sie doch Erfolg gehabt. Sie hielt ihre Beute hoch. „Eine Münze?“, fragte Mana erstaunt. „Woher?“, wollte Duke wissen, der mit seinem Gewehr große Fortschritte gemacht hatte. Es sah inzwischen sogar fast aus wie eine Waffe. Anzu hielt das kleine Metallplättchen in den Schein des Feuers und versuchte, etwas darauf zu erkennen. „Keine Ahnung. Ich kenne sie nicht und die Schrift kann ich nicht lesen.“ „Vielleicht ist es die gleiche wie in den Büchern.“, schlug Malik vor. „Könnte sein. Aber ich habe jetzt keine Lust, das zu vergleichen.“ Er zuckte die Schultern. „Dann lass es bleiben.“ Sein Interesse galt bereits wieder dem Gegenstand, den er eben entdeckt hatte. Es war eine Schachtel, vielleicht etwas kleiner als seine Hände zusammengenommen, aber recht dünn und auch nicht sonderlich breit. „Wie viel ist sie wert?“, hakte Duke von der Seite nach, die Aufmerksamkeit auf die kleine Münze gerichtet. Das Material, aus dem die Box gefertigt war, erkannte er nicht, aber es war hart, glatt und glänzend schwarz. Es war leicht, sie zu öffnen und den Deckel zur Seite zu klappen. Der Inhalt erstaunte ihn – er hatte ein ganz besonderes Messer erwartet oder einen Schleifstein oder etwas Ähnliches. Stattdessen fand er nur einen dicken Stapel Bilder. „Keine Ahnung.“, antwortete Anzu. „Dann such die Prägung! Irgendwo muss doch stehen, wie viel sie in der allgemeingültigen Währung wert ist.“ Die Bilder hatten alle ein ähnliches Format, passten genau in die Box und waren von einer Klarheit, die ihn fast erstaunte. Malik hatte solche Bilder bereits einmal gesehen: sie kamen auf Knopfdruck aus einem Kasten, den dessen Besitzer ‚Photoapparat‘ genannt hatte. Es waren genaue Abbilder der Situation, die der Kasten im Moment des Knopfdrucks aufgefangen hatte. „Hier!“, rief Mana triumphierend aus. „Zwei Silber.“ Malik fragte sich, ob es in Ordnung war, die Bilder anzuschauen – es würde sein, als ob er im Leben von jemandem rumschnüffelte, den er bis jetzt noch nie gesehen hatte. Als ob er in etwas eindrang, das ihn nichts anging und das auch so bleiben sollte. Diese Bilder waren nicht für ihn bestimmt. Jemand hatte sie sorgfältig in dieser Box aufbewahrt und mit seinen größten Schätzen verpackt. „Woa!“, machte Anzu und schüttelte das Schwein erneut. Das Klimpern ließ sogar Malik aufschauen. „Denkst du jetzt daran, den Stein zu verwenden?“, wollte Duke spöttisch wissen. „Irgendwie schon…“, grinste Anzu, doch sie machte keine Bewegung, nach dem Felsbrocken zu greifen. „Vielleicht sollten wir es darin lassen bis wir das Geld brauchen?“, fragte sie dann. „Du willst nur nicht das Schwein töten.“, behauptete Malik und sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Nein, ich meine das Ernst. Ist das Geld da drin nicht gut aufgehoben? Wer würde schon darauf kommen, dass jemand in einem Tonschwein seine Ersparnisse aufbewahrt?“ Er zuckte gleichgültig die Schultern und wandte sich wieder seinen Photographien zu. Das oberste wirkte alt und ein junges, glücklich wirkendes Pärchen mit seinen Kindern war darauf zu sehen. Der Mann war groß und wirkte durchtrainiert und sein Haar war zu einem unordentlichen Pferdeschwanz gebunden. Er hatte ein Lächeln im Gesicht, doch seine Augen wirkten müde. Er trug ein in Decken gewickeltes Baby im Arm. Die Frau trug einen ähnlichen Ausdruck – sie war kleiner und wirkte zerbrechlicher und ihr Haar war schneeweiß. Diese Haarfarbe hatte sie mindestens zwei ihrer drei Kinder weitervererbt – die beiden kleinen Jungen; der Jüngere hatte sich an ihren Rock gekrallt und starrte schüchtern zu Boden, der Ältere dagegen starrte mit aufsässigem, zornigen Blick in die Kamera, die Arme vor der Brust überkreuzt. Sie konnten beide noch keine fünf Jahre alt sein. „Was hast du da?“, wollte Mana wissen und kam zu ihm herüber. Manchmal glich ihre Aufmerksamkeitsspanne derjenigen eines Goldfisches. „Bilder.“ Er zeigte sie ihr. „Uh-oh!“ Begeistert ließ sie sich neben ihn auf den Boden plumpsen. „Zeit mal her!“ Maliks Antwort hatte auch die Aufmerksamkeit der anderen beiden Anwesenden auf ihn gezogen. Sie horchten auf, legten respektive Gewehr und Schwein beiseite und kamen herüber. Anscheinend hatte keiner von ihnen solche Bedenken wie er, wenn es um die Privatsphäre fremder Menschen ging. „Zeig mal das nächste Bild!“, verlangte Mana und Malik gab nach. Er schob die erste Photographie hinter die letzte. Auf dem zweiten Bild waren nur die drei Kinder zu sehen, älter diesmal. Der älteste Junge mochte inzwischen etwa sieben sein und den bockigen, zornigen Blick hatte er nicht verloren – im Gegenteil, er war noch stärker geworden und trug jetzt auch eine Spur von Herablassung. Die anderen beiden Kinder, der kleinere Junge und ein Mädchen mit ebenso weißem Haar wie seine Brüder, hatten sich an den Händen gefasst und das Mädchen ihre andere Hand im Hemd des Ältesten verkrallt. „Vielleicht gehören die Bilder einem von ihnen.“, sagte Anzu leise. „Oder ihren Eltern.“, gab Duke zu bedenken, doch Malik hatte das Gefühl, dass die Aussage der jungen Kriegerin eher zutraf – er tippte auf den Ältesten. Diese beiden Bilder, die sie bis jetzt gesehen hatten, waren alt. Die Kinder mussten inzwischen erwachsen sein. Alt genug, eine solche Sammlung Messer zusammengebracht zu haben. „Nächstes!“, forderte Mana erneut und Malik kam ihrem Ruf nach. Diesmal war nur das Mädchen auf dem Bild, etwa dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Sie trug sehr kurze Kleidung und saß auf der Motorhaube eines gewaltigen Automobils mit großer Ablagefläche hinter dem Führerhäuschen und lächelte ihnen sorglos entgegen. Malik kam es so vor, als hätten die Zuschauer ein paar Jahre einfach verloren. Auf dem letzten Bild war sie noch ein kleines Mädchen gewesen, jetzt schon beinahe eine Frau. Und was war mit ihren Brüdern passiert? Einer von ihnen – der Jüngere, glaubte Malik – war auf dem nächsten Bild inmitten eines öden Feldes zu sehen, warm eingepackt wie zum Winter; es lag kein Schnee, doch die Bäume im Hintergrund waren völlig kahl. Dennoch strahlte der Junge mit gerötetem Gesicht in die Gegend. Die nächsten paar Bilder waren erneut die beiden jüngeren Geschwister, zu verschiedenen Jahreszeiten, allein und gemeinsam, in den verschiedensten Situationen. Anscheinend waren sie alle vollkommen durcheinander, denn auf manchen Bildern waren sie eindeutig jünger als auf vorherigen. Es war seltsam, fand Malik, dass es jetzt so viele Bilder gab, die innerhalb von ein, zwei Jahren aufgenommen worden waren. Während ihrer gesamten Kindheit gab es schließlich nur die beiden vom Anfang. „Was ist mit den Eltern geschehen?“, wollte Anzu wissen. „Sie sind gar nicht mehr zu sehen.“ „Der älteste Bruder auch nicht mehr.“, bemerkte Duke. „Die Bilder gehören wahrscheinlich ihm.“, gab Malik zu bedenken. „Vermutlich ist er deswegen nicht drauf.“ „Und die Eltern?“ „Tot?“, schlug Duke vor. Anzu knuffte ihn in die Seite. „Sei nicht so herzlos.“ „Was? Es ist ein legitimer Vorschlag! Die Leute in den großen Städten mögen nicht so oft sterben wie unsere, aber sie tun es trotzdem – und hin und wieder bleiben Kinder zurück.“ „Ich glaube, Duke hat recht.“, erklärte Malik leise und schob schnell das oberste Bild – Bruder und Schwester am Strand in kurzen Schwimmkleidung, das Mädchen mit einem Ball – nach hinten um weitere Diskussion zu unterbinden. „Hey, schau mal, dein Schwein!“, rief Mana aus und deutete auf entsprechenden Gegenstand, wo er im Bild zu sehen war. Der Junge hielt es grinsend dem Betrachter entgegen. Er befand sich in einer Art gemütlich eingerichtetem Zimmer, zwischen knallig-buntem Papier, einem tragbaren Computer und Kissen und im Hintergrund lümmelte der ältere Bruder herum. Dessen halb belustigter, halb angewiderter Gesichtsausdruck, während er seinen kleinen Bruder und das Schwein musterte, sprach Bände. „Irgendwie…“, begann Anzu, verstummte dann aber. Malik ignorierte sie – wahrscheinlich kam sie jetzt wieder mit ihren Gewissensbissen. Das konnten sie hier nicht gebrauchen. Was in diesem Land war, gehörte ihrem Volk. Dem, der es fand. Rasch blätterte Malik zum nächsten Bild. Erneut waren Junge und Schwein zu sehen. „Wir sollten vielleicht wirklich…“, fing Anzu erneut an und Duke antwortete, ehe sie noch ganz ausgesprochen hatte: „Nein. Wir haben es gefunden, es gehört uns.“ „Ich bezweifle, dass er es freiwillig zurückließ.“, bemerkte sie widerspenstig. „Na und? Vielleicht ist er schon tot.“, fuhr Malik ruppig dazwischen und zeigte das nächste Bild, ehe sie etwas darauf antworten konnte. Er konnte ihren vorwurfsvollen Blick spüren, doch ignorierte sie und sie sagte nichts. War er etwa daran Schuld? War er es etwa gewesen, der die Flugmaschine vom Himmel geholt und die Insassen gezwungen hatte, ihren Besitz zurückzulassen? Nein, war er nicht. Diesmal waren Junge, Schwein und Mädchen zu sehen. Auch das Bild blätterte er schnell weiter. Das nächste war deutlich anders. Zum einen war der älteste Bruder wieder zu sehen. Er stand an das große Automobil gelehnt und das Mädchen saß erneut auf der Haube. Zum anderen wirkte die gesamte Atmosphäre anders. Malik konnte nicht genau den Finger darauf legen, aber es war deutlich spürbar. Es lag sicher nicht nur an dem Gewehr, das der Junge trug, oder daran, dass das Fahrzeug wirkte, als ob es aufgerüstet worden war, auch wenn beides erheblich dazu beitrug. Vielleicht war es auch die Anspannung in den Gesichtern der beiden; das Mädchen eher ängstlich, der Junge aufgeregt, als ob er es kaum erwarten könnte, wieder in die Schlacht zu ziehen. Zum dritten war es wieder vielleicht zwei Jahre später als die anderen Bilder aufgenommen worden. „Was ist denn mit denen los?“, murmelte Duke nachdenklich, aber es wirkte, als spräche er eher mit sich selbst als mit seinen Gefährten. „Weiter.“, verlangte Mana erneut – anscheinend hatte sie nicht vor, in näherer Zukunft etwas anderes zu tun. Wieder folgte Malik ihrem Wunsch. Diesmal waren die beiden Brüder zu sehen, über den Motor des Fahrzeuges gebeugt. Der ältere werkelte daran herum, in seiner Griffweite stand das Gewehr, der andere schaute nur zu, unter den Arm einen der tragbaren Computer geklemmt. Auch die folgenden Bilder wirkten, als gehörten sie mit diesen beiden zusammen. Diesmal war der älteste Bruder eindeutig öfter zu sehen als die anderen, allerdings meistens mit einem von seinen Geschwistern, manchmal beiden. Es gab ein paar Einzelbilder von ihm – mit einem Gewehr, beim Messerschleifen, beim Waffenputzen oder am Herumwerkeln mit dem Fahrzeug. Nur einmal tat er nichts, sondern lehnte nur im Schein der beinahe untergegangenen Sonne vor einem Panorama aus den Silhouetten schattenhafter Bäume an der Schnauze des Automobils und starrte geradeaus. „Vielleicht sind sie Waisen.“, sagte Mana leise. Für einen Moment blieb es ganz ruhig. Duke war es, der die bedrückende Stille durchbrach: „Und wenn schon. Sie gehen uns nichts an.“ Er stand auf und stakste zu seinem Gewehr zurück. Schwer ließ er sich an den Boden fallen und nahm zwei Teile der noch nicht vollständigen Waffe auf. Ein leises Klicken ertönte, als er sie zusammenfügte, als wäre ihm die Inspiration dafür bei ihrer kleinen Bilderschau gekommen. Mana dagegen wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Bildern zu. Sie schlug Malik leicht auf den Arm. „Weiter! Jetzt lass dich doch nicht immer bitten.“ „Drängel nicht so.“, moserte er zurück, blätterte aber erneut ein Bild weiter, auf dem nur der Jüngere der Brüder zu sehen war – er saß inmitten von einer riesigen Ansammlung der verschiedensten Computer und ihrem Zubehör. So viel von diesen Elektrogeräten hatte noch keiner von ihnen auf einem Haufen gesehen. Auf der anderen Seite waren sie kein Volk, das viel an solchen Sachen besaß und wenn, dann meist nur vorrübergehend. „Nächstes!“, verlangte Mana fast sofort und grinste, als er ihr einen schiefen Blick zuwarf. Er blätterte um, wahrscheinlich hatten sie bald alle Bilder durch. So viele konnten das gar nicht mehr sein. Tatsächlich – sie fanden noch zwei Photographien, auf denen alle drei zu sehen waren, und dann eines, das wieder einige Zeit aufgenommen worden war. Erneut alle drei, doch sie waren deutlich besser gekleidet als vorher und sie standen vor einem riesigen, kunstvoll gefertigten Haus neben einem stromlinienförmigen, flachen Automobil. Das Mädchen trug einen verschlossenen Gesichtsausdruck, der jüngere Bruder wirkte als wäre er sich nicht sicher, was er mit der Situation anfangen sollte und der älteste sah aus, als hätte er in etwas sehr saures gebissen und die abweisende, herablassende Haltung sagte den Rest. Anscheinend hatte ihre Reise irgendwo geendet, doch sie schienen alle nicht zu wissen, was sie damit anfangen sollten. Das nächste Bild war erneut die Familienphotographie. Malik schob sie zusammen und legte sie vorsichtig in die Box zurück. „Das war’s?“, wollte Mana enttäuscht wissen. „Scheinbar.“, bemerkte Duke mitleidslos. Inzwischen sah sein Gewehr aus wie ein Gewehr, auch wenn er noch zwei Teile in der Hand hielt, von denen er sich offenbar nicht im Klaren war, wo sie hingehörten. Anzu stand auf und klopfte sich ein paar Erdkrümel von den Kleidern. „Waren das nicht genug Einblicke in ein Leben, das uns nicht gehört, sondern Leuten, die wir noch nie gesehen haben?“, wollte sie leise wissen und Malik musste ihr Recht geben. Er ließ die Box in die Messerkiste zurückfallen und folgte ihrem Blick zum Himmel. „Es ist schon spät. Lasst uns schlafen gehen.“ Mana murmelte leise vor sich hin, protestierte aber nicht mehr, sondern zog ihre Schlafrolle aus dem Bündel. Wahrscheinlich war sie ebenfalls müde und sie war es, die am nächsten Tag einen langen Ritt vor sich hatte. Duke blickte von seiner Aufgabe auf. „Malik hat erste Wache, oder?“ Der Genannte nickte. Anzu sammelte ihr Schwein auf und setzte es vorsichtig in die Kiste zurück. „Was machst du jetzt eigentlich mit dem Ding?“, wollte Mana wissen, während sie sich einen halbwegs bequemen Platz auf dem Boden suchte. Die Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Das entscheiden wir dann im Lager.“, schlug sie vor und gähnte herzhaft. „Jetzt lass mich schlafen.“ Sie ward die einzige, die klug genug gewesen war, sich schon vorher einen Schlafplatz zu sichern, darum wickelte sie sich jetzt einfach in ihre Decke und seufzte zufrieden. Malik räumte die Messer und Dolche in die Kiste zurück und verschloss sie, ehe er seine eigene Deckenrolle aus dem Bündel zerrte und neben dem Feuer auf den Boden fallen ließ. Er würde noch nicht schlafen; er hatte Wache. Darum stand er auf und ging zu Schattenlied hinüber, die ihm freudig schnaubend entgegenkam. Er tätschelte ihr den Hals und fragte sich noch einmal – was war mit den drei Geschwistern geschehen, dass ihre Flugmaschine mit ihrem Besitz über dem Land seines Volkes abgestürzt war? ~~~~~~~ Okay, ich hab ja vorgewarnt, was dem OS angeht, glaube ich. Wer es trotzdem bis hierher geschafft hat, dem muss ich ein Lob aussprechen. |D Ich hoffe, es hat doch irgendwie gefallen. Bis dann Sorca~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)