Seine Fee von abgemeldet (Verspäteter Jokerwichtel für Moony) ================================================================================ Kapitel 1: Seine Fee -------------------- Das Mädchen saß an einem der Bibliothekschreibtische und blickte unentwegt aus den deckenhohen Fenstern des Gebäudes. Ihr rotblondes Haar fiel locker über ihre Schultern und er konnte das unaufhörliche Klacken ihres Bleistiftes hören, mit dem sie gedankenverloren auf den Holztisch klopfte. Seit einer knappen halben Stunde wanderte sein Blick immer wieder zu ihr hinüber. Sie sah etwas übernächtigt aus und schien den Stapel Bücher vor sich nicht einmal mehr wahrzunehmen, wirkte so, als wäre ihr Geist in eine Art Traumwelt verschwunden. Wenn er sie so betrachtete, dann hatte er das Gefühl, dass nicht nur ihr Geist der Welt völlig entrückt war, sondern, dass sie selbst gar nicht hierher gehörte, als sei sie ein Wesen aus einer anderen Welt, ja genaugenommen stellte er sich genau so eine Fee vor. Ihr Haar schimmerte orange im einfallenden Sonnenlicht und die elfenbeinfarbene Haut leuchtete wie die eines außerirdischen Wesens. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, aber irgendwie konnte er nicht anders als seinen Kuli gegen den Bleistift auszutauschen und sie zu zeichnen - nicht direkt so, wie sie in der Realität über den Büchern saß, sondern mit spitzen Ohren und Schmetterlingsflügeln, so wie er sie jetzt gerade in seinem Kopf sehen konnte. Sie schien über irgendetwas zu grübeln und in seinen Gedanken hörte er eine Melodie, eine Art Gesang, der von ihr auszugehen schien. Ich bin heut nicht aufgewacht denn ich hab kein Auge zu gemacht ein Gedanke raubt mir die Nacht Soll mein leben hier auf ewig sein oder dreht sich alles nur im Kreis? Muss die Wüste sein wo Wasser fehlt? Muss ich weggehn um es zu verstehn? Ich komme hier nicht weiter Mach keinen Schritt vor und keinen Schritt zurück deswegen sollt ich weiter ziehn Während das Lied seinen Verstand füllte, arbeitete seine Hand automatisch an dem Bild weiter, dass seine Fantasie und die Realität immer mehr vermischte. Sein Bleistift flog förmlich über das zuvor weiße Blatt und lies seine Vision in dieser Welt erscheinen, so wie diese Fee hier vor ihm erschienen war, um seine Muse zu werden. Wen interessierte jetzt schon das Referat für seinen Kunstgeschichtskurs, wenn die Inspiration und er sich verbrüdert hatten? Irgendwie stellte er sich jetzt die Frage, was dieses überirdische Wesen hier am hellichten Tag in einer ganz gewöhnlichen Universitätsbibliothek machte. Worüber mochte es so intensiv nachdenken, dass seine Abwesenheit von der Erde so offensichtlich wirkte? Tanzte sie in Gedanken etwa auf dem Mond oder rannte sie vor Vergnügen jauchzend gerade über weite offene Felder? Er wollte wirklich wissen, was in ihrem wunderschönen Feenkopf vor sich ging. Aber einer Sache war er sich sicher: Sie wollte sicher genau so wenig in dieser grauen, unruhigen Stadt sein, die einen des Atems und des Lebens förmlich zu berauben schien, wie er. Ob sie wohl auch so gut wie jedes Wochenende einfach in irgendeinen Zug stieg um irgendwo und niergendwo hinzufahren, einfach nur weg von hier? Lass alles stehn und alles liegen und dann verlass ich meine Stadt in der ich keinen Platz mehr hab versuch den nächsten Zug zu kriegen ganz egal wohin er geht denn ich will nicht mehr still stehn ich muss weiter gehn nicht still stehn In seinem Kopf hallten die Worte der Melodie wieder, die ihm erschien, als sei sie ihre Melodie. Er hatte den Blog längst umgeblättert und mit der nächsten Zeichnung begonnen. Im Augenblick hatte er das Gefühl nichts anderes mehr tun zu wollen, als sie zu zeichnen, als wäre er sein ganzes Leben dafür und für nichts anderes bestimmt gewesen - ganz so als sei er dafür geboren worden sie zu zeichnen. Er kannte sie nicht, doch er spürte, dass alleine sie zu beobachten ihm Flügel verlieh, so als könnte sie ihm dabei helfen aus dieser Stadt, dieser langweiligen Welt zu fliehen in ein anderes Universum. Vielleicht würde er sich eine Karte für ein Schiff kaufen, würde einfach fortfahren in ein fremdes Land, irgendwohin weit weg von hier, wo sich für ihn nichts zu bewegen schien. Ja, natürlich Großstädte sollten Bewegung versinnbildlichen, aber für ihn war es als würde sich die Zeit wie ein Karussell um ihn herumdrehen und sich nicht wirklich weiter bewegen. Einfach weg von hier, das war sein Traum und sie wirkte auf ihn als würde sie diesen Traum mit ihm teilen. Jetzt mach ich die Leinen los setzt das Segel ungewisser Kurs lass mich treiben bis das Ufer schreit wenn der Berg nicht zum Propheten geht sucht er sich einen neuen Weg in ein zwei Jahren bin ich da und dann werd ich einsehen das es richtig war Ich komme hier nicht weiter Mach keinen Schritt vor und keinen Schritt zurück deswegen sollt ich hier weg Was würde sie wohl sagen, wenn er jetzt einfach aufstand, zu ihr hinüberging und sie bat mit ihm fortzulaufen? Was würde sie dann tun? Ihm war klar, dass sie ihn vermutlich verständnislos anblicken würde, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank und vielleicht war das auch der Fall, aber irgendwie wollte er nicht glauben, dass sie nicht verstehen würde, warum er sie das fragte. Er wollte einfach, dass seine wunderschöne Fee, die ihm hier in dieser Universitätsbibliothek erschienen war, in verstand und ihn mitnahm in ihre Welt, die weit weg lag von allem was er kannte, von allem, was ihn hier fesselte und zurückhielt bei der Verwirklichung seiner Träume, seiner Wünsche, seiner Ziele und seiner Pläne. Sie musste das einfach verstehen. Sie musste verstehen, dass er einfach alles hier zurücklassen wollte, mit ihr dem Alltag entfliehen wollte. Ein weiteres Blatt seines Skizzenblocks füllte sich mit einer Zeichnung seiner Lichtgestalt, seiner wunderschönen Fee, die in diesem Augenblick nur ihm alleine gehörte und keinem anderen sonst, füllte sich mit diesem wunderschönen Mädchen, dessen Melodie ihn gefangen hielt und das er nur mit ihren Träumen teilen musste. Lass alles stehn und alles liegen und dann verlass ich meine Stadt in der ich keinen Platz mehr hab versuch den nächsten Zug zu kriegen ganz egal wohin er geht denn ich will nicht mehr still stehn ich muss weiter gehn nicht still stehn Seine Gedanken wanderten im Kreis und drehten sich. Ihm wurde fast schwindelig davon. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal so für das Gesicht einer Person oder einen Gegenstand hatte begeistern können, dass er Seite um Seite seines Blockes mit Zeichnungen davon füllte. War das überhaupt schon einmal vorgekommen, dass seine Fantasie der Art beflügelt wurde, wie in diesem Augenblick? Er konnte sich nicht entsinnen und in diesem Moment war ihm das auch mehr als egal. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass diese Minuten sein Leben monumental verändern würden. Natürlich konnte er sich das nicht erklären, aber seine Gedanken feuerten ihn an, einfach weiter zu machen, denn er war sich sicher, dass sich nicht nur in seinem Inneren dadurch etwas bewegen würde. Es würde Kreise in der Realität ziehen, sich ausbreiten in den Gewässern des Lebens und ihm den richtigen Weg fort von diesem Fleck zeigen. Still stehn, ich will nicht länger still stehn Weg gehn, ich will weiter, darf nicht still stehn Still stehn, nein ich darf nicht länger still stehn Weg gehn, ich muss weg ziehn, um nicht still zu stehn Still stehn, ich will nicht länger still stehn Weg gehn, ich will weiter, darf nicht still stehn Still stehn, nein, ich darf nicht länger still stehn Weg gehn, ich muss weg ziehn, um nicht still zu stehn Es ist in meinem Kopf: ich will hier weg gehn Ich bleib nich länger hier, ich will nicht still stehn Es ist in meinem Kopf: ich will hier weg gehn Ich will hier weg gehn, ich will hier weg gehn Dann hielt er inne, nicht nur sein Stift stockte mitten in der Bewegung, nein auch sein Atem versagte ihm nun kurzzeitig den Dienst. Sie blickte zu ihm herüber. Das Mädchen zog leicht die Stirne kraus, als überlegte sie, ob er ein Irrer war und was sie nun tun musste. Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoß und er unfähig wurde sich zu bewegen. Anscheinend konnte die Fee seine Unsicherheit wittern, denn sie lächelte und stand auf. Tatsächlich kam sie auf ihn zu und er betete jetzt in Gedanken nur darum, dass sie seine Zeichnungen von ihr nicht zerstören würde, dass sie nicht einfach aus dieser Welt verschwinden würde, ohne einen Beweis ihrer Existenz zu hinterlassen, dass sie ihn mitnahm, wohin auch immer ihre Reise führen mochte, denn er war sich sicher, dass sie nicht lange hier in dieser öden, grauen Welt verweilen würde. Ich werde gehn, wenn alles schläft Jetzt bin ich längst schon unterwegs und mit der zeit wird alles neu Ich werde später nicht bereun Lass alles stehn und alles liegen und dann verlass ich meine Stadt in der ich keinen Platz mehr hab versuch den nächsten Zug zu kriegen ganz egal wohin er geht, denn ich will nicht mehr still stehn Ich muss weiter gehn, nicht still stehn "Sag mal, zeichnest du da gerade etwa mich?" Ihre Stimme klang für ihn nahezu himmlisch, nicht wie von dieser Welt und nun war er sich sicher, dass sie eine Fee sein musste, sie konnte gar kein Mensch sein. Er nickte etwas unbeholfen. Schmunzelnd nahm sie ihm den Block aus der Hand und besah sich sein Werk. Sie wirkte etwas überrascht, was vermutlich an der Feengestalt lag, die er ihr verliehen hatte. mit einem Lächeln legte sie den Block auf den Tisch und nahm ihm den Bleistift aus der Hand. Wie gebannt starrte er auf ihre feingliedrige Hand, die auf dem Blatt eine Telefonnummer notierte und einen Namen darunter setzte. Als sie den Bleistift neben den Block legte, erklärte sie: "Falls du deine Sprache urplötzlich doch noch wiedergewinnen solltest, ruf mich an. Vielleicht gehen wir mal einen Kaffee trinken." Mit einem Zwinkern wandte sie sich zum Gehen. Für einen Augenblick realisierte er gar nicht, was gerade geschehen war, doch dann sprang er ruckartig auf: "Wie wäre es mit sofort?" Grinsend blickte sie über die Schulter zurück: "Na dann komm." Sie streckte ihm die Hand entgegen. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er sich in Bewegung setzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)