Welt der Dinosaurier von FudoKajimoto ================================================================================ Prolog: Die andere Welt ----------------------- Prolog Die andere Welt Thomas schlug die Augen auf. Um ihn herum war nur Dschungel zu sehen. Aber der Dchungel sah nicht so aus wie die normalen Regenwälder der Erde. in diesem Dschungel wuchsen viele Pflanzen, die auf der Erde bereits seit Millionen Jahren ausgestorben waren. Er fuhr sich durch sein etwas längeres Haar, um zu sehen, ob er sich verletzt hatte und untersuchte in aller Schnelle den Rest seines Körpers. Sein schwarzes T-Shirt und seine blaue Jeans waren an mehreren Stellen zerissen, doch nirgends hatte er eine Verletzung, was ihn angesichts der Äste, auf denen er gelegen hatte, wunderte. Sie wirkten, als wären sie gerade erst abgerissen, und als er nach oben blickte, sah er eine Schneise im Blätterdach über sich. Dann blickte er sich um. Hinter ihm im Gebüsch sah er einen weiteren Menschen. Thomas lief zu diesem. Auch dessen Kleidung war zerissen, wie Thomas sofort sah. “Wer bist du?”, fragte der andere ihm. “Und wo sind wir hier überhaupt?” Thomas blickte den Jungen, der im Gebüsch lag, erstaunt an. Er schätze den anderen auf etwa 13 oder 14 ein. Der andere hatte kurze, braune Haare und war eindeutig nicht oft draußen in der Sonne, denn seine Haut war sehr bleich. “Ich bin Thomas. Und ich habe keine Ahnung, wo wir sind”, antwortete er dann. Er half dem anderen, aufzustehen. “Und wie heißt du?”, wollte er dann wissen. “Ich bin Kai”, antwortete der Junge. Dann hörten beide einen Schrei, der eindeutig von einem Menschen ausgestoßen worden war. Die beiden sahen sich kurz an, dann rannten sie in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Sie erreichten nach einem kurzen Sprint eine Lichtung, auf der sich einige weitere Menschen befanden. Als sie die Lichtung sehen konnten, blieben die beiden Jungen wie angewurzelt stehen. Die Menschen hatten sich in der Mitte der Lichtung aufgestellt und standen Rücken an Rücken. In ihrer Mitte war ein kleineres Kind zu sehen. Thomas schätzte es auf vielleicht sechs oder sieben Jahre. Aber deshalb waren er und der andere Junge -Kai- nicht stehen geblieben. Auch nicht wegen der Pistolen, die die beiden, die am ältesten wirkten, in den Händen hielten. Und auch nicht wegen der Gewehre, die sie auf den Rücken geschnallt hatten. Sie blieben stehen, weil die Menschen auf der Lichtung von Echsen umzingelt waren. Echsen, deren Musterung sie im Wald beinahe unsichtbar machen würde. Das dachte Thomas zuerst. Dann hatte sich der erste Schreck gelegt, und Thomas konnte Einzelheiten ausmachen. Was ihm als erstes auffiel, war die Haltung der 'Echsen'. Sie standen auf zwei Beinen, den etwa 1 ½ Meter langen Schwanz nach hinten gestreckt, mit nach vorne gestreckten Köpfen und geöffneten Mündern da. Ihre Augen fixierten die Menschen. In ihren Mäulern waren kurze, scharfe, säbelartige Zähne zu sehen. Die 'Echsen' wirkten, als könnten sie jeden Moment vorspringen und der Person, die sich in etwa 5 Metern Entfernung vor ihnen befand, den Kopf abreißen. 'Das... kann doch nicht sein... das sind... Raptoren', dachte Thomas, als er die Krallen sah, die aus der mittleren Zehe der Echsenfüße wuchsen. Dann sah er, wie sich einer der Raptoren auf die Gruppe zubewegte. Er schritt geschmeidig genau auf das kleine Mädchen zu. Sofort stellte sich ein anderes Mädchen davor. Thomas bewunderte den Mut des Mädchens, denn sicherlich hatte es auch die scharfen Krallen der Dinosaurier gesehen. Dann schoss der Mann mit seiner Pistole, und der Dinosaurier klappte zusammen. Die anderen Dinosaurier fauchten wütend. Langsam bewegten sie sich auf die Gruppe zu. 'Warscheinlich haben sie die Gruppe für schwächer gehalten', dachte Thomas. Er beobachtete die Szene weiter, da er keine Chance sah, einzugreifen. Wenn er rufen würde, würden die Dinosaurier auf ihn und seinen Begleiter aufmerksam, und beide könnten sich nicht gegen Raubsaurier wehren. Der Mann richtete seine Pistole auf den nächsten Raptor und feuerte nochmals. Auch dieses Tier sackte zusammen, es fiel auf den Rücken. Nun begann auch die Frau, auf die Raptoren zu schießen. Zwei weitere Raptoren starben durch gezielte Schüsse. Dann erst drehten sich die restlichen Dinosaurier um und rannten in den Dschungel davon. Nachdem die Dinosaurier fort waren, wendete sich der Mann Thomas und Kai zu und winkte ihnen, als Zeichen, dass er sie gesehen hatte. Thomas packte Kai, welcher immer noch starr wie eine Salzsäule dastand, am Arm, und näherte sich der Gruppe. “Seid ihr auch hier gelandet?”, fragte der Mann. Die Pistole hatte er sich in den Gürtel geschoben. “Ja. Ich erinnere mich noch, wie ich nach Hause gehen wollte, als nächstes bin ich hier aufgewacht”, sagte Thomas. “Waren das da grade wirklich Dinosaurier?” “Sie wirkten sehr echt auf mich”, entgegnete der Mann. “Wenn ihr wollt, könnt ihr euch unserer kleinen Gruppe anschließen. Zusammen haben wir eine bessere Chance, uns zu wehren. Ich bin übrigens John”, stellte sich der Mann vor. “Die Frau, die ebenfalls bewaffnet ist, ist Jessica, meine Verlobte. Den Rest haben wir vor kurzem erst getroffen”, erzählte er weiter. “Ich bin Thomas, das ist Kai”, stellte Thomas sich und seinen Begleiter vor. “Wie wäre es, wenn wir hier verschwinden”, fragte Jessica. Auch sie hatte ihre Waffe weggesteckt. “Ich wäre nicht gerne hier, wenn die Aasfresser auftauchen!” Sie wandte sich der restlichen Gruppe zu, dann blickte sie wieder John an. “Wir sollten wirklich weg”, meinte dieser. “Wollt ihr uns begleiten?”, fragte er dann Thomas und Kai. “Ich komme mit”, meinte Thomas. “Mit euch und euren Waffen sind unsere Chancen höher!” Thomas merkte erst jetzt, wie erstaunlich ruhig er in dieser Situation war. Er war plötzlich in einem Dschungel aufgewacht, in dem es anscheinend Dinosaurier gab und schloss sich jetzt einer Gruppe Menschen an, die vor Waffen und Munition strotzten. Er hatte die zwei offenen Holzkisten voll Munition gesehen. “Ich komme... komme auch mit”, sagte Kai dann und lief zu den beiden Mädchen. Er umarmte die beiden. “Ich dachte, ich hätte das nur geträumt”, stotterte er. “Wie wir plötzlich in so einen... einen Strudel gezogen werden. Aber als ich aufwachte... wusste ich, dass es... dass es wahr gewesen sein musste. Und dann hatte ich Angst, euch könnte etwas passiert sein!” “Du hast dich nicht um dich gesorgt, Bruderherz?”, fragte das ältere Mädchen. “Nein. Erst, als ich diese... diese... Echsen gesehen habe. Da wäre ich beinahe durchgedreht!” “Ich will ja nicht stören, aber wir sollten weg von hier”, unterbrach John das Gespräch. “Ihr könnt ja, während wir laufen, weiterreden!” Damit drehte er sich um und ging in die Richtung davon, die entgegengesetzt der Richtung lag, in die die Raptoren verschwunden waren. Der Rest der Gruppe folgte ihm, um nicht abgehängt zu werden. Thomas wurde kurz ein wenig langsamer, um zu den anderen Jugendlichen zu stoßen, die die beiden Erwachsenen begleiteten. Die Jugendlichen trugen die Holzkisten mit der Munition. Die zwei Jungen, die Thomas nicht namentlich kannte, hatten eine zwischen sich, die andere trugen Kai und das ältere Mädchen. Kann ich dir helfen?”, fragte Thomas sie. Sie nickte und setzte die Kiste auf den Boden. Thomas nahm die Kiste zusammen mit Kai auf und ging weiter. “Wer seid ihr?”, fragte er dann. Die anderen sahen ihn an. Er sah sie ebenfalls an. “Stimmt, du bist der einzige, der sich hier noch nicht vorgestellt hat”, sagte das ältere Mädchen schließlich. “Ich bin Rebecca. Meinen kleinen Bruder hast du ja schon kennengelernt”, meinte sie dann und zeigte auf Kai. “Ja, habe ich. Wenn auch nur kurz”, meinte Thomas. “Das reicht, glaub mir”, entgegnete Rebecca, was ihr einen bösen Blick ihres Bruders einbrachte. “Das ist meine jüngere Schwester Alexandra”, stellte Rebecca weiter vor, wobei sie ihren Bruder ignorierte, und deutete auf das Mädchen, das Thomas vorhin in der Mitte der Gruppe gesehen hatte und dass sich jetzt am Arm von Rebecca festklammerte. “Die Dinosaurier haben sie zu Tode erschreckt”, fügte Rebecca hinzu. “Und nicht nur sie. Alle waren erschrocken. Dieser Mann da... John... er hatte sich am schnellsten wieder gefangen und uns befohlen, einen Kreis zu bilden. Ohne ihn wären wir warscheinlich schon...” Rebecca beendete den Satz nicht, doch Thomas wusste, was sie meinte. “Dann hätten wir da noch die beiden anderen Jungen. Der Jüngere der beiden heißt Stefan.” Rebecca deutete auf einen blonden Jungen, der ein dunkelgrünes T-Shirt und eine blaue Jeans mit größeren Löchern trug. Er war etwa so groß wie Kai, der einen Kopf kleiner als Thomas war. “Und ich heiße Philipp”, stellte sich der andere Junge vor. Er hatte, ebenso wie Thomas, schwarze Haare, doch trug er diese kurz. Der Junge schwieg, und auch die anderen blieben ruhig, während sie durch den Dschungel wanderten. Nach zwei Stunden Fußmarsch erreichte die Gruppe den Waldrand. “Oh Gott”, sagte Thomas nur, als er auf die weite Ebene blickte, die sich vor ihnen erstreckte. Das Gras auf dieser Ebene war über einen Meter hoch. Verteilt standen einzelne Bäume. Und überall standen Dinosaurier. So kam es Thomas jedenfalls vor. Er sah eine große Herde Parasaurolophen, und mindestens ein Dutzend Brachiosaurier. Er entdeckte auch eine größere Triceratops-Gruppe, und in größerer Entfernung einen Schemen, der ihn unangenehm an einen Tyrannosaurus erinnerte. “Wo sind wir hier nur gelandet?”, fragte John leise. Die Gruppe stand noch einige Minuten reglos am Waldrand. Dann hörten sie von der Ebene einen schrecklichen Schrei. Auch wenn Thomas nie zuvor einen gehört hatte, wusste er, dass das ein Tyrannosaurier gewesen war. “Hier sollten wir uns nicht aufhalten”, sagte John. Er drehte sich um und scheuchte die Gruppe in den Urwald zurück. Kapitel 1: Ein Raptor im Haus ----------------------------- Kapitel 1 Ein Raptor im Haus Es knallte. Pulverdampf war vorne am Lauf der Waffe zu sehen. Die Kugel raste durch die Luft, zu schnell, als das menschliche Augen sie sehen könnten. 75 Meter entfernt schlug die Kugel ein. Die Zielscheibe wurde duchschlagen. Die Kugel prallte auf die Stahlwand dahinter, wurde platt gedrückt und fiel zu Boden. Der Schütze legte das Gewehr zur Seite und nahm den Gehörschutz ab. Dann betätigte er einen Knopf, der die Zielscheibe heranfahren ließ. „Guter Schuss“, meinte die Zuschauerin, nachdem sie ebenfalls ihren Gehörschutz abgenommen hatte. In ihrer Stimme klang eine freudige Begeisterung mit. Sie ging zu dem Schützen und legte ihm von hinten die Arme um den Bauch. Ihr Kinn berührte seine Schulter. „Aber du warst besser“, entgegnete der Schütze. Er nickte zu der Zielscheibe, die endlich herangekommen war. Daneben hing eine andere Zielscheibe, die ebenfalls Löcher von Kugeln aufwies. Die Zielscheibe, die gerade herangeholt worden war, hatte insgesamt nicht so viele Punkte erreicht wie die, die bereits vorne gehangen war. „Dieses mal, Fudo. Dieses mal habe ich dich besiegt“, meinte die Jugendliche lachend. „Das war ja auch längst überfällig. Du hast in den letzten zwei Wochen, heute eingeschlossen, nur zweimal verloren!“ Fudo begann zu grinsen. „Du bist viel besser, Ely“, entgegnete Fudo mit sanfter Stimme. „Sei doch nicht immer so bescheiden, Fudo. Du weißt, dass ich nicht so gut schießen kann wie du. Ich habe schließlich erst vor vier Jahren damit begonnen!“ Ely ließ Fudo los. Dieser drehte sich zu ihr um. „Das hat nichts damit zu tun, wie lange du es schon machst“, meinte er. Dann sah er die Winchester an, mit der er gerade geschossen hatte. Sie gehörte seinen Eltern. Ebenso wie diese Schießanlage. Seine Eltern hatten sich diese Anlage im Keller ihres Hauses eingerichtet. Seine Eltern waren sehr vermögend, und das Haus war dementsprechend groß. „Wenn meine Eltern wüssten, das wir hier unten mit ihren scharfen Waffen schießen, würden sie mich sofort vor die Tür setzen“, sagte er grinsend. „Dann ist es ja gut, dass sie verreist sind. Und es ist noch besser, dass dein Bruder dich niemals bei deinen Eltern anschwärzen würde. Dafür bewundert er dich einfach zu sehr!“ Ely nahm Fudos Hand und zog ihn in Richtung der Treppe. Er ließ sich von ihr mitziehen. „Ja, da hast du wohl recht. Ich frage mich ja immer noch, warum ausgerechnet ich sein Vorbild bin. Ich meine, sieh mich doch an...“, begann Fudo, aber Ely unterbrach ihn. „Ich kann ihn gut verstehen. Du bist nett, immer ruhig und setzt dich für andere ein. Und außerdem...“ Ely kicherte. „Wen sollte er denn sonst als Vorbild haben?“ Sie betrachtete ihren Freund. Sein kurzes schwarzrotes Haar war weich, stand aber dennoch ab und verlieh ihm ein verwegenes Aussehen. Die Narbe am Kinn, die er als kleines Kind bekommen hatte, tat das übrige. Sein Gesicht hatte einige Falten, allerdings kamen diese vom lachen. Er war etwa so groß wie sie, sogar ein bisschen größer und war zwar kein solches Muskelpaket, wie man sie oft in Filmen sieht, aber hatte doch einen durchtrainierten Körper. “Aber nichts im Vergleich zu dir”, meinte Fudo. Er holte sie ein und legte seinen Arm um ihre Hüfte. Gemeinsam gingen sie die Treppe aus dem schallgedämpften Keller nach oben und traten in den Gang. “Fudo!!” Die Stimme, die gerufen hatte, gehörte einem 12-jährigen Jungen. Er hatte bereits vor der Tür zum Schießstand gewartet. “Warum lässt du mich nicht auch mal schießen?” Fudo schüttelte den Kopf. “Ryo, ich hab es dir doch schon öfter erklärt, für echte Waffen bist du noch zu jung. Üb lieber mit dem Luftgewehr. Wenn du damit gut schießen kannst, kannst du auch mit echten Waffen gut schießen. Die Technik ist dieselbe!” Ryoudo sah seinen Bruder mit einem traurigen Gesicht an. “Bitte, Fudo. Nur einmal!” Fudo schüttelte jedoch nur den Kopf. “Was glaubst du, werden unsere Eltern machen, wenn sie davon erfahren würden? Ich wäre schneller weg, als du einen PC hacken kannst!” Ryoudo nickte. “Du hast warscheinlich recht. Ach ja”, fügte er dann, an Elyna gewandt, hinzu, “deine Schwester und dein Bruder sind echt schwer zu beaufsichtigen!” “Danke, dass du mit ihnen gespielt hast, während ich Fudo im Schießen besiegt habe”, entgegnete Elyna grinsend. Fudo drückte sie kurz fester an sich, um ihr zu zeigen, dass sie damit vor Ryoudo nicht prahlen sollte. Doch es war schon geschehen. “Sie hat dich besiegt? Das erzähl ich gleich Kichi und Riro”, rief Ryoudo lachend und rannte davon. Fudo konnte nur noch zusehen, wie Ryoudo sich schnell von ihm und Ely entfernte. Sein Haar, welches er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, wurde durch die Luft geschleudert. “Danke, Ely. Wegen dir bin ich jetzt das Gespött von Riro, Ryoudo und Kichi. Großartig. Das kann ich mir jetzt den ganzen Tag anhören”, sagte Fudo mit gespielt schlecht gelaunter Stimme. “Ach komm, Fudo. Das hat dir doch noch nie was ausgemacht”, erwiderte Ely. Das Lächeln auf ihrem Gesicht vertrieb die gespielte und die echte schlechte Laune aus Fudos Gedanken. Er lächelte ebenfalls. “Also, was wollen wir jetzt machen?”, fragte er. “Wie wäre es mit essen? Wir haben noch nicht gefrühstückt”, meinte Ely. Sie zog Fudo in Richtung Küche. “Dann frühstücken wir. Ich richte was, holst du deine Geschwister und Ryoudo?” Fudo löste sich von ihr. “Klar, mach ich. Ich hoffe nur, ich finde sie. Du kennst sie ja, ihr Lieblingsspiel ist verstecken. Im ganzen Haus”, entgegnete Ely. In ihrer Stimme konnte man hören, dass ihr das nicht sonderlich gut gefiel. “Wenn sie nicht kommen, dann haben sie eben das Frühstück verpasst”, meinte Fudo lächelnd. Er küsste Ely, dann ging er in Richtung Küche davon. Ely drehte sich um und ging in Richtung der Zimmer, in welchen die Kinder normalerweise spielten. Ryoudo rannte zurück in das Zimmer, in welchem Riro und Kichi gewesen waren, als er sie alleingelassen hatte. Als er das Zimmer betrat, fehlte von den beiden jedoch jegliche Spur. 'Großartig. Sie spielen verstecken. Und ich darf suchen', dachte Ryoudo genervt. Er bewegte sich auf das Bett zu, welches in dem Zimmer stand. Es war ein großes Himmelbett und die Bettbezüge und die Bettdecke reichten bis auf den Boden. Ryoudo hob die Bezüge hoch und schaute unter das Bett. “Hab ich euch gefunden”, meinte er dann. Unter dem Bett lagen ein Mädchen und ein Junge. Beide hatten helles braunes Haar, und sie trugen auch beide ein T-Shirt mit dem gleichen Aufdruck. Die beiden krabbelten unter dem Bett hervor. “Das war ja gar nicht lustig”, meinte das Mädchen. “Du hast uns viel zu schnell gefunden! Los, dreh dich um, wir verstecken uns nochmal!” “Wie wäre es, wenn ich euch sagen würde, wie eure Schwester gegen Fudo abgeschnitten hat?”, sagte Ryoudo und überging dabei Kichi. “Das wäre super”, rief Riro aus. “Los, erzähl schon!” “Ich will lieber verstecken spielen”, fiel Kichi Ryoudo ins Wort, der gerade beginnen wollte, das Ergebnis zu verkünden. “Ich will spielen!! Spielen!! Spielen!!” “Das können wir ja gleich”, sagte Riro zu seiner kleinen Schwester. “Aber lass Ryo doch erst noch schnell erzählen. Danach such ich auch freiwillig!” “Nein! Ich will jetzt spielen. Danach darf Riro erzählen”, meinte Kichi. Ihr Gesicht, welches dadurch, dass sie ihre Meinung nicht ändern wollte, ernst geworden war, wurde, da sie es nicht leiden konnte, wenn man ihr widersprach, rot. Die Jungs sahen sie an und begannen dann zu lachen. “Was ist denn los?”, regte sich Kichi auf. “Ihr sollt nicht lachen! Das ist gemein!” Kichi drehte sich um und lief aus dem Zimmer, genau in die Arme ihrer Schwester. “Was ist denn los, Kichi?”, fragte Ely sie mit freundlicher Stimme und hob sie hoch. “Die Jungs sind gemein zu mir und wollen nicht mit mir spielen”, rief Kichi. Sie schaffte es sogar, dass einige Tränen ihr über die Wange liefen. “Das stimmt nicht. Wir wollten mit ihr spielen, aber vorher wollte ich Riro noch erzählen, dass du Fudo im schießen besiegt hast”, widersprach Ryoudo. Als Riro das hörte, begann er wieder zu lachen. Ely sah währenddessen ihre kleine Schwester an. Diese schaute schuldbewusst zurück. “Du bist zu stur, Kichi”, meinte Ely dann. Das Mädchen sah seine große Schwester an, dann senkte es den Blick. “Du solltest dich entschuldigen, Schwesterchen!” “Tut mir leid, dass ich euch unterbrochen habe. Ich wollte halt spielen”, sagte Kichi mit mürrischer Stimme. “Ach, Kichi. Das ist doch nicht schlimm. Wir können jetzt ja wieder spielen”, meinte Riro. “Nach dem Essen, ja”, sagte Ely. “Fudo macht gerade Frühstück, also solltet ihr jetzt lieber kommen!” Als die Jungen das hörten, rannten sie sofort los in Richtung Küche. Auch Kichi wollte mitrennen, aber sie wurde noch von Ely festgehalten. “Kichi, ich wollte dich um etwas bitten. Auch wenn du meinst, dass alles auf dich hört, solltest du auch die anderen mal entscheiden lassen, ok?” “Ok, ich versprechs”, rief Kichi sofort aus. Sie riss sich von Ely los und folgte den Jungen in Richtung Küche. 'Oh, das kann ja noch was werden mit ihr. Sie ist genauso stur wie ich', dachte Ely. 'Leider nicht gerade meine beste Eigenschaft!' Dann folgte auch Ely den Jüngeren in Richtung Küche, wenn auch langsamer als diese. Fudo hatte in der geräumigen Küche bereits den Tisch gedeckt und die fertigen Speisen daraufgestellt. Auf dem Tisch standen schon verschiedene Brotsorten, ein kleiner Korb mit Obst, Teller mit Wurst und Käse und Butter. Außerdem ein Krug mit Milch, verschiedene Arten von Corn Flakes, Schalen und Löffel dafür, Orangensaft, Kaffee und Tee. Fudo saß bereits am Tisch, als die Kindermeute in die Küche stürmte. “Ganz ruhig”, sagte er grinsend. “Es gibt genug für alle. Setzt euch doch erstmal”, fügte er hinzu, als er sah, dass Riro und Ryoudo sich bereits etwas vom Wurstteller genommen hatten. Die Jungen nickten und setzten sich auf ihre Plätze am Tisch. Kichi hatte sich bereits auf ihren Stuhl gesetzt. “Du hast wirklich verloren?”, fragte Riro. Fudo grinste ihn an. “Ja, habe ich. Deine Schwester ist gut”, sagte Fudo. Er grinste. Dann spürte er, wie sich zwei Arme um seinen Hals schlossen. “Nicht so gut wie du, Fudo. Das war einfach Glück heute”, flüsterte ihm Ely ins Ohr. Dann ließ sie ihn los und setzte sich neben ihn. “Wenn du meinst, Ely”, entgegnete Fudo. Dann griff er nach einem Brötchen. Die Jüngeren hatten bereits mit dem Frühstück begonnen. Auch Ely nahm sich ein Brötchen und begann zu essen. Nach dem Frühstück, das etwa eine halbe Stunde gedauert und mit einer kleinen Corn Flakes-Schlacht zwischen Riro und Ryoudo, die sich gegenübersaßen, geendet hatte, verschwanden die Jüngeren wieder aus der Küche, um zu spielen. “Wenn Riro und Ryoudo etwas gemeinsam haben, dann ihren Sinn für Ordnung”, meinte Fudo sarkastisch, als er den Tisch abräumte. Die Corn Flakes, die die beiden Jungen als Wurfgeschosse genommen hatten, waren in der ganzen Küche verstreut. Auch waren einige davon von den Jüngeren beim verlassen der Küche zerdrückt worden und lagen jetzt als Staub auf dem Boden. “Wir waren warscheinlich auch nicht besser, als wir klein waren”, meinte Ely nur. Sie hatte einen Besen genommen und begonnen, den Boden von den Corn Flakes zu befreien. “Morgen gibt es auf jeden Fall keine Corn Flakes”, meinte Fudo. “Ich stelle sie in den Schrank mit den Süßigkeiten, da kommen die beiden nicht ran!” Er schloss den Kühlschrank, in welchen er gerade die Teller mit Wurst und Käse gestellt hatte. Dann nahm er einen Lappen und wischte den Tisch ab. “Und wenn sie nochmal so eine Sauerei verursachen, dann putzen sie selbst!” “Ach, Fudo. Es sind eben Kinder. Aber weißt du was? Nachdem wir hier aufgeräumt haben, gehen wir ein bisschen in die Stadt, da können wir uns von ihnen erholen!” Auf Elys Gesicht konnte man sehen, dass auch sie nicht gerade begeistert von den Eskapaden der Jüngeren war. Sie fegte das letzte bisschen Dreck auf einen Haufen, dann stellte sie den Besen zur Seite und nahm einen Handfeger. Sie schippte den Dreck auf die kleine Schaufel und entleerte diese in den Mülleimer. “Das ist die beste Idee des Tages”, meinte Fudo. Er hatte wieder ein Lächeln aufgesetzt. Er legte den Lappen zur Seite. “So, der Tisch ist sauber. Und die Küche auch. Dann gehen wir, würde ich sagen!” “Gut. Ich sag ihnen noch schnell, dass wir eine Weile weggehen. Warte kurz auf mich, ja?” Ely verließ die Küche und ging in Richtung der Treppe. Fudo verließ die Küche ebenfalls, jedoch mit einem anderen Ziel. Er ging in Richtung der Schießanlage. Als er die Tür erreicht hatte, zog er einen Schlüsselbund, den seine Eltern ihm gegeben hatten, heraus, und verschloss die Anlage. Seine Eltern hatten vergessen, den Schlüssel vom Bund zu entfernen, bevor sie gingen. Fudo wertete dies als Glück. Seine Eltern würden nicht merken, wenn ein paar Kugeln fehlen würden. Und solange er die Waffen reinigte und pflegte, würden sie nie herausfinden, dass er mit scharfen Waffen geschossen hatte, während sie verreist waren. Er steckte den Schlüsselbund wieder in die Hosentasche und ging in Richtung Tür. Ely wartete bereits. Die beiden verließen das Haus und gingen den von Blumen und Hecken gesäumten Weg entlang zum Tor des Grundstückes. Von den Fenstern aus beobachteten die drei Jüngeren Fudo und Ely. Als sie das Grundstück verlassen hatten, begannen die drei zu jubeln. “Endlich haben wir das ganze Haus für uns alleine”, rief Riro. “Los, kommt, spielen wir verstecken. Im ganzen Haus!” Kichi nickte eifrig. “Ja, spielen wir!!”, rief sie fröhlich. “Ich will mich verstecken!” “Ich auch”, rief Riro schnell. Ryoudo sah die beiden an. “Gut, ich zähle”, sagte er dann mit leicht genervter Stimme. “Willst du nicht, Ryo?” In Riros Stimme hörte man, dass er auch zählen würde, falls Ryoudo keine Lust dazu hatte. “Nein, ist schon ok. Nur zähle ich sehr oft. Das nervt ein bisschen”, antwortete Ryoudo schnell. Er fuhr sich mit der linken Hand durch die Haare und schob die Haare, die vor seinem Gesicht baumelten, zur Seite. “Dann überlegt euch schon mal eure Verstecke!” Er drehte sich um, schloss die Augen und begann langsam zu zählen. “Eins... Zwei... Drei...” Kichi und Riro sahen sich kurz an, dann rannten sie aus dem Zimmer. “Wo verstecken wir uns?”, fragte Kichi ihren Bruder. Sie rannte dicht hinter ihm, ihr Haar flog wild hin und her. “Ich weiß nicht. Es gibt so viele gute Verstecke hier”, entgegnete dieser. Sie rannten noch kurz durch den Gang, dann hielten sie an und betraten eines der Zimmer. “Ich versteck mich im Schrank”, sagte Kichi und war schon darin verschwunden, bevor sie den Satz beendet hatte. Riro hatte bereits das Bettzeug zurückgeworfen. Er legte sich auf das Bett und zog die Decke über sich. Dann warteten beide darauf, dass Ryoudo käme. Ryoudo hatte gehört, in welche Richtung die beiden gelaufen waren. “50!”, rief er, als Zeichen, dass er fertig war mit warten. Er betrat den Gang und ging langsam in die Richtung, in die auch die beiden anderen Kinder gegangen waren. Fudo und Ely waren währenddessen in der Stadt. Da sie nichts zu tun hatten -es waren gerade Ferien- gingen sie in Richtung des Stadtzentrums und der dortigen Einkaufszentren. “Ich weiß nicht, wie es dir geht, da du ja schon länger als ich hier lebst”, meinte Ely, nachdem die beiden vorher ein bisschen über belanglose Dinge gesprochen hatten, “aber mir gefällt Amerika nicht wirklich. Es ist auf eine Art ganz anders als Japan!” “Ich weiß, was du meinst, Ely”, antwortete Fudo. “Ich bin ja nicht mein ganzes Leben hier gewesen. Ich bin erst ein Jahr vor euch hierhergezogen. Und ich vermisse Japan. Ich weiß nicht, warum, aber ich fühle mich hier auch nicht wohl.” Er ging mit Ely Arm in Arm die Hauptstraße entlang. Überall war Leuchtreklame, wie es sich für eine solch große Stadt gehörte, und auch die Menschenmassen auf den Gehwegen waren typisch für Städte dieser Größe. “Ich hoffe, wir können bald nach Japan zurück”, meinte Ely. “Mir geht es genauso wie dir. Ich weiß nicht, warum, aber ich fühle mich hier nicht wohl.” “Ich denke, wenn wir fertig mit der Schule sind, steht dem nichts mehr im Wege”, sagte Fudo. Er lächelte Ely an, und sein aufrichtiges Lächeln vertrieb ihre schlechte Laune. Sie lächelte zurück. “Und solange wir hier sind, machen wir das beste daraus”, sagte sie dann. Die beiden schlängelten sich durch die Menschen, die ihnen entgegenkamen, und näherten sich dem größten Einkaufszentrum, in welchem sich das Café befand, zu dem sie wollten. Dort trafen sie nämlich fast immer Klassenkameraden. “Was denkst du, ist Kathrine immer noch wütend auf mich?”, lenkte Ely das Gespräch in eine andere Richtung. Kathrine war eine Klassenkameradin von Fudo, welcher in einer höheren Klassenstufe als Ely war, und gönnte Ely nicht, dass gerade sie mit Fudo zusammen war. Denn durch seinen Status und sein Aussehen war Fudo der Schwarm aller älteren Mädchen in seiner Stufe. “Sie wird sich damit abfinden müssen, Ely. Außerdem, wenn sie wütend ist, solltest du dir nicht die Schuld daran geben. Sie sollte, wenn schon, uns beiden gleichermaßen die Schuld geben. Schließlich ist eine Beziehung eine Sache zwischen zwei Personen”, meinte Fudo grinsend. Ely lächelte, als sie seine Worte hörte. Sie schmiegte sich an ihn, als sie das Einkaufszentrum betraten und in Richtung der Rolltreppen gingen, die zum 1. Stock führten, wo sich das Café befand. “Fudo!! Hier!”, rief ihnen ein Mädchen entgegen. Es hatte blonde Haare, trug knappe Kleidung und ihr Gesicht war unter dem aufgetragenen Make-Up nicht mehr wirklich zu erkennen. “Wenn man vom Teufel spricht”, flüsterte Ely grinsend, als sie Kathrine sah. Sie lächelte weiterhin, als sie sich zusammen mit Fudo zu Kathrine setzte. “Wie gehts dir, Fudo”, fragte Kathrine und schaute den Angesprochenen freundlich an. Ely wurde von ihr vollständig ignoriert. 'War ja klar', dachte Ely. 'Sie hat nur Augen für Fudo!' “Mir geht es gut”, antwortete Fudo ernst, sachlich und knapp. “Und ich bin nicht gerade froh, dass du meine Freundin einfach ignorierst, Kathrine!” Kathrine sah Fudo mit erstauntem Blick an. Dann wandte sie sich Ely zu, nickte und wandte ihren Blick wieder zu Fudo. 'Na, das kann ja heiter werden', dachte dieser, als er die gespannte Stimmung zwischen Ely und Kathrine bemerkte. Dann kam die Bedienung des Cafés. “Guten Tag. Was darf ich euch bringen?”, fragte sie Fudo und Ely. “Ich hätte gerne einen Latte Macchiato”, sagte Fudo. “Ich auch, bitte”, schloss sich Ely an. Die Bedienung nickte und ließ die drei wieder alleine. Kathrine, welche augenscheinlich schon länger im Café war, nahm einen Schluck aus ihrer Kaffee-Tasse, dann redete sie weiter. “Habt ihr Lust auf Kino? Es läuft ja endlich “P.S. Ich liebe dich” in den Kinos. Darauf habe ich schon seit Monaten gewartet!” Fudo sah Ely an und erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, dass Kathrine mit dieser Meinung allein war. Dann kam die Bedienung mit den beiden Latte Macchiato wieder. Ely und Fudo nahmen ihren Kaffee und tranken einen Schluck. “Tut mir leid, Kathrine, aber Ely und ich haben schon etwas anderes vor”, wehrte Fudo diese Einladung ab. Er trank einen weiteren Schluck seines Kaffees und ließ seinen Blick durch das Einkaufszentrum schweifen. Er beobachtete die Erwachsenen, die mit ihren kleinen Kindern die verschiedenen Läden besuchten. “Schade. Aber wir können sicher ein anderes mal etwas zusammen unternehmen”, meinte Kathrine und trank den letzten Schluck ihres Kaffees. Sie stand auf. “Ich muss dann los, die anderen warten schon am Kino. Bis später vielleicht”, sagte sie noch, dann ging sie in Richtung des Kinos, welches ebenfalls im Einkaufszentrum war, davon. “Endlich ist sie weg”, seufzte Ely, als Kathrine außer Hörweite war. “Ich kann sie nicht leiden. Sie versucht nur, dich dazu zu bringen, dich für sie zu interresieren.” “Bist du etwa eifersüchtig?” In Fudos Stimme klang Erstaunen mit. Doch dann gringste er. “Mir würde es genauso gehen, wenn jemand versuchen würde, dich von mir zu trennen, Ely!” Die beiden saßen noch eine Weile im Café und genossen die vermeintliche Ruhe des Einkaufszentrums. Zwei Stunden später waren sie wieder auf dem Weg zurück zu dem Haus, in welchem sie lebten. “Was meinst du? Wie viel Chaos haben die drei angerichtet?”, fragte Ely scherzend. “Hoffentlich nicht zu viel”, entgegnete Fudo teuflisch grinsend. “Sonst dürfen sie das ganze Haus aufräumen!” Ely lachte bei dem gespielten Ernst, den Fudo in seiner Stimme mitschwingen ließ. Als sie das Haus erreicht hatten, merkten sie, dass etwas nicht stimmte. Sie waren gerade eingetreten, als sie einen Schrei aus den oberen Stockwerken hörten. “Das war Kichi. Und das klang nicht, als würden sie spielen”, meinte Fudo besorgt. Er rannte auf die Treppe zu und, drei Stufen auf einmal nehmend, nach oben. Ely folgte ihm. Als die beiden das obere Stockwerk erreicht hatten, wurden sie beinahe von Riro und Kichi umgerannt. Beide schrien, als sie Fudo und Ely sahen, beruhigten sich aber schnell, als sie sie erkannten. Kichi klammerte sich an Ely. “Da... da... da ist ein... ein Dino...”, schluchzte das kleine Mädchen. Fudo sah sie erstaunt an. Auch Ely wirkte unschlüssig. “Es stimmt”, sagte dann Riro. Er keuchte stark. “Es ist ein... ein kleiner, flinker... schneller Dinosaurier. Ryo versucht, ihn aufzuhalten. Er ist plötzlich in einem Schlafzimmer aufgetaucht. Kichi und ich hatten gerade verstecken gespielt, als...” Riro wurde vom Knall einer Luftpistole unterbrochen. Direkt nach dem Schuss hörte man ein lautes Fauchen und einen Fluch, der eindeutig von Ryoudo stammte. Dann sah man ihn um die Ecke rennen und die Luftpistole nachladen, während er zu den anderen lief. Hinter ihm bog eine Echse um die Ecke, die etwa einen Meter achzig groß war und scharfe Krallen an Händen und Füßen hatte. Die Eine der Klauen des Tieres an jedem Fuß war lang und gebogen, und in seinem Maul waren scharfe, kleine Reißzähne zu sehen. Fudo starrte unglüubig auf dieses Wesen. 'Das muss ein Traum sein', dachte er. Dann sah er, wie Ryoudo sich umdrehte, die Waffe auf das Tier richtete und abdrückte. Das Luftpistolengeschoss schlug in den linken Arm des Wesens ein, woraufhin dieses wütend fauchte. Erst jetzt realisierte Fudo die anderen kleinen Schussverletzungen, die das Tier hatte. “Ely, bring deine Geschwister in Sicherheit!” Fudo zog den Schlüsselbund aus der Tasche und warf ihn ihr zu. “Geht in den Keller. Und wartet auf uns”, sagte er. Dann rannte er seinem Bruder entgegen. “Fudo, dreh um. Gegen das haben wir keine Chance”, rief ihm Ryoudo entgegen. Fudo sah, wie sich das Tier anspannte und hoch in die Luft sprang. Eher durch einen Reflex als durch bewusstes Handeln sprang er ebenfalls und konnte seinen Bruder gerade noch so von der Stelle wegziehen, an der der Dinosaurier landete. Die gebogenen Krallen schlugen kleine Löcher in den Steinboden. Die beiden Menschen prallten hart auf den Boden. “Danke, Fudo”, keuchte Ryoudo. Er drückte seinem Bruder die Luftpistole in die Hand. “Nimm du sie. Du bist besser damit!” Er rappelte sich auf. Fudo erhob sich ebenfalls wieder. “Wenn wir das hier überstehen, hätte ich gerne eine Erklärung. Vor allem, wo hast du die Waffe her?”, sagte er. Dann hob er die Waffe, die Ryoudo wieder nachgeladen hatte und zielte auf den Dinosaurier, welcher bei der Landung ausgerutscht und gegen das Steingeländer der Treppe gekracht war. Dann überlegte er es sich jedoch anders. Die Pistole hatte jeweils nur einen Schuss, und aus den Schussverletzungen des Dinosauriers konnte er schließen, dass die Luftpistole nicht wirklich effektig war. “Warum schießt du nicht?”, fragte Ryoudo seinen Bruder. Dieser packte Ryoudo jedoch nur am Arm und zog ihn hinter sich her. Sie rannten die Treppen hinunter bis zum Eingang des Kellers. Hinter sich hörten sie ein Klacken auf dem Steinboden und ein Schnaufen, das immer lauter wurde. Ryoudo sah nach hinten und erkannte, dass der Dinosaurier, den er durch die Krallen an den Füßen als Velociraptor identifizierte, näherkam. Dann spürte er, wie er nach vorne auf eine offene Tür zugeschleudert wurde. Fudo drehte sich um und nutzte den Schwung, um Ryoudo in Richtung der offenen Kellertür zu schleudern. Er hatte gesehen, dass Ely dort stand und hoffte, dass sie ihn wenigstens ein bisschen abbremsen würde, so dass er sich nicht zu schlimm verletzen würde. Bei der Drehung nutzte er den glatten und rutschigen Steinboden, um immer noch näher zur Tür zu gelangen, auch wenn sein Oberkörper in die andere Richtung zeigte. Er legte die Luftpistole, die Ryoudo ihm gegeben hatte, an und schoss. Das Geschoss traf den Dinosaurier an der Brust und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er glitt wieder auf dem Boden aus, krachte auf den Bauch und rutschte weiter. Dann wurde er von der Wand gestoppt. Fudo hörte das Knacken von Knochen, als der Dinosaurier mit dem Körper gegen die Wand krachte. Zu seiner Überraschung erhob sich das Tier wieder. Der linke Arm hing komisch gebogen von seinem Körper, aber zu mehr hatte es anscheiend nicht gereicht. Fudo überlegte nicht lange, sondern sprang auf und rannte die Treppe in den Keller hinunter. Hinter sich hörte er, wie die Krallen auf den Steinboden trafen. Der Dinosaurier bewegte sich jedoch langsamer als zuvor, und auch das Schnaufen hatte sich verändert. Es klang wässriger, und Fudo hoffte, dass das Tier innere Verletzungen hatte, die es schnell töten würden. Denn er war sich ziemlich sicher, dass sie sonst nicht mehr lange am Leben wären. “Was ist das für ein Tier?”, fragte Ely entsetzt, als sie sah, wie sich der Raptor hinter Fudo langsam die Treppe hinunterquälte. Fudo drehte sich um und sah, das der linke Fuß des Raptors wohl verletzt sein musste, da der Dinosaurier ihn eher hinter sich herzog als dass er mit ihm lief. “Das ist ein Velociprator”, sagte Ryoudo. “Ein kleiner, fleischfressender Dinosaurier. Normalerweise jagen sie in Rudeln. Nimmt man jedenfalls an.” “Du willst doch nicht etwas sagen, dass das hier ein echter Dinosaurier ist, Ryo??” Ely sah ihn entsetzt an. Dann blickte sie zu Fudo, und als sie dessen steinerne, ernste Miene sah, wusste sie, dass es wirklich so war. Ein Dinosaurier war in diesem Haus aufgetaucht. Aus dem Nichts. “Aber... das... das ist doch... gar nicht... möglich!! Es gibt keine... keine... Dinosaurier mehr!” Elys Stimme klang nun nicht mehr normal, sondern hysterisch. “Ich weiß auch nicht, was los ist”, erklärte Fudo. In seiner Stimme konnte man die Angst hören. Dann sah er hinter Ely auf dem Tisch die Winchester liegen, mit der sie heute morgen geschossen hatten. Er drängte sich sanft, aber bestimmt, an seiner Freundin vorbei und griff nach dem Gewehr. Er hoffte, dass noch eine Kugel im Magazin des zwölf-schüssigen Gewehrs war. denn heute morgen hatte er nur zehn Schuss abgegeben. Nur wusste er nicht mehr, wie viele Kugeln er in das Magazin geladen hatte. Er drehte sich zu dem Dinosaurier um. “Ely, sieh nicht hin. Und sorg dafür, dass die anderen auch nicht hinsehen!” In Fudos Stimme schwang nun nicht mehr nur die Angst mit, die er verspürte, sondern auch Hoffnung. Er redete mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Ryoudo drehte sich sofort um. Auch Ely und Kichi drehten sich weg von dem Dinosaurier. Riro stand jedoch noch immer wie angewurzelt da. “Riro, das willst du nicht sehen, glaub mir!” Fudo löste die Hand, die er an den Lauf der Waffe gelegt hatte, und legte sie Riro auf die Schulter. Dann drehte er ihn um. Er nahm die Hand wieder an den Lauf der Waffe und richtete die auf den Raptor. Dieser hatte die angespannte Lage wohl gespürt und war stehengeblieben. Er sah die kleine Gruppe mit schräggelegtem Kopf an, als wolle er fragen, was los sei. Dann jedoch setzte er sich wieder in Bewegung, das Maul halb geöffnet. Fudo wartete nicht, ob der Dinosaurier an seinen inneren Verletzungen sterben würde. Er zielte noch einen kurzen Moment, dann schoss er. Die Kugel traf den Dinosaurier am Hals und schoss hinten wieder hinaus. Dann blieb sie in der Wand stecken. Der Dinosaurier sackte zusammen. Fudo dankte sich im Geiste selbst, dafür, dass er das Magazin nicht nur mit zehn Kugeln geladen hatte, dann sicherte er das Gewehr, legte es zur Seite und ging auf den Dinosaurier zu. Dieser war bereits tot. Fudo nahm eine Decke, die vor einem der Waffenschränke gehangen hatte, und legte sie über das Tier. “Ihr könnt euch wieder umdrehen”, sagte er dann. Die Jüngeren sahen zu der Decke, dann begann Kichi laut zu weinen. Sie klammerte sich an Ely fest. Riro und Ryoudo starrten mit ungläubigem Blick auf die Decke, die über dem toten Lebewesen lag. “Was machen wir jetzt?”, fragte Ely. Doch bevor irgendjemand antworten konnte, öffnete sich vor ihnen direkt über der Leiche des Dinosauriers etwas, das aussah wie ein Strudel. 'Was ist denn heute nur los?', dachte Fudo, als er den Strudel sah. Dann spürte er, wie er in Richtung des Strudels gezogen wurde. Das Gewehr, das neben ihm auf dem Boden lag, flog bereits auf den Strudel zu und verschwand darin. Auch die Waffen in dem Waffenschrank, aus dem sie das Gewehr geholt hatten -zwei weitere Winchester-Gewehre und einige Pistolen- wurden in den Studel gesaugt. Der Sog wurde immer stärker. Die Holztür neben dem massiven Stahl-Waffenschrank wurde aus den Angeln gerissen und verschwand ebenfalls im Strudel. Die Jüngeren klammerten sich an Ely und Fudo fest, die sich wiederum am Tisch vor der Schießbahn festklammerten. Der Tisch war mit Stahlschrauben am Boden befestigt, und Fudo hoffte, dass diese das Gewicht so vieler Menschen aushalten würden. In dem Raum, dessen Tür in den Strudel gezogen worden war, standen einige Holzkisten. Fudo ahnte bereits, was darin war. Die Kisten wurden immer näher zum Strudel gezogen und verschwanden schließlich darin. Der Sog wurde noch stärker. Die Decke wurde mitsamt dem Dinosaurier darunter ebenfalls in den Strudel gezogen. Dann konnten sich auch Ely und Fudo nicht mehr festhalten und wurden mitsamt Ryoudo, der immer noch weinenden Kichi und Riro ebenfalls in den Strudel gesaugt. Ein grelles Licht war zu sehen, und die fünf Menschen schlossen instinktiv die Augen. Als sie sie wieder öffneten, waren sie von Dschungel umgeben. Sie waren zwischen einigen Bäumen gelandet. Vor ihnen türmte sich ein Berg aus den verschiedensten Dingen, die alle aus der Schießanlage in den Strudel gesaugt worden waren. Fudo stand auf und ging zu den Kisten. Eine der Kisten war an der Seite zerstört worden, und man konnte die Form von Gewehr-Munition erkennen. Fudo hob das Gewehr, das er schon benutzt hatte und das nun vor ihm lag, auf, und öffnete das Magazin. Es war leer. 'Ich hatte nur noch diesen einen Schuss', dachte er. Dann hörte er einen Schrei. Doch es war kein menschlicher Schrei. Es war ein Schrei, der Fudo erschaudern ließ. Es war ein Schrei, den er schon einmal gehört hatte. Jedenfalls glaubte er das. Dann erinnerte er sich an einen Film, den er vor kurzem angeschaut hatte. Jurassic Park. Der Schrei klang nach dem eines Dinosauriers, zumindest hatte er starke Ähnlichkeit damit. Oder interpretierte er diesen Schrei nur so, weil ein Dinosaurier plötzlich in seinem Haus gewesen war? Als er sich zu den anderen umdrehte, sah er, dass er sich das nicht eingebildet hatte. Die Jüngeren, allen voran Kichi, hatten sich an Ely geklammert und zitterten heftig. Kichi weinte, und auf Riros Gesicht war zu sehen, dass er verwirrt war von der neuen Umgebung, in die sie so plötzlich gekommen waren. Ryoudo sah zu Fudo. “Was ist passiert? Wo sind wir, Fudo? Und was war das für ein Tier? War das wirklich ein... ein... Raptor?” Fudo konnte angesichts dieser Fragen nur den Kopf schütteln. Er wusste keine Antwort. Und er wusste nicht, ob er jemals eine finden würde. Dann hörte er wieder einen Schrei, näher als zuvor. Er klang anders im Vergleich zum ersten. Fudo ging auf die Knie, nahm aus der beschädigten Kiste einige Kugeln heraus und lud die Winchester wieder. Er atmete tief durch und schloss kurz die Augen. 'Was immer auch passiert ist, wir sind nicht mehr bei uns zu Hause. Und wenn wir keinen kühlen Kopf bewahren, werden wir dort auch nicht mehr hingelangen', dachte er, als er die Augen wieder öffnete und in der Richtung, aus der der zweite Schrei gekommen war, einen weiteren Raptor aus dem Gebüsch hüpfen sah. Fudo richtete das Gewehr auf den Raptor. Er war der Älteste und hatte sich schon in anderen Situationen behauptet, indem er einen kühlen Kopf bewahrt hatte. Zwar war er bis gerade eben noch nie einem Dinosaurier gegenübergestanden, aber er war schon mehrmals von Gangs auf der Straße überfallen worden. Und er hatte sich immer verteidigt. Und nicht nur sich. Auch Ely und die anderen hatte er schon vor einer Gang verteidigt. Also würde er Ely und die anderen nun wieder beschützen. So wahr er Fudo hieß. Und solange er noch Kugeln hatte. Er atmete aus und schoss. Kapitel 2: Hochmut kommt vor dem Fall ------------------------------------- Kapitel 2 Hochmut kommt vor dem Fall Und wieder wurde er aus dem Unterricht gerufen. Wieder hatte ein Schüler sich nicht an die Regeln gehalten. Wieder hatte sich ein Schüler verletzt. Raidon konnte nur den Kopf über diese leichtsinnigen Kinder schütteln. 'Was denken die sich eigentlich, im Sportunterricht einfach ohne Aufsicht oder Einweisung an den Geräten rumzuklettern', dachte er, als er durch die Gänge der Schule zur Sporthalle eilte. Was er bisher erfahren hatte, ließ nichts gutes erahnen. Der Notarzt war bereits verständigt worden, das hatte er durch das Funkgerät erfahren, welches an seinem Gürtel hing. Warum sie ihm nicht durch das Funkgerät Bescheid gesagt hatten, sondern eine Schulweite Durchsage gemacht hatten, war Raidon schleierhaft, aber das war egal. Alles was zählte, war, dass er wusste, dass es bei dem Verkehr in der Innenstadt Tokios dauern konnte, bis der Notarzt an der Schule eintraf. Raidon umklammerte den Träger des Erste-Hilfe-Koffers, den er als Schulsanitäter auch im Unterricht immer bei sich hatte, fester. Wenn es dem Schüler schlecht ging, oblag es ihm, ihn so gut wie möglich zu versorgen. Seit Raidon ein Schulsanitäter geworden war, waren zwar mehr Unfälle passiert -was daran lag, dass die neuen Schüler einfach nicht mehr wussten, was Disziplin bedeutete- , aber es hatten weniger Verletzte Folgeschäden erlitten. Nur bei zweien, die unglücklich aus dreieinhalb Metern Höhe gefallen waren, waren Lähmungen aufgetreten. 'Warum passiert sowas eigentlich immer genau dann, wenn ich am weitesten von der Sporthalle entfernt bin', dachte sich der Jugendliche, während er am Direktorat vorbeilief. Das Direktorat bildete mit dem Gang davor den Verbindungsteil zwischen dem linken Flügel der Schule und dem rechten. Raidon war gerade Unterricht im linken Flügel, am äußersten Ende der Schule, als die Durchsage gekommen war, dass es zu einem Unfall in der Sporthalle gekommen war. Doch anstatt über den Hof zu laufen, wie er es sonst immer tat, musste Raidon den ganzen langen Weg durch den gesamten linken Flügel entlang bis zum Direktorat, dann hinüber in den anderen Flügel, und dann dort wieder den ganzen Flügel entlang zur Sporthalle laufen, weil der Hausmeister die Schlüssel verlegt hatte. Die Seitentüren hatten einen anderen Schlüssel als die Haupttür und die Zwischentüren, damit Einbrechern das Einbrechen erschwert wurde. Als ob jemand in eine Schule einbrechen würde. Raidon rannte fluchend weiter in den rechten Flügel der Schule und dort den Weg zur Sporthalle entlang. Manche Klassenzimmertüren waren geöffnet worden, und Raidon konnte kurze Blicke auf die Schüler erhaschen, die darin saßen. Die Schüler starrten alle zur Türe, da sie wussten, das ein Unfall passiert war und Raidon kommen würde. Er hatte einen zweifelhaften Ruf an der Schule. Früher war er einer der schlimmsten Schläger gewesen. Er hatte andere gequält, nur weil ihm langweilig gewesen war oder weil sie ihm über den Weg gelaufen waren. Aber das hatte sich geändert. Jetzt war Raidon einer der beiden Sanitäter der Schule, und somit lastete eine Menge Verantwortung auf seinen Schultern. Die Lehrer in den Klassenzimmern versuchten zwar, die Schüler dazu zu bringen, wieder besser aufzupassen, aber diese interessierten sich mehr für Raidon und den Unfall als für die Lehrer. 'Wieder ein Beispiel für die mangelnde Disziplin', dachte sich Raidon. Dann erreichte er die Sporthalle. Die Türen wurden von zwei Schülern aufgehalten, die den Ernst der Lage verstanden. Neben dem Geräteraum stand der Sportlehrer und ein Teil der Schüler. Sie hatten die Geräte, die den Unfall verursacht hatten, zur Seite geschafft, damit Raidon nicht durch sie gestört werden würde. “Was ist passiert?”, keuchte der Sanitäter. “Tetsuya ist auf den Barren geklettert und hat dort herumgeturnt. Dann ist er abgerutscht und auf den Boden gekracht”, berichtete der Lehrer. In seinen Augen war der Schock über den Unfall deutlich zu sehen. Raidon wusste, dass man sich daran nicht gewöhnen konnte. “Lagen keine Matten da, um den Aufprall zu dämpfen?”, fragte er weiter, während er zu dem am Boden liegenden Verletzten ging. Der Lehrer folgte ihm. “Nein. Wir hatten gerade erst mit dem Aufbauen begonnen”, sagte er. Raidon nickte. “Bitte bringen sie die Schüler hier raus. Sie sollten nicht sehen, wie schwer Tetsuya verletzt ist!” Raidons Stimme hatte einen autoritären Ton angenommen. Der Lehrer nickte, froh, etwas tun zu können. Er bewunderte die Ernsthaftigkeit des Jungen und dessen Autorität. Er ging zum Rest seiner Klasse und führte diese aus der Sporthalle in ein nahegelegenes Klassenzimmer. Raidon stellte den Koffer ab, kniete sich auf den Boden und begann, den Schüler zu untersuchen. Das wurde durch die verdrehte Haltung des Schülers nicht gerade vereinfacht, doch Raidon wagte nicht, ihn zu bewegen, bevor er nicht in etwa wusste, ob Knochen, oder besser, Wirbel verletzt waren. Der Schüler war ohnmächtig geworden. Raidon wertete dies als schlechtes Zeichen. Er hoffte, dass er etwas tun konnte, bis der Notarzt eintraf. Denn er wusste, dass jede Sekunde zählte. Atoeru warf einen letzten Blick auf den Verletzten, dann ging er mit dem Rest der Klasse in das Klassenzimmer, in das der Lehrer sie geführt hatte. 'Tetsuya. Du hast mal wieder bewiesen, dass du deinem Namen alles andere als gerecht wirst', dachte der Neunjährige. Er war gefasst, obwohl einer seiner Klassenkameraden schwer verletzt worden war. Atoeru konnte Tetsuya nicht leiden. Genausowenig wie er die anderen Jungs in seiner Klasse nicht leiden konnte. Ebenso wie diese ihn nicht leiden konnten. Tetsuya war der schlimmste. Er war der Anführer der Jungen-Clique. Atoeru war jedoch nicht schadenfroh, und freute sich deshalb nicht, dass Tetsuya sich verletzt hatte. Er registrierte es und verdrängte es dann aus seinen Gedanken. Atoeru begann, tief ein- und auszuatmen, um sich zu beruhigen, eine Technik, die er im Judo gelernt und zu Hause und in der Schule verbessert hatte. Diese Technik war einer der wenigen Gründe, warum Atoeru noch nicht ausgerastet war. Die ganze Klasse, die nur aus Jungen bestand, grenzte ihn aus. Alle hörten sie auf Tetsuya. Daher war auch die Bestürzung und der Schock über den Unfall des Klassen- und Cliquen-Chefs umso größer. Atoeru schloss die Augen, um nicht mit ansehen zu müssen, wie seine Klassenkameraden weinten. Dass er es hörte, reichte schon völlig. Ein Großteil seiner Klasse hatte Tetsuya bewundert. Außerdem hatte er sich durch andere waghalsige Aktionen den Ruf einer unverletzlichen Person erarbeitet. Durch all diese Ereignisse davor, bei denen Tetsuya sich nicht verletzt hatte, war dieser Schock, den die Klassenkameraden von Atoeru empfanden, noch vergrößert worden. Gerade waren alle ihre Vorstellungen, ja ihre gesamte Welt zerbrochen. Sie hatten geglaubt, dass ihrem Anführer nichts passieren könnte. Atoeru wusste, wie kindisch dieser Traum war, war er doch selbst noch ein Kind, wenn auch erstaunlich reif. Er blendete das Schluchzen der Anderen aus und atmete ruhig weiter. Dies wirkte jedoch nur einige Sekunden. “Entschuldigung, Sensei, mir ist nicht gut. Darf ich auf die Toilette?”, fragte Atoeru, nachdem er es in der Klasse nicht mehr aushielt. Der Lehrer sah ihn an, sah, dass Atoeru ein bisschen blass geworden war, und nickte dann. Atoeru stand auf und verließ das Zimmer. Zuerst wollte er wirklich auf die Toilette gehen, doch dann überlegte er es sich anders. Er ging noch einmal zur Sporthalle und spähte hinein. Raidon hatte inzwischen Verstärkung bekommen. Sein Bruder Yokato, der andere Schulsanitäter, hatte sich von der Klassenarbeit, die er gerade schrieb, entfernen dürfen, auch wenn das eine kleine Diskussion mit dem Lehrer nach sich ziehen würde, und war jetzt ebenfalls an der Sporthalle angekommen. “Was ist passiert?”, fragte er. “Der Junge hier dachte, es wäre cool, auf einem Barren rumzuturnen, unter dem keine Matten lagen”, meinte Raidon. Er hatte gerade den Oberkörper des Jungen vorsichtig angehoben und tastete jetzt den Rücken ab. “Ich denke, ich kann mir vorstellen, was passiert ist”, sagte Yokato nur, dann griff er ebenfalls an den Rücken des Jungen und stabilisierte ihn. Raidon konnte die Wirbel jetzt mit beiden Händen untersuchen. Die beiden waren Geschwister, eineiige Zwillinge sogar, und verstanden sich auch ohne Worte. “Ah. Hier scheint etwas zu sein”, meinte Raidon kurze Zeit später. Er war mit der Untersuchung der Wirbel beinahe bis zum Becken gekommen. “Die Wirbel sind verschoben. Aber so wie es aussieht, nicht weit genug, dass die Nervenbahnen zerrissen wurden, hoffe ich. Er scheint Glück im Unglück gehabt zu haben.” “Dann sollten wir dafür sorgen, dass ihn dieses Glück nicht verlässt”, sagte Yokato. Er ließ den Jungen vorsichtig wieder zu Boden, nachdem Raidon die Untersuchung beendet hatte. “Hatte er sonst noch Verletzungen?”, fragte der Zwilling seinen Bruder. “Einige Prellungen und eine Platzwunde am Kopf. Die habe ich aber bereits versorgt”, antwortete er. Yokato nickte, griff in den Koffer und holte einen Verband heraus, mit dem sie den Rücken stabilisieren konnten. Raidon hatte bereits zwei ausfahrbare Stangen, die er nach langer Diskussion mit der Schulleitung als Zusatz zu der normalen Ausstattung genehmigt bekommen und bestellt hatte, herausgeholt. Er legte die Stangen bereit, um sie schnell verwenden zu können. “Jetzt haben wir ein kleines Problem”, sagte Yokato dann, als er überlegte, wie sie es am geschicktesten anstellen könnten. “Wir bräuchten zwei Hände mehr, um ihn zu stabilisieren!” “Wo bekommen wir so schnell jemanden her, der und helfen kann? Dem Lehrer traue ich das jetzt im Moment nicht zu, der zittert zu stark. Der Schock war zu groß”, meinte Raidon. Dann bemerkte er eine Bewegung an der Tür. “Hey, du, komm mal rein”, sagte er lauter. Atoeru fuhr zusammen. Einer der beiden Igumis hatte ihn entdeckt. Er war sich nicht ganz sicher, welcher es war, aber er schätzte, dass es Raidon gewesen war. Atoeru bewegte sich vorwärts und betrat die Sporthalle. “Du bist einer der Mitschüler, oder?” Raidons Blick bohrte sich in Atoeru wie ein Pfeil. “J... ja”, stammelte der Junge. “Ich bin... Ato... Atoeru. Ich...” “Hilf uns”, unterbrach ihn Raidon. “Ich bin mir sicher, du willst nicht, dass dein Kamerad hier leidet, oder?” 'Will ich das wirklich nicht?', dachte Atoeru, dann bewegte er sich auf die beiden Sanitäter und Tetsuya zu. Er kniete neben der Person, die er wahrscheinlich am meisten hasste, nieder. “Was soll ich tun?”, fragte er. Raidon drückte ihm die Stangen in die Hand. “Yokato wird gleich den Körper deines Freundes anheben. Du hälst die Stangen dorthin, wo ich es dir sage, und ich werde mit einem Verband den Rücken deines Kameraden hier stabilisieren”, erklärte Raidon. Yokato hob den Körper des Jungen vorsichtig an. Raidon zog zwei Linien auf dem Rücken des Verletzten, die entlang der Wirbelsäule verliefen. Atoeru hielt die Stangen an die angezeigten Stellen. Raidon öffnete den Verband und stabilisierte das Rückrat des verletzten Jungen. Als er fertig war bedeutete er Atoeru loszulassen. Yokato ließ den Verletzten langsam zu Boden. Von draußen hörte man das Geräusch der Sirenen. Der Notarzt war eingetroffen. Und ein Krankenwagen war auch dabei. “Danke, Atoeru”, sagte Raidon. “Du hast uns sehr geholfen. Aber jetzt solltest du in deine Klasse zurück!” Atoeru sah Raidon erstaunt an. Dann stand er auf. Er verließ die Sporthalle und kehrte verwirrt in das Klassenzimmer zurück. “Was ist passiert, Atoeru?”, fragte ihn sein Lehrer. Doch Atoeru überhörte die Frage. Er war zu tief in Gedanken versunken. Raidon, derjenige, der an der ganzen Schule noch immer als Schläger verschrien war, hatte sich bei ihm bedankt. Und er selbst hatte geholfen, Tetsuya, seinen Rivalen, die Person, die er wohl am meisten hasste, wahrscheinlich vor einem schlimmen Schicksal zu bewahren. Die Welt war verrückt geworden, so kam es ihm jedenfalls vor. Die Sanitäter kamen mit einer Trage in die Turnhalle. Raidon und Yokato erwarteten sie bereits. “Was ist passiert?”, fragte der Notarzt, der den beiden Trägern folgte. “Der Schüler ist vom Barren gestürzt und mit Rücken und Kopf auf den Boden aufgeschlagen. Er hat einen verschobenen Wirbel, den wir bereits fixiert haben, und eine Platzwunde am Kopf, wahrscheinlich auch eine Gehirnerschütterung. Die Platzwunde ist ebenfalls versorgt. Aber da wir nicht die richtige Ausrüstung haben, können wir nicht sagen, ob er innere Verletzungen hat”, berichtete Yokato schnell und sachlich. “Ihr habt ihn versorgt?”, fragte der Notarzt. Dann sah er den Koffer, der neben dem Jungen auf dem Boden stand. “Ihr seid die Sanitäter der Schule?” “Ja, das sind wir”, antwortete Yokato. “Wenn sie wollen, können wir während der Fahrt weiterreden. Es ist meine Pflicht, den Schüler ins Krankenhaus zu begleiten!” Der Notarzt winkte den Trägern, die die Trage neben dem Schüler auf dem Boden abstellten. Sie beugten sich herunter und hoben den Schüler vorsichtig auf die Trage. Dann deckten sie ihn zu, sicherten ihn und hoben die Trage wieder auf. Der Notarzt bedeutete Raidon, ihm zu folgen, und lief mit den Sanitätern zurück zum Auto. Raidon sah seinen Bruder kurz an, dann folgte er dem Notarzt. Yokato ging zum Koffer und räumte alles, was Raidon für die Behandlung der Platzwunde benutzt hatte, in eine Tasche im Koffer, damit er sich daran erinnerte, es zu desinfizieren. Dann klappte er den Erste-Hilfe-Koffer zu und verließ die Turnhalle. Er schloss die Tür und ging zum Klassenraum, in welchen der Sportlehrer seine Klasse geführt hatte. Er klopfte an und trat ein. “Die Sporthalle bleibt für heute geschlossen”, sagte er dem Lehrer. “Bitte sagen sie das auch den anderen Lehrkräften. Ich werde den Direktor informieren. Wenn es Probleme gibt oder jemand ein bisschen seelische Unterstützung braucht, dann schicken sie die Schüler zu mir. Ich werde vorerst im Krankenzimmer bleiben.” “Ich werde es den Lehrern sagen. Wie geht es ihm? Wird er...”, fragte der Lehrer mit ängstlicher Stimme. Auf seiner Stirn glänzte der Schweiß, denn er wusste, dass er auf jeden Fall eine disziplinarische Ermittlung über sich würde ergehen lassen müssen, und dass der Zustand des Jungen seinen weiteren Berufsverlauf beeinflussen würde. Aber vor allem ging es ihm um den Zustand eines seiner Schüler. “Einer der Rückenwirbel ist verschoben, und er hat eine Platzwunde. Aber wenn er Glück hat, dann sind die Nerven im Rückenmark nicht zerstört”, sagte Yokato. Er verneigte sich vor dem Lehrer und verließ den Raum in Richtung Direktorat. Der Lehrer atmete aus. Er hoffte inständig, dass Tetsuya keine bleibenden Schäden erlitten hatte. Am Abend war Raidon wieder aus dem Krankenhaus zurückgekehrt. Sein Bruder hatte ihm in einer SMS geschrieben, dass er sich beeilen solle, da heute Abend Gäste kommen würden. Raidon fragte sich, was sein Bruder damit meinte, während er im Aufzug darauf wartete, dass er endlich sein Stockwerk erreichte. Als er den Aufzug verließ, stand Yokato vor ihm. Hinter diesem, halb versteckt, stand Atoeru. “Ich habe seine Eltern und ihn eingeladen. Unsere Eltern reden gerade mit seinen”, erklärte Yokato. “Als unsere Eltern erfahren haben, was heute passiert ist und wie gut Atoeru uns geholfen hat, wollten sie ihn und seine Eltern unbedingt kennenlernen.” Raidon, der dieses Verhalten seiner Eltern nur allzu gut kannte, grinste. “Gut, das erklärt, was du mit 'Gästen' meintest”, sagte Raidon. Er ging an Yokato vorbei auf Atoeru zu. Dieser wich unwillkürlich zurück. “Du musst keine Angst haben. Ich bin nicht mehr der alte, der jeden zusammengeschlagen hat, der ihm über den Weg lief”, meinte Raidon lächelnd. “Nochmals danke für deine Hilfe, Atoeru!” “Gern... gern geschehen”, antwortete dieser. Die drei gingen wieder in die Wohnung zurück und setzten sich zu den Erwachsenen an den Tisch. Später am Abend verließen Raidon, Yokato und Atoeru den Tisch, an dem ihre Eltern sich immer noch unterhielten, und verschwanden in das Zimmer der Zwillinge. Yokato und Raidon sahen sich an, dann atmeten beide laut aus. “Ich hasse es, wenn unsere Eltern uns immer in das Gespräch einbinden müssen”, meinte Raidon dann. “Besonders...” “Wenn es um Politik geht”, beendete Yokato den Satz. Atoeru sah die beiden verwundert an. “Entschuldige bitte, eine alte Angewohnheit”, klärte Yokato den Jungen auf. “Damit haben wir früher unsere Eltern immer zur Weißglut gebracht!”, ergänzte Raidon. “Wir haben jeden Satz...”, begann Yokato wieder. “getrennt und uns mit...”, sprach Raidon weiter. “dem Sprechen abgewechselt”, beendete Yokato den Satz. “Ich kann verstehen, dass das eure Eltern genervt hat”, meinte Atoeru lachend. “Es ist etwas komisch, euch zuzuhören. Besonders, wenn ihr die Sätze des anderen beendet!” Raidon und Yokato nickten. Sie setzten sich auf ihre Betten und boten Atoeru einen der Schreibtischstühle zum sitzen an. Der Junge nahm Platz. “Yokato, du hast vorhin gesagt, du hättest mich und meine Eltern eingeladen, weil ich euch geholfen habe”, fragte Atoeru in die entstandene Stille hinein. Yokato nickte. “Ja. Ich habe meinen Eltern erzählt, was passiert ist, und dass du ein sehr hilfsbereiter Mensch bist. Außerdem wollte ich versuchen, deine Eltern dazu zu bringen, dich ebenfalls zu einem Schulsanitäter werden zu lassen. Du bist intelligent und hast eine rasche Auffassungsgabe”, erklärte Yokato. “Wenn wir zu dritt wären, würde es besser gehen. Du hast ja gesehen, manchmal reichen zwei Leute nicht aus”, führte Raidon das Thema weiter. “Außerdem hätten wir dann, wenn wir von der Schule abgehen, schon einen weiteren Sanitäter, der unsere Sache weiterführen könnte.” “Und du könntest viel dabei lernen”, erklärte Yokato. “Allerdings würdest du erst in etwa zwei Jahren offiziell dabei sein. Das Mindestalter liegt bei zwölf. Aber ich denke, im Notfall können wir dich rufen, das dürfte gehen. Nur müssen deine Eltern einverstanden sein!” “Und deshalb erklären unsere Eltern deinen Eltern gerade, warum du ein sehr guter Schulsanitäter wärst und was du dabei alles lernen könntest”, beendete Raidon die Erklärung. Atoeru sah die beiden verwirrt an. “Ihr wollt... dass ich... ein Sanitäter werde? So wie ihr?”, fragte er dann. “Um es einfach zu sagen, ja, das wollen wir. Allerdings nur, wenn du auch willst. Letztenendes liegt die Entscheidung bei dir”, beantwortete Yokato die Frage des Jungen. Atoeru sah Yokato an. Dann blickte er zu Raidon. In seinen Augen konnten beide das Feuer der Begeisterung erkennen. “Was heißt hier wollen? Natürlich will ich das werden”, rief Atoeru begeistert. Doch noch bevor er oder die beiden Älteren etwas sagen konnten, erschien in ihrer Mitte eine Art Strudel. Zuerst bewegte er sich kaum, dann jedoch drehte sich dieser immer schneller. Die Jugendlichen wurden hineingezogen. Atoeru, der auf dem Bürostuhl saß, wurde sofort hineingezogen, mitsamt dem rollenden Stuhl. Die Älteren blieben noch kurz auf ihren Betten sitzen, dann wurden sie ebenfalls in den Strudel hineingezogen. In wilder Angst packten sie alles, was ihnen gerade zwischen die Finger kam. Leider erwischten die Zwillinge keines der Betten, um sich daran festzuhalten. Raidon erwischte den Stapel Decken, der vor seinem Bett lag, und Yokato nur den Koffer daneben. Dann wurden sie mitsamt den Gegenständen, an denen sie sich festgekrallt hatten, in den Strudel gezogen. Nachdem sie hindurch waren, verschwand der Strudel. Das Zimmer, in welchem die drei gerade eben noch gesessen hatten, bot ein Bild der Verwüstung. Es sah aus, als wäre ein kleiner Tornado hindurchgefegt und hätte alles durcheinandergeworfen, was nicht niet- und nagelfest gewesen war. Die Schreibtische, die vorher ordentlich aufgeräumt waren, waren mit Splittern von Stiften und Papierfetzen übersäht, ebenso wie der Boden. Die Schränke waren geöffnet und die Kleider wahllos im Zimmer verstreut. Das alles war so schnell gegangen, dass keiner der Jungen Zeit hatte, zu schreien. Eine halbe Stunde später betraten die Eltern der Kinder das Zimmer. Als sie die Verwüstung sahen und sahen, dass von ihren Kindern keine Spur mehr zu finden war, riefen sie die Polizei. Raidon erwachte. Er lag mit dem Bauch auf dem Boden. Vor ihm lag der Stapel Decken, den er in seiner Panik gegriffen hatte. Er richtete sich auf. Rechts von ihm stand der Bürostuhl, und darauf saß ein beinahe ganz erstarrter Atoeru. Der Junge zitterte am ganzen Leib, aber ansonsten zeigte nichts, dass er noch lebte. Links von Raidon lag Yokato. Er hatte den Erste-Hilfe-Koffer, den die beiden in ihrem Zimmer aufbewahrten, in seiner Hand. “Was ist passiert?”, fragte Yokato. Er erhob sich und stellte den Koffer ab. Dann sah er sich um. “Und wo sind wir?” “Wenn ich das wüsste”, entgegnete Raidon. “Da war dieser Strudel, und dann waren wir hier. Ich weiß nicht, wie das möglich ist!” Beide sahen zu Atoeru. Der Junge hatte seine Hände an die Armlehnen des Stuhles gekrallt. “Alles in Ordnung? Hast du dich verletzt?”, fragte Yokato den Jungen. Dieser schüttelte den Kopf. Raidon trat zu ihm. “Was auch immer passiert ist, du musst keine Angst haben. Schließlich sind Yokato und ich auch noch da!” Yokato sah seinen Bruder beinahe ebenso erstaunt an wie Atoeru. Seit Yokato Raidon kannte, hatte sich dieser niemals um andere gekümmert, außer in einem Falle, bei dem ein kleiner, fünfjähriger Junge gesehen hatte, wie sich sein Bruder schwer verletzt hatte. Sonst hatte er zwar seine Arbeit als Sanitäter getan, aber das schnell, effizient und ohne auf andere einzugehen. Es schien, das Raidon Mitleid mit dem Jungen hatte. Dann hörten sie einen Schrei, und alle drei erschraken. Dieser Schrei, der aus weiter Ferne zu kommen schien, hatte einen Klang, den sie noch nie gehört hatten. “Was das auch immer war, wir sollten weg”, meinte Raidon. Dann hörten sie ein Fauchen. Es war viel näher. Als sich Raidon in die Richtung drehte, aus der das Fauchen gekommen war, sah er eine Echse hinter einem Baum hervorkommen. Sie war größer als er, mindestens 1.80 und lief auf zwei Beinen. Das Maul der Echse war mir scharfen Zähnen bestückt, und die Krallen sahen bedrohlich aus. Atoeru begann zu schreien, doch Raidon hielt ihm sofort den Mund zu. “Reiz es nicht”, sagte er. Raidon hatte dieses Tier schon einmal gesehen. Jedoch nur als Skelett im Museum und auf Darstellungen. Es war ein Dinosaurier. Ein Velociraptor. Er zog Atoeru langsam vom Stuhl herunter. Die Echse musterte die drei Menschen neugierig. Immer wieder ließ sie die Zunge vorschnellen. 'Sie riecht', schoss es Yokato durch den Kopf. Er hatte genug Dokumentationen über Echsen gesehen, um das zu erkennen. „Ganz langsam. Wir müssen weg. Dreht euch ganz langsam um. Und dann, wenn ich es sage... LAUFT!!” Atoeru und Raidon rannten los, weg von der Echse. Yokato folgte ihnen. Sie rannten einfach in den Dschungel hinein und hofften, dass das Tier hinter ihnen sie nicht erwischen würde. Diese Hoffnung erwies sich jedoch als falsch, das Tier hatte sie sehr schnell eingeholt. Dann hörten sie einen Schuss aus der Richtung, in die sie liefen, und einen gequälten Aufschrei von dem Tier hinter ihnen. Sie blieben nicht stehen, um zu sehen, was passiert war, sondern rannten weiter in die Richtung, aus der der rettende Schuss gekommen war, ohne sich zu fragen, ob sie dort wirklich sicherer waren. Kapitel 3: Verschwundene Schwestern ----------------------------------- Kapitel 3 Verschwundene Schwestern Sakura wurde vom Klopfen an ihrer Tür geweckt. Sie richtete sich in ihrem Bett auf und rieb sich verschlafen die Augen. Ihr Zimmer lag im Halbdunkel, durch die Schlitze der Rolladen fielen dünne, helle Lichtstrahlen auf den Boden des Zimmers. Sakura schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Das Klopfen an der Tür wurde eindringlicher. Sakura fuhr sich mit ihrer linken Hand durch ihre langen Haare, um sie wenigstens etwas zu glätten. „Ich komme ja gleich“, murmelte sie verschlafen. Sie bewegte sich langsam auf die Tür zu und öffnete diese. Davor stand ein kleines Mädchen. „Was ist denn, Yoko?“ Das Mädchen lächelte Sakura an. „Das Essen ist fertig. Mama hat gesagt, ich soll dich holen. Du bist heute ziemlich spät dran!“ Das Mädchen kicherte, dann fasste es Sakura am Handgelenk und zog sie mit sich. Auch wenn Sakura um einiges größer war,wurde sie von Yoko mitgezogen. Aber Sakura wehrte sich auch nicht dagegen. „Warum gibt es denn so früh Frühstück?“, fragte Sakura auf dem Weg hinunter in die Küche mit verschlafener Stimme. „Es sind doch Ferien. Warum müssen wir da so früh aufstehen?“ „Früh?“ Yoko kicherte wieder. „Schwesterchen, es ist halb zwei. Es gibt Mittagessen. Das Frühstück hast du verschlafen.“ Yoko kicherte den ganzen restlichen Weg bis in die Küche. Sakura sah ihre kleine Schwester böse an, dann jedoch musste sie lächeln. Sie konnte ihrer kleinen Schwester nicht lange böse sein. Als sie die Küche betrat, sah Sakura, dass es wirklich schon Mittagessen gab. „Schön, dass du auch schon aufgestanden bist“, wurde sie von ihrer Mutter freundlich begrüßt. Sakura lächelte ihrer Mutter zu und setzte sich an den Tisch. Yoko setzte sich neben sie. “Mama, du weißt doch, es sind Ferien. Da schlaf ich eben gerne lang”, entgegnete Sakura. Sie sah zu ihrer Mutter, die gerade am Herd stand und in einem Wok Fleisch und Gemüse garte. “Du schläfst auch sonst lang”, warf Yoko ein. Sie grinste ihre große Schwester an und wich deren Hand, die ihr einen sanften, aber dennoch bestimmten Schlag auf den Hinterkopf geben wollte, geschickt aus. “Das schaffst du schon lange nicht mehr”, meinte das junge Mädchen grinsend. Sakura schüttelte nur den Kopf über ihre kleine Schwester. 'War ich früher auch so?', fragte sie sich. Sie sah wieder ihre Mutter an und war ein wenig erstaunt über das Grinsen in deren Gesicht. 'Ich war so wie Yoko', dachte sie dann. Etwas anderes konnte das Grinsen ihrer Mutter nicht bedeuten. Sakura seufzte und lehnte sich im Stuhl zurück. Yoko sah ihre große Schwester fragend an. Sie hatte den Blickkontakt zwischen dieser und ihrer Mutter nicht bemerkt, sie hatte lieber einen kleinen roten Schmetterling beobachtet, der durch das Küchenfenster hereingeflogen war und jetzt in der Küche umherflog. “Was ist denn, Sakura?”, fragte Yoko ihre große Schwester neugierig. Sakura sah sie an und musste wieder lächeln. “Nichts, Yoko. Es ist nichts”, entgegnete Sakura dann. “Nur ein komischer Gedanke.” Yoko sah ihre große Schwester wenig überzeugt an, da sie erkannte, wenn Sakura log. Sie sagte jedoch nichts weiter, sondern drehte sich wieder zum Tisch und suchte mit ihren Augen den Schmetterling. Sie sah ihn gerade noch aus dem Fenster davonfliegen. Dann sah Yoko wieder zu ihrer Mutter, die gerade das Essen auf Teller verteilt hatte und diese nun zum Tisch brachte. “Danke, Mama”, rief Yoko begeistert, als ihre Mutter ihr den Teller hingestellt hatte. Das Mädchen nahm die Hello-Kitty-Essstäbchen, die ihr ihre Mutter geschenkt hatte, mit begann sofort zu essen. Ihre große Schwester sah auf den Teller, dann nahm sie ihre schlichteren Essstäbchen und begann ebenfalls zu essen. Nach dem Essen stand Yoko auf und lief, bevor ihre Mutter noch etwas sagen konnte, hinaus in den Garten. Sakura sah ihr hinterher, dann widmete sie sich wieder ihrem Essen. Yoko hatte die Angewohnheit, sehr schnell zu essen, während Sakura das Essen genoss. Sie schüttelte den Kopf, dann nahm sie ein weiteres Stück Fleisch und führte es zum Mund. Sie hob es in den Mund, ließ es mit den Stäbchen los und aß es. Yoko lief den Gartenweg entlang. Sie betrachtete die Rosenbüsche, die den Weg säumten, interessierte sich dann aber mehr für eine kleine grüne Echse, die gerade hinter einem Baum im Garten verschwunden war. Sie hatte grüne Schuppen und lief auf zwei Beinen. Sie hatte diese Echse schon einmal gesehen, in irgendeinem Buch, aber sie konnte sich nicht mehr erinnern, in welchem es gewesen war. Aber das war ihr egal. Sie lief in Richtung des Baumes, hinter dem die Echse verschwunden war. Sie umrundete den Baum und suchte nach der Echse, konnte sie aber nicht mehr entdecken. Dann hörte sie ein Piepsen aus dem Baum. Sie sah nach oben und sah mehrere dieser Echsen auf den Ästen sitzen. Alle schienen sie anzusehen. Dabei hatten sie die Köpfe schiefgelegt, als wollten sie etwas fragen. Eine von ihnen stieß den Piepslaut aus, den sie gehört hatte. Yoko lächelte. Sie mochte diese kleinen Echsen. Sie beobachtete, wie eine von ihnen auf einen der tieferen Äste sprang und ihn entlanglief. Als sie sah, wie der Kopf der Echse bei jedem Schritt nach vorne und hinten wippte, musste sie kichern. Yoko drehte sich um und rannte zum Haus zurück. Sie wollte ihrer Schwester unbedingt diese lustigen Echsen zeigen. Auch wenn Sakura sich normalerweise vor Echsen fürchtete. Sakura war gerade fertig mit dem Essen und hatte den Teller zur Spülmaschine gebracht, als Yoko wieder in die Küche stürmte. Sie war noch schneller als zu dem Zeitpunkt, als sie die Küche verlassen hatte. “Sakura, du musst mitkommen. Das musst du sehen”, rief Yoko freudig und ergriff die Hand ihrer Schwester. “Ich hab was lustiges entdeckt!” Sie zog ihre große Schwester mit sich aus der Küche und in den Garten. “Was ist denn, Yoko? Was willst du mir zeigen?”, fragte Sakura schließlich, als sie den Garten betraten. Yoko ignorierte die Frage ihrer Schwester und zog sie weiter in Richtung des Baumes, auf welchem die Echsen gesessen hatten. Sie hoffte, dass diese kleinen, lustigen Echsen noch dort waren. Ihre Schwester hielt jedoch an, und Yoko konnte nichts dagegen tun, da ihre Schwester älter und stärker als sie war. “Bevor du mir nicht sagst, was du mir zeigen willst, gehe ich keinen Schritt weiter”, sagte Sakura ernst und mit einem leicht zornigen Unterton in der Stimme. Sie war es nicht gewohnt, dass etwas nicht nach ihrem Willen ging. Sie riss sich von der Hand ihrer Schwester los, ging einen Schritt zurück und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. “Ich wollte dir etwas lustiges zeigen”, meinte Yoko. “Aber ich will dir die Überraschung nicht verderben, deshalb sag ich dir nicht, was es ist!” “Ich will mich aber nicht überraschen lassen, Yoko. Also entweder, du sagst mir, was du mir zeigen willst, oder ich gehe wieder rein!” Sakuras Stimme war ärgerlich geworden. Sie hasste es, wenn man ihr widersprach. Ihr wurde nie widersprochen. Sie bekam alles, was sie sich wünschte. Jedenfalls von ihrem Vater. Aber auch ihre Mutter widersprach ihr normalerweise nicht, es sei denn, es ging um die Ordnung in ihrem Zimmer. “Sakura... bitte. Ich will dich überraschen”, sagte Yoko nach kurzem Zögern mit leicht weinerlicher Stimme. Aus ihrem linken Auge floss eine Träne und kullerte über ihre Wange bis hin zu ihrem Kinn. Als Sakura das sah, verflog ihre schlechte Laune. Sie löste ihre verschränkten Arme, ging zu Yoko und nahm sie in den Arm. “Tut mir leid, Yoko. Ich wollte dich nicht zum weinen bringen. Ich lasse mich nur einfach nicht gerne überraschen”, flüsterte Sakura ihrer kleinen Schwester ins Ohr. Diese sah Sakura jedoch immer noch mit weinerlichen Augen an. “Du bist gemein”, sagte das kleine Mädchen schließlich. “Ich will dir was tolles zeigen, und du... du... du bist so gemein zu mir!” Yoko drehte löste sich aus der Umarmung ihrer Schwester und rannte in Richtung des Baumes davon. Sakura sah ihr hinterher. 'Jetzt ist sie wütend auf mich. Das wollte ich nicht', dachte sie sich. Aber sie wusste, dass sich Yoko bald wieder beruhigen würde. So war es bisher immer gewesen. Aber Sakura war nun doch ein bisschen neugierig geworden, was Yoko ihr unbedingt hatte zeigen wollen. Sie lief langsam den Weg entlang, den Yoko genommen hatte, als sie weggelaufen war. Yoko rannte in Richtung des Baumes, auf dem die Echsen gesessen hatten. Sie weinte. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht und hinterließen ihre feinen Spuren. Yoko wusste, dass ihre Schwester es nicht so gemeint hatte, aber sie war dennoch wütend auf sie. Sie wusste, dass sie sich später bei Sakura für diese egoistische Reaktion entschuldigen sollte. Aber das interresierte sie jetzt gerade nicht. Sie wollte nur ein bisschen allein sein. Dann stand sie wieder vor dem Baum. Die Echsen saßen noch immer auf den Ästen. Sie blickten Yoko wieder mit schiefgelegten Köpfen an. Eine von ihnen sprang von einem niedrigen Ast und näherte sich Yoko vorsichtig. Der Kopf der Echse wippte vor und zurück, wie Yoko es vorher schon beobachtet hatte. Erst jetzt merkte sie, dass diese Echsen gar nicht so klein waren. Die Echse, die sich ihr näherte, war gut und gerne fünfundzwanzig Zentimeter groß. Und Yoko sah nun auch, dass das Gebiss der Echse mit kleinen, aber scharfen Zähnen bestückt war. 'Oh nein... Wie... Warum... Wo kommen die denn her?', dachte sie dann, denn ihr war endlich eingefallen, wo sie solche Echsen bereits gesehen hatte. In einem ihrer Bilderbücher. Einem Bilderbuch über Dinosaurier. Den Namen der Dinosaurier konnte sie sich nicht merken oder aussprechen, aber sie wusste, es waren Dinosaurier. Die Echse hatte sich Yoko bis auf Armlänge genähert, dann blieb er stehen. Der Dinosaurier sah sie an und legte dabei wieder den Kopf schief. Dann sprang er vor und biss Yoko in den Arm. “AHHHH!”, schrie die Gebissene auf. Sie sprang auf und merkte, dass ihre Sicht leicht unscharf wurde. Sie sah die Dinosaurier an, dann knickte sie ein und fiel auf die Knie. Nun sprangen auch andere Dinosaurier vom Baum und näherten sich ihr. Yoko merkte noch, wie ihre Augenlider schwer wurden, dann wurde sie ohnmächtig. Der Dinosaurier hatte ihr ein leichtes Nervengift injiziert, dass sie lähmte. Sakura hörte ihre Schwester schreien. Sie rannte sofort los und sah Yoko auf dem Rasen vor einem Baum liegen. Um sie herum standen mehrere grüne Echsen, die etwa 30 Zentimeter groß waren. Eine davon näherte sich Yoko und zupfte an ihren Haaren. Yoko regte sich nur schwach. 'Was sind denn das für Viecher?', dachte Sakura, dann rannte sie auf die Echsen zu und versuchte, sie von Yoko wegzuscheuchen. Die Echsen liefen einige Schritte weg, dann drehten sie sich um und sahen Sakura an. Sakura beobachtete die Echsen genau, während sie sich zu ihrer Schwester kniete, sie an den Schultern packte und leicht schüttelte. “Yoko, komm zu dir. Was ist los?” Sakuras Stimme war voller Sorge um ihre Schwester. Nach einigen Sekunden des Schüttelns bewegte sich Yoko stärker. Schließlich schlug Yoko die Augen auf. Das Gift wirkte bei ihr nicht lange, da es nicht für Lebewesen dieser Größe gedacht war. “Alles klar, Yoko? Was ist passiert?”, fragte Sakura ihre Schwester. Diese sah sie mit großen Augen an. Sie wusste, dass Sakura den Streit vergessen hatte und war froh darüber. “Ich hab diese Echsen da drüben beobachtet. Eine... hat mich gebissen... und ich bin umgekippt”, erzählte sie. Dann spürte sie die Bisswunde am Arm und begann ein bisschen zu weinen. “Das tut weh!” Sakura half ihrer Schwester auf die Beine. “Wir gehen jetzt rein, dann behandelt Mama die Wunde und dann erzählen wir ihr von den Echsen da”, schlug Sakura vor. Sie nahm ihre Schwester am Arm und wollte sie in Richtung Haus ziehen. Aber sie bewegten sich nicht vom Fleck. “Was...”, begann Sakura, dann drehte sie sich um und sah den Strudel. Er war klein, gerade mal einen halben Meter im Durchmesser, aber der Sog war stark. Die Echsen waren bereits eingesogen worden. Sakura sah gerade, wie die letzte hineingerissen wurde und verschwand. Dann wurde der Sog zu stark für sie, Sakura und Yoko verloren den Boden unter den Füßen und verschwanden ebenfalls im Strudel. Der Sog wurde noch stärker, und die umstehenden Bäume wurden entwurzelt. Sie flogen ebenfalls auf den Strudel zu, doch dieser war plötzlich verschwunden. Die Bäume krachten zu Boden, da sie von nichts mehr angezogen wurden, und der Garten blieb verwüstet zurück. Als Sakura erwachte, waren sie umzingelt. Diese Echsen waren überall um sie herum. Sie hüpften auf und ab und sahen die beiden Mädchen scheinbar neugierig an. Die Mädchen sahen die Echsen an, dann sahen sie, dass sie nicht mehr zu Hause waren. Sie befanden sich auf einer Ebene, die von meterhohem Gras bewachsen war. Es gab kaum Hügel oder gar Berge, nur in der Ferne konnten sie eine Erhebung erkennen. Dann sahen sie die Tiere. Sie waren groß. Sie hatten ledrige oder teilweise sogar schuppige Haut. Und sie konnten eigentlich gar nicht mehr existieren. “Sind das... sind das... Dinosaurier?”, fragte Sakura entsetzt. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. An der Wasserstelle, die sie sehen konnten, stand eine Herde Parasaurolophier und trank Wasser, in der Nähe der Herde sah man mehrere Brachiosaurier die Bäume, die am Ufer der Wasserstelle wuchsen, abweiden. In der Ebene sah sie auch eine Gruppe Triceratopsiden, die gemächlich in Richtung der Wasserstelle lief. Sakura schrie. Sie schrie laut und schrill. Yoko wurde durch den Schrei aus ihrer Ohnmacht geweckt. Sie öffnete die Augen und sah Sakura neben sich sitzen. Sie merkte, dass es ihre Schwester war, die schrie. Yoko richtete sich schnell auf und sah sich um. Als sie die Dinosaurier und die Umgebung sah, erschrak sie und sprang auf. Dann bemerkte auch Yoko die Dinosaurier, die sich um die beiden Mädchen versammelt hatten. Einer von diesen Dinosauriern hatte sie gebissen. Sie konnte sich gut an das Aussehen dieser Dinosaurier erinnern. Schnell drehte sie sich zu Sakura um. “Sakura... ich hab Angst”, wimmerte Yoko, nachdem sie sich nochmals kurz umgesehen hatte. “Wo sind wir? Wo sind Mama und Papa? Ich will heim!” Yoko klammerte sich an Sakura fest und begann leise zu weinen. Sakura beruhigte sich ein ganz kleines bisschen, als Yoko sich an sie klammerte. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre kleine Schwester schrecklich zitterte. Sakura legte schnell einen Arm um sie. “Ist ja gut, Yoko. Ich weiß zwar nicht, wo wir sind, aber ich bin sicher, dass uns unsere Eltern suchen und finden werden. Du musst keine Angst haben!” An Sakuras Stimme konnte man allerdings hören, dass sie das, was sie gerade zu ihrer Schwester gesagt hatte, nicht wirklich glaubte. Auch ihre Schwester hatte das gemerkt, denn sie weinte nun noch stärker und ihr kleiner Körper wurde von ihrem Schluchzen durchgeschüttelt. Sakura umarmte ihre Schwester und drückte sie an sich, unfähig, mehr für sie zu tun. Dann sah Sakura, wie sich die kleinen Dinosaurier von ihnen abwandten und wegzurennen begannen. Sakura drehte sich um und sah in der Ferne ein riesiges Wesen auf sich und Sakura zukommen. Es hatte kurze Stummelarme, sehr kräftige Beine und einen großen Schädel mit großen, scharf aussehenden Zähnen. Sakura hatte genug Bücher mit Dinosaurierabbildungen gesehen, um einen Tyrannosaurier zu erkennen, auch wenn die Abbildungen meist andere Farben gehabt hatten. Auf jeden Fall hatte sie nur wenige gesehen, die ein grün-braunes Tarnmuster besessen hatten. Sie löste die Umarmung, stand auf und zog Yoko, welche immer noch weinte, sanft auf die Füße. “Wir müssen hier weg, Yoko. Halt dich an meiner Hand fest. Und schau nicht nach hinten, ok?” Sakuras Stimme klang panisch, und auch in ihrem Gesicht sah man, dass sie sich sehr fürchtete. Yoko nickte, sie vertraute ihrer Schwester. Das hatte sie bisher immer getan. Nie hatte sie darunter gelitten, jedenfalls nicht, soweit sie sich erinnern konnte. Sie nahm Sakuras Hand. Sie würde ihrer Schwester auch dieses mal vertrauen, auch wenn die Panik in deren Stimme sie nicht gerade ruhiger werden ließ. Sakura rannte los und zog Yoko mit sich. Diese rannte ihrer Schwester nach. Die beiden rannten auf den nahen Wald zu, hoffend, dass dieser große Dinosaurier nicht durch die Bäume kommen würde. Während sie liefen, spürten sie, wie der Boden leicht anfing zu beben. Sakura sah sich um und merkte, dass der Dinosaurier nähergekommen war. Das Beben kam von seinen Schritten. Dann brüllte der Dinosaurier, und die beiden Mädchen zuckten erschrocken zusammen. Sakura beschleunigte und wurde so schnell, wie ihre Schwester gerade noch mitkam, aber der Dinosaurier kam dennoch immer näher. 'Er ist schnell', dachte Sakura. Sie hoffte, dass sie es noch bis in den Wald schaffen würden, auch wenn sie nicht wusste, was sie dann tun sollten. Sie lief einfach weiter und zog ihre kleine Schwester mit sich. Als sie schließlich den Waldrand erreicht hatte, wurde sie langsamer, denn sie war erschöpft und das Adrenalin in ihrem Körper hatte seine Wirkungskraft verloren. Sie blickte hinter sich und sah, dass der Tyrannosaurier ein Stück hinter dem Rand des Waldes angehalten hatte. Die Bäume standen dort schon zu dicht, als das er hindurchgepasst hätte. Sakura hielt an. Sie keuchte. Yoko, welche immer noch Sakuras Hand umklammert hielt, keuchte ebenfalls. Sie weinte immer noch und Sakura spürte das Zittern ihrer Schwester. Aus dem Wald konnten sie Fauchen hören, es klang allerdings, als wäre es nicht sehr nahe. “Sakura, wo sind wir?”, fragte Yoko panisch. Sie sah sich im Wald um. Dann sah sie in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Als sie den Tyrannosaurier erblickte, schrie sie auf und klammerte sich wieder an ihrer Schwester fest. Dann spürte sie, wie ihre Beine beim Anblick des Dinosauriers mit seinem vor Zähnen starrenden Maul, den kurzen Stummelarmen und den dafür um einiges kräftigeren Beinen, der vor den Bäumen stand, nachgaben. Sie sank zu Boden, dann wurde sie von Angst erfasst und sie schrie. Der schrille Schrei hallte laut durch den Wald. Sakura legte den Arm um ihre kleine Schwester und drückte sie an sich. Dabei ging sie immer tiefer in den Wald und weg von dem Dinosaurier, der ihre kleine Schwester so erschreckt hatte. Nachdem sie einige Minuten gegangen waren, sah Yoko ihre große Schwester mit ihren verweinten Augen an. Sakura entgegnete den Blick, dann drückte sie Yoko an sich und begann ebenfalls zu weinen. “Sakura... ich... ich... ich habe...”, schluchzte Yoko leise. Sakura strich ihr beruhigend über den Rücken. “Ich habe... ich... ich habe... Angst”, schluchzte Yoko, dann wurde sie wieder von Schluchzen geschüttelt und schlang ihre Arme um ihre Schwester. Sakura drückte Yoko nur noch fester an sich. Sie hatte sich während der ganzen Zeit langsam rückwärts bewegt und lehnte nun an einem großen Baum. Sie sank zu Boden, zog ihre Schwester mit sich und lehnte sich an den Baum. Keines der beiden Mädchen bemerkte in diesem Augenblick den kleinen grünen Dinosaurier, der es sich auf einem der Äste des Baumes gemütlich gemacht hatte und der sich eine der Früchte des Baumes, die einem Apfel ähnelten, verspeiste. Es war ein Dinosaurier von der Art, die die beiden Mädchen in ihrem Garten gesehen hatten. Er schien sich aber nicht für die beiden zu interessieren. Er sah sie kurz mit schiefgelegtem Kopf an, dann biss er wieder in die Frucht und ignorierte die Menschen, die an den Baum gelehnt dasaßen und weinten. Eine halbe Stunde später hatten beide endlich aufgehört zu weinen. Yoko zitterte allerdings noch vom Schluchzen, das sie immer noch erfasst hatte. Sakura hatte immer noch ihre Arme um Yoko gelegt und wurde ebenfalls vom Schluchzen ihrer Schwester zum Zittern gebracht. Dann hörte sie, wie etwas knurrte. Es war allerdings kein Dinosaurier oder etwas in der Art, sondern ihr Magen. Auch Yokos Magen knurrte. Und sofort begann diese wieder zu weinen und zu jammern. Sakura sah sich endlich um und bemerkte die Früchte, die in einiger Höhe über ihrem Kopf hingen. “Yoko, hast du Hunger?”, fragte sie ihre Schwester. Eigentlich wollte sie ihre Stimme freundlich klingen lassen, als ob nichts passiert wäre, aber das Ergebnis klang eher hysterisch. Yoko sah sie an und nickte. “Ja, ich hab Hunger. Ich will Mamas gebratene Nudeln essen”, jammerte sie. Sie hatte kurzzeitig vergessen, wo sie waren. Dann erinnerte sie sich wieder und begann stärker zu weinen. “Ruhig, Yoko, ruhig. Ich bin sicher, es gibt einen Weg nach Hause”, flüsterte Sakura Yoko ins Ohr. “Aber damit wir ihn auch suchen können, müssen wir was essen.” Sakura löste die Umarmung ihrer Schwester und ihre eigene, dann stand sie auf und versuchte, eine der Früchte zu greifen. Sie hingen jedoch außerhalb ihrer Reichweite, etwa drei Meter über dem Boden. Sakura griff einen abgebrochenen Ast, der in der Nähe lag, und schlug damit gegen einen Ast des Baumes, an dem mehrere Früchte hingen. Allerdings hatte der Ast, den Sakura genommen hatte, schon länger am Boden gelegen und war morsch. Er zerbrach, als sie damit zuchlug. Die Früchte am Baum wackelten etwas, aber sie lösten sich nicht. Sakura beugte sich zu der immer noch sitzenden Yoko. “Warte kurz, Yoko, gleich gibt es etwas zu essen”, flüsterte sie, dann versuchte sie, auf den Baum zu klettern. Beim ersten Versuch verfing sich ihr Kleid an einem kleinen Ast, der am Baum wuchs, und bekam einen großen Riss. Der Riss erstreckte sich vom Ende des Kleides bis fast hinauf zur Hüfte. Sakura interresierte sich aber nicht mehr für ihr Aussehen, es ging ihr nur darum, etwas zu essen zu besorgen. Sie schaffte es, bis zu den tiefsten Ästen mit Früchten, die sich auf etwa drei Metern Höhe befanden, zu klettern. Durch kleine, neue Äste und durch abgebrochene oder abgestorbene Äste hatte sie genug Trittmöglichkeiten. Nachdem sie oben angekommen war, pflückte sie einige der Früchte. In die erste biss sie hinein, um sie zu probieren. Es handelte sich tatsächlich um Äpfel. Sakura biss noch einmal ab, dann pflückte sie weitere und ließ sie zu Boden fallen. Sie schlugen auf dem Boden auf, aber da es ein weicher Waldboden war, zerplatzten sie nicht, sondern landeten ganz. Sakura kletterte wieder vom Baum, nachdem sie etwa ein Dutzend Äpfel zu Boden befördert hatte. “Kann man die essen?”, fragte Yoko ängstlich. Sie sah die Äpfel, die ihre Schwester gepflückt hatte, an, dann hob sie einen hoch. “Ja, man kann sie essen. Ich hab schon einen probiert. Sie schmecken genau wie Äpfel bei uns daheim”, sagte Sakura. Zu spät merkte sie, dass sie ihr Zuhause erwähnt hatte. Yoko hatte schon wieder weinerliche Augen bekommen. “Es ist schon gut, Yoko. Wir kommen nach Hause, glaub mir!” Sakuras Stimme hatte wieder ein bisschen Ruhe gewonnen, und als Yoko das hörte, rieb sie sich kurz die Augen, dann brachte sie eine sehr armselige Version eines Lächelns zustande. Sie biss in den Apfel, den sie aufgehoben hatte. Sie aß ihn ganz auf und auch einen zweiten. Sakura aß ebenfalls zwei Äpfel. Den Rest teilte sie auf. Sie gab Yoko zwei große Äpfel und nahm selbst ebenfalls zwei, die sie als Vesper gedacht hatte. Yoko steckte sich die Äpfel in die Taschen ihres Kleidchens -Sakura beneidete sie um die Taschen, die sich immer an Kleidern für kleine Mädchen befanden-, dann sah die Jüngere ihre Schwester wieder mit Augen voller Tränen an. “Ich muss ganz dringend”, sagte sie. “Ich muss aufs Klo!” Sakura lächelte sie an. “Hier gibt es kein Klo, Yoko”, sagte sie ruhig. 'Warum haben wir mit ihr noch nie Ausflüge in die Natur gemacht? Seit sie geboren ist, haben wir keine Ausflüge mehr in die Natur gemacht!' Sakura überlegte, wie sie es ihrer Schwester am besten erklären konnte. “Du gehst einfach hinter den Baum dort”, begann sie dann, “ziehst die Hose runter, gehst in die Hocke und pinkelst!” Yoko sah sie weiter mit verweinten Augen an. “Ich muss aber kein Pipi”, sagte sie. Sakura sah sich um und suchte nach Blättern, Farn, irgendetwas, das ihre Schwester als Klopapier nutzen könnte. “Das geht genauso”, sagte Sakura. “Geh schon, Yoko!” Yoko sah ihre Schwester an, dann lief sie zu dem Baum, auf den ihre Schwester gezeigt hatte. Sakura hatte inzwischen einige Blätter Farnkraut gefunden und ausgerissen. Sie lief zu dem Baum, hinter dem ihre Schwester verschwunden war, und gab ihr die Blätter. “Nutz die als Klopapier”, sagte Sakura, dann wartete sie. Kurze Zeit später kam Yoko wieder hinter dem Baum hervor. Ihr Gesicht wirkte entspannter, aber es sah immer noch verweint aus. “Ich hab Durst”, flüsterte Yoko. Sakura nickte. Sie hatte ebenfalls Durst. “Dann gehen wir mal und suchen einen Ort, wo es Wasser gibt”, meinte sie. Sie nahm Yoko an der Hand und ging mit ihr weiter in den Wald hinein. “Sakura?”, begann Yoko nur ein paar Sekunden später. “Was ist los, Yoko?” Sakura bemühte sich, ruhig und freundlich zu bleiben, auch wenn ihre Nerven schon zum Zerreißen gespannt waren, einerseits dadurch, dass sie sich in einer Welt voller Dinosaurier und scheinbar ohne Menschen befanden, andererseits dadurch, dass ihre Schwester immer ein kleines Problem zu haben schien. “Ich bin froh, eine Schwester wie dich zu haben”, flüsterte Yoko und hielt sich an Sakuras Hand fest. Die beiden gingen weiter in den Wald hinein. Sie merkten nicht, dass sie beobachtet wurden. Kapitel 4: 'Wo sind wir hier gelandet?' --------------------------------------- Kapitel 4 'Wo sind wir hier gelandet?' Kurz vor den Geschehnissen am Ende von Kapitel 3 Die Raptoren blieben auf Abstand. Fudo hatte Zeit, das Gewehr nachzuladen. Er griff in die Kiste, die sich neben ihm befand -es war die teilweise zerstörte-, nahm mehrere Kugeln in die Hand, öffnete das Magazin der Winchester und lud sie neu. Er sah sich kurz nach Elyna um, die bei ihren Geschwistern saß und versuchte, diese zu beruhigen. Er sah sie kurz fragend an, sie schüttelte den Kopf. Fudo lud das Gewehr fertig und richtete es wieder auf die Raptoren. Er war sich nicht sicher, wie lange sie noch fern bleiben würden. Er hatte bereits gemerkt, dass das Rudel, das sie umzingelt hatte, groß war. Er wusste nicht genau wie groß, aber es waren mehr, als er mit einem vollen Magazin abwehren konnte. Und wenn sie kamen, hatte er sicher keine Zeit, das Magazin wieder zu laden. Er sah kurz zu der Pistole, die vor ihm lag und die er vor kurzem geladen hatte. Sie würde ihm im Notfall einige Sekunden bringen, aber viel helfen würde sie nicht, auch wenn es eine echte Pistole war. Dann sah er sie wieder kommen. Zwei der Raptoren näherten sich von vorne und kamen direkt auf ihn zu. Fudo reagierte, indem er die Winchester hob und auf die Echsen richtete. Diese blieben stehen, unschlüssig, ob dieses komische Ding, das das Wesen auf sie gerichtet hatte, gefährlich war oder nicht. Sie sahen Fudo an, dieser starrte zurück. Dann rannten zwei weitere Raptoren von den Seiten auf Fudo zu. “Achtung, Fudo”, rief Ryoudo erschrocken. Fudo drehte sich um und wandte sich dem ersten Raptor zu, betätigte den Lademechanismus, der unten beim Abzug angebracht war, und schoss. Der Raptor fiel zu Boden, die Kugel hatte seinen linken Oberschenkel getroffen und den Knochen zerschmettert. Fudo hatte sich schon umgedreht, während der Raptor verletzt zu Boden gefallen war, und den Lademechanismus erneut betätigt. Dann schoss er wieder. Die Kugel traf den Raptor an der Schulter und riss ihn nach hinten. Das Tier fauchte und fiel zu Boden. Fudo richtete das Gewehr wieder auf die beiden Raptoren, die noch immer in einigen Metern Entfernung vor ihm standen und wohl auf das Gelingen des Angriffes gesetzt hatten. Sie waren intelligent, daran bestand kein Zweifel. Die beiden Raptoren blickten hektisch zwischen ihren Rudelmitgliedern hin und her, dann sahen sie wieder Fudo an. Sie fauchten wütend. Fudo bewegte das Gewehr zwischen den beiden hin und her. Dann ertönte ein Schrei im Wald. Die Raptoren drehten ihre Köpfe in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war, fauchten Fudo dann noch einmal an, drehten sie sich um und verschwanden im Wald. Fudo sah ihnen hinterher. “Sie sind weg”, sagte er mit ruhiger Stimme. Erst jetzt merkte er, dass er zitterte. Das Gewehr in seinen Händen wackelte sichtbar. Fudo legte es zu Boden und setzte sich hin. “Ich hoffe, dass das unsere letzte Begegnung mit diesen Viechern war”, sagte er leise zu sich selbst. Dann sah er zu den angeschossenen Raptoren. Der eine, dem er in die Schulter geschossen hatte, hatte sich erhoben und lief in Richtung Wald davon, aus der Schusswunde tropfte Blut. Der andere, dem Fudo am Oberschenkel verletzt hatte, versuchte, sich zu erheben, aber fiel immer wieder zu Boden. Er schien so stark verletzt zu sein, dass er wohl nicht würde weiterleben können, da er mit dem kaputten Bein nicht mehr jagen oder auch nur rennen konnte. Der Raptor zog sich schließlich unter Einsatz seiner Arme in den Wald davon, in die Richtung, in die auch der andere verletzte Raptor verschwunden war. Fudo ahnte, was in dieser Richtung lag. Er hoffte jedoch, dass er sich irrte, denn dieser Gedanke hatte etwas erschreckendes. Im Unterholz hörte er Bewegung, dann sah er, wie sich viele Schemen -Fudo zählte mehr als 20- in die selbe Richtung davonmachten. “Wo sind wir hier?”, sprach schließlich Riro die Frage aus, die alle bedrückte. Er hatte sich nahe bei dem Haufen aus den verschiedensten Sachen, die mit eingesaugt worden waren, hingesetzt, und starrte nun Fudo fragend an. Dieser erwiderte den Blick, senkte aber kurz darauf den Kopf. “Das kann ich dir nicht sagen, Riro. Ich weiß es nämlich selbst nicht. Ich weiß nur, dass wir Glück hatten, dass die Waffen mit hierhergebracht wurden”, entgegnete Fudo. Er sah zu Ely und bedeutete ihr, Riro und Kichi abzulenken, damit er mit Ryoudo reden konnte. Ryoudo war der einzige der Jüngeren, der einigermaßen ruhig geblieben war. Seine Freundin nickte und begann, auf Riro und Kichi einzureden, um sie zu beruhigen. Das hatte sie zwar schon versucht -ohne Erfolg-, aber nun, da die Raptoren verschwunden waren, hatte sie vielleicht größere Chancen. Kichi klammerte sich immer noch an ihr fest und weinte, Ely merkte, dass ihre Schwester große Angst hatte. Auch Riro hatte Tränen in den Augen, aber er stand eher unter Schock als das er Angst hatte. Sie legte ihren Arm um ihn und zog ihn an sich, um ihn zu beruhigen. Kichi drückte sie auch an sich. Dann redete sie weiter beruhigend auf die beiden ein. Fudo war aufgestanden und hatte die Pistole vom Boden aufgehoben. Er bedeutete Ryoudo, zu ihm zu kommen. Sein Bruder stand auf und ging zu ihm. Fudo entfernte sich einige Meter von den anderen und lehnte sich an einen Baum. “Du weißt nicht, was passiert ist, Fudo, oder?” Ryoudo sah seinen großen Bruder an, in seinem Blick waren Erstaunen und Angst zu sehen. Er beobachtete die Reaktion seines großen Bruders, der jetzt am ganzen Leib zitterte. “Nein, Ryo, das weiß ich nicht. Ich weiß nur noch, dass da dieser Strudel war... und dann waren wir hier”, erklärte Fudo. Er ließ sich am Baum hinuntergleiten, setzte sich auf den Boden und lehnte sich an den Baum. Die Pistole legte er gesichert neben sich. Ryoudo setzte sich zu ihm. “Du warst so ruhig, als diese Dinosaurier uns umzingelt haben. Du hast dich benommen, als wüsstest du genau, was du zu tun hast, um sie zu vertreiben”, flüsterte Ryoudo ehrfürchtig. Fudo grinste, aber es war ein sehr armseliges Grinsen. “Ja, ich war erstaunlich ruhig. Aber jetzt merke ich, dass das eigentlich nur eine Panikreaktion war. Das Adrenalin in meinem Körper macht sich bemerkbar...” Fudo schloss die Augen und begann, langsamer zu atmen. Langsam wurde das Zittern seines Körpers schwächer. “Aber du... du hast dich so routiniert verhalten. Das erste, was du gemacht hast, als wir hier waren, war, dass du das Gewehr und die Pistole geladen hast. Woher wusstest du, dass du sie brauchen würdest?” “Ich wusste es nicht”, erwiderte Fudo ruhig und sachlich. “Aber ich hab mir gedacht, wenn wir schon in unserem Haus einen Dinosaurier haben, gibt es hier vielleicht mehr. Das war eine automatische Reaktion, eine Art Selbsterhaltungs- oder Beschützerinstinkt. Ich wollte euch und mich schützen. Das war alles!” Ryoudo sah seinen Bruder mit großen Augen an. Er merkte, dass Fudo sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, denn das Zittern war kaum noch zu sehen. “Und was machen wir jetzt?”, fragte der Jüngere. “Zuerst einmal, jetzt haben wir ja etwas Zeit. Erklär mir mal, wieso ein Dinosaurier in unserem Haus war und wieso du eine Luftpistole hattest”, meinte Fudo. Im Wald konnten sie den Ruf hören, der die Raptoren weggelockt hatte. Fudo griff automatisch zu der Pistole, dann öffnete er die Augen. “Ich höre”, sagte er zu Ryoudo. “Nun. Wir haben Verstecken gespielt. Aber nach etwa einer Stunde hatte ich keine Lust mehr. Ich bin dann zum Schießstand für die Luftgewehre und Luftpistolen gegangen und hab begonnen, zu trainieren. Riro und Kichi haben im Zimmer nebendran gespielt. Und kurz bevor ihr uns gesehen habt, habe ich einen erschreckten Schrei von Kichi gehört. Ich hab die Luftpistole, mit der ich geübt habe, weggelegt und bin in das Zimmer nebenan gerannt. Dort stand dieser Raptor auf dem Bett, Kichi und Riro hatten sich an die Wand nahe der Tür gedrückt. Ich hab die beiden am Arm gepackt und rausgezogen. Der Raptor ist in dem Moment nach vorne gesprungen Die beiden sind grade noch so entkommen. Ich hab sie losgeschickt und bin nach nebenan, hab die Luftpistole gepackt, ebenso wie eine Hand voll Munition dafür, dann bin ich den beiden nachgerannt. Der Raptor ist uns gefolgt. Ich hab mehrmals auf ihn geschossen, ohne Wirkung. Dann bist du mit Ely aufgetaucht!” Ryoudo hatte sich während des Berichtes immer mehr in das Erzählen hineingesteigert. “Hast du gesehen, WOHER der Raptor gekommen war?”, fragte Fudo ruhig. In seinen Augen stand zwar Beunruhigung, doch Ryoudo achtete nicht darauf. Er war viel zu sehr mit dem Erklären beschäftigt. “Ich glaube, ich habe etwas gesehen, das aussah, wie der Strudel, der uns eingesaugt hat”, sagte Ryoudo nach kurzem Überlegen. “Nein, ich glaube es nicht nur, ich weiß es!” Fudo schüttelte besorgt den Kopf. 'Das ist gut und schlecht', dachte er sich. 'Gut, da das heißt, dass man auch von hier wegkommen kann. Schlecht, da es bedeutet, dass Dinosaurier in unsere Welt kommen können!' Er richtete sich auf, und die Besorgnis zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er sah, dass der an der Schulter verletzte Raptor zurückgekommen war. Fudo richtete die Pistole auf den Raptor, der etwa fünfzehn Meter von ihm entfernt hinter einem Baum erschienen war, entsicherte sie und schoss. Die Kugel schlug vor dem Raptor in den Boden ein. Das Tier sprang zurück, drehte sich um und verschwand wieder im Wald. Dann hörte Fudo ein Fauchen, das von einem anderen Raptor stammen musste, sehr leise, aber laut genug, um ihn zu beunruhigen. Gleich darauf hörte er eine menschliche Stimme etwas rufen. Fudo packte seine Pistole fester und sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Zwischen den Bäumen konnte er mehrere Gestalten erkennen, die vor etwas davonliefen, das er beinahe sofort als Raptor identifizierte. Ein Schuss krachte, und Fudo sah zu dem Rest der kleinen Gruppe. Ely kniete auf dem Boden, die Winchester, die Fudo vorher schon benutzt hatte, in den Händen. Sie hatte den Schuss abgegeben. Dann sah Fudo drei Menschen aus dem Wald kommen. Er ging mit Ryoudo zurück zu Ely und ihren Geschwistern und erwartete die drei Neulinge. Sie trugen alle eine Art Uniform, die Fudo als Schuluniform wertete. “Alles in Ordnung?”, fragte Fudo die Neuankömmlinge. Diese sahen ihn erstaunt an. Die drei entdeckten sie die Pistole in seinen Händen und das Gewehr, welches Ely in Händen hatte, und blieben etwa zehn Meter entfernt von der Gruppe stehen. “Wer seid ihr? Und warum seid ihr bewaffnet?”, reagierte einer der Neuankömmlinge mit einer Gegenfrage auf die Frage. Er sah haargenauso aus wie der zweite der drei Neuankömmlinge. “Beantwortet unsere Frage, dann beantworten wir eure”, sagte Fudo. Er sicherte die Waffe und steckte sie sich -in Ermangelung eines Holsters- in die Hosentasche. Auch Ely senkte das Gewehr. “Ich bin Yokato, und das ist mein Bruder Raidon”, stellte der Sprecher sich und sein Ebenbild vor. Beide hatten längere, blaue Haare und trugen ein Hemd mit Krawatte und eine dunkelblaue Jeans. Yokato hatte die Krawatte richtig angezogen, Raidon ließ sie vor seiner Brust baumeln, er hatte sie nicht einmal geknotet. “Und er hier”, sagte Raidon und deutete auf das dritte Mitglied der Gruppe, einen Jungen, der nicht einmal wie zehn wirkte, “ist Atoeru. Also, wir haben eure Fragen beantwortet. Wer seid ihr?” “Ich bin Fudo, das ist Ely, meine Freundin”, stellte Fudo vor. “Sonst seht ihr nur unsere Geschwister hier. Ryoudo, Riro und Kichi!” Fudo deutete bei der Vorstellung auf die jeweiligen Personen. “Ihr könnt ruhig herkommen”, meinte Ely. “Wir tun euch nichts. Wir nutzen diese Waffen nur zur Verteidigung!” Yokato sah sie an, dann ging er die wenigen Schritte, die ihn von Fudo, Ely und deren Geschwistern trennte. Raidon und Atoeru folgten. “Wo sind wir hier?”, fragte Raidon Fudo. “Wir wissen es auch nicht. Wir wurden durch eine Art Strudel hierher gebracht. Und ihr?” Fudo sah bereits an Raidons Gesichtsausdruck, was dieser antworten würde. Er nickte, bevor dieser auch nur ein Wort sagen konnte. “Ihr also auch. Und ihr habt schon Bekanntschaft mit den Lebewesen hier gemacht.” Yokato und Raidon sahen Fudo mit einem fragenden Gesichtsausdruck an. “Diese Echse, die euch verfolgte”, erklärte Fudo auf den fragenden Blick der Geschwister. Sie sahen ihn an. “War das... ein... Dinosaurier? Ich hätte schwören können, es sei ein Velociraptor gewesen”, meinte Yokato. Er sah Fudo nicken, dann wurde ihm bewusst, was er gerade gesagt und erfahren hatte. “Aber es gibt doch gar keine Dinosaurier mehr. Sie sind vor langer Zeit ausgestorben. Wie ist das möglich?” Yokatos Stimme klang sehr beunruhigt. Fudo zuckte mit den Schultern. “Diese Frage stelle ich mir, seit wir hierhergekommen sind”, meinte er leise. “Nein, eigentlich schon davor! Aber das ist vorerst nicht wirklich wichtig.” Er sah zu Atoeru. “Er steht unter Schock, scheint mir. Ihr solltet ihn zu den anderen bringen, vielleicht schaffen sie es, seine Lebensgeister wieder etwas zu wecken. Ely, wärst du so freundlich und würdest dich um ihn und unsere Geschwister kümmern?” Fudo sah seine Freundin fragend an, in seinem Blick konnte sie sehen, dass er es auch machen würde, wenn sie es nicht machen wollte. Sie nickte. “Ich kümmere mich um ihn und die anderen”, sagte sie. Sie ging zu Fudo, drückte ihm das Gewehr in die Hand, nahm die Pistole aus seiner Hosentasche,verstaute sie in ihrer und ging dann zu Atoeru. Sie nahm seine Hand und zog ihn freundlich, aber bestimmt mit sich zu Riro und Kichi. Die beiden sahen den Jungen an, dann zogen sie ihn zu sich auf den Boden und begannen, ihn auszufragen. Nach kurzer Zeit wurde Atoeru gesprächiger und erzählte ihnen, wie er hierhergekommen war. Ely setzte sich ebenfalls zu ihnen und hörte zu. “Also, ihr sagtet, das sei nicht möglich. Das dachte ich auch. Aber dann sind wir hier gelandet und wurden kurz darauf von ebendiesen Wesen, die unmöglich existieren können, umzingelt. Ich hatte aus reiner Vorsicht die Pistole bereits geladen und hatte noch Zeit, das selbe mit dem Gewehr zu tun und konnte sie vertreiben. Und was ist bei euch passiert? Ihr hattet ja nur eine Begegnung mit einem Raptor, aber scheinbar war das erschreckend genug!” Fudo bedeutete Yokato und Raidon, ihm zu folgen. Er enfernte sich wieder ein paar Schritte von der Stelle, an der sie gelandet waren, und lehnte sich gegen einen Baum. “Das war es. Ich hab mich umgesehen, und plötzlich stand dieses Vieh... dieser Raptor... da. Ich hab nur noch geschrien 'Lauft', und dann sind wir gelaufen. In eure Richtung, da wir von hier einen Schuss gehört hatten”, erzählte Yokato. “Den Rest kennt ihr ja!” Wieder einmal hallte ein Schrei durch die Luft, und alle zuckten zusammen. Er hörte sich nicht an wie der Schrei eines Raptors, diese Schreie hatte Fudo nun schon genug gehört, auch wenn er noch nicht lange hier war. Es klang nach etwas viel größerem. “Was war das?”, fragte Ryoudo, der seinem Bruder ebenfalls gefolgt war, erschrocken. Von der Gruppe konnte man einen Schrei vernehmen, da Kichi sich erschrocken hatte. Sie klammerte sich wieder ängstlich an ihre Schwester. “Das war kein Raptor. Das klang eindeutig nicht nach einem Raptor. Eher wie etwas größeres!” Fudos Stimme hatte wieder einen panischen Ton angenommen. Seit sie hier gelandet waren, waren sie dauernd in Gefahr gewesen und mussten sich wehren. “Hoffen wir, dass das, was immer es auch war, nicht herkommt!” Yokato sagte dies mit einer ruhigen Stimme, doch man sah, dass er nicht so ruhig war, wie seine Stimme es vermuten ließ. Fudo nickte. Dann hörte er wieder einmal das nun schon beinahe vertraute Fauchen eines Raptors. Er blickte in die Richtung, aus der es gekommen war, und war nicht überrascht, dort eines dieser Tiere stehen zu sehen. Er legte die Waffe an und wartete. Der Raptor sah Fudo an, scheinbar wusste er, dass das Gewehr, welches dieser in seiner Hand hielt, gefährlich war. Schließlich waren dadurch mehrere seiner Art bereits getötet oder schwer verletzt worden. Der Raptor ging dennoch einen Schritt auf die Gruppe zu. Fudo zögerte nicht lange, sondern schoss. Er zielte jedoch nicht direkt auf den Raptor, sondern auf den Boden vor ihm. Er hoffte, das Tier verscheuchen zu können. Die Kugel schlug im Boden vor dem Raptor ein und sorgte dafür, dass etwas Erde durch die Luft flog. Der Raptor näherte sich ihnen jedoch unbeeindruckt weiter. Fudo richtete die Waffe etwas höher und schoss dem Raptor eine Kugel in sein linkes Bein. Der Dinosaurier knickte ein und fauchte wütend. “Warum erschießt du ihn nicht einfach?” Raidons Stimme war eiskalt, als er diese Frage stellte. “Er will uns töten, oder etwa nicht? Warum erlegst du ihn nicht einfach? Dann hätten wir keine Probleme mehr!” “Mit diesem nicht. Aber das ist ein Rudeljäger. Was glaubst du, wird passieren, wenn sie wirklich im Rudel jagen? Bisher kamen sie nur einzeln oder in kleineren Gruppen. Aber wir wissen nicht, wie groß das Rudel ist”, entgegnete Fudo. “Außerdem will ich ihn nicht töten, auch wenn es nur ein Tier ist!” Raidon schüttelte den Kopf über diesen Standpunkt. “Du willst sie auch nicht töten, wenn sie uns töten wollen?”, fragte er Fudo. Fudo sah ihn an, in seinem Gesicht konnte man sehen, wie er mit sich rang. “Wenn sie uns wirklich angreifen und nicht nur austesten, ob wir leichte Beute sind wie jetzt, dann werde ich sie auch erschießen, wenn es nicht anders geht”, sagte er dann. Raidon nickte ihm zu, zufrieden mit der Antwort. Fudo blickte sich um und beobachtete den Wald, nachdem niemand mehr etwas zu sagen zu haben schien. Die Zwillinge gingen zu Ely und den Jüngeren und setzten sich dazu. Fudo übernahm stillschweigend Wache, denn er war sich nicht sicher, ob sie in Gefahr waren oder nicht. Kapitel 5: Essen? Trinken? Lagern? ---------------------------------- Kapitel 5 Essen? Trinken? Lagern? Sakura und Yoko liefen weiter durch den Dschungel, immer noch auf der Suche nach einem Bach oder einem See oder irgendetwas anderem, das mit Wasser gefüllt war. Seit sie sich von dem Obstbaum entfernt hatten, was schon beinahe eine Stunde her war, wurden sie von einer kleinen Schar Dinosaurier verfolgt. Die Mädchen hatten das jedoch noch nicht bemerkt. Sie liefen weiter in den Dschungel hinein, vorbei an großen Bäumen, deren Äste erst in Höhen von mehreren Metern zu wachsen begannen, von deren Ästen Lianen hingen, oder die halb unter Kletterpflanzen erstickten. 'Hier ist alles so komisch', dachte Sakura. Sie sah sich die ganze Zeit aufmerksam um, während sie weiterliefen. Sie wusste nicht, ob es in der Nähe Wasser gab, aber da der Dschungel dicht war, hoffte sie es. “Ich hab Durst, Sakura”, quengelte ihre kleine Schwester nun schon das zehnte mal innerhalb von fünf Minuten. Sakura verlor langsam die Geduld, aber sie wusste, dass sie jetzt nicht wütend werden durfte. Sie sah zu ihrer kleinen Schwester, die sich an ihrer Hand festgekrallt hatte, und lächelte. “Wir sind gleich beim Wasser, Yoko. Du musst nur noch ein bisschen Geduld haben”, sagte Sakura in dem Versuch, ihre Schwester dazu zu bringen, nicht weiterzuquengeln. “Das hast du schon vorhin gesagt”, erwiderte diese jedoch nur trotzig. “Ich will sofort was trinken! Sonst geh ich keinen Schritt mehr weiter!” Sakura sah ihre Schwester an, dann konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Sie riss sich von dem Klammergriff los, packte ihre Schwester an den Schultern und zog sie so an sich, dass sie ihr genau in die Augen schauen konnte. “Yoko, hör mir jetzt mal genau zu”, sagte Sakura in einem sehr ernsten und strengen Ton, in dem man auch Wut hören konnte. In ihren Augen loderte das Feuer derselben. “Ich gebe hier mein bestes, um nicht durchzudrehen, und ich versuche alles, um Wasser für uns zu finden. Also halt deinen Mund, sonst werde ich wirklich sehr böse auf dich!” Yoko begann zu weinen. Sie riss sich aus dem Griff ihrer Schwester los und rannte in den Dschungel hinein. Erst jetzt realisierte Sakura, was sie gerade gesagt und getan hatte. Sie beeilte sich, Yoko zu folgen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Das letzte mal, als Yoko davongelaufen war, war etwas schlimmes passiert, denn dort hatte dieses ganze Chaos begonnen. Yoko lief einfach in den Dschungel hinein, sie kümmerte sich nicht um ihre Umgebung. Alles, was sie wahrnahm, waren die Bäume, die vor ihr auftauchten und denen sie auswich, manchmal nur um Haaresbreite. Sie hörte, wie Sakura ihr nachlief, aber sie blieb nicht stehen. Sie war wütend und traurig wegen ihrer großen Schwester, und sie reagierte immer so, wenn man sie ausschimpfte. Sie lief davon. Sie wich weiter den Bäumen aus, die unregelmäßig vor ihr auftauchten. Schließlich übersah sie einen am Boden liegenden abgestorbenen Ast und stolperte. Sie fiel auf den Boden und schlug sich das Knie an einem Stein auf, der nur wenig aus dem Boden stand. Der Schmerz durchflutete ihren Körper, und sie begann laut zu weinen und zu schluchzen. Sakura erreichte ihre Schwester nur wenige Momente, nachdem diese gestürzt war. Sie kniete sich neben Yoko, welche sich aufgesetzt hatte, weinte und schluchzte, und nahm diese in die Arme. Sie drückte Yoko an sich und versuchte ihr das Gefühl zu geben, dass sie in Sicherheit sei. “Au... Es tut weh! Sakura, es tut weh! Ich will ein Pflaster”, schluchzte Yoko. Ihr ganzer Zorn auf ihre Schwester war verschwunden, war dem Schmerz gewichen. “Ich habe kein Pflaster, Yoko. Aber ich puste mal, dann geht's dir gleich wieder besser, glaub mir”, flüsterte Sakura ihrer Schwester ins Ohr. Sie beugte sich zu Yokos Knie hinunter und pustete sanft Luft auf die Schürfung. “Danke, Sakura. Es geht wirklich schon besser”, flüsterte Yoko schluchzend. Ihr Schluchzen war jedoch schon schwächer geworden. “Es tut mir Leid, was ich gesagt habe, Yoko. Ich wollte... ich habe es nicht so gemeint. Ich bin nur... überfordert. Ich will doch nur, dass du in Sicherheit bist”, flüsterte Sakura ihrer Schwester ins Ohr. Diese schlang ihre Arme um die Ältere und klammerte sich fest. “Es tut mir Leid, dass ich so reagiert habe. Ich... war wütend. Auf dich. Auf alles. Bitte lass mich nicht allein, Sakura!” Yokos weinerliche Stimme war einer ängstlichen gewichen. Das kleine Mädchen zitterte am ganze Körper. Sakura hielt Yoko einfach nur in ihren Armen. “Ich lass dich nicht allein, Schwesterchen”, flüsterte sie. Dann lauschte sie einfach nur der beinahe vollkommenen Stille. Alles, was sie hörte, war Yokos leises Weinen. Und ein Plätschern. Es war zwar nur leise, aber dennoch hörbar. “Yoko. Ich höre etwas. Wollen wir nachsehen, was es ist?” Sakura hoffte, dass ihre kleine Schwester sich so von der Verletzung, die sie erlitten hatte, ablenken lassen würde. Yoko nickte, ließ ihre Schwester aber nicht los. Sakura stand auf und zog Yoko dabei mit sich hoch, dann gingen die beiden langsam in die Richtung, aus der das Plätschern kam. Inzwischen war es Nachmittag, die Sonne hatte ihren Höchststand schon seit einiger Zeit überschritten. Die Kehlen der beiden Mädchen waren wie ausgedörrt. Außerdem schwitzten beide, sowohl von der körperlichen Anstrengung durch das dauernde Laufen als auch durch die Temperatur. Yokos freudiger Aufschrei war daher so ausdrucksvoll wie nichts anderes, das an diesem Tag in dieser Welt gesagt worden war. “WASSER!!” Das kleine Mädchen hatte den Fluss noch vor seiner Schwester entdeckt und rannte bereits darauf zu, bevor Sakura sie noch zurückhalten konnte. Die größere der beiden hatte nicht einmal gemerkt, wie sich ihre kleine Schwester von ihr gelöst hatte. Yoko saß bereits am Fluss und schöpfte mit ihren kleinen Händen Wasser. Sie hielt sich die Hände, die sie zu einem Becher geformt hatte, an den Mund, und trank begierig. Ihre Augen leuchteten vor Freude über diesen Fund. Sakura setzte sich zu Yoko und begann, ebenfalls Wasser aus dem Fluss zu schöpfen. Nachdem sie ihren Durst einigermaßen gelöscht hatte, blickte sie sich rasch um und entdeckte einen weiteren Obstbaum. Es war ebenfalls ein Apfelbaum, und er wuchs nur einige Meter von der Stelle, an der die beiden saßen, entfernt. Als sie die reifen Früchte daran sah, meldete sich ihr Magen zu Wort. Sakura stand auf und ging auf den Baum zu. Und dann sah sie die Echsen. Sie waren einen Meter achtzig groß. hatten einen länglichen Kopf, scharfe Zähne und Klauen. An ihren Füßen hatten sie eine sichelförmige Kralle, die gut und gerne 20 Zentimeter lang war. “Yoko, komm her. Langsam.”Sakuras Stimme hatte wieder einen panischen Ton angenommen. Yoko, durch diesen Ton erschreckt, sah in die Richtung, in die auch ihre Schwester sah, und erstarrte. Über ihre Wangen liefen bereits wieder Tränen. “Yoko, komm her. Yoko, komm zu mir!” Sakuras Stimme brachte Yoko dazu, sich in Bewegung zu setzen. Sie lief zu ihrer Schwester, die sich an den Apfelbaum gestellt hatte. Sakura deutete auf den Baum, von dem eine Liane zu Boden hing. 'Es ist schon komisch, was hier alles wächst', dachte sich Sakura, aber der Gedanke war vergessen, sobald er geendet hatte. Sie bedeutete Yoko, mithilfe der kleinen Äste, die aus dem Stamm des Baumes wuchsen, auf den Baum zu klettern. Yoko nickte und begann, Stück für Stück zu den ersten breiteren Ästen zu gelangen. Sakura beobachtete währenddessen die Echsen. Sie erkannte sie als das, was sie waren, Dinosaurier, aber sie wusste nicht, welche Dinosaurierart sie waren. Yoko hingegen hatte die Velociraptoren sofort erkannt. Als sie das erste mal ihr Dinosaurier-Bilderbuch durchgeschaut hatte, hatte sie dieses Bild gesehen und war vor Angst zu ihrer großen Schwester gerannt. Sie konnte sich noch ganz genau erinnern, auch wenn das schon vier Jahre her war. Sie war damals erst drei gewesen, ihre Eltern hatten nicht gesehen, dass das Dinosaurier-Bilderbuch, das sie ihr geschenkt hatten, für ältere Kinder gedacht gewesen war. Die Abbildungen zeigten die Raptoren, wie sie gerade einen anderen Dinosaurier jagten, mit ihren scharfen Krallen und den Klauen an den Füßen. Yoko war an dem Tag zu ihrer Schwester gerannt und war ihr den ganzen Tag nicht mehr von der Seite gewichen. Zu der Zeit hatten sie noch ein gemeinsames Zimmer, und Yoko hatte in dieser Nacht im Bett bei ihrer Schwester geschlafen, weil sie so große Angst hatte. Diese Erinnerungen durchfluteten Yokos Gehirn, während sie versuchte, höher in den Baum hinaufzuklettern. Sakura beobachtete immer noch die Raptoren. Die Dinosaurier hatten die Köpfe schiefgelegt und sahen Sakura an. Manche fauchten, es schien Sakura fast, als würden sie sich unterhalten. Dann blickte Sakura kurz zu ihrer Schwester hinauf, die endlich die unteren Äste, die sich allerdings auch schon auf vier Meter Höhe befanden, erreicht hatte. Sakura begann sofort, ebenfalls zu klettern. Sie hoffte nur, dass die Dinosaurier nicht klettern konnten, denn sie hatte genug gesehen, um zu wissen, dass diese Dinosaurier Fleischfresser waren. Als die Dinosaurier sahen, wie Sakura zu klettern begann, fauchten sie wütend und rannten auf den Baum zu. Allerdings war Sakura eine gute Kletterin, war schnell auf drei Metern Höhe angelangt und noch bevor die Raptoren den Baum erreicht hatten -sie waren halb im Dschungel versteckt gewesen, als Sakura sie entdeckt hatte- hatte Sakura die ersten dicken Äste erreicht. Sie kletterte noch ein bisschen höher, dorthin, wo ihre Schwester saß. Diese hatte sich eine Astgabel ausgesucht, die sich beinahe am Stamm befand. Sie saß dort, an den Baum gelehnt, und sah ängstlich zu Boden. Die Raptoren hatten sich um den ganzen Baum postiert. Sie blickten zu den Mädchen hoch und fauchten. “Sakura, ich hab Angst”, wimmerte Yoko, als Sakura sich auf den Ast neben sie setzte. Sie klammerte sich an ihre Schwester, genauso wie vor vier Jahren. Ihre Schwester nahm sie in den Arm, und die beiden beobachteten die Dinosaurier, die um den Baum herum Stellung bezogen hatten, mit vor Angst und Schreck geweiteten Augen. Yoko hatte sich an ihre Schwester gelehnt und weinte wieder. 'Ich hoffe nur, dass diese Dinosaurier bald verschwinden', dachte Sakura. “Sakura... lass... mich nicht... lass mich nicht allein”, wimmerte Yoko. Sakura drückte sie an sich. “Ich lass dich nicht allein, Yoko. Ich bin bei dir. Du musst keine Angst haben. Die Dinosaurier kommen hier nicht hoch”, flüsterte Sakura ihrer Schwester ins Ohr. “Versuch, dich ein bisschen auszuruhen, Yoko, der Tag war anstrengend!” Das junge Mädchen nickte, schloss die Augen und lehnte sich an Sakura. Kurz darauf hörte Sakura, wie ihre Schwester gleichmäßig und ruhig zu atmen begann. Sie war froh, dass ihre kleine Schwester eingeschlafen war, es wunderte sie auch nicht wirklich. Der Tag war wirklich anstrengend gewesen, und sie selbst verspürte auch den Drang zu schlafen. Aber sie ahnte, was passieren würde, wenn sie auch einschlafen würde. Also blieb sie sitzen, beobachtete die Raptoren unter sich und kämpfte gegen die Müdigkeit an, die sie erfasst hatte. In einiger Entfernung von den beiden Mädchen, einige Zeit zuvor Fudo hatte sich gegen einen Baum gelehnt und versucht, nicht nachzudenken, indem er sich darauf konzentrierte, zu lauschen, ob sich irgendwelche Dinosaurier dem Platz, an welchem sich die kleine Gruppe befand, zu der er gehörte. Er versuchte, nicht an die Situation zu denken, in der sie sich befanden, jedenfalls nicht weiter als bis zu der Aufgabe, die er übernommen hatte. Fudo achtete darauf, dass die Dinosaurier, die es in dieser Welt, in der sie sich befanden, gab, sich nicht zu nahe an die Gruppe wagten. Besonders die Dinosaurier, die sie gleich zu Beginn kennengelernt hatten. Die Velociraptoren. Kleine Fleischfresser, die in Rudeln jagen, intelligent und hinterlistig sind. Fudo hatte sie nur mit Glück abwehren können. Und nun waren noch drei weitere Personen dazugekommen. Fudo sah zu der Gruppe, die sich bei dem Haufen verschiedenster Dinge, die mit ihm, seiner Freundin und ihren Geschwistern eingesogen worden waren, gesammelt hatte und dort ausruhte. Dann sah er wieder in den Wald. Er wollte sich keine Sorgen machen, jedenfalls noch nicht. Ihm war klar, dass sie Probleme hatten. Das war alles, was er wissen musste. Ely hatte sich zu den Jüngeren gesetzt und hatte ihre kleine Schwester in den Arm genommen, denn sie hatte gesehen, dass Kichi zitterte und weinte. Auch ihrem kleinen Bruder hatte sie einen Arm um die Schulter gelegt, denn auch dieser zitterte, und in seinem Gesicht konnte man sehen, dass er sich die Tränen verkniff. Der Junge, der mit den Zwillingen gekommen war, sah aus, als ob er nichts um sich herum wahrnehmen würde. Nachdem Kichi und Riro sich ein bisschen mit ihm unterhalten hatten, war er wieder in seine ruhige Gestalt verfallen. Seine Augen blickten starr gerade aus, in seinem Gesicht war der Schock deutlich zu sehen. Ely wusste, dass alle geschockt waren. Nun gut, alle außer Fudo. Er wirkte auf sie wie ein Fels in der Brandung. Er hatte direkt nach der Landung die Waffen geladen und sie so vor den Raptoren beschützt. Jetzt stand er ein paar Meter entfernt von der Gruppe und hielt Wache, ohne dass ihn jemand darum hätte bitten müssen. Aber sie konnte sein Gesicht nicht sehen, also konnte sie sich nicht sicher sein, ob er wirklich so ruhig war, wie er schien. Sein Bruder Ryoudo war auf jeden Fall nicht wirklich ruhig. Er atmete schnell und sah sich immer wieder um. Sie ahnte, dass er sich nach Dinosauriern umsah, die die Gruppe bedrohen könnten. Er versuchte, seinem Bruder nachzueifern. Ryoudo blickte sich immer wieder in der Gegend um, er sah vor allem in die Richtungen, in die Fudo nicht schaute. Er dachte, dass zwei Leute besser wären, um Wache zu halten, als einer. Dann jedoch wurde er von den Geschwistern von Ely abgelenkt. “Ich hab Hunger”, begann Kichi zu jammern. Sie klammerte sich noch immer an ihrer Schwester fest, und diese hatte noch immer ihren Arm um sie gelegt. Dieses Bild wäre eines der besten Beispiele für geschwisterliche Fürsorge, dachte Ryoudo. Jedoch nur einen Augenblick lang. Dann sah er in Kichis Augen. In ihren Augen sah er, dass sie so lange quengeln würde, bis sie etwas zu essen bekommen würde. Ryoudo überlegte fieberhaft, was man hier zu essen finden konnte, denn er wusste, dass Kichi sehr nervig sein konnte, wenn sie hungrig war. Er blickte zu seinem Bruder, der sich zu der Gruppe umgedreht hatte, als Kichi zu jammern begonnen hatte. Das kleine Mädchen jammerte unentwegt weiter. Ryoudo erhob sich und ging zu Fudo, da er hoffte, so dem Gejammer entgehen zu können. Aber als er die wenigen Schritte zu seinem Bruder machte, merkte er, dass auch er Hunger bekommen hatte. “Wir haben ein Problem”, sagte Ryoudo leise, damit die anderen ihn nicht hörten, als er bei Fudo angekommen war. Sein Bruder blickte noch immer in den Wald, Ryoudo konnte nicht erkennen, wie sein Bruder sich fühlte, denn er konnte seine Augen nicht sehen. Er wusste, dass sein Bruder noch so ruhig wirken konnte, nur seine Augen würden zeigen, wie es ihm wirklich geht. “Ich weiß”, entgegnete dieser nur. “Ich habe zwar versucht, nicht über etwas anderes nachzudenken, als darüber, wie wir uns vor diesen Raptoren schützen können, aber meine Gedanken sind immer wieder abgeglitten. Wir brauchen Essen und Wasser. Sonst haben wir keine große Chance, hier zu überleben!” Fudos Stimme jagte Ryoudo einen Schauer über den Rücken. Sein Bruder klang so ruhig wie immer, obwohl sie sich in einer fremden Welt voller gefährlicher Tiere befanden. Das war für Ryoudo wieder ein Beispiel dafür, warum sein Bruder sein Vorbild war. Dann jedoch drehte sich Fudo zu seinem jüngeren Bruder um, und dieser sah mit, dass in den Augen von Fudo blanke Panik stand. Als er das gesehen hatte, wusste er, dass sie wirklich große Probleme hatten. Fudo ließ sich nämlich nur sehr schwer aus der Fassung bringen, und diese extreme Panik hatte Ryoudo noch nie in Fudos Augen gesehen. Aber bevor er ihn fragen konnte, was los war, sprach Fudo schon weiter. “Wir brauchen Essen. Aber noch wichtiger ist das Wasser. Wir müssen nach Wasser suchen. Ich hoffe, das bringt mich auf andere Gedanken. Ich werde noch schnell fragen, ob jemand mitkommen will!” In Fudos Stimme konnte Ryoudo nun die unterdrückte Panik hören, die Fudo erfasst hatte. “Ich komme mit dir, Fudo”, sagte Ryoudo sofort, nachdem er gehört hatte, was Fudo plante. “Ich komme mit und hilf dir, Wasser zu suchen!” Fudo atmete tief durch. Er versuchte, nur an das eine Problem zu denken, das er lösen sollte. Wasser. Sie brauchten Wasser. Er atmete noch einmal durch, dann blickte er zum Rest der Gruppe. “Wir sollten schnell aufbrechen, Ryoudo. Sonst brechen die Jüngeren noch auf und begeben sich in Gefahr. Ich sage Ely, dass wir nach Wasser suchen werden. Ich hoffe, wir werden fündig! Wenn nicht...” Fudo beendete den Satz nicht. Er brach ab, seine Stimme war gebrochen, und er senkte den Kopf zu Boden. Ryoudo wusste, was Fudo meinte. Er hatte seinen großen Bruder noch nie so hilflos gesehen. Fudo stieß sich leicht von dem Baum ab, an den er sich gelehnt hatte, und ging zur Gruppe zurück. Er setzte sich neben Ely. Riro hatte sich von seiner Schwester gelöst und zu Atoeru gesetzt. Fudo legte seiner Freundin einen Arm um die Hüfte und lehnte sich an sie. “Fudo, was ist? Du siehst nicht gut aus”, flüsterte sie ihm ins Ohr. “Wie hast du das erkannt? Ich habe mich bemüht, ein normales Gesicht zu wahren”, flüsterte er zurück. Er sah zu Ely, diese blickte ihn ebenfalls an. Die beiden sahen sich in die Augen. Fudo sah in Elys Augen, dass sie sich Sorgen um ihre Geschwister machte. Er sah auch die Sorgen, die Ely sich machte, nachdem sie ihn so gesehen hatte, wie er jetzt war. Nachdem sie seine Sorgen erkannt hatte. Er versuchte, sie mit seinem Blick zu beruhigen. Aber er merkte beinahe sofort, dass es sie nicht beruhigen würde. Sie sah ihn nur vorwurfsvoll an. “Ich mach mir Sorgen”, gestand Fudo schließlich. “Wir sind hier gelandet, und haben keine Idee, wie wir auch nur bis morgen durchhalten können. Ich weiß nicht weiter, Ely. Ich bin am Ende... mit den Nerven... körperlich...” Ely unterbrach sein Geständnis, indem sie ihn küsste. “Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Auch wenn du noch nicht alles weißt, du hast bisher immer irgendwie irgendeine Lösung gefunden. Ich vertraue dir, Fudo!” Fudo lächelte. “Danke, Ely. Danke. Danke, dass du versuchst, mir Mut zu machen. Ich wollte dir sagen, dass ich mit Ryoudo losgehen will, um Wasser und Essen zu suchen. Bitte beschütze solange die anderen hier, ok? Ich wüsste nicht, ob ich sonst losgehen könnte, bei den Dinosauriern, die hier leben.” “Ich passe auf, Fudo, das verspreche ich. Du musst aber auch auf dich aufpassen”, entgegnete Ely leise mit sorgenvoller Stimme. Fudo nickte. Er löste sich sanft von seiner Freundin und erhob sich. Ryoudo, der sich bei Raidon und Yokato aufgehalten und mit diesen geredet hatte, erhob sich ebenfalls und ging zu Fudo. Fudo hängte sich das Gewehr an dem Lederriemen, der daran befestigt war, über die Schulter. Ely reichte ihrem Freund noch die Pistole, die sie bisher getragen hatte. Sie deutete auf das Gewehr, das noch bei den Kisten lag, um Fudo zu zeigen, dass sie immer noch bewaffnet war, um die Gruppe zu schützen. Fudo ging zu den Kisten und nahm eine Handvoll Gewehrmunition und eine Handvoll Pistolenmunition. Er steckte sich die Kugeln in die Hosentaschen, dann bedeutete er Ryoudo, ihm zu folgen. Die beiden verließen die Gruppe in eine Richtung in den Wald, entgegen der Richtung, in der die Raptoren verschwunden waren. Fudo hoffte, damit den Begegnungen mit diesen Tieren aus dem Weg zu gehen. Nach nur wenigen Sekunden hörten sie jedoch, wie ihnen jemand folgte. Fudo blieb stehen und drehte sich um. “Ich gehe mit”, sagte der Zwilling, der ihnen nachlief. Fudo erkannte nicht sofort, um welchen der beiden es sich handelt. Ryoudo erkannte ihn jedoch, er hatte eine Weile bei den Zwillingen gesessen und mit ihnen geredet. “Raidon? Warum willst du mitkommen?”, fragte Ryoudo den älteren. “Ich weiß nicht. Ich will einfach mal mit, um von den anderen wegzukommen. Und ich will euch helfen!” Fudo nickte ihm zu, dann ging er weiter in die Richtung, die er eingeschlagen hatte. Ryoudo und Raidon folgten ihm. Sie waren etwa zwanzig Minuten durch den Dschungel gewandert, ohne auch nur einem Dinosaurier zu begegnen. Fudo war sich nicht sicher, ob er das als gut oder schlecht werten sollte. Er hoffte, dass sie keinem fleischfressenden Dinosaurier begegnen würden. Er sah sich aufmerksam um, und entdeckte zum ersten mal, das die Fauna um ihn herum merkwürdig war. Die Bilder, die er in seiner Welt vom Dschungel gesehen hatte, ähnelten diesem Dschungel nur sehr entfernt. Zwischen den tropischen Bäumen, die er erkannte, sah er auch Eichen stehen, und sogar eine Tanne konnte er entdecken. “Kommt euch dieser Dschungel auch komisch vor? Hier wachsen Bäume, die in unserer Welt in solchen Regionen gar nicht vorkommen”, lenkte Fudo die Aufmerksamkeit der anderen auf die Vegetation. Die beiden Menschen, die Fudo begleiteten, sahen sich nun ebenfalls sehr aufmerksam um und erkannten, dass die Vegetation wirklich nicht normal für den Dschungel war. “Da, seht mal. Der Baum da. Das ist ein Apfelbaum”, rief Raidon eine kurze Zeit später und deutete auf einen Baum, der in einiger Entfernung stand. Fudo blickte in die Richtung, in die Raidon zeigte, und sah den Baum, den Raidon meinte. Er sah außerdem, dass am Baum Früchte hingen, die reif aussahen. “Wenn das wirklich Äpfel sind, dann haben wir erstmal genug zu essen. Jedenfalls einige Tage lang”, meinte Fudo. Ryoudo achtete aber nicht wirklich darauf, denn er hörte ein leises Plätschern in einiger Entfernung. “Hörst du das auch, Fudo? Dieses Geplätscher”, sagte er zu seinem Bruder. Er lief in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, bevor Fudo irgendetwas dagegen sagen konnte. Fudo lief ihm hinterher. Er war nervös, da er nicht wusste, ob sich in der Nähe Dinosaurier befanden. Auch Raidon folgte Ryoudo, aber das mehr, weil Fudo diesem folgte und Fudo der einzige in der kleinen Gruppe war, der Waffen hatte. Sie liefen einige Meter durch einen dichteren Teil des Dschungels. Dann blieb Ryoudo plötzlich stehen. Seine Augen waren vor Schreck geweitet und er zitterte. Vor ihm befand sich ein Dinosaurier. Der Dinosaurier lief auf vier Beinen. Er hatte einen massiven Körper und einen langen Schwanz. An seinen Vorderbeinen konnte man einen Dorn sehen, der eine Länge von beinahe 20 Zentimetern hatte. Fudo und Raidon stoppten direkt hinter ihm. Beim Anblick dieses Dorns riss auch Fudo die Augen auf. Sie hatten am Rand einer Lichtung gestoppt. Die Lichtung war groß, und an einer Seite grenzte sie an einen kleinen See, durch den ein Fluss hindurchfloss. Der Fluss fiel über eine kleine Klippe, die etwa zwanzig Zentimeter über der Wasseroberfläche lag, in den See, was das Plätschern verursachte. Auf der Lichtung sah Fudo einen Dinosaurier. Dieser Dinosaurier war der Grund, warum Ryoudo gestoppt hatte. Er war groß. Fudo schätzte ihn auf etwa 4 Meter Höhe. Während die drei Menschen am Waldrand standen und den Dinosaurier beobachteten, richtete sich dieser auf seine Hinterbeine auf und begann, Blätter von einem Baum zu fressen. Dieser Baum stand in der Mitte der Lichtung. Es war ein großer Eichenbaum. Der Dinosaurier reichte leicht bis zu den oberen Ästen. Die unteren Äste begannen erst in drei Metern Höhe, soweit Fudo das sagen konnte. Der Dinosaurier erreichte aufgerichtet eine Höhe von mehr als fünf Metern. 'Wir haben Wasser gefunden. Nur haben wir ein Problem', dachte Fudo. Er sah weiterhin den Dinosaurier an. Dieser hatte inzwischen aufgehört, Laub vom Baum zu fressen und stand wieder auf vier Beinen. Der Dinosaurier drehte sich vom Baum weg und blickte nun genau in die Richtung, in der die drei Menschen standen. Dann bewegte er sich auf die kleine Gruppe zu. “Oh oh... Wir haben ein Problem!” Fudos Stimme war wieder panisch geworden, und er beeilte sich, das Gewehr in die Hand zu bekommen. Er legte die Waffe an und zielte auf den Körper des Dinosauriers. “Knall ihn ab!”, rief Raidon mit einer Stimme, in der man den Schreck über dieses Treffen, die Panik und die Angst hören konnte. Fudo zögerte. Der Dinosaurier lief langsam auf sie zu. Fudo hatte den Lauf der Waffe direkt auf den Kopf des Dinosauriers gerichtet. Der Dinosaurier ließ sich davon allerdings nicht einschüchtern. Er lief einfach weiter, an der Gruppe vorbei und hinein in den Wald. Fudo atmete aus und ließ die Waffe sinken. Er schloss die Augen, dann öffnete er sie wieder. “Es war ein Pflanzenfresser. Er war keine Bedrohung, Raidon. Wieso sollte ich ihn töten?” Fudo sah dem Jüngeren in die Augen. “Wenn es ein Fleischfresser gewesen wäre, dann hätte ich geschossen!” “Ach ja? Wirklich? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe!” Raidon schüttelte wütend den Kopf und betrat die Lichtung. Er sah sich um. “Kommt her, schnell. Das müsst ihr sehen!” Er deutete auf die Bäume, die am Rande der Lichtung wuchsen. Fudo und Ryoudo, die nun ebenfalls die Lichtung betreten hatten, sahen sich um und betrachteten die Bäume. Sie begannen zu grinsen. Die Lichtung war von Apfelbäumen umstanden. “Scheint, als hätten wir einen Platz gefunden, an dem man überleben kann”, meinte Fudo. “Wir sollten hier ein Lager aufschlagen. Hier haben wir Wasser und genug zu Essen!” Raidon blickte Fudo entsetzt an. “Und was ist mit den Sachen, die wir brauchen könnten? Vor allem mit der Munition! Wir können die nicht so einfach von der Stelle, wo sie ist, hierher transportieren!” “Doch, können wir. Die Kisten haben Tragegriffe. Wir müssen zwar einige male gehen und es wird sicher ein bisschen anstrengend werden, aber dann haben wir sie hier. Und hier haben wir Wasser und Essen. Genug, um uns eine Weile zu versorgen!” “Wenn du denkst, dass ich diese dumme Munition hierher tragen werde, dann sollst du wissen, dass...”, begann Raidon und ballte seine Fäuste, aber Ryoudo unterbrach die beiden. “Hey, wir sollten nicht streiten. Wir sind alle in derselben Situation!” Ryoudo hatte sich zwischen die beiden gestellt, da es aussah, als wollten sie jeden Moment aufeinander losgehen. Fudo und Raidon sahen sich wütend an, dann nickten sie. “Holen wir erstmal die anderen”, meinte Fudo dann. „Aber vorher sollten wir etwas trinken, wenn wir schon Zeit dazu haben!“ Er lief zum See, ging in die Knie und schöpfte mit seinen Händen Wasser. Die anderen beiden taten es ihm nach. Nachdem sie ihren Durst gelöscht hatten, standen sie wieder auf. Fudo schulterte das Gewehr und ging in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Von seinem Gürtel zog er ein Messer, das er sich vor kurzem gekauft hatte, und schnitzte in jeden Baum, an dem sie vorbeikamen, einen Pfeil. Ryoudo holte seinen Bruder nach nur wenigen Schritten ein, während sich Raidon ein Stückchen weiter hinten hielt, um nicht wieder einen Streit mit Fudo zu provozieren. Sie legten die ganze Strecke schweigend zurück. Als sie das Lager erreichten, blieben sie wie erstarrt stehen. Der Platz, auf dem die Gruppe gelagert hatten, war aufgewühlt, man konnte noch Spuren von Krallen im weichen Boden erkennen. “Was ist denn hier passiert?”, fragte Raidon erschrocken. Er blickte den Boden an, der aufgerissen war, und sah sich hektisch um. Fudo sah sich ebenfalls um und versuchte gleichzeitig, herauszufinden, was passiert war. Die Krallenspuren konnte Fudo schnell den Velociraptoren zuordnen. Direkt nachdem er dies erkannt hatte, nahm er das Gewehr von der Schulter. Außerdem zog er die Pistole aus seinem Gürtel und gab sie Ryoudo. Dieser sah seinen Bruder erstaunt an. “Ich weiß, dass du gut schießen kannst. Außerdem muss jemand die anderen beschützen, sollte mir...” Fudo beendete auch diesen Satz nicht, aber Ryoudo wusste, was sein Bruder meinte. Er hatte Fudos Augen gesehen, die Panik und die Angst darin, Dinge, die Ryoudo von seinem Bruder nicht kannte. Der Gedanke, dass Fudo etwas geschehen könnte, machte Ryoudo Angst. “Wo sind die anderen?”, fragte Raidon entsetzt. Er stand wie angewurzelt da und betrachtete den Ort, an dem offenbar ein Angriff durch Dinosaurier stattgefunden hatte. Er betrachtete den Boden, der von den Krallen zerfurcht war. Dann sah er sich um. Fudo hatte inzwischen den Platz genauer unter die Lupe genommen. Und das, was er sah, beruhigte ihn. Er konnte kein Blut entdecken. Daraus schloss er, dass die anderen nicht verletzt und in Sicherheit waren. Er hatte schon damit gerechnet, aber hatte dennoch befürchtet, dass irgendetwas passiert sein könnte. “ELY? KICHI? RIRO? YOKATO? ATOERU? WO SEID IHR?” Ryoudos Stimme durchbrach die Stille, die sie bisher umgeben hatte. Fudo sah sich nun noch aufmerksamer um. Er erwartete jede Sekunde, dass aus irgendeiner Richtung ein Dinosaurier angreifen würde. Dann sah er, wie sich mehrere Gestalten langsam der Lichtung näherten. Die vorderste hielt ein Gewehr in Händen. “Ryoudo? Fudo? Raidon? Endlich. Endlich seid ihr wieder da!” Elys Stimme schallte den dreien entgegen. Fudo legte das Gewehr ab, sprang auf und rannte zu Ely. “Geht es euch gut?”, rief er ihnen entgegen. Ely nickte, und Fudo lächelte. “Dann ist ja alles in Ordnung”, meinte er. “Was ist passiert? Es sieht aus, als wären die Raptoren zurückgekommen.” “Sie sind zurückgekommen, kurz nachdem ihr gegangen wart. Es waren dutzende. Ich hatte das Gewehr zum Glück schon geladen, und auch die beiden Pistolen, die noch auf dem Haufen lagen. Ich habe versucht, sie abzuwehren... aber... es waren zu viele.” Elys Stimme war unsicher geworden, und sie musste sich anstrengen, weiterzusprechen. “Wir haben uns dann... in Sicherheit gebracht... sind in den Wald gelaufen... und auf einen Baum geklettert, nachdem wir gemerkt haben, dass diese... Viecher uns verfolgen. Sie sind erst vor einigen Minuten verschwunden. Wir sind dann wieder hierhergelaufen.” Fudo nahm seine Freundin in die Arme. Er ahnte, wie beängstigend es gewesen sein musste. Er hatte den Raptoren ebenfalls gegenübergestanden. Er blieb mit Ely ein bisschen entfernt von Raidon und Ryoudo, wo sich auch die restlichen Mitglieder der Gruppe gesammelt hatten, stehen. Fudo sah, dass Yokato die Jüngeren zu beruhigen versuchte, dabei aber kläglich scheiterte. Außerdem sah er, dass Yokato eine der Pistolen in der Hosentasche hatte. “Er ist seit Jahren Mitglied in einem Schützenverein. Ohne ihn wären wir vielleicht nicht heil von hier weggekommen”, flüsterte Ely Fudo ins Ohr, da sie seinen Blick gesehen hatte. Fudo nickte und war sogar froh, dass es noch jemanden gab, der sie verteidigen konnte. “Wir haben Essen gefunden. Und Wasser. Und sogar einen Platz, an dem wir ein Lager aufschlagen können”, flüsterte Fudo seiner Freundin zu. “Ich wollte dich bitten, mit Ryoudo und den Jüngeren vorzugehen. Ich komme mit Yokato und Raidon nach. Wir müssen schauen, ob wir hier noch etwas nützliches finden!” “Und was ist mit der Munition? Ohne die können wir uns nicht verteidigen”, entgegnete Ely. “Wenn diese Viecher wiederkommen...” “Die Munitionskisten werden wir auf jeden Fall mitnehmen. Ich meinte, ob wir vielleicht Werkzeug finden oder so etwas. Der Strudel hat schließlich alles, was nicht festgeschraubt war, eingesogen. Und wir hatten im Keller ein Werkzeugregal. Wir schauen, was wir brauchen könnten, und kommen dann nach, ok?” “Aber bleibt nicht mehr zu lange hier, ok?” Elys Stimme zeigte die Sorgen, die sie sich machte. Auch in ihrem Gesicht konnte man sehen, dass sie nicht wollte, das Fudo und die anderen hier blieben, und wenn es nur kurz war. “Wir bleiben nicht mehr lange, versprochen”, flüsterte Fudo ihr zu. Dann küsste er sie sanft. Er wusste zwar, dass der Moment nicht der beste dafür war, aber er konnte nicht anders. Er hatte Angst um sie und wollte ihr zeigen, dass er sie liebte. Ely genoss das Gefühl von Fudos Lippen auf ihren. Dann löste sie ihre Lippen. “Wenn du sicher bei uns angekommen bist, führen wir das weiter”, flüsterte sie ihm lächelnd zu, dann zog sie ihn mit zum Rest der Gruppe. Fudo sah sie an, dann lächelte er. “Ich beeile mich”, flüsterte er ihr zu. Dann sprach er lauter, damit alle ihn verstehen konnten. “Wir haben Wasser und Essen gefunden. Ely geht mit Ryoudo, Kichi, Riro und Atoeru schon mal vor, Yokato, Raidon und ich haben noch etwas zu erledigen. Ryoudo, du kennst den Weg, und wenn du nicht weiter weißt, orientiere dich an den Pfeilen, die ich in die Bäume geritzt habe, ok?” Fudo war froh, dass sein Bruder zustimmte, bei den Jüngeren mitzugehen. Seit er gesehen hatte, dass die Raptoren das Lager angegriffen hatten, hatte ihn wieder Panik erfasst. Dann sah er zum Rest der Gruppe. Die Jüngeren waren verängstigt, das konnte Fudo sofort sehen. Er hoffte, dass sie sich wieder fassen würden. Aber er war sich fast zu einhundert Prozent sicher, dass sie noch einige Zeit so verängstigt sein würden. Er war ja auch verängstigt, somit konnte er nachvollziehen, was sie fühlten, auch wenn Fudo ungleich weniger Angst hatte. Yokato sah Fudo an, dann nickte er, um anzuzeigen, dass er verstanden hatte, was Fudo beabsichtigte, oder zumindest glaubte, es zu verstehen. Nur Raidon war nicht mit dem Plan einverstanden, das konnte Fudo sehen. “Wieso sollen ich auch hierbleiben? Was bringt das? Gut, hier ist die Munition und die müssen wir mitnehmen, aber dazu reichen auch zwei Leute aus. Wir können auch zu dritt nur jeweils eine Kiste mitnehmen, also warum sollte ich nicht in der ersten Gruppe mitgehen?” Raidon war wütend darüber, dass Fudo sich seiner Meinung nach einfach so zum Anführer gemacht hatte. “Wenn du nicht hierbleiben willst, dann gehst du eben auch mit und mit”, meinte Ely, nachdem sie in Fudos Gesicht etwas gesehen hatte, das sie nicht richtig deuten konnte. Es schien sich um eine Mischung aus Zorn, Verständnis und Unglauben zu handeln. “Also, ich gehe auch mit der Gruppe mit”, meinte Raidon. Er stellte sich zusammen mit Ryoudo zu den Jüngeren und wartete darauf, dass Ely sich ebenfalls zu ihnen gesellte. Diese lächelte Fudo zu, dann ging sie zu der halb zerstörten Munitionskiste, nahm noch eine Handvoll Kugeln heraus und brach mit den Jüngeren, angeführt von Ryoudo und Raidon, auf. “Ist dein Bruder immer so?”, fragte Fudo Yokato, nachdem die Gruppe außer Hörweite war. “Leider ja. Er hat schon immer fast nur auf seinen eigenen Vorteil geachtet. Seit einiger Zeit versucht er aber, sich auch für andere einzusetzen... aber er ist manchmal noch immer sehr egoistisch. Also, warum wolltest du, dass wir dableiben. Zum einen wegen der Munition, das ist klar. Aber ich bin sicher, du hast noch einen anderen Grund!” Yokato sah Fudo erwartungsvoll an. Er wusste, dass Fudo, wenn er nur die Munition hätte mitnehmen wollen, dennoch mit der Gruppe hätte mitgehen können. “Es stimmt, ich habe einen anderen Grund”, erklärte Fudo. “Als der Strudel uns eingesogen hat, war eine Werkzeugbank in der Nähe. Vielleicht sind einige Werkzeuge eingesogen worden. Und wenn ja, vielleicht können die uns helfen. Ich wollte euch bitten, mir beim Suchen zu helfen!” Yokato nickte, als er das hörte. “Dann sollten wir beginnen. Ich habe keine Lust, diesen Raptoren schon wieder zu begegnen”, meinte er und ging auf den Berg aus verschiedensten Dingen zu. Fudo lief neben ihm. Sie begannen, den Berg zu sortieren, indem sie zuerst die leichteren Dinge auf verschiedene Haufen schichteten. Dabei sortierten sie gleich die Dinge aus, die sie nicht brauchen konnten. Auf diese Weise fanden sie schnell die übrigen zwei Pistolen, die eingesogen wurden. Eine davon war jedoch leicht verbogen und somit unbrauchbar. Sie wollten sie auf den Haufen mit den nutzlosen Dingen werfen, aber dann nahm Fudo sie doch mit. “Ersatzteile können wir immer brauchen”, meinte er. Yokato musste ihm in diesem Punkt zustimmen. Sie fanden auch das dritte Gewehr, aber auch das war unbrauchbar geworden. Sie hatten es noch nicht geborgen, denn es war mit dem Lauf zwischen zwei der Munitionskisten eingeklemmt und eine dritte war draufgefallen und hatte den Lauf völlig verbogen. “Wir können froh sein, dass die anderen Waffen nicht so endeten”, meinte Yokato, als er das Gewehr gesehen hatte. “Das stimmt”, meinte Fudo. Er sah zu dem Gewehr, das sie bei sich hatten und das er an einen nahen Baum gelehnt hatte. Außer dem Gewehr waren sie nur noch mit zwei Pistolen bewaffnet. Die eine, die sie gerade gefunden hatten, hatte Fudo sofort geladen und an sich genommen, die andere hatte Yokato von Ely genommen, als das Lager von den Dinosauriern angegriffen worden war. Ely hatte eine der anderen beiden, Fudo hatte es gesehen, und Ryoudo hatte immer noch die Pistole, die Fudo ihm gegeben hatte. Dann arbeiteten die beiden schweigend weiter. Nach etwa zwanzig Minuten, in denen sie die Gegenstände sortiert hatten, merkten sie, dass sie nicht allein waren. Fudo blickte sich um und entdeckte einen Raptor zwischen zwei Bäumen stehen, in nur wenigen Metern Entfernung. Sofort zog er die Pistole, entsicherte sie und stand auf. Er bewegte sich langsam auf den Baum zu, an welchem das Gewehr lehnte. Auch Yokato hatte die Pistole gezogen. Er blickte den Raptor an, dann blickte er sich aufmerksam nach weiteren Tieren um. Er kannte ihre Methode, mit der sie jagten, bereits. Sie hatten das letzte mal genauso angegriffen. Einer der Raptoren näherte sich von vorne, während die anderen die Opfer umkreisten und aus dem Hinterhalt angriffen. Schließlich entdeckte er zwei weitere Raptoren genau gegenüber des Raptors, der sie beobachtete. Er sah, wie sie die Bäume nutzten, um sich anzuschleichen, und kam nicht umhin, ihre Art der Jagd zu bewundern. Sie bewegten sich beinahe lautlos vorwärts, und die wenigen Geräusche, die sie machten, wurden vom Atmen der beiden Menschen übertönt. “Fudo, hinter uns”, sagte Yokato mit nervöser Stimme. “Zwei Raptoren. Sie greifen immer aus dem Hinterhalt an!” “Ich weiß. Neben uns sind auf beiden Seiten ebenfalls zwei Raptoren. Sie haben uns eingekreist. Was machen wir jetzt? Warten, bis sie angreifen?” Fudo blickte immer wieder hektisch zwischen dem Raptor, der sich ihnen genähert hatte, und denen, die er zwischen den Bäumen entdeckt hatte, hin und her. Er hatte inzwischen zwar das Gewehr erreicht, aber es nur über die Schulter gehängt. Immer noch hatte er die Pistole im Anschlag, für den Fall, dass die Raptoren angriffen, da sie eine schneller Schussgeschwindigkeit als das Gewehr hatte. Der Raptor, der sich ihnen offen gezeigt hatte, bemerkte anscheinend die Nervosität von Fudo, denn er stieß eine Art Ruf aus. Dieser wurde sowohl an den Seiten als auch im Rücken von Fudo und Yokato beantwortet. “Gleich greifen sie an”, flüsterte Yokato. “Das war beim letzten mal genauso! Dort kamen sie zuerst aus unserem Rücken. Dann von den Seiten, und dann von vorne.” Fudo hörte zwar, was Yokato sagte, aber er achtete nicht sonderlich darauf. Er beobachtete weiter den Raptor, der offen vor ihnen stand und sich scheinbar gar nicht mehr für sie zu interessieren schien. Er legte die Pistole an und schoss vor dem Dinosaurier in den Boden. Ein bisschen Erde wurde aufgewirbelt, und der Dinosaurier sprang zurück. „Scheint, als hätten sie begriffen, dass unsere Waffen gefährlich sind“, meinte Fudo. Er richtete die Pistole nun direkt auf den Raptor. Dieser stieß wieder einen Schrei aus, dann drehte er sich um und verschwand im Wald. Zwei Sekunden später stürmten aus allen Richtungen Raptoren auf die beiden Jugendlichen zu. Diese reagierten schnell und schossen auf die Dinosaurier. Die Raptoren stoppten, als plötzlich ihre Artgenossen, die in der vordersten Reihe rannten, zu Boden fielen und sich nicht mehr bewegten. Fudo richtete die Pistole auf den nächsten Raptor. Er glaubte, in ihm den Anführer von gerade eben wiederzuerkennen. Der Raptor stieß einige Laute aus, dann drehte sich die Gruppe um und verschwand im Wald. Yokato atmete aus. „Das war knapp“, meinte er. Wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen, die kommen sicher wieder!“ Fudo nickte. „Aber erst, wenn wir alles nützliche zusammengesucht haben! Das dauert zum Glück nicht mehr lange!“ Er deutete auf den Haufen, der nun schon ziemlich klein geworden war, und auf die beiden neueren Haufen. Der eine war groß, unordentlich und bestand aus kaputten oder unbrauchbaren Dingen, der andere war dagegen sehr klein und bestand aus den ordentlich aufgereihten Munitionskisten, einigen Werkzeugen, darunter einem Hammer und einer kleinen Säge, und Drei -teilweise zerrissenen, aber dennoch brauchbaren- Plastikplanen. Fudo wusste nicht, wo sie im Keller gewesen waren, aber er tippte auf den Raum, in welchem auch die Munition gewesen war. Er ahnte, dass diese Planen noch sehr nützlich werden würden. Außerdem hatten sie eine kleine Schachtel mit Nägeln gefunden. Zwar waren es nur 10-Zentimeter-Nägel, aber sie waren besser als nichts. Fudo und Yokato suchten schnell den restlichen Haufen nach nützlichen Dingen ab, doch sie fanden nichts mehr. Daher wendeten sie sich den Munitionskisten zu. Fudo ging zu ihnen und versuchte, eine davon allein hochzuheben. Er schaffte es zwar, war sich aber sicher, dass er dieses Gewicht nicht die ganze Strecke bis zu der Lichtung am See würde tragen können. „Wie sollen wir es machen? Wir haben zu viele Kisten, als das wir es mit einem oder zwei Märschen schaffen könnten. Außerdem ist eine davon kaputt“, sprach Yokato das Problem an, über das Fudo ebenfalls nachdachte. „Wenn Raidon hier wäre... und noch jemand, der einigermaßen kräftig ist... dann hätten wir nicht so große Probleme. Aber wir sollten erstmal die Munition aus der kaputten Kiste umladen. Im Notfall bauen wir mit dem Holz der kaputten Kiste eine der anderen Kisten höher, damit sie die Munition aufnehmen kann“, meinte Fudo. „Aber zuerst einmal sollten wir jetzt die Werkzeuge und die restlichen Sachen zusammenpacken und uns mit einer Kiste auf den Weg machen!“ Er hatte die Planen bereits zusammengelegt, als er sie gefunden hatte, und legte sie nun auf eine der Kisten. Auf die Planen legte er die wenigen Werkzeuge, die sie gefunden hatten. Dann überlegte er, wie er die Dinge befestigen könnte, damit sie nicht dauernd herunterfielen. Yokato war ihm in diesem Punkt schon ein bisschen voraus, denn er kam mit einer kurzen Liane zurück. Fudo hob die Kiste hoch, Yokato legte die Liane darunter, dann setzte Fudo die Kiste wieder auf den Boden. Yokato band die Liane wie ein Seil zusammen und schob die Werkzeuge zwischen die Liane und die Plane darunter. Nachdem sie die wenigen wichtigen Dinge so gesichert hatten, packten die beiden Jugendlichen jeweils einen der Griffe der Kiste, hoben sie hoch, und brachen in Richtung des Sees auf. Die kaputte Kiste ließen sie erst einmal zwischen den anderen Kisten stehen, und sie hofften, dass die Raptoren sich nicht für die Kisten interessierten. Ely lief als letzte der Gruppe. Sie sah sich aufmerksam um, ob sich irgendwo in der Nähe Dinosaurier befanden. Sie sah jedoch nichts. Der Wald um sie herum war ruhig, man hörte keine Lebewesen, nur das Atmen der Mitglieder der Gruppe, das leise Weinen von Kichi-sie weinte, seit die Raptoren angegriffen hatten-, die sich an ihren Bruder geklammert hatte, und den Wind, der durch die Bäume wehte. Sie sah sich trotz dieser Stille aufmerksam um, da es auch vor dem Angriff der Raptoren so leise gewesen war. An einigen Bäumen, die sie passierten, sah Ely dünne Pfeile, die frisch in die Rinde geritzt worden waren. Sie wanderten schweigend durch den Dschungel, auch wenn Ely sich nicht wirklich sicher war, ob es tatsächlich ein Dschungel war, denn einer der Bäume, in die Fudo die Pfeile geritzt hatte, war eine Tanne gewesen, und sie hatte auch schon einige Linden und Eichen entdeckt. Dann erreichten sie die Lichtung, die Ryoudo, Raidon und Fudo entdeckt hatten. Sie blieben am Rande der Lichtung stehen und betrachteten den großen Baum, der als einziger auf der Lichtung wuchs. Es war eine Eiche, eine sehr alte und große Eiche. Einige der unteren Äste -die in drei Metern Höhe begannen- waren so dick wie die Stämme einiger Bäume, die die Lichtung umstanden. Ely betrachtete den Baum, dann sah sie den See an, der die Lichtung auf einer Seite abschnitt. An seinem Ufer wuchs Schilf in Massen, und anhand der Luftblasen, die an manchen Stellen aus dem See aufstiegen, schloss sie, dass er auch reich an Fischen sein musste. Sie betrat als erste die Lichtung, gefolgt von Ryoudo und Raidon. Diesen wiederum folgten Kichi, die sich immer noch an Riro klammerte und ihn mitzog, und Atoeru. Als Kichi jedoch das Wasser sah, löste sie sich von ihrem Bruder und rannte darauf zu. Sie kniete sich hin und begann, mit ihren Händen Wasser aus dem See zu schöpfen, um ihren Durst zu löschen. Ely wollte ihr hinterherrennen, denn sie wusste nicht, was im Wasser alles lauern konnte. Seit die Raptoren angegriffen hatte, war sie sich bei nichts mehr sicher. Sie wusste nicht, was es in dieser Welt gab und was nicht, und sie wollte nun sichergehen, dass es nichts gefährliches im Wasser gab. Aber gerade, als sie losrannte, hielt Raidon sie am Arm fest, nicht stark genug, um sie zu verletzen, aber dennoch stark genug, um sie zum Anhalten zu bewegen. „Sie kann ruhig trinken“, sagte dieser. „Wir haben vorhin bereits getrunken, und nichts ist passiert. Du musst dir keine Sorgen machen.“ Ely atmete beruhigt aus. „Ich wollte auch etwas trinken“, sagte sie zu Raidon, daraufhin ließ dieser sie wieder los. Ely ging zum Wasser, denn sie hatte wirklich Durst. Sie hatte Raidon nicht angelogen, als sie gesagt hatte, dass sie etwas trinken wollte. Die Jüngeren tranken bereits alle. Raidon folgte ihr ein kurzes Stück, dann änderte er jedoch die Richtung und ging zu der Eiche, die der einzige Baum war, der auf dieser Lichtung wuchs. Er betrachtete sie mit einem faszinierten Blick. Genauso wie auch Fudo und die anderen fragte er sich, in was für einer Art Dschungel sie sich befanden, wenn hier Bäume, die nicht in einen Dschungel gehörten, wuchsen. Er sah den Baum noch kurz an, dann ging er ebenfalls zum Wasser und trank noch etwas davon. Die beiden Jüngsten der Gruppe, Riro und Kichi, hatten bereits genug getrunken, um ihren Durst zu stillen, und rannten auf die Apfelbäume am Rand der Lichtung zu. Raidon sah, dass Ely aufstand und ihnen folgte. Raidon merkte, dass sie nervös wirkte, und er konnte auch verstehen, warum. Nachdem auch Ryoudo, der als einziger noch beim Wasser gewesen war, ebenfalls aufgestanden und auf die Apfelbäume zugelaufen war, ging Raidon ebenfalls dorthin. Riro war bereits auf einen der Bäume geklettert und pflückte einige Äpfel, die er zu Kichi warf, die direkt unter dem Baum stand. Sie fing jeden einzelnen Apfel auf und legte ihn auf den Boden. „Pass auf, Riro“, rief Ely zu ihrem kleinen Bruder hinauf. Dieser sah seine Schwester mit einem Blick an, der sagen sollte, dass er das nicht zum ersten mal machte. Aber gerade, als er seiner Schwester sagen wollte, dass sie sich keine Sorgen machen sollte, rutschte er auf dem Ast, auf den er sich gestellt hatte, um an die höheren Äpfel zu kommen, aus und fiel auf den Boden zu. Raidon fing ihn auf. „Pass das nächste mal besser auf, ok?“, sagte er zu Riro. Der Angesprochene nickte. Raidon setzte ihn auf den Boden. Dann beugte er sich vor und hob einen der gepflückten Äpfel auf. Er wischte ihn an seinem Hemd ab und biss hinein. Der süßliche Geschmack des Apfels breitete sich in seinem Mund aus. Raidon lächelte. Er schmeckte genauso wie die Äpfel der Welt, aus der er kam. Er bis wieder hinein und genoss den Geschmack. Die anderen hatten sich ebenfalls einen Apfel genommen und zu essen begonnen. Ely blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und hoffte, dass es Fudo und Yokato gut ging. Die beiden hatten sich zwar erst vor zwanzig Minuten vom Rest der Gruppe getrennt, aber Ely hatte das Gefühl, dass sie in Schwierigkeiten waren. Sie hoffte, dass dieses Gefühl einfach nur der Panik zuzuschreiben war, die sie erfasst hatte, seit sie in diese Welt gekommen waren, aber sie ahnte, dass es mehr war als das. Sie blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Fudo und Yokato wanderten den Weg, den Fudo mit den Pfeilen gekennzeichnet hatte, entlang. Fudo ging voraus, über seiner Schulter hing das Gewehr, in seiner rechten Hand hielt er die geladene Pistole, die sie gefunden hatten, als sie den Haufen durchsucht hatten. In seiner linken Hand hatte er einen der beiden Griffe der Munitionskiste. Yokato lief hinter ihm, er hatte den zweiten Griff der Kiste in der Hand. Sie trugen die Kiste zwischen sich. Auch Yokato hatte eine Pistole in seiner Hand. „Glaubst du, dass wir auf fleischfressende Dinosaurier treffen werden?“, fragte Yokato. Fudo zuckte mit den Schultern. Er blickte sich um und suchte im Wald nach Zeichen, dass die Raptoren ihnen gefolgt waren. Nachdem er nichts gesehen hatte, blickte er wieder nach vorne und atmete aus. „Ich hoffe nicht, dass wir welche treffen. Im Notfall haben wir ja immer noch die Waffen!“ Fudo blickte sich wieder um. Er war sich nicht sicher, ob er gerade eine Bewegung gesehen hatte. Nachdem er jedoch nochmals zu dem Ort geschaut hatte, an dem er meinte, die Bewegung gesehen zu haben, erkannte er, dass er sich das wirklich nur eingebildet hatte. Er schüttelte den Kopf. „Was ist, Fudo?“ Yokato blieb stehen und blickte den älteren an. Er sah die Sorgenfalten auf dessen Stirn und ahnte, dass er nicht mehr wirklich fit war. „Nicht wichtig. Wir sollten uns lieber beeilen. Nicht, dass die anderen sich noch Sorgen machen!“ Fudos Stimme klang fest, und die Falten waren aus seinem Gesicht verschwunden, als er begonnen hatte zu reden. Yokato war sich aber dennoch nicht sicher, ob Fudo wirklich so fit war, wie er zu sein vorgab. Nach einigen weiteren Minuten, in denen sie kein Wort miteinander sprachen, erreichten sie schließlich die Lichtung, die sie als Lagerplatz gedacht hatten. Yokato sah sich erstaunt um. Es war bereits später Nachmittag, und die Bäume warfen bereits längere Schatten auf einen Teil der Lichtung. „Was... was macht eine... Eiche im Dschungel?“ Er war der erste, der die Frage ausgesprochen hatte, die jeder sich gestellt hatte, als er oder sie die Lichtung betreten hatte. „Ist dir nicht aufgefallen, dass auf dem Weg hierher Bäume wuchsen, die im Dschungel eigentlich nicht wachsen? Zum Beispiel die Tanne, an der wir durchgekommen sind?“, entgegnete Fudo. Yokato schüttelte den Kopf, er hatte nicht auf die Umgebung geachtet. Dann hatten die beiden keine Zeit mehr, weiterzureden, denn Ely kam auf sie zu. Die anderen warteten bei der Eiche. „Wo wart ihr so lange? Was ist passiert?“, fragte Ely sofort. „Ihr seht nicht so aus, als wäre alles glattgegangen! Also, was ist passiert?“ In Ely Gesicht konnte man die Sorgen, die sie sich gemacht hatte, deutlich sehen. „Es ist nichts schlimmes passiert, Ely“, beruhigte Fudo sie. „Wir hatten eine kleine Begegnung mit unseren Freunden, den Raptoren, aber das war alles.“ Direkt nachdem Fudo fertiggesprochen hatte, merkte er, dass er das besser nicht gesagt hätte. „Seid ihr verletzt?“, fragte sie mit sorgenvoller Stimme. Fudo schüttelte den Kopf. Er steckte die Pistole in die Hosentasche, nachdem er sie gesichert hatte, und nahm Elys Hand in seine. Er drückte ihre Hand sanft. „Ely, uns ist nichts passiert. Wir konnten die Raptoren verscheuchen“, erklärte Fudo in dem Versuch, Ely zu beruhigen. Diese jedoch sah ihn weiterhin mit einem Blick an, der eine Mischung aus Furcht, Sorge, Schmerz und Zorn war. Er sah kurz zu Yokato und nickte mit dem Kopf in Richtung Baum. Yokato verstand, was Fudo meinte, und die beiden setzten sich wieder in Bewegung. Fudo hielt noch immer Elys Hand, und diese ging neben ihm her. Fudo und Yokato setzten die Kiste am Baum ab, dann zog Fudo Ely ein Stück von der Gruppe fort. Sie gingen zurück zum Waldrand, um ein bisschen ungestört zu sein. Fudo legte sanft einen Arm um seine Freundin und zog sie an sich. „Du musst dir keine solchen Sorgen machen, Ely“, flüsterte Fudo ihr ins Ohr. Er lächelte sie an, doch unter der Fassade konnte Ely die Sorgen erkennen, die Fudo plagten, und die Müdigkeit, die ihn erfasst hatte. Sie sah ihm in die Augen, die alles, was sie an Fudo erkannt hatte, für alle Welt sichtbar machten und konnte nicht anders, als zu lächeln. Ihre Sorge um ihn war nun wieder verflogen, und sie merkte nun, dass sie auch ein bisschen wütend gewesen war. Wütend darüber, dass er sich in eine solche Gefahr begeben hatte. Aber auch diese Wut war verschwunden. Sie konnte ihm nicht böse sein, jedenfalls nicht lange. Er war ihr zu wichtig. Die beiden setzten sich am Waldrand an einen Baum, mit dem Rücken zur Lichtung. Ely lehnte sich an Fudo und genoss diesen Moment der Zweisamkeit. „Ich möchte, dass du mir etwas versprichst, Fudo“, flüsterte sie einige Sekunden später. Sie drehte ihren Kopf und sah ihrem Freund in die Augen. „Versprich mir, dich nicht leichtsinnig in Gefahr zu begeben. Ich will nicht, dass dir etwas passiert!“ Fudo sah in Elys Augen, dann musste er lächeln. Allerdings war es nur ein schwaches Lächeln, er zog nur die Mundwinkel einige Millimeter nach oben. „Ich verspreche es dir“, sagte er. „Ich verspreche dir, dass ich mich nicht leichtsinnig in Gefahr begebe. Denn ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst. Aber das verspreche ich nur, wenn du dasselbe versprichst, Ely!“ Ely nickte ebenfalls. „Ich wusste, du würdest das sagen.“ Elys Lächeln war offen und freundlich geworden. „Ich verspreche es dir, Fudo! Und ich schulde dir noch etwas.“ Fudo sah sie erstaunt und leicht verwirrt an, dann erinnerte er sich an ihre Worte, bevor er und Yokato zurückgeblieben waren. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich. Dann küsste sie ihn zärtlich. Fudo zog sie an sich und erwiderte den Kuss. Er schloss die Augen und ließ seine Gedanken, alle Sorgen und Ängste, die ihn plagten, davontreiben, bis nur noch der Augenblick in seinem Kopf existierte. Der Augenblick wurde allerdings jäh unterbrochen. „Fudo? Ely? Wo seid ihr?“ Yokatos Stimme schnitt durch die Luft und zerstörte ihre Zweisamkeit. Fudo und Ely erschraken und lösten ihre Lippen voneinander. Sie sahen sich kurz in die Augen und lächelten einander an. „Immer im falschen Augenblick“, flüsterte Fudo. „Hier sind wir“, beantwortete er dann Yokatos Ruf. Fudo blieb zusammen mit Ely sitzen und wartete darauf, dass Yokato zu ihnen kam. Dieser ließ sich nicht viel Zeit damit. Nur wenige Sekunden, nachdem Fudo ihm geantwortet hatte, hatte er die beiden erreicht. Als er sah, dass sie einander in den Armen hielten, wurde er leicht verlegen. „Hab ich euch... gestört?“, fragte er nervös. Fudo und Ely sahen sich wieder kurz an, dann schüttelten beide den Kopf. „Wir wollten nur ein bisschen Ruhe haben“, erwiderte Ely. Sie setzte ein freundliches Lächeln auf, aber es erreichte ihre Augen nicht. Fudo merkte, dass es nur gespielt war, denn ihr Körper hatte sich ein bisschen angespannt. Er kannte das bereits. Yokato merkte nicht, dass Ely es nicht ehrlich meinte. Fudo wusste, dass es schwer war, das zu erkennen. Selbst er hatte bis vor einiger Zeit nicht wirklich sicher sagen können, ob Ely gerade log oder ob sie es ehrlich meinte. „Ist was passiert?“, fragte Fudo, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Yokato zuckte die Schultern, was Fudo dann doch verwunderlich fand. „Das kann man sehen, wie man will. Raidon ist nicht begeistert, dass du und Ely euch 'davongemacht habt', wie er es ausdrückte. Eure Geschwister sind jetzt wiederum sauer auf Raidon, und Ryoudo und Raidon streiten sich gerade. Ich glaube, es wäre gut, wenn ihr zurückkommen würdet!“ Yokato sah Fudo und Ely an. In seinem Blick lag ein bisschen Sorge. Fudo erinnerte sich an die Pistole, die er Ryoudo gegeben hatte, und wollte schon aufspringen, als Yokato beruhigend eine Hand auf seine Schulter legte. „Keine Sorge, ich habe die Waffe“, sagte der Blauhaarige. „Ich hatte es schon kommen sehen, und habe Ryoudo gebeten, sie mir zu geben. Ich glaube, er ahnte bereits ebenfalls, dass Raidon auf Streit aus war!“ Yokato blickte zum Lager, von wo nun die Stimmen von Raidon und Ryoudo zu hören waren. Es hörte sich an, als würden sie sich anschreien, und Fudo war froh, dass er nicht verstand, was sie einander an den Kopf warfen. „Wir sollten wirklich zurückgehen, ein Streit ist jetzt wirklich unnötig! Schließlich teilen wir alle dasselbe Schicksal“, meinte Fudo mit zusammengepressten Zähnen. Diese Geste zeigte, dass er wütend war. Er stand auf und half Ely ebenfalls auf die Beine. „Das denke ich auch... aber auf mich wollte keiner der beiden hören. Vielleicht ist es bei euch anders“, meinte Yokato. Er lief vor den beiden her und zurück zum Lager. Nachdem sie einige Meter näher an das Lager herangekommen waren, konnten sie auch verstehen, was Raidon und Ryoudo einander an den Kopf warfen. „... hast keine Ahnung, was hier überhaupt los ist, Raidon! Du denkst doch nur an dich!“ Ryoudos Stimme troff vor Wut und sein hochrotes Gesicht sagte alles übrige aus. „Von wegen. Ich überlege, was uns am meisten helfen kann. Aber ihr ignoriert mich ja alle und folgt deinem achsotollen Bruder Fudo. Aber der hat sich bisher einen Dreck um die Gruppe gekümmert!“ Raidons Gesicht war ebenso rot wie das von Ryoudo, in seiner Stimme und in seinen Augen lag Zorn, genug, dass Ely vor Schreck zusammenfuhr. „Fudo ist derjenige, der immer ruhig bleibt“, entgegnete Ryoudo noch lauter als zuvor. „Er ist tausendmal besser als du, du sturer Egoist!“ Ryoudo ballte die Fäuste und trat einen Schritt auf Raidon zu. Als Fudo das sah, löste er seine Hand von Elys und beschleunigte. „Du wiederholst dich“, brüllte Raidon triumphierend. „Du hast wohl keine Argumente mehr. Aber ich hab noch genug! Er interessiert sich nur für seine Freundin, wir anderen sind ihm egal. Sonst wäre er ja wohl kaum mit ihr verschwunden, kaum dass er wieder hier war!“ Raidon lächelte boshaft. „Das reicht“, rief Ryoudo und schlug mit seiner linken Faust nach Raidons grinsendem Gesicht. Unterwegs stoppte seine Faust jedoch plötzlich. Fudo war zwischen Raidon und Ryoudo getreten und hatte Ryoudos Schlag mit seiner rechten Hand aufgehalten. Mit der linken Hand hatte er einen Schlag von Raidon gestoppt, der ebenfalls auf das Gesicht gezielt hatte. Fudos Hände hatten sich um beide Fäuste geschlossen und hielten diese wie Schraubstöcke fest, seine Arme waren vor der Brust gekreuzt. Raidon und Ryoudo spürten beide den Druck, den Fudo auf ihre Hände auswirkte. „Ich finde, das reicht. Streiten hilft hier niemandem weiter!“, sagte Fudo mit einer eiskalten Stimme. Er wandte sich Raidon zu. „Und wer war es denn, der lieber mit der Gruppe vorgehen wollte, anstatt seinem Bruder und mir zu helfen? Wem war die Gruppe zu dieser Zeit egal? Na, Raidon?“ Fudo senkte seine Hände, die er bisher auf Kopfhöhe gehalten hatte. Raidon und Ryoudo mussten auf ein Knie hinuntersinken, wenn sie noch andere Gefühle neben Schmerz fühlen wollten, denn der Griff von Fudo war eine Art Handgelenkhebel. Fudos Stimme war bei diesen Worten immer noch eiskalt und hatte nicht einmal ihre ruhige Tonlage verändert, aber Raidon fühlte sich, als hätte er gerade mehrere Ohrfeigen bekommen. Der unterschwellige Ton, voller Wut, aber auch voller Erschöpfung, der bei diesen Worten dabeigewesen war, hatte ihm den Kopf gewaschen. „Ich... ich... es... tut mir leid... ich bin... ich habe... einfach Panik, ok? Und was ich gesagt habe, habe ich... nicht so gemeint!“ Raidon sah Fudo an und hoffte, dass dieser den Klammergriff um seine Hand bald lösen würde. Der Schmerz rauschte durch seinen Körper. „Doch, hast du, Raidon, das hat man gehört. Aber das macht nichts. Ich habe nie gesagt, dass ich der Anführer der Gruppe sein will. Wenn du meinst, es besser zu machen, bitte. Ich habe nichts dagegen!“ Fudo löste den Griff an Raidons Hand, und dieser kippte zur Seite. „Und, Ryoudo... Ich dachte eigentlich, dass du dich besser beherrschen könntest. Ich denke, du solltest dich mal daran erinnern, was du im Kampfsport gelernt hast. Kämpfe zu vermeiden ist das Ziel dabei! Nur im Notfall zurückschlagen...“ Fudo ließ nun auch die Faust seines Bruders los und wandte sich kopfschüttelnd von den beiden Streithähnen ab. Er ging auf den Baum zu und lehnte sich dagegen. Ryoudo war von den Worten seines Bruders schwer getroffen. Er wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte, aber sein Bruder musste doch nicht gleich so extrem wütend und abweisend darauf reagieren. Ryoudo hatte seinen Bruder immer respektiert, aber jetzt wurde dieser Respekt auf eine harte Probe gestellt. Dann sah er, wie sein Bruder auf die Eiche zuging, und erkannte an der Haltung -Fudo ging zwar aufrecht, aber nicht so aufrecht wie sonst, was jedoch nur wenigen auffallen würde-, dass sein Bruder mit den Nerven am Ende war. Ryoudo sah sich um und bemerkte den verwunderten und zugleich verängstigten Blick auf den Gesichtern von Atoeru, Kichi und Riro. Sie starrten ihn und Raidon an, als wären sie beide Fremde. Er blickte zu dem am Boden liegenden Jungen und revidierte seine Meinung über ihn. Ryoudo gab Raidon die Chance auf einen Neuanfang. Raidon lag noch immer auf dem Boden und dachte über die Worte von Fudo nach. Er versuchte, sich zu erinnern, was er getan hatte, seit sie hier gelandet waren. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr musste er Fudo recht geben. Er hatte sich -bis auf die Sache mit Atoeru ganz am Anfang, bevor der erste Raptor aufgetaucht war- nur um sich gekümmert und immer nur an seine Sicherheit gedacht. An seinen Vorteil. Deshalb war er mit der großen Gruppe gegangen. Er hatte gedacht, dass es sicherer wäre. Fudo und sein Bruder waren ihm in diesem Augenblick egal gewesen. Raidon schüttelte den Kopf und stand langsam auf. Auch Ryoudo hatte sich erhoben. Er starrte immer noch zu Raidon hinüber, welcher dem Blick auswich. Nachdem Raidon den Blick jedoch erwidert hatte, merkte er, dass auch Ryoudo seine Meinung geändert hatte. Ryoudo ging die zwei Schritte auf Raidon zu. „Es tut mir Leid, das ich so überreagiert habe“, begann der letztere. „Ich... war wirklich in Panik... und ziemlich egoistisch, seit wir hier gelandet sind. Ich wollte nicht mit dir streiten, Ryoudo!“ Raidon setzte sein unschuldigstes Lächeln auf und blickte den Jüngeren an. „Angenommen. Ich sollte mich auch entschuldigen, dass ich mich so reingesteigert habe. Ich hätte einen kühlen Kopf bewahren sollen“, entgegnete Ryoudo. Dann blickten beide zu Fudo, der sich an die Eiche gelehnt und die Augen geschlossen hatte. Raidon ging auf Fudo zu und setzte sich neben ihn. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, hatte Fudo ihn schon angesprochen. „Was willst du, Raidon? Ich denke, ich habe meinen Standpunkt klargemacht. Wenn du meinst, der Gruppe als Anführer besser helfen zu können, dann führe. Ich hab nichts dagegen!“ Fudo blieb reglos sitzen und wartete auf die Antwort von Raidon. „Ich wollte mich eigentlich entschuldigen. Ich glaube nicht, dass ich ein guter Anführer wäre. Ich bin viel zu egoistisch, auch wenn ich schon länger versuche, mich zu bessern. Ich glaube, alle wären dafür, wenn du der Anführer bleibst“, erklärte Raidon ohne Umschweife. Fudo öffnete endlich die Augen und blickte in die Runde. Auf allen Gesichtern, in die er blickte, selbst in denen von Kichi und Riro, die eigentlich nie eine Autorität akzeptierten, sah er Zustimmung zu Raidons Worten. Dennoch blieb er skeptisch. „Ich bin dafür, dass wir das auf später verschieben“, sagte Fudo. Er blickte an den Himmel, wo die Sonne schon tief stand. „Es ist bald Abend, und wir haben keinen Ort zum schlafen, und nichts, um uns zu wärmen. Das Problem sollten wir als erstes lösen!“ „Ich glaube, ich hab da ne Idee“, meldete sich Yokato zu Wort. „Als Raidon, Atoeru und ich eingesogen wurden, da hab ich noch einen Stapel Decken zu fassen bekommen. Er wurde mit uns hergebracht. Wenn jemand mitkommt, dann hole ich sie schnell, dann könnten wir auch eine kalte Nacht überstehen!“ Fudo nickte. „Das ist doch schon mal ein Anfang. Möchte jemand freiwillig mitgehen?“ Drei Leute hoben die Hände. Der eine war Raidon, der zweite war Atoeru, und die dritte Person war Ely. Fudo blickte Raidon an. „Tut mir Leid, dass du nicht mitgehen kannst, aber ich brauche dich hier, Raidon. Mir ist nämlich auch gerade eine Idee gekommen, wie wir uns wenigstens provisorisch ein Dach über dem Kopf bauen können.“ Raidon sah ihn fragend an. Ely beobachtete Fudo. Er hatte sich erstaunlich schnell wieder gefangen. Aber das war der Fudo, den sie kannte. Sobald er eine Aufgabe hatte, vergaß er alles andere und konzentrierte sich nur noch darauf. Deshalb behielt er immer einen kühlen Kopf. Er konnte Situationen schnell abschätzen und ebenso schnell entscheiden, was gut und was nicht gut war. Er war ihrer Meinung nach der geborene Anführer. Keinem anderen schien aufzufallen, wie schnell Fudo sich wieder zusammengerissen und erste Überlegungen angestellt hatte. Aber sie war froh, dass Fudo sich zusammengerissen hatte. „Also, ich gehe dann mit Atoeru und Yokato die Decken holen“, sagte sie schnell, bevor Fudo noch Wiederworte sagen konnte. Sie griff nach ihrem Gewehr, welches sie neben die Eiche gelegt hatte, und hängte es sich über die Schulter. Yokato überprüfte gleichzeitig die Pistole, die er trug. Er lud das Magazin mit Kugeln aus der Kiste, die er und Fudo gebracht hatten -es war Pistolenmunition-, neu -es fehlten vier Kugeln- und sicherte die Waffe wieder. Fudo blickte die Gruppe, die aufbrechen wollte, noch einmal an, dann bedeutete er Ely, stehenzubleiben. „Raidon, könntest du doch mitgehen“, sagte Fudo freundlich. „Wenn ihr beiden -er zeigte auf Yokato und Raidon- mitgeht, könntet ihr noch eine Munitionskiste mitbringen. Seid ihr damit einverstanden?“ Raidon nickte, ihm war diese Idee gar nicht gekommen. Er ging ebenfalls zu der Gruppe, die sich marschbereit machte. Yokato übernahm die Führung, und sie verschwanden im Wald. Fudo ging währenddessen zu der Kiste, die er und Yokato mitgebracht hatten. Er löste die Liane und nahm das Werkzeug von der Plane. Dann bat er Ryoudo, ihm zu helfen, die Plane zu entfalten. Zusammen entfalteten die beiden die drei Planen, die sie mitgebracht hatten. Eine davon, das sah Fudo sofort, hatte einen Riss, der allerdings nicht weiter schlimm war, da er sich weit außen befand. Die anderen beiden waren intakt. „Ryoudo, ich habe eine Bitte an dich“, sagte Fudo und reichte Ryoudo die Pistole, die er später gefunden hatte. „Geh bitte mit Kichi und Riro in den Wald und such nach Feuerholz. Sammelt viel Holz, wir müssen das Feuer wenn möglich die ganze Nacht am brennen halten.“ Ryoudo nickte, nahm die Waffe und ging mit Riro und Kichi in den nahen Wald. Dort begannen sie, kleinere und größere Äste zu sammeln und zur Eiche zu tragen. Fudo nahm derweil die Säge und ging ebenfalls zum Waldrand. Er ging von Baum zu Baum und betrachtete die Äste. Beim ersten Apfelbaum machte er außerdem eine kurze Rast, kletterte hinauf, pflückte zwei Äpfel und verschlang sie geradezu. Dann ging er weiter von Baum zu Baum. Beim fünften Baum entdeckte er endlich, wonach er gesucht hatte. Vom Baumstamm spross ein Ast, der eine Dicke von drei Fingern hatte und ziemlich gerade wuchs. Fudo kletterte den Baum bis zu diesem Ast hinauf und sägte ihn mit der Säge, die er bei sich hatte, ab. Er fing den Ast ab, bevor er zu Boden fallen konnte, und ließ ihn langsam hinunter. Nachdem der Ast unten war, kletterte auch Fudo hinunter und entfernte kleinere Äste von dem abgesägten Ast. Dann brachte er ihn zurück ins Lager. Dort hatten Riro, Kichi und Ryoudo, der ebenfalls fleißig mithalf, bereits einen kleinen Haufen Holz gesammelt und aufgeschichtet. Fudo lächelte zufrieden, als er das sah. Er merkte, dass selbst die Jüngsten auf ihn hörten, und das erfüllte ihn mit Hoffnung. Er wusste zwar nicht, was kommen würde, aber er würde dafür sorgen, dass sich niemand in dieser Gruppe unnötig in Gefahr brachte. Fudo legte den Ast, den er abgesägt hatte, an einen anderen Platz und ging zurück zu den Bäumen. Dort suchte er weiter nach ähnlichen Ästen. Schnell merkte er jedoch, dass er es sich um einiges leichter vorgestellt hatte, als es tatsächlich war. Aber Fudo ließ sich nicht entmutigen. Ryoudo hatte die Pistole in die Hosentasche gesteckt und half Kichi und Riro, Holz zu sammeln. Zu dritt sahen sie sich nach totem, heruntergefallenem Holz um, sammelten es im Wald auf einem kleinen Haufen, und wenn es genug war, trugen sie es gemeinsam zurück auf die Lichtung. Ryoudo achtete darauf, dass weder er noch Kichi noch Riro jemals allein durch den Wald liefen. Sie blieben immer in der kleinen Gruppe. Zwar kamen sie so nicht ganz so schnell voran, aber dafür waren sie sicherer. Das hoffte Ryoudo jedenfalls. Er schaute kurz zu seinem Bruder, der auf einen Baum geklettert war und einen langen Ast abgesägt hatte, dann wandte er sich wieder seiner Aufgabe zu. Yokato führte die Gruppe mit gezogener Pistole durch den Wald zurück zu dem Ort, an dem Fudo, Ely und deren Geschwister gelandet waren. Auf dem Weg sah er sich aufmerksam um, ob irgendwelche Dinosaurier in der Nähe waren. Er konnte jedoch keine entdecken. Auch auf den Hinweg zur Lichtung hatte er keine gesehen. Das machte ihn stutzig. Er nahm sich vor, später mit Fudo darüber zu reden, da dieser bisher zu fast jedem Problem eine Lösung gekannt hatte. Aber in der Zwischenzeit sah er sich weiter aufmerksam um und suchte nach Gefahren für die Gruppe. Auch Ely sah sich aufmerksam um. Sie hatte das Gewehr in Händen und in ihrer Hosentasche steckte eine Pistole. Sie ging als letzte und achtete darauf, dass sie nicht in einen Hinterhalt der Raptoren gerieten. Sie gingen schweigend durch den Wald, nur ihr atmen und das gelegentliche Knacken eines Astes unter einem der Schuhe durchdrangen die Stille um sie herum. Ely sah sich aufmerksam um und merkte, dass es schwieriger wurde, die Bäume noch gut zu erkennen. Das lag daran, dass die Sonne tiefer gesunken war und ihre Strahlen nicht mehr so gut durch das Blätterdach drangen. Der Dschungel, wenn man diesen Wald so nennen wollte, lag nun im Halbdunkel. „Wir sollten uns beeilen“, sagte Ely, laut genug, dass die anderen drei zusammenzuckten. „Ja, das sollten wir wirklich“, meinte Yokato, nachdem er kurz in die Baumkronen gestarrt hatte. „Es wird dunkel. Und ich will im Lager sein, bevor wir kein Licht mehr haben!“ Raidon nickte. „Ich auch“, sagte er. Auch Atoeru stimmte zu. Dann erreichten sie den Ort, an dem die ganze Sache mehr oder weniger begonnen hatte. Yokato drehte sich in die Richtung, von der er glaubte, dass sie von dort gekommen waren, und lief weiter. Die anderen folgten ihm. Sie irrten eine Weile durch den Dschungel und mussten dreimal zurück zum Ausgangspunkt gehen, aber schließlich fanden sie die Stelle, an der Atoeru und die Zwillinge diese Welt betreten hatten. Dort war noch immer der Bürostuhl zu sehen, auf dem Atoeru gesessen hatte, als sie eingesogen worden waren, und auch die Decken und der Arztkoffer lagen noch dort. Raidon und Atoeru hoben die Decken auf, Yokato packte den Arztkoffer, dann gingen sie wieder in Richtung des Landeplatzes von Fudo und Co zurück. Dort angekommen, luden sie die Decken auf eine Kiste mit Gewehrmunition, schlangen eine Liane darum und banden sie fest. Atoeru trug den Arztkoffer. Raidon und Yokato packten jeweils einen der Träger der Kiste und hoben sie hoch. Dann gingen sie wieder zurück in Richtung der Lichtung. Sie orientierten sich dabei an den Pfeilen, die man noch ganz leicht erkennen konnte. Wäre es heller gewesen, hätten sie es leichter gehabt, aber es war schon dämmrig geworden. Fudo hatte endlich genug Äste zusammengesammelt. Das hoffte er zumindest. Er war beinahe eine Dreiviertelstunde lang von Baum zu Baum gegangen und hatte etwas mehr als zwei Dutzend der Äste in verschiedenen Längen vor sich liegen, zwei davon vier Meter lang. Er war besonders froh, dass er diese gefunden hatte, denn so musste er nur einen Nagel nutzen und nicht zwei. Er legte die Säge zur Seite und holte den Hammer und die Schachtel Nägel. '500 Nägel in Top-Qualität' verkündete das Etikett, aber Die Schachtel war bereits aufgerissen, also waren es wohl weniger als fünfhundert. Das war Fudo aber ziemlich egal. Er nahm einen der kürzeren Äste, den er auf etwa einen Meter fünfzig zurechtgesägt hatte -er hatte einen gesägt und diesen dann als Maßstab für die anderen Äste genutzt- und legte ihn an das linke Ende eines der beiden vier Meter langen Äste. Dann nagelte er ihn mit einem Nagel durch den vier-Meter-Ast hindurch fest. Nachdem er dies getan hatte, nagelte er noch zwei weitere Nägel in verschiedenen Winkeln durch die beiden Äste, um eine größere Stabilität zu erreichen. Diese Prozedur wiederholte er am anderen Ende des langen Astes. Dann nahm er einen der beiden etwas dickeren Äste, die er abgesägt hatte, und nagelte sie genauso wie die anderen Äste fest, in der Mitte des langen Astes. Er stellte das Gestell auf und war ganz zufrieden mit seinem Werk. In Ermangelung einer Schaufel nahm er einen flachen Stein, den er am Wasser gefunden hatten, und begann, damit ein Loch zu graben. Es hatte einen etwas größeren Durchmesser als der dicke Ast und wurde etwa zehn Zentimeter tief. Fudo legte die Konstruktion, die er gebaut hatte, daneben, um die Abstände zu bestimmen. Dann grub er ebensolche Löcher bei den beiden dünneren Ästen. Ryoudo, Riro und Kichi hatten inzwischen einen großen Haufen Holz gesammelt, um damit das Feuer, das sie noch machen wollten, am brennen zu halten. Die beiden Jüngeren ruhten sich aus, während Ryoudo zu Fudo ging. Er beobachtete seinen Bruder eine kurze Weile. „Kann ich dir irgendwie helfen, Fudo?“, fragte er schließlich. Fudo sah zu ihm auf und nickte. „Ja, kannst du. Gleich bin ich hier fertig. Dann kann ich Hilfe gebrauchen“, erwiderte der Angesprochene und grub das dritte Loch zu ende. Als er den Stein zur Seite legte, kam Ryoudo zu ihm. „Was soll ich tun?“, fragte er. Fudo deutete auf die Holzkonstruktion, die er gebaut hatte. „Hilf mir, sie in die Löcher zu stellen und dort zu fixieren“, sagte der Ältere. Ryoudo nickte und half seinem Bruder, die Konstruktion aufzustellen und die Füße mit der freigeschaufelten Erde zu befestigen. Dabei war ihnen nur mäßiger Erfolg beschieden, aber Fudo reichte das. Er nahm einen der mittellangen Äste, der etwas über zweieinhalb Meter maß, und rammte ihn schräg in den Boden, so dass zwischen ihm und der Konstruktion am Boden etwa eineinhalb Meter Abstand war. Ryoudo erkannte, was Fudo da plante. „Du baust ein Zelt, stimmts?“ „Ja, tue ich. Eigentlich sollen es zwei Zelte werden, aber ich glaube nicht, dass ich mit dem zweiten heute noch fertig werde. Mir fehlt das Material. Aber das hier geht heute noch“, erwiderte Fudo und hämmerte den Ast weiter in den Boden, bis sich das obere Ende auf der Höhe der Konstruktion befand. Dann nahm er aus der Schachtel mit den Nägeln zwei Stück heraus und nagelte den Ast, den er in den Boden getrieben hatte, fest. Dann sah er kurz zum Himmel auf, der seine Farbe langsam zu ändern begann. Das helle blau wich einem dunkleren, in welchem bereits einige Sterne zu sehen waren. „Oder auch nicht... Ich glaube, dass bekomme ich heute doch nicht mehr fertig“, meinte er, nachdem er den Himmel gesehen hatte. Er ließ sich jedoch nicht entmutigen, nahm den nächsten Ast und trieb ihn auf der anderen Seite in den Boden. Ryoudo sah seinem Bruder dabei zu. Dann hörte er am Rand des Lagers Geräusche und sofort darauf einen Freudenschrei von Kichi. Ryoudo drehte sich um und war nicht wirklich verwundert, Ely, Raidon, Yokato und Atoeru zu erblicken, die gerade das Lager betraten. Er ging zu ihnen, um zu sehen, ob er ihnen etwas helfen könnte. Yokato und Raidon stellten die Munitionskiste zu der anderen und legten die kaputte Plane darüber, um die Munition wenigstens ein bisschen vor etwaigem Regen zu schützen. Sie beschwerten die Plane mit einigen größeren Steinen, die sie am Wasser gesammelt hatten. Yokato hatte noch einige Steine mehr gesammelt und sie etwa fünf Meter von der Eiche und vier Meter von dem Zelt, das Fudo errichtete, entfernt zu einem Kreis ausgelegt, in welchem sie Feuer machen konnten. Den Kreis hatten Ryoudo und Riro inzwischen auf Anweisung von Raidon von sämtlichem Gras darin befreit, indem sie mit dem flachen Stein, den Fudo benutzt hatte, um die Löcher zu graben, und einem zweiten, den sie am Wasser gefunden hatten, die oberste Schicht des Bodens entfernt hatten. Sie hatten ein großes, flaches Loch, etwa fünf Zentimeter tief, gegraben, das ihnen als Feuerstelle dienen sollte. Fudo arbeitete währenddessen weiter an dem Zelt. Er plante, pro Seite neun Äste in den Boden zu treiben, damit die Plane, die er als Dach plante, nicht zu stark durchhängen würde. Später konnte er die Zelte immer noch verbessern, aber jetzt musste erst einmal ein Dach entstehen. Raidon hatte inzwischen Holz zu einem kleinen Tipi aufgeschichtet, und versuchte nun, das Holz in Brand zu setzen, indem er zwei Äste aneinanderrieb, um Wärme zu erzeugen. Yokato sah ihm kurz dabei zu, dann schnappte er sich Ryoudo und ging mit ihm zu einem der Apfelbäume, um das Abendessen zu pflücken. Ryoudo kletterte in den Baum und warf Yokato einige gute, große und reife Äpfel zu, welcher sie auffing und zur Seite legte. Nachdem sie etwa zwanzig Äpfel gepflückt hatten, kletterte Ryoudo wieder vom Baum und half Yokato, die Äpfel ins Lager zu tragen. Auf dem Rückweg sahen sie, wie Kichi mit leicht verzerrtem Gesicht ins Gebüsch verschwand. Kurze Zeit später, noch bevor die beiden wieder beim Feuer waren, kam sie jedoch wieder, und ihr Gesicht wirkte entspannter. Die beiden Jungen verspürten nun ebenfalls Druck auf der Blase -sie hatten gemerkt, warum Kichi ein so angespanntes Gesicht gehabt hatte-, und verschwanden, nachdem sie die Äpfel abgelegt hatten, ebenfalls kurzzeitig in den Büschen. Raidon hatte das Feuer inzwischen zum brennen gebracht. Er betrachtete den Haufen mit dem Feuerholz, den Ryoudo und die anderen gesammelt hatten. Er überschlug die Menge, die sie für ein Feuer brauchten, und erkannte, das das Holz ausreichen sollte. Nachdem Yokato und Ryoudo zurückgekommen waren, verschwand er ebenfalls in den Büschen, um seine Blase zu entleeren. Fudo konnte noch zwei weitere Äste in die Erde treiben, bevor es zu dunkel wurde, um weiterzuarbeiten. Er war zufrieden mit dem, was er geschafft hatte, dafür, dass er mit dem Bau erst vor etwa eineinhalb Stunden begonnen hatte. Sein genaues Zeitgefühl hatte er verloren, und die Uhr, die er getragen hatte, war verschwunden, aber das war ihm egal. Hier, wo sie jetzt waren, war eine genaue Zeitangabe nicht wichtig. Er nahm das Werkzeug, mit dem er gearbeitet hatte, brachte es zu den Kisten mit der Munition und legte es dort dazu, dann ging er ans Feuer zu den anderen. Ely hatte mit Kichi Decken um das Feuer herum ausgebreitet, auf denen sich die Mitglieder der kleinen Gruppe niedergelassen hatten. „Wer hat Hunger?“, fragte Yokato mit einer freundlichen Stimme, die jedoch nicht über die Nervosität in seinem Gesicht hinwegtäuschen könnte. „Wir!“, sagten Kichi, Riro und Atoeru wie aus einem Munde. Yokato lächelte über die Jüngeren, dann nahm er mehrere Äpfel und verteilte sie. „Wieder nur Äpfel“, meinte Kichi mit einer leicht säuerlichen Stimme. Man konnte ihr ansehen, dass sie lieber etwas anderes essen würde. Ely fasste ihrer kleinen Schwester an die Schulter und sah ihr in die Augen, nachdem diese sich zu ihr gedreht hatte. „Es gibt leider nur Äpfel“, sagte Die Ältere zu ihrer kleineren Schwester. Kichi sah sie an, dann resignierte sie und biss in den Apfel hinein. Riro und Atoeru nahmen die Äpfel, ohne sich zu beschweren, dankend an und begannen zu essen. Yokato warf auch den anderen Gruppenmitgliedern einen Apfel zu, zuletzt nahm auch er einen und biss hinein. Einige Zeit später -die Sonne war schon untergegangen und nur das Feuer erhellte die Lichtung noch- hatten sich Ely, Yokato, Raidon und Fudo ein Stück vom Rest der Gruppe abgesondert. Sie wollten nicht, dass die Jüngeren hörten, was sie besprachen. Ryoudo hatte mit den Decken unter dem Teil des Zeltes, der schon fertig und mit einer Plane überspannt war, eine Art provisorisches Bett errichtet. Es war nicht groß genug für Alle, aber die drei Jüngeren und drei weitere Personen hatten darauf genug Platz. Diese hatten sich auch bereits ins Bett gelegt, da der Tag sehr anstrengend gewesen war. Ryoudo hatte sich wieder ans Feuer gesetzt und legte einige Äste nach, damit es nicht ausging. Er blickte in den Himmel und sah nun zum ersten Mal einen Beweis, dass sie sich nicht mehr auf der Erde befanden. Am Himmel konnte er drei Monde erkennen, zwei große und einen kleinen. Auf einem der beiden größeren konnte er mit bloßem Auge einen Krater sehen, der sich über die halbe Fläche des Mondes erstreckte. Der andere hatte auf der Seite, die er sehen konnte, gerade so nur einen einzigen, kleinen Krater sehen. Der kleinere war nicht groß genug, als dass Ryoudo darauf etwas erkennen konnte. Außerdem sah der Sternenhimmel völlig anders aus als auf der Erde, Ryoudo konnte kein einziges Sternbild erkennen, obwohl Astronomie sein Hobby und sein Ausgleich zum Schießen war und er sich mit den Sternzeichen gut auskannte. „Ich werde Wache halten, während ihr schlaft“, sagte Fudo gähnend. Die anderen sahen ihn verdutzt an. Sie wussten, dass Fudo mindestens ebenso erschöpft und müde war wie sie. „Alleine? Du willst die ganze Nacht wach bleiben und Wache halten? Das schaffst du nicht“, entgegnete Raidon. Seine Stimme klang leicht gereizt, aber das lag eher daran, dass er seine Augen kaum noch offenhalten konnte, und seine Müdigkeit in schlechte Laune umschlug. „Wir können auch abwechselnd Wache halten“, meinte Fudo daraufhin. „Wenn euch das lieber ist!“ „Das wäre besser, glaube ich“, sagte Yokato. Er wirkte noch müder als sein Bruder. Auch Ely und Raidon nickten. „Gut, dann machen wir es so. Ich übernehme die erste Wache. Wer will die zweite übernehmen?“ Fudo sah Raidon, Yokato und Ely an. „Ich bin dagegen, dass wir nur eine Person Wache halten lassen. Zwei Wachen gleichzeitig sind besser!“ Yokatos Stimme war fester geworden, da er sich wieder gefangen hatte, auch wenn er immer noch müde war. „Dann haben wir aber nur zwei Schichten“, entgegnete Fudo. Er war nicht gerade begeistert über den Gedanken. „Das reicht doch, oder? Es ist schon spät genug, und morgen früh können wir ja weiterreden“, meinte Ely. Sie hatte gemerkt, dass die Stimmung nicht mehr ganz so gut war. Sie hatte sich an Fudo gelehnt. Er hatte einen Arm um sie gelegt und wärmte sie, da sie ein wenig in der kalten Nachtluft zitterte und die Gruppe sich zur Beratung ein wenig vom Feuer entfernt. Yokato und Raidon sahen das Pärchen an. „Gut, machen wir es so. Morgen haben wir uns hoffentlich wieder einigermaßen erholt! Also, wer übernimmt mit wem die erste Wache?“, fragte Yokato schließlich. „Ich übernehme auf jeden Fall die erste Wache, ich bin noch einigermaßen wach“, meinte Fudo. Er wirkte auf die anderen wirklich nicht, als wäre er zum umfallen müde. Sie nickten. „Ich übernehme sie mit ihm“, meldete sich Ely schnell, bevor noch einer der anderen etwas sagen konnte. Yokato und Raidon sahen sich an, dann nickten sie. „Gut, wir übernehmen die zweite Wache“, sagte Raidon schließlich. „Weckt uns in einigen Stunden, wenn ihr müde werdet, ok?“ Nachdem Fudo und Ely genickt hatten, standen die Zwillinge auf, zogen Ryoudo mit sich und begaben sich zu den Jüngeren, die bereits friedlich schliefen. Sie hatten sich eine der beiden Decken, die noch am Lagerfeuer gelegen waren, genommen, und legten sich neben den Jüngeren auf die Fläche, die Ely mit mehreren Decken ausgelegt hatte. Kurz darauf schliefen sie ein. Fudo und Ely setzten sich auf die verbliebene Decke ans Feuer. Fudo stand kurz auf und holte die Gewehre, dann setzte er sich wieder zu seiner Freundin und legte eine Arme um sie. Sie kuschelte sich an ihn. „Ich hoffe, dass wir bald wieder von hier wegkommen“, flüsterte sie Fudo zu. Dieser sah ihr in die Augen und sah darin dieselben Zweifel und dieselbe Angst, die auch ihn quälte. „Das hoffe ich auch, Ely, wirklich“, flüsterte er zurück. Ely blickte ihn an. Sie sah, dass er vorhin bei der Beratung nur den Anschein erweckt hatte, dass er nicht so müde wie die anderen war. Seine Augen hatten dunkle Ränder und fielen beinahe zu, und er konnte seine Angst und seine Sorgen nicht mehr hinter seiner neutralen Fassade verstecken. Fudo und Ely blieben am Feuer sitzen und legten ab und zu mal einen Holzscheit nach, damit es nicht ausging. Sie lauschten auf die Geräusche der Nacht. Fudo war froh, dass sie zu zweit Wache hielten. Er spürte, wie er öfters kurz davor war, einzuschlafen, und wie Ely ihn jedes mal wieder aufweckte. Ebenso, wie er Ely jedes mal aufweckte, wenn sie einzuschlafen drohte. Er hoffte nur, dass die Nachtwache, zu der er sich freiwillig verpflichtete hatte, bald vorbei war. ________________________________________ So, ich melde mich auch mal wieder zu Wort, denn ich wollte mitteilen, dass der Termin, an dem das nächste Kapitel hochgeladen wird, nicht feststeht, da ich viel für die Schule zu tun habe. Ich werde mich aber beeilen, um es so bald wie nur irgend möglich hochzuladen mfg Fudo Kapitel 6: Der Morgen des zweiten Tages: Alte und neue Probleme --------------------------------------------------------------- Kapitel 6 Der Morgen des zweiten Tages: Alte und neue Probleme Das Feuer knisterte hörbar. Fudo stand ein Stück davon entfernt und blickte in den Wald. Er versuchte, die Augen offenzuhalten, aber es fiel ihm schwer. Er hielt eines der Gewehre in seiner linken Hand, der Lauf war zu Boden gerichtet. Er versuchte zu erkennen, ob sich in der Dunkelheit, die am Rande des Waldrandes begann, Dinosaurier befanden und die Gruppe beobachteten, die sich auf der Lichtung ein provisorisches Lager errichtet hatten. Allerdings war die Dunkelheit, die durch das Feuer auf der Lichtung scheinbar noch verstärkt wurde, unmöglich mit den Augen zu durchdringen. Fudo versuchte zu hören, ob sich im Wald etwas regte, aber er hörte nichts bis auf seinen Atem, seinen Herzschlag und das gleichmäßige Atmen der schlafenden Personen, an denen er gerade vorbeiging. Er hatte sich einige Minuten zuvor aus Elys Armen befreit -sie war eingeschlafen und Fudo wollte sie nicht wecken, da sie friedlich zu schlafen schien-, hatte die Decke, auf der sie gesessen hatten, so gut es ging um sie gelegt, damit ihr nicht so kalt war, und hatte begonnen, um das Lager zu patroullieren. Er genoß es, die kühle Nachtluft auf seiner Haut zu spüren. Die Luft war das einzige, das ihn noch wach hielt. Es blies ein leichter, kühler Wind, und dieser Wind löste bei Fudo immer wieder ein bisschen Gänsehaut aus. Durch den Wind und die Bewegung schaffte er es, seine Aufmerksamkeit und seine Gedanken gut genug zusammenzuhalten, um sich auf die Umgebung konzentrieren zu können. Fudo machte sich Gedanken darüber, was sie weiterhin machen sollten. Er versuchte bereits zu schätzen, wie lange die Äpfel, die an den Bäumen um die Lichtung herum wuchsen, reichen würden, um die Gruppe, die hier rastete, zu ernähren. Schließlich sättigten Äpfel nicht lange. Er schätzte, dass die Äpfel vielleicht noch zwei, maximal jedoch drei Wochen reichen würden. Allerdings überlegte er, was sie sonst noch an Essen hier finden könnten, da die Jüngeren sich irgendwann nicht mehr mit Äpfeln zufrieden geben würden. Er ging zum Feuer, legte die Waffe zur Seite, nahm zwei dicke Äste vom Haufen mit dem Feuerholz und legte sie auf das Feuer, welches schon ziemlich heruntergebrannt war. Er wartete kurz, bis die Äste Feuer gefangen hatten, und legte noch drei weitere, dünnere Äste dazu. Dann hörte Fudo im Wald, aus der Richtung, aus der sie am Tag zuvor gekommen waren, ein Fauchen. Es war allerdings sehr leise, und Fudo war nicht wirklich beunruhigt. Zur Sicherheit nahm er jedoch das Gewehr wieder zur Hand und ging zu Ely, die Augen auf den Wald gerichtet und die Ohren gespitzt. Er legte Ely sanft eine Hand auf die Schulter und weckte sie. „Was... was ist los?“, fragte die eben Geweckte schlaftrunken. „Bin ich eingeschlafen?“ Sie sah Fudo vor sich knien, das Gewehr in der einen Hand, und wurde beinahe schlagartig hellwach. „Ist was passiert?“ „Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe, aber ich habe das Fauchen von Raptoren gehört“, sagte Fudo leise zu ihr. „Ich bin nicht sicher, ob wir in Gefahr sind oder nicht. Ich wollte dich wecken, bevor sie uns angreifen, was ich allerdings nicht hoffe!“ Ely sah Fudo an, dann lächelte sie und nickte. Sie griff neben sich, wo das zweite Gewehr lag, und stand auf. Sie blickte sich um, dann hörte auch sie das Fauchen aus dem Wald. „Ich hoffe, die kommen nicht hierher“, flüsterte Ely mit sorgenvoller Stimme. Sie blickte in die undurchdringliche Dunkelheit des Waldes, in die Richtung, aus der die Geräusche kam. Fudo stand neben ihr, das Gewehr im Anschlag, und blickte ebenfalls in den Wald. Seit er das Gefauche gehört hatte, war er wieder wirklich hellwach, sein Körper war von Adrenalin durchflutet. Die beiden Jugendlichen blieben einige Minuten stehen, dann war das Fauchen nicht mehr zu hören. „Sie sind weg“, seufzte Ely erleichtert. „Ich hoffe, dass sie nicht herausfinden, wo wir sind!“ Ely sah Fudo an, dann begann sie zu gähnen. Sie blickte zum Himmel und sah, dass die Monde schon halb über den Himmel gewandert waren. „Sollen wir die anderen wecken, Fudo? Ich bin müde“, sagte Ely gähnend. Fudo blickte sie an, dann nickte er. „Ich bin auch müde“, stimmte er ihr zu. Er hängte sich das Gewehr über die Schulter und ging zum Schlafplatz von Raidon und Yokato. Fudo rüttelte beide kurz an den Schultern, bis sie einigermaßen wach waren. Nachdem die beiden gemerkt hatten, wo sie waren, standen sie leise auf, um die anderen nicht zu wecken. „Wir haben vor einigen Minuten Fauchen gehört“, erzählte Fudo den beiden, nachdem sie sich zu ihm und Ely gesellt hatten. „Wir wissen nicht genau, ob die Raptoren noch näherkommen, aber seid auf der Hut. Weckt uns im Notfall, ok?“ Raidon und Yokato nickten. Fudo und Ely gaben den beiden die Gewehre, dann gingen sie zu dem Schlafplatz, auf welchem vorher die beiden Zwillinge geschlafen hatten. Ely und Fudo legten sich leise hin. Ely legte ihre Arme um Fudo und schlief kurz darauf ein. Fudo hatte seine Arme ebenfalls um seine Freundin gelegt. Er lag nur wenige Minuten wach, denn die Müdigkeit, die er schon seit langer Zeit spürte, überwältigte ihn schnell. Er schloss die Augen und schlief ebenfalls ein. Yokato und Raidon setzten sich ans Feuer, legten ein bisschen Holz nach und beobachteten dann den Wald. Sie versuchten, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, die sie immer noch plagte, obwohl sie einige Stunden geschlafen hatten. Raidon hatte sich im Schneidersitz ans Feuer gesetzt und sich das Gewehr über die Knie gelegt. Er starrte ins Feuer und beobachtete, wie die Funken durch die Luft flogen. Yokato stand wieder auf und ging im Feuerschein am Waldrand entlang. Er versuchte, seinen Augen Zeit zu geben, sich so gut es ging auf die Dunkelheit des Waldes einzustellen, dies gelang ihm jedoch nicht wirklich. Er nahm das Gewehr in beide Hände und lief weiter entlang des Feuerscheins am Waldrand entlang. Er war beunruhigt durch das, was er von Fudo gehört hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Fudo keinen Scherz gemacht hatte, als er von dem Gefauche erzählt hatte, denn die Panik in Fudos Augen und die Sorge in seinem Gesicht waren deutlich zu sehen gewesen, als er es erzählt hatte. Yokato behielt seinen Blick weiter in Richtung Wald gerichtet, während er seine Runde beendete und zu seinem Bruder ans Feuer zurückkehrte. “Wir sitzen ziemlich in der Tinte”, flüsterte Raidon, nachdem sich sein Bruder wieder ans Feuer gesetzt hatte. Er blickte in Richtung des Waldes, der so undurchdringlich wirkte und voller tödlicher Gefahren war, dann zu den schlafenden Menschen, die sich nur wenige Meter entfernt auf einigen dünnen Decken schlafen gelegt hatten und mehr oder weniger friedlich schlummerten. “Das stimmt. Aber was sollen wir machen? Wir sind hier, und weg können wir nicht. Wir wissen ja nicht einmal, warum wir hier gelandet sind... und noch weniger, wie. Aber das ist auch nicht wichtig!” Yokatos Stimme klang ruhig wie schon bei den Gesprächen zuvor, doch man konnte in seinem Gesicht noch immer die Sorgen sehen, die er sich machte. “Aber zum Glück sind wir nicht allein hier gelandet.” Er sah auch zu den Schlafenden hinüber. “Mir tut Atoeru Leid”, fügte er dann noch hinzu. Raidon sah seinen Bruder verständnisvoll an. “Ich glaube, ich weiß, warum. Alle hier haben einen Bruder oder eine Schwester, jedenfalls eine Person aus der Familie, an die sie sich halten können, die sie tröstet und sich um sie sorgt, nur Atoeru nicht, stimmts?” Raidon sah seinen Bruder nicken, und redete sofort weiter. “Aber Atoeru ist nicht allein. Er ist mit uns hierhergezogen worden, also sollten wir uns auch um ihn kümmern, finde ich!” Yokato sah seinen Bruder nun sehr erstaunt an. Sonst war sein Bruder immer ein Egoist gewesen, wenn es einmal gefährlich geworden war, auch seine Arbeit als Schulsanitäter hatte da nicht wirklich geholfen. Aber hier, in dieser unbekannten Welt, in der Gesellschaft einer kleinen Gruppe von Menschen, die dasselbe Schicksal erlitten hatten, entwickelte er einen Beschützerinstinkt für einen Jungen, den er erst seit einem Tag kannte. Yokato fand das Ganze erstaunlich und verwunderlich. Er war jedoch nicht veängstigt deswegen, sondern sogar froh. Sein Bruder hatte angesichts der Gefahr, die sie umgab, seine harte Schale brechen lassen. “Ich bin auch dafür, dass wir ihm zeigen, dass er nicht allein ist”, meinte Yokato schließlich. Raidon hatte das Zögern seines Bruders bemerkt. “Was hast du, Yokato? Ich hab das Gefühl, du traust mir das nicht zu!” “Das ist es nicht, Raidon, wirklich... ich wundere mich nur über diesen plötzlichen Sinneswandel. Früher warst du in Gefahrensituationen immer egoistisch und hast dich nur um dein Wohl gekümmert. Und jetzt sorgst du dich um einen Jungen, den du kaum kennst. Du würdest dich auch wundern, wenn sich jemand so schnell so drastisch ändern würde, oder?” Yokato sah seinen Bruder abwartend und berechnend an, er versuchte, die Antwort von Raidon vorauszusehen und möglichen Erwiderungen, die gegen seine These sprachen, bereits Gegenargumente in den Weg zu legen. Diese Art der Diskussion hatten die Geschwister schon oft gehabt. Meistens kamen sie zu keinem Ergebnis. Raidon überraschte seinen Bruder jedoch, indem er die einzige Aktion ausführte, die Yokato nicht erwartet hatte. Raidon nickte. “Da muss ich dir Recht geben, Yokato, das ist verwunderlich. Aber nicht viele kommen in UNSERE Situation, oder? Was in einer solchen Situation passiert und was nicht, kann niemand vorhersagen. Aber ich wundere mich selbst ein bisschen darüber, dass ich mir um Atoeru Sorgen mache”, erklärte Raidon weiter. Er blickte in das inzwischen wieder stärker heruntergebrannte Feuer und legte zwei weitere dicke Äste darauf. Dann sah er wieder seinen Bruder an. Yokato nickte nur und blickte dann ins Feuer. Raidon lauschte den Geräuschen des Waldes, konnte aber nichts gefährliches hören, oder jedenfalls nichts, das er als gefährlich interpretierte. Einige Zeit später stand er auf und ging den gleichen Weg, den schon Yokato gegangen war, um nicht einzuschlafen und den Wald zu beobachten. Die ganze Nacht über wechselten sich die Geschwister mit dem Patroullieren ab und legten immer wieder Holz auf das Feuer, damit es nicht ausging. Sie sprachen kaum noch, und wenn, dann über unwichtige Dinge. Die Nacht blieb jedoch ruhig, und es war kein Fauchen mehr zu hören. Die beiden Wachen waren froh darüber, und auch darüber, dass im Osten -sie hielten es jedenfalls dafür, denn im Osten ging in ihrer Welt die Sonne auf- ein heller Streifen am Himmel erschien und den Beginn eines neuen Tages ankündigte. Yokato sah es als Erster. Er war gerade auf seiner Runde, als er am Horizont, über den Kronen der Bäume, sah, wie das dunkle blau, das den Himmel bisher gefärbt hatte, langsam heller wurde und in ein Orange überging. Er lief schnell zu seinem Bruder und weckte diesen aus dem Halbschlaf, in dem er sich befunden hatte. Zusammen beobachteten sie, wie die Sonne sich schließlich über den Rand, den die Baumkronen bildeten, schob und die Lichtung in ihr Licht zu tauchen begann. “Endlich ist diese Nacht vorbei”, seufzte Raidon. Sein Gesicht war blass, und unter seinen Augen waren dunkle Ränder zu sehen, die zeigten, dass er zu wenig Schlaf gehabt hatte. Er rieb sich seine Augen, dann stand er auf und ging zu den Schlafenden hinüber. Er beugte sich zu Fudo hinunter und rüttelte an seiner Schulter, bis dieser ebenfalls wach wurde. Ely, welche immer noch in Fudos Armen lag, wurde dadurch ebenfalls wach. Die Beiden gähnten, dann sahen sie sich um und die Erinnerungen an den gestrigen Tag durchfluteten ihr Gehirn. Sie richteten sich auf und sahen Raidon an. “Was ist los?”, fragte Fudo. Er gähnte. “Es ist morgen. Wir sind müde und würden uns gerne etwas erholen”, antwortete Yokato, welcher nun ebenfalls dazugetreten war. “Wärt ihr so freundlich und würdet uns wieder ablösen?” Fudo sah Ely an, bedeutete ihr, dass sie liegenbleiben könne, wenn sie wolle, aber sie antwortete nur mit einem Kopfschütteln. Dann sahen beide Raidon und Yokato an und nickten. Fudo stand auf und half seiner Freundin ebenfalls auf die Beine. “Die Gewehre liegen in der Nähe der Feuerstelle, die Pistolen liegen bei den Munitionskisten”, sagte Yokato, dann legte er sich auf einen der freigewordenen Plätze, gähnte, schloss die Augen und drehte sich zur Seite. Raidon folgte seinem Beispiel, und nur zwei Minuten später waren beide eingeschlafen. Fudo blickte sich auf der Lichtung um, die durch den Tau, der das Gras befeuchtete, im Licht der aufgegangenen Sonne glänzte. Er konnte nicht anders, als diesen Anblick zu genießen. Er wusste zwar, dass sie sich immer noch in Gefahr befanden, aber dieses Naturschauspiel war einfach überwältigend. Er ging schließlich zum Feuer und setzte sich dort nieder. Er legte etwas Holz nach, bemerkte, dass der Stapel fast verschwunden war und hoffte, dass sie genug neues Holz sammeln konnten, um das Feuer die nächste Nacht hindurch brennen zu lassen. Dann blickte er zum Rest der Gruppe, deren Schutz er jetzt wieder übernommen hatte. “Du bist besorgt, das sieht man dir an”, sagte Ely und lehnte sich an ihn. “Das sollte man nicht”, entgegnete Fudo mit einem halbherzigen Grinsen auf den Lippen. “Ich versuch, mich zu beherrschen und die Sorge nicht durchscheinen zu lassen!” Ely lächelte ihren Freund an. “Das ich dir ansehe, dass du besorgt bist, heißt nicht, dass alle es merken, Fudo. Du weißt, ich kenne dich sehr gut, und kann beinahe jede noch so kleine Geste von dir deuten, genauso wie du beinahe jede meiner Gesten deuten kannst”, flüsterte sie. Sie legte ihren linken Arm um seinen Körper und genoss das Gefühl, als er seinen rechten Arm um ihren legte. Sie hatte das Gefühl, dass ihr, solange Fudo bei ihr war, nichts passieren würde, dass allein seine Anwesenheit die Gefahren verscheuchen würde. Fudo wollte etwas sagen, wurde aber von einem Geräusch aus dem Wald daran gehindert. Es war ein Ast gewesen, der geknackt hatte, und beinahe sofort hatte Fudo sich von Ely gelöst, sich umgedreht, das Gewehr in die Hand genommen, und den Lauf, auf dem linken Knie kniend, in die Richtung gerichtet, aus der das Knackgeräuch gekommen war. Einige Sekunden später konnte man zwischen den Bäumen den Schemen eines großen Dinosauriers erkennen. Er ging, soweit Fudo und Ely das sagen konnten, auf vier Beinen, war mehr als drei Meter groß, und wirkte nicht wie ein Fleischfresser. Fudo senkte den Gewehrlauf und beobachtete den Dinosaurier, der zwischen den Bäumen hervorkam. “Die Art kenne ich”, sagte er zu Ely, als er ihn erkennen konnte. Der Dinosaurier ging auf vier Beinen, wobei die vorderen um einiges dünner waren als die hinteren. An den Innenseiten der vorderen Füße waren dornenartige Knochen zu sehen, die wirkten, als wären sie nicht nur zur Zierde da. “Was ist das für einer?” Ely konnte die Angst, die sie verspürte, nicht aus ihrer Stimme fernhalten. Sie blickte ängstlich zu den Dornen an seinen Füßen, auf denen braune Flecken zu sehen waren, von denen sie annahm, dass es sich um getrocknetes Blut handelte. “Was genau das ist, kann ich nicht sagen, aber wir haben ihn gestern schon gesehen, als wir die Lichtung gefunden haben. Scheint, als wäre das sein Wasserloch!” Fudo richtete das Gewehr wieder auf den Dinosaurier, der vom Waldrand aus zu ihm und Ely herüberblickte. Als der Dinosaurier jedoch das Feuer, welches durch die beiden halb verdeckt worden war, sah, stieß er einen panischen Ruf aus und verschwand wieder im Wald. “Und es scheint, als hätte er Angst. Entweder vor uns, oder, was ich eher glaube, vor dem Feuer”, fügte Fudo hinzu. Er erhob sich wieder, hielt das Gewehr jedoch weiter auf den Waldrand gerichtet. Durch den Schrei war der Rest der Gruppe aufgeweckt worden. Die Jüngeren, die die Nacht mehr oder weniger ruhig durchgeschlafen haben, richteten sich auf und blickten sich auf der Lichtung um. “Das war gar kein Traum”, flüsterte Kichi mit weinerlicher Stimme. Sie saß, auf ihre Hände gestützt, da, und beobachtete den Waldrand an der Stelle, an welcher der Dinosaurier gerade verschwunden war. Ihre Haare sahen so wirr aus, als wenn sie sich seit drei Tagen nicht gekämmt hätte, und in ihrem Gesicht konnte man noch Spuren von Tränen sehen. Sie hatte einen nicht ganz so erfreulichen Traum gehabt und im Schlaf geweint, konnte sich jedoch nicht mehr daran erinnern. “Nein, es ist wahr. Wir sind hier, in einer Welt voller Dinosaurier”, bestätigte Riro Kichis Worte mit einer Stimme, die ein wenig fasziniert, ein wenig ängstlich und ein wenig ungläubig klang. Er hatte neben ihr geschlafen und gehört, was seine kleine Schwester zu sich selbst geflüstert hatte. Er hatte bisher auf dem Rücken gelegen, nun drehte er sich auf seine linke Seite, dann richtete er sich auf, stützte sich auf seinen linken Arm und sah Kichi an. Als er sah, dass sie schon wieder kurz davor war, zu weinen, legte er den rechten Arm von hinten um ihre Schultern und zog sie an sich. Er hatte schon vor einiger Zeit gemerkt, dass Kichi sich so leicht beruhigen ließ, jedenfalls hatte Ely es so immer geschafft. Kichi drehte sich zu ihrem Bruder herum und vergrub ihr Gesicht in seiner rechten Schulter. Sie begann zu weinen. “Alles wird gut, uns wird nichts passieren, Schwesterchen”, flüsterte Riro in einem beruhigenden Ton. In seiner Stimme konnte man zwar hören, dass auch er Angst hatte, aber dennoch hatte er Vertrauen zu seiner großen Schwester und zu Fudo. Die beiden anderen Jugendlichen konnte Riro nicht einschätzen. Ryoudo hatte sich bereits erhoben und war zu Fudo und Ely gegangen, da er gesehen hatte, dass Fudo das Gewehr in Richtung des Waldes erhoben hatte. “Was war los?”, fragte er neugierig und ein bisschen beunruhigt. Er sah Fudo an und hoffte, er würde sofort antworten. Dieser jedoch hängte sich nur das Gewehr wieder über die Schulter und drehte sich zum Lager um, ohne auf die Frage seines Bruders einzugehen. Ryoudo stellte sich vor Fudo und wedelte mit seiner Hand vor dessen Gesicht herum. “Hallo? Jemand zu Hause?”, fragte er mit einer besorgten Stimme. Fudo blickte seinen Jüngeren Bruder an. Dann bewegte er sich seitlich an ihm vorbei. “Wenn alle wach sind, erzähl ich es allen, so lange musst du dich wohl noch gedulden”, sagte er ruhig und ging zu den anderen, die noch auf den Decken lagen oder saßen. “Tut mir Leid, dass ihr nicht mehr viel Schlaf bekommen habt”, sagte er, während er sich neben Raidon und Yokato auf die Decke setzte. Raidon murrte daraufhin nur, drehte sich auf die Seite und schloss seine Augen wieder. “Kein Problem”, sagte Yokato mit müde klingender Stimme. “Aber ich glaube, wir stehen etwas später auf und versuchen jetzt, noch ein bisschen zu schlafen!” Er schloss ebenfalls seine Augen. Fudo stand wieder auf und blickte die Jüngeren an. Riro hatte noch immer seinen Arm um Kichi gelegt und diese weinte auch noch immer. An Riros Stimme, die vom ruhigen Ton zu einem eher resignierten Ton gewechselt hatte, merkte man, dass er das nicht mehr lange aushalten würde. Während Fudo mit den Zwillingen geredet hatte, war Ely zu ihren Geschwistern gegangen und versuchte nun ebenfalls, Kichi wieder zu beruhigen. Riro hatte die Umarmung gelöst und Ely daraufhin sofort ihre kleine Schwester sanft in die Arme genommen. Die Ältere flüsterte mit ruhiger Stimme und versuchte, Kichi dazu zu bringen, nicht mehr zu weinen. Fudo blickte über die Köpfe der Gruppe hinweg, dann hörte er, wie sein eigener Magen knurrte. Er bedeutete Ryoudo, der neben Ely als einziger wirklich auf den Beinen war, ihm zu folgen, und ging auf den Waldrand zu. “Warum soll ich mitkommen?”, fragte Ryoudo verwirrt. “Ich dachte, du wolltest den anderen erzählen, was gerade eben los war!” Ryoudo hatte zu seinem Bruder aufgeschlossen und lief neben ihm her. Fudo deutete auf die Apfelbäume. “Mit leerem Magen lässt sich nicht gut erzählen. Wir holen das Frühstück”, erklärte der Ältere der beiden. Er trat zu dem Apfelbaum, auf den sie zugegangen waren -er lag, von der Lichtung und dem See aus gesehen, etwa senkrecht zum Seeufer und etwa achzig Meter von dem Baum, der auf der Lichtung stand, und etwa einhundert Meter vom See entfernt- und trat dagegen. Durch die Erschütterung fielen mehrere Äpfel zu Boden, der Großteil schaukelte jedoch nur in der Höhe an den Stielen umher. Fudo trat nochmals gegen den Baumstamm, doch der Tritt zeigte keine Wirkung. Ryoudo hatte die Äpfel inzwischen aufgehoben. “Ich glaube, ich weiß, warum sie runtergefallen sind”, sagte er mit einer Stimme, in der Ekel mitschwang. Er zeigte Fudo einen der Äpfel, der schon braun und leicht angeschimmelt war. Als Fudo das gesehen hatte, erschrak er. “Das ist nicht gut”, meinte er, woraufhin Ryoudo ihn nur mit einem komischen Gesichtsausdruck ansah. “Wenn die Äpfel anfangen, schlecht zu werden und zu schimmeln, was sollen wir dann demnächst essen?”, führte er seine Überlegung weiter aus. Ryoudo verstand nun, warum Fudo der angeschimmelte Apfel erschreckt hatte. Auch er selbst machte sich nun Gedanken über die Folgen, wenn sie keine Äpfel mehr zum essen pflücken könnten. 'Genau darum ist er mein Vorbild', dachte sich Ryoudo und sah Fudo kurz ehrfurchtsvoll an. Dann warf er die angeschimmelten Äpfel in den Wald und half Fudo, auf den Baum zu klettern. “Ich werfe sie dir zu, und du fängst sie auf”, sagte Fudo mit einer ruhigen, vielleicht zu ruhigen Stimme, an der man merkte, dass er sich nicht wirklich wohl fühlte, aber die anderen nicht beunruhigen wollte. Er stützte sich am Baumstamm ab und kletterte in etwa vier Meter Höhe hinauf. Dort griff er nach einem Apfel, der leuchtend rot etwa vierzig Zentimeter vor seinem Gesicht hing. Er pflückte ihn vom Baum und warf ihn seinem jüngeren Bruder zu. Ryoudo fing den Apfel geschickt mit seiner rechten Hand auf und legte ihn vor sich auf den Boden. Fudo hatte inzwischen den nächsten Apfel gepflückt und warf ihn herunter. Ryoudo fing den Apfel mit einiger Mühe ebenfalls mit der rechten Hand auf, legte ihn schnell neben den ersten und wartete dann auf den nächsten. Fudo ließ ihn fallen, Ryoudo fing ihn und legte ihn zu den anderen. Diese Erntemethode wandten sie beinahe einige Zeit an, dann kletterte Fudo wieder von Baum, weil er meinte, es wären genug Äpfel. Sie hatten in kurzer Zeit etwas mehr als drei Dutzend Äpfel gepflückt. Er hob einen Teil davon auf, den Rest nahm Ryoudo, dann gingen sie beide wieder zurück zum Lagerplatz. Ely hatte es inzwischen geschafft, Kichi wieder zu beruhigen. Daraufhin war die Älteste mit ihren Geschwistern zum Feuer gegangen, die Jüngere hatte sich an ihre Schwester geklammert, Riro ging ein kleines Stück vor den beiden. Er setzte sich auf die Decke, die noch am Feuer lag, und blickte die Feuerstelle an, in welcher das Feuer nicht mehr wirklich brannte, sondern nur noch ein bisschen glomm. Er nahm den letzten Ast, der noch an der Stelle lag, an welcher sie das Holz vom vorigen Abend gelagert hatten, und legte ihn auf das letzte glimmende Stück Holz. Ely und Kichi hatten sich ebenfalls auf die Decke gesetzt, Ely redete noch immer beruhigend auf ihre Schwester ein, diese verstärkte dabei jedoch nur den Klammergriff um den Arm der Älteren. Fudo ging zu der Gruppe, legte die Äpfel ab, beugte sich zum Feuer hinunter und fachte es gerade genug an, um den Ast, den Riro daraufgelegt hatte, zum brennen zu bringen. “Wir müssen nachher wieder Holz sammeln”, sagte Fudo, laut genug, damit alle es hören konnten. Die anderen, mit Ausnahme von Kichi, nickten, nachdem sie gesehen hatten, wie schnell der Vorrat an Brennholz aufgebraucht worden war. Ryoudo tippte Riro auf die Schultern, als dieser sich umdrehte, flüsterte Ryoudo ihm etwas zu. Riro nickte zustimmend. “Wenn es ok wäre, dann sammeln Riro und ich Holz”, sprach Ryoudo für sich und den Jüngeren. Er blickte erwartungsvoll in die Runde. Nachdem er gemerkt hatte, dass auf keinem Gesicht irgendeine ablehnende Reaktion zu sehen war, sprach er weiter. “Da es scheint, als hätte niemand etwas dagegen, tun Riro und ich das. Aber erst nach dem Frühstück”, endete er, griff zwei der Äpfel, die sie gerade gepflückt hatten, gab einen davon Riro und biss in den anderen hinein. Die anderen nickten nur stumm, nahmen sich ebenfalls einen Apfel und begannen zu essen. Kichi war die zögerlichste der Gruppe. Sie nahm einen kleinen Apfel, beäugte ihn von allen Seiten, roch einmal kurz daran, dann erst biss sie hinein. Noch immer hatte sie sich mit einem Arm an den Arm ihrer großen Schwester geklammert. Ihr Körper zitterte noch immer ein bisschen, da sie sich in dieser Umgebung fürchtete, aber niemand außer Ely bemerkte es. Fudo nahm vier große Äpfel zur Seite, damit Raidon und Yokato, welche wieder eingeschlafen waren, auch noch etwas zu essen hatten, wenn sie wach wurden. Den Apfel, den er sich genommen hatte, hatte er bereits zur Hälfte gegessen. Es schien ihm jedoch, dass der Apfel ihn nicht mal ein bisschen satter machen würde. Nachdem er den ersten jedoch gegessen hatte, merkte er, dass das nur daran lag, dass er großen Hunger hatte. Deshalb nahm er sich einen zweiten und begann, diesen ebenfalls zu essen. 'Das haben wir doch erst behandelt. Äpfel werden sehr schnell verdaut, darum habe ich so großen Hunger. Seit gestern ernähre ich mich nur von Äpfeln...', dachte er bei sich. “Du wolltest doch noch etwas erzählen”, sprach Ryoudo schließlich Fudo an. Dieser nickte, dann grinste er. “Es sind zwar noch nicht alle wach”, entgegnete er. “Aber du hast Recht, ich kann es ja schonmal sagen. Heute mogen, kurz bevor ihr wachgeworden seid, ist ein Dinosaurier hier gewesen.” Kaum hatte Fudo das Wort 'Dinosaurier' gesagt, ließ Kichi den Apfel, den sie aß, fallen, und klammerte sich wieder fest an ihre große Schwester. Ely sah Fudo an, schüttelte den Kopf und bedachte ihn mit einem Blick, der deutlicher als tausend Worte 'Warum musstest du das ausgerechnet jetzt sagen?' ausdrückte. Fudo grinste entschuldigend und setzte eine Miene auf, die deutlich 'Es tut mir Leid' ausdrückte, dann wurde er wieder ernst. “Keine Sorge, es war ein Pflanzenfresser. Es scheint, als wäre das hier seine Wasserstelle, aber als er das Feuer gesehen hat, ist er in den Wald verschwunden. Ich hoffe, er kommt nicht wieder!” Die beiden Jungen stimmten Fudo zu, auch sie hofften, das Feuer habe den Dinosaurier verschreckt. Kichi klammerte sich jedoch nur stumm an den Arm ihrer Schwester, in ihren Augen, in welchen Tränen standen, und an ihrem Gesichtsausdruck sah man, dass die vorher gezeigte Ruhe nichts als Fassade gewesen war. Sie hatte Angst davor, dass Fudo sich irrte und der Dinosaurier wiederkommen würde. Sie hatte Angst vor diesen Lebewesen bekommen, seit sie die Raptoren gesehen hatte. Sie sagte jedoch nichts, sondern griff roboterhaft nach dem Apfel, den sie hatte fallenlassen und der auf der Decke gelandet war, hob ihn auf und aß weiter. Nach dem kargen und nur für eine kurze Weile sättigenden Frühstück standen alle auf und verschwanden nach und nach kurz im Wald, um ihre Blase zu leeren. Fudo ging zum See und trank ein bisschen Wasser, dann ging er zurück zum Lagerplatz, welcher sich auf etwa zehn Meter Radius um den Baum beschränkte. Er nahm das Gewehr wieder an sich, welches er liegengelassen hatte, und lehnte sich dann neben den Kisten mit der Munition an den Baum, den Gewehrknauf in der rechten Hand, den Lauf zu Boden gerichtet. Er ließ seinen Blick über die Bäume am Rand der Lichtung streifen, um zu sehen, ob sich dort irgendwelche Dinosaurier aufhielten, die der Gruppe gefährlich werden könnten. Ryoudo und Riro hatten sich inzwischen in den nahen Wald begeben, um dort Holz zu sammeln. Ely setzte sich auf den -bis auf die schlafenden Zwillinge- verlassenen Schlafplatz. Sie legte sich nicht hin, um zu schlafen, das lag allerdings auch nur daran, dass Kichi ihren Arm noch immer nicht losgelassen hatte. Ely war müde und wollte eigentlich nur noch schlafen, hielt sich jedoch wach, damit ihre kleine Schwester nicht noch mehr Angst bekam, als sie ohnehin schon hatte. Nach einigen Minuten döste sie jedoch ein und fiel in einen Zustand des Halbschlafes. Kichi war schon kurz zuvor eingedöst und hatte somit nicht gemerkt, dass auch Ely schlief. Fudo beobachtete das Lager und die Gruppe, die sich gesammelt hatte, und ließ vor seinem geistigen Auge den gestrigen Tag noch einmal ablaufen. Alles, was er gestern erlebt hatte, seit er mit Ely aus der Stadt zurückgekommen war und er Zuhause den Velociraptor getötet hatte, der seinen Bruder und die Geschwister seiner Freundin verfolgte. Er überlegte, ob er irgendetwas hätte besser machen können in seinen Versuchen, die zusammengewürfelte Gruppe, die sich um ihn und Ely gebildet hatte, weil er und sie die anderen am besten verteidigen konnte, zu schützen. Nach einigen Minuten ließ er den gestrigen Tag jedoch auf sich beruhen, da er wusste, dass er nichts mehr an seinen Taten ändern konnte. Er blickte sich nochmals im Lager um, das sich um den Baum herum gebildet hatte. Zufällig fiel sein Blick dabei auf die Munitionskisten, auf welchen die unbenutzten Waffen lagen. Eine Pistole fehlte. Fudo beugte sich sofort zu den Kisten hinunter, in der Hoffnung, sie wäre einfach nur hinter einer der Kisten, aber er konnte sie nicht finden. Beim Suchen merkte er auch, dass es die Pistole war, deren Lauf verbogen war, wodurch die Waffe jedoch unbrauchbar war, da die Kugeln eine unberechenbare Bahn hatten. 'Die hat sicher Ryoudo genommen, bevor sie in den Wald sind... verdammt', dachte sich Fudo panisch. Er stieß sich vom Baum weg und lief schnell auf den Waldrand zu. Gerade, als er diesen erreicht hatte, hörte er leise panische Schreie, die aus der Richtung kamen, in welcher die beiden Jüngeren verschwunden waren. Fudo beschleunigte und griff mit der linken Hand nach dem Lauf des Gewehres, so dass es sich schräg vor seiner Brust befand. Er rannte in die Richtung, aus welcher die Schreie kamen, und hoffte, dass er noch rechtzeitig kommen würde. Fudo rannte einige Zeit durch den Wald, zumindest kam ihm das so vor. Während er rannte, merkte er, dass er das Lager ungeschützt zurückgelassen hatte, da er gesehen hatte, wie Ely eingeschlafen war. Aber das war ihm in diesem Augenblick egal. Er hatte keine Gefahr erkennen können, als er losgerannt war. Er hoffte, dass das auch so sein würde, wenn er zurückkäme, und lief weiter. Nach kurzer Zeit kamen ihm jedoch die beiden Jungen entgegen, beide hatten die Arme voller Äste, und sie sahen nicht aus, als hätten sie vor kurzem vor Angst geschrien. “Alles in Ordnung bei euch?”, fragte Fudo besorgt. Als er die verwirrten Blicke der beiden Jungen sah, war er sich sicher, dass sie nicht geschrien hatten. Er schüttelte den Kopf, drehte sich um, damit die Jüngeren nicht sahen, was sein Gesicht gerade zeigte, und ging mit ihnen zurück zum Lager. “Du wirkst besorgt, Fudo”, flüsterte Ryoudo, der etwas schneller ging, um neben Fudo zu gelangen. Er sah zu seinem Bruder hinüber und in sein Gesicht auf und grinste. “Hast du dir Sorgen gemacht? Wenn ja, dann musstest du das nicht. Ich hatte eine Waffe dabei, wir waren sicher.” Ryoudos Stimme hatte einen ruhigen, ernsten, aber auch etwas schrillen Ton angenommen, der zeigte, dass er doch mehr Angst hatte als er eigentlich zeigen wollte. Fudo blickte seinem Bruder in die Augen, dann schüttelte er den Kopf. “Ich sags dir später velleicht mal”, meinte er. “Außerdem... die Pistole, die du mitgenommen hast, ist kaputt... aber ich bin froh, dass ihr sie nicht nutzen musstet!” Fudo konnte beobachten, wie sofort jegliche Farbe aus dem Gesicht seines jüngeren Bruders wich, bis dieser weiß wie Kreide zu sein schien. Der restliche Weg zurück zum Lager war in tiefes Schweigen gehüllt, da Ryoudo in seinen Gedanken die verschiedensten Schreckensszenarien durchspielte, die hätten passieren können, wenn sie gefährliche Dinosaurier getroffen hätten. Riro folgte den beiden in etwa zwei Metern Abstand, er konnte nicht schneller laufen, selbst wenn er gewollt hätte, das Holz, das er trug, war seiner Meinung nach viel zu schwer. Ryoudo betrat ein Stück vor Fudo die Lichtung. Er blickte sich um und konnte nichts erkennen, was darauf hindeutete, dass auch nur eine einzige Person im Lager in Gefahr gewesen war. Dies musste jedoch nicht viel heißen, da sie hier, an diesem Ort, an den es sie verschlagen hatte, ständig in Gefahr waren. Ryoudo ging zur Feuerstelle und legte das Holz daneben ab. Riro tat dasselbe, und die beiden Jungen setzten sich auf das Gras der Lichtung. Fudo hatte sich wieder an den Baum gelehnt und das Gewehr neben sich gestellt. Er grübelte noch immer über den Schrei nach, den er gehört hatte. Hatte er ihn sich nur eingebildet? Wenn dies der Fall war, dann wurde er schon verrückt, oder er war zu gestresst. Fudo hoffte, dass es nur der Stress gewesen war. Dann hörte er wieder diesen Schrei, schrill und verängstigt. Er blickte automatisch in die Richtung, von der er glaubte, dass der Schrei gekommen war. Ryoudo und Riro blickten ebenfalls dorthin. 'Sie haben es auch gehört', dachte Fudo nur, dann griff er nach der Waffe neben sich, stieß sich vom Baum ab und ging langsam in die Richtung, in der er die schreiende Person vermutete. Ryoudo war bereits aufgesprungen und zu seinem Bruder geeilt. “Was war das, Fudo?”, fragte er ängstlich. “Wir haben das schon im Wald gehört. Ist das wieder ein Dinosaurier?” Fudo blickte seinen jüngeren Bruder an, dann schüttelte er den Kopf. “Ich glaube nicht, dass es ein Dinosaurier ist, Ryo. Ich glaube eher, dass noch mehr Menschen hier gelandet sind. Ich werde nachsehen. Bleib du hier und erklär Ely, wo ich hin bin, ok?” Sie hatten bereits den Waldrand erreicht. Fudo blickte noch einmal kurz zum Lager und zu seiner schlafenden Freundin zurück, dann ging er mit schnellen Schritten davon. Ryoudo blieb stehen und sah ihm nach, sah, wie Fudo beinahe automatisch das Gewehr über seine linke Schulter hängte, aus der Tasche sein Taschenmesser holte und damit im Vorbeigehen Pfeile in die Bäume ritzte. Dann war er im Zwielicht des Waldes verschwunden. Ryoudo ging schnell zu Ely und weckte sie. Fudo bewegte sich vorsichtig, aber dennoch schnell und bestimmt durch den Wald. Mit dem Messer, das er in seiner rechten Hand hielt, schnitt er dünne Pfeile in einige der Bäume, an denen er vorbeikam. Inzwischen konnte er die Schreie besser hören, und hatte sie als menschliche Schreie erkannt. Es schien sich um ein Mädchen zu handeln, jedenfalls schätzte er dies an der Tonhöhe der Schreie. Er wurde immer vorsichtiger, da er merkte, wie die Lautstärke der Schreie zunahm. Schließlich vernahm er noch einen weiteren Laut. Es war Fauchen. Eine Art Fauchen, die er zwar nicht oft gehört hatte, die er aber trotzdem zweifelsfrei erkannte. Es war das Fauchen von Raptoren. Fudo klappte sein Messer zusammen und steckte es in die Hosentasche zurück, in der er es immer trug. Dann nahm er das Gewehr von der Schulter, überprüfte, ob es geladen war und schlich schließlich weiter. Nur etwa hundert Meter entfernt sah er sie schließlich. Es waren fünf der kleinen Raubsaurier, von denen das Fauchen stammte. Sie hatten sich um einen Baum versammelt und versuchten, an ihm emporzuspringen. Die Schreie stammten von einem Mädchen, das oben im Baum saß. Fudo konnte es nicht genau sehen, da ihm Äste einen Teil der Sicht versperrten, aber er glaubte, einen weiteren Menschen hinter dem Mädchen zu erkennen. Er legte das Gewehr an und schoss. Einer der Dinosaurier klappte zusammen, die Kugel hatte seine Hüfte zerschmettert. Die anderen vier Dinosaurier blickten sich um, um zu sehen, warum ihr Gefährte plötzlich schwer verletzt am Boden lag. Fudo hatte sich jedoch hinter einem Baum verborgen. Die Raptoren sahen sich hektisch um, sie konnten nicht verstehen, was gerade passiert war. 'Dazu seid ihr einfach nicht intelligent genug', dachte Fudo, der durch die Lücke, die der Stamm des Baumes, hinter dem er sich versteckte, an der Stelle aufwies, an der er sich teilte, während er die Raptoren beobachtete. Er schob das Gewehr zwischen die beiden Teilstämme, zielte kurz und schoss wieder. Die Kugel streckte einen weiteren Raptor zu Boden. Die Drei noch stehenden liefen aufgeregt zwischen ihren Gefährten hin und her, ignorierten dabei die Blutlachen, in die sie oft genug traten. Erst jetzt wurde Fudo bewusst, dass die Person auf dem Baum schrie. Das Geräusch schien seine Ohren zum bersten zu bringen. Er versuchte, es zu verdrängen, legte wieder an und schoss. Die Kugel pfiff knapp am Bein eines der noch stehenden Raptoren vorbei, aber es genügte, um diesen dazu zu bringen, sich umzudrehen und in den Wald zu verschwinden. Die beiden anderen Raptoren blickten kurz zu ihren gefallenen Brüdern, aus denen mit jeder Sekunde mehr Leben floss, dann schlossen sie sich dem fliehenden Mitglied ihrer Gruppe an. Fudo schloss die Augen, ignorierte weiterhin die schrillen Schreie, die vom Baum kamen, drehte sich um, ließ sich zu Boden sinken, griff in seine linke Hosentasche, holte drei Kugeln heraus und lud sie in das Magazin des Gewehres. Dann erst stand er auf und ging die letzten Meter bis zum Baum, seine Augen waren dabei auf den Wald um ihn herum und auf die beiden Raptoren vor ihm gerichtet. “Es ist alles in Ordnung”, rief er der Person im Baum zu, die er vorher gesehen hatte. Nur wenige Sekunden später hörten die Schreie endlich auf. Fudos Ohren klingelten noch etwas, aber er ignorierte es, während er weiterhin zum Baum blickte. “Sie sind weg. Es gibt keinen Grund mehr, noch dort oben zu sitzen. Sie werden bald wiederkommen, und dann sollten wir nicht mehr hier sein!” Wie um dies zu bestätigen hörte man in der Ferne den lauten Ruf eines Raptors, der beinahe sofort von einem heiseren Schrei vom Baum beantwortet wurde. Nur wenige Sekunden später kletterten zwei Mädchen vom Baum herunter, wobei das eine so jung wirkte wie Kichi. Beide hatten langes, blondes Haar, das jedoch verdreckt war und in dem sich einige wenige kleine Äste und Blätter verfangen hatten. Fudo bedeutete den beiden, ihm zu folgen, und lief in Richtung Lager zurück, wobei er an den Bäumen, an denen sie vorbeikamen, aufmerksam nach den Pfeilen suchte, die er erst vor kurzem geritzt hatte. Besorgt schaute er sich immer wieder nach Dinosauriern um, die ihnen folgen konnten, aber zum Glück konnte er keine erkennen. “Wer bist du?”, hörte er hinter sich eine Stimme. Er blickte zurück und erkannte, dass das ältere der beiden Mädchen ihn angesprochen hatte. “Und wo sind wir hier?” Fudo wurde etwas langsamer, bis er neben dem Mädchen lief. “Wo wir sind, kann ich auch nicht sagen, da ich es nicht weiß. Was mich betrifft, ich heiße Fudo. Ich bin mit einigen anderen Menschen hier gelandet, und seitdem versuchen wir, das beste aus unserer Situation zu machen.” “Und warum bist du her aufgetaucht?”, fragte das ältere Mädchen leicht verwirrt. “Nicht, dass Yoko und ich nicht dankbar wären, aber...” “Ich hatte Schreie gehört und dachte, da ist jemand in Gefahr. Ich hab nicht lange nachgedacht, sondern bin los, um herauszufinden, woher die Schreie stammen. Dann hab ich die Raptoren und euch gesehen und sie vertrieben. Ganz einfach.” Fudos Stimme hatte sich während dieser extrem kurzen Erklärung nicht ein bisschen von dem ruhigen Ton, mit dem er sprach, entfernt, was ihm weitere verwunderte Blicke von Seiten der immer noch verängstigten Mädchen einbrachte. Das ältere Mädchen versuchte noch ein oder zwei Mal, ein Gespräch zu beginnen, aber Fudo achtete nicht wirklich darauf, sondern versuchte im Halbdunkel des Waldes die Pfeile wiederzuentdecken. “Ist es noch weit?”, fragte schließlich das jüngere Mädchen, das ihm bereits als Yoko vorgestellt worden war. Fudo schüttelte den Kopf. “Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir da”, sagte er ruhig, dann verfiel er wieder in Schweigen und führte sie den Weg zurück, den er gekommen war. Nur wenige Minuten später wurde es heller, und schließlich hatten sie den Waldrand erreicht. Fudo trat auf die Lichtung und blickte sich schnell um. Seit er gegangen war, war erst eine halbe Stunde vergangen, und im Lager hatte sich kaum etwas verändert. Kichi schlief, jetzt jedoch an Riro geklammert, der Fudo mit einem Blick begrüßte, der 'Bitte, sorg dafür, dass sie mich loslässt' auszusagen schien. Ely war wieder auf den Beinen, saß bei der Feuerstelle und hatte die zweite Winchester über die Knie gelegt, und Ryoudo versuchte vergebens, das Feuer wieder zu entfachen. Als Ely ihn sah, winkte sie ihm zu und lächelte. Fudo hängte sich das Gewehr wieder über die Schulter und ging zu seiner Freundin. Die beiden Mädchen folgten ihm, da sie nicht wussten, was sie sonst machen sollten. “Warum hast du mir nicht selbst gesagt, wo du hingehst?”, fragte Ely Fudo, als dieser sich zu ihr setzte. Sie setzte eine beleidigte Miene auf, aber dann lächelte sie wieder, um ihm zu zeigen, dass sie es nicht so meinte. Er legte das Gewehr beiseite, und sie legte ihren Arm um ihn und lehnte sich gegen seine Schulter. Die beiden Mädchen setzten sich ein wenig abseits von Fudo und Ely nieder. “Die Schreie stammten von diesen beiden Mädchen”, sagte Fudo, der gemerkt hatte, dass Ryoudo Ely erklärt hatte, wo er hingegangen war. “Sie waren von Raptoren bedroht worden.” Ely sah die beiden Mädchen an und lächelte. “Geht es euch gut?”, fragte sie mit freundlicher, besorgter Stimme. “Wir haben auch schon Bekanntschaft mit diesen Echsen gemacht, daher wissen wir, was passieren kann. Seid ihr verletzt?” “Wir sind nicht verletzt”, antwortete das ältere Mädchen leise. Sie war nervös, weil sie keinen einzigen Erwachsenen im Lager gesehen hatte. Jetzt im Tageslicht wirkte Fudo, der sie vor nicht einmal einer Stunde gerettet hatte, jung, sie schätzte ihn auf etwa sechzehn. “Ich hab Hunger”, sagte Yoko und setzte einen betrübten Blick auf. Ely nickte, löste sich von Fudo und stand auf. “Ich hole euch was zu essen”, sagte sie. “Allerdings nur unter einer Bedingung.” Die Mädchen sahen sie erwartungsvoll an. “Ihr stellt euch vor”, meinte Ely grinsend. “Ich heiße Ely. Ich bin mir fast sicher, Fudo hat sich schon vorgestellt”, fuhr sie fort, nachdem sie einen Blick mit ihrem Freund gewechselt hatte. “Ich heiße Sakura, und das ist meine kleine Schwester Yoko”, antwortete sie lächelnd, dann konnte man deutlich hören, wie ihr Magen knurrte. Ely lächelte und ging zu den Apfelbäumen am Rand der Lichtung. “Entschuldigt mich bitte”, sagte Fudo nur wenige Sekunden später, nachdem er den Blick gesehen hatte, mit dem Sakura ihn unauffällig zu mustern versuchte. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass Sakura ihn in der kurzen Zeit, seit er sie und ihre Schwester getroffen hatte, nicht aus den Augen gelassen hatte. Und er wusste, dass auch Ely dieser Blick nicht entgangen war. Fudo erhob sich, nahm das Gewehr, das dank Ely neben ihm lag, und lehnte sich wieder an den Baum, um den herum sie sich eingerichtet hatten. Er spürte deutlich, dass er ebenfalls wieder Hunger bekam, aber erstaunlicherweise hatte er keinen Appetit. Er glaubte, dass das an der Entdeckung der faulen Äpfel lag. Sie waren zwar noch nicht einmal zwei Tage hier, aber da er keine Ahnung hatte, ob und wie sie jemals wieder nach Hause kommen sollten, rechnete er mit dem Schlimmsten. Und das war, dass ihnen das Essen ausgehen könnte. Vor den Raptoren hatte er nicht so viel Angst wie davor, dass ihnen das Essen ausgehen könnte. Er beobachtete, wie Ely mit einigen Äpfeln zurückkam und sie den beiden reichte. Sie blickte zu ihm auf und lächelte. Er lächelte zurück, und die ganzen Sorgen, die ihn gerade bedrückt hatten, waren kurzzeitig verschwunden. Aber nur allzu früh holten würden sie ihn wieder einholen, das wusste er. Wieder spürte er Sakuras Blick auf sich, und um diesem zu entkommen, ging er zu dem Teil des provisorischen Zeltes, das er gerade baute, und weckte Raidon und Yokato. “Wir haben Besuch”, sagte er mit einem komischen Grinsen, als sie endlich wieder einigermaßen bei Bewusstsein waren. Kapitel 7: Die Neuen -------------------- Kapitel 7 Die Neuen „Neue?“, fragte Yokato nur verschlafen, gähnte und richtete sich auf. Fudo nickte. „Ja, zwei Mädchen. Ich habe sie gerade eben vor einigen Raptoren gerettet. Sie sitzen drüben am Feuer. Oh, und das Frühstück ist fertig. Es gibt Äpfel“, erklärte Fudo trocken. Dann stand er wieder auf. „Ihr solltet langsam aufstehen, wir haben alle heute noch einiges zu tun. Ich wollte euch bitten, zu dem Ort zurückzugehen, an dem wir gestern gelandet sind, und die restlichen Munitionskisten herzuholen. Nicht, dass die Raptoren sich darüber hermachen!“ Yokato schlug die dünne Decke zurück, die ihm und seinem Bruder als Bettdecke gedient hatte, und stand auf. Er nahm Fudos Bitte mit einem einfachen Nicken zur Kenntnis und verschwand schnell zum Waldrand. Raidon war nur wenige Meter hinter seinem Bruder. Fudo ging zum Baum zurück, nahm das Gewehr, dass immer noch dort lehnte, den Hammer und die Nägel, und ging zu der Baustelle zurück, die einmal ein Zelt werden sollte. Noch immer spürte er einen Blick auf sich ruhen, aber diesen beachtete er nicht weiter. Er legte das Gewehr nahe des unfertigen Zeltes zu Boden, nahm einen der Äste, die er am Tag zuvor gerichtet hatte, und arbeitete weiter. Das Geräusch seiner Schläge hallte ein wenig auf der Lichtung, auf der es sehr ruhig war. Kichi, welche wieder eingeschlafen war, schreckte hoch und klammerte sich fest an ihren Bruder, der deswegen fast keine Luft mehr bekam. Das kleine Mädchen blickte sich ängstlich um. Als sie sah, dass die Geräusche von Fudo verursacht wurden, atmete sie jedoch tief durch und lockerte den Klammergriff. Dankbar seufzte Riro auf, und als er die Tränen in Kichis Augen sah, legte er seinen linken Arm um sie und drückte sie an sich, um sie zu beruhigen. Schließlich war sie trotz allem seine Schwester, auch wenn er vorhin froh gewesen war, dass sie sich nicht mehr an ihn geklammert hatte. Da er nicht wollte, dass seine kleine Schwester Angst hatte, nahm er es einfach auf sich, dass er sie noch eine Weile im wahrsten Sinne des Wortes am Hals haben würde. Yokato und Raidon kamen kurz darauf wieder auf die Lichtung. Sie gingen direkt zum Wasser, tranken ein wenig davon und wuschen sich kurz das Gesicht. Dann gingen sie zu Fudo. „Was meintest du vorhin damit, dass wir die restlichen Kisten holen sollen?“, fragte Raidon ihn barsch. „Willst du uns damit einen Befehl erteilen?“ Fudo schüttelte nur den Kopf. „Ich habe es so gemeint, wie ich es sagte. Es ist eine Bitte. Wenn ihr es nicht tun wollt, dann werde ich gehen, vielleicht mit Ryoudo, und sie selbst holen. Aber da ich hier noch an dem Zelt baue und ihr bisher nichts tut, wäre es für euch doch einfacher, oder nicht?“ Fudo hatte einen strengen Ton in seine Stimme gelegt, der perfekt zu seiner Aussage zu passen schien. Raidon erschienen jegliche Gegenargumente plötzlich haltlos und schwach, weshalb er einfach nur resigniert seufzte und seinen Bruder ansah. „Wir machen uns auf den Weg, sobald wir gegessen haben“, sagte Yokato. „Ich hab euch einige Äpfel zur Seite gelegt. Sie liegen bei den Munitionskisten. Wenn ihr sie holt, könnt ihr euch auch gleich bewaffnen. Nehmt euch jeder eine Pistole“, sagte Fudo. „Und, wenn ihr einen Rat von mir wollt, nehmt jeder noch ein Ersatzmagazin mit. Wir haben für jede Pistole zwei Magazine, also sollte es kein Problem sein.“ Die Zwillinge nickten. „Und bitte bringt zuerst eine Kiste mit Munition für die Gewehre mit, falls das möglich ist“, fügte Fudo hinzu, wobei er fast schon mit einer arroganten Reaktion von Raidon rechnete. Es schien, als hätte der Junge -oder Jugendliche, Fudo konnte ihn noch nicht genau einschätzen- den Streit gestern und dessen Ausgang bereits vergessen. Aber Raidon beherrschte sich. Er nickte nur, dann ging er mit seinem Bruder zu den Munitionskisten davon. Fudo hämmerte weiter auf den Ast, bis er tief genug in der Erde steckte. Er nahm zwei Nägel und verband damit den dünnen Ast mit dem dickeren, der später einmal das Dach des Zeltes stützen sollte. Dann nahm er den nächsten Ast, den er am Tag zuvor bereits angespitzt hatte, und begann, ihn in den Boden zu schlagen. Raidon und Yokato gingen zu den Munitionskisten, nahmen sich jeder eine Pistole, entnahmen das Magazin, das sie am Abend zuvor extra geladen hatten, überprüften, ob es voll war, luden die Waffe wieder und sicherten sie. Dann nahmen sie eines der Extramagazine, luden es ebenfalls und steckten es in die Hosentasche. Die Pistolen steckten sie sich in ihren Gürtel, gut sichtbar und schnell zu greifen. Sie nahmen sich jeder einen Apfel und aßen ihn, dann gingen sie zur Feuerstelle, begrüßten Ely und die beiden Neuen kurz und machten sich auf den Weg. Sie bekamen gerade noch mit, dass das ältere Mädchen Sakura und das jüngere Yoko hieß, aber das war auch schon alles. Sie waren beide noch nicht ganz wach und hatten deshalb keine Lust, sich zu unterhalten. Sie verschwanden im Wald und machten sich auf den Weg zu dem Platz, an dem die Munitionskisten lagerten. Ryoudo hatte inzwischen Atoeru überreden können, für Riro einzuspringen und ihm beim Sammeln von Feuerholz zu helfen. Die Jungen waren nahe dem Waldrand unterwegs und brachten immer wieder einen Arm voll Brennholz zum Lagerfeuer, an welchem Ely sich mit Sakura und Yoko unterhielt, oder besser, sie ausfragte. Woher sie kamen, wie alt sie seien, was sie hier bisher erlebt hätten, und so weiter. Die beiden Jungen waren froh, dass sie dieses Gerede jeweils nur kurz ertragen mussten. Sobald sie das Holz abgeladen hatten, rannten sie zum Waldrand zurück und suchten weiter. Riro hatte sich inzwischen mit Kichi zu Ely und den beiden Neuen an die Feuerstelle gesetzt. Seine Schwester klammerte sich noch immer an ihn, aber da sie sich beruhigt hatte, machte es ihm nicht viel aus. Er hatte seine kleine Schwester früher schon öfter getröstet, und oft hatte ihm das nichts ausgemacht, nur manchmal störte ihn ihre Anhänglichkeit zu sehr. Jetzt jedoch wollte er ihr nur einen Halt geben, denn er hatte gemerkt, dass sie Angst vor allem bekommen hatte, seit sie in dieser Welt waren. Das war seine Pflicht als ihr großer Bruder, vor der er sich nicht drücken konnte. Er beobachtete Fudo, wie er an dem Zelt arbeitete, während Ely mit den beiden Mädchen redeten, die Fudo vor kurzem ins Lager gebracht hatte. „Bei euch waren also auch Dinosaurier zu Hause?“, fragte Ely gerade, weil Yoko ihr und Sakura eben erst die Sache mit den kleinen Dinosauriern, den Procompsognaten, erzählt hatte. Yoko nickte und zeigte Ely die Stelle an ihrem Arm, an dem einer der kleinen Dinosaurier sie gebissen hatte. Ely sah sich die Verletzung an, dann stand sie auf und holte den Koffer, den Raidon und Yokato mit sich eingesogen hatten. Sie hatten gesagt, es wäre ein Arztkoffer, und als sie ihn öffnete, staunte sie nicht schlecht. Es war ein gut ausgestattetes Erste-Hilfe-Set. Ely nahm das Desinfektionsspray und ein Pflaster heraus, schloss den Koffer wieder und ging zur Feuerstelle zurück. „Ich verarzte das lieber“, sagte sie lächelnd zu Yoko. „Es brennt gleich ein bisschen, aber danach wird es dir besser gehen, glaub mir.“ Ely sah Sakura an und versuchte ihr damit zu sagen, dass sie Yoko beruhigen sollte, aber das Mädchen verstand sie nicht. Ely lächelte Yoko immer noch an, dann entfernte sie die Schutzkappe vom Desinfektionsspray und sprühte es auf die Wunde. Das rötliche Spray berührte die Haut und die offenen Stellen, woraufhin Yoko heftig einatmete. Ely verschloss das Spray wieder mit der Plastikkappe, dann öffnete sie das Pflaster und klebte es über den Biss. „So, das hätten wir“, flüsterte sie laut genug, dass Yoko sie hören konnte. „Du bist ein tapferes Mädchen, Yoko.“ Yoko konnte nicht anders, sie musste lächeln. Kichi, die bisher immer noch ihren Kopf in der Schulter ihres Bruders vergraben hatte, hatte diesen inzwischen gelöst und die beiden Neuankömmlinge gemustert. Als sie Yoko lächeln sah, begann sie zu kichern. Das andere junge Mädchen sah sie erstaunt an. Kichi beruhigte sich wieder und löste sich von ihrem Bruder. Sie saß zwar immer noch auf den Knien neben ihm, aber sie sah nur Yoko an. Dann rutschte sie langsam und schüchtern auf das andere Mädchen zu. Yoko bewegte sich ebenfalls auf Kichi zu, ebenso langsam, und schließlich berührten sich ihre Fingerspitzen. Beide Mädchen begannen zu grinsen. Sakura und Ely waren inzwischen wieder in das Gespräch über die Erlebnisse, die sie bisher in dieser Welt gehabt hatten, verfallen. Yoko rutschte noch näher zu Kichi und setzte sich neben sie. „Ich bin Kichi“, stellte sich Kichi vor. In ihrem Gesicht konnte man sehen, dass sie sich freute, jemand gefunden zu haben, der so alt war wie sie. „Ich heiße Yoko“, entgegnete das andere Mädchen schüchtern. „Was ist, Yoko?“, fragte Kichi, die die verhaltene Reaktion des anderen Mädchens bemerkt hatte. „Geht es dir nicht gut? Hast du Angst?“ Kichis Stimme war während dieser Fragen unruhig geworden und man konnte genau hören, dass sie selbst sehr viel Angst hatte. Yoko schüttelte den Kopf. „Ich hab keine Angst...“, sagte sie, dann jedoch schüttelte sie den Kopf. „Doch, ich habe Angst“, flüsterte sie leise zu Kichi. „Und ich habe Angst, dass du mich nicht magst. Ich hatte nie eine Freundin außer Sakura“, gestand sie dem anderen Mädchen noch leiser. Kichi nahm ohne es zu merken Yokos Hände und drückte sie leicht. „Dann bin ich jetzt deine Freundin“, meinte sie. Yoko blickte sie an, in ihren Augen standen Tränen. Kichi erwiderte den Blick lächelnd. „Wirklich?“ „Wirklich“, sagte Kichi. Yoko begann zu weinen, aber nicht aus Angst, sondern vor Freude. 'Mädchen', dachte Riro nur, der die beiden beobachtet hatte. Er stand auf und ging zu Ryoudo und Atoeru, um ihnen zu helfen und vor allem, um von Kichi und Yoko wegzukommen. Yokato und Raidon waren unterdessen bei dem Ort angelangt, an dem sie gestern den Großteil der Gruppe getroffen hatten. Sie sahen sich kurz um, ob Dinosaurier in der Nähe waren, dann gingen sie zu den Kisten, die Fudo und Yokato am gestrigen Tage dort gestapelt hatten. “Stört es dich eigentlich nicht”, fragte Raidon, der den ganzen Weg über geschwiegen hatte, schließlich. Sein Bruder sah ihn kurz an, dann schüttelte er den Kopf. “Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Er ist kaum älter als wir und führt sich auf wie der König der Welt”, fuhr Raidon wütend fort. “Ich kann nicht verstehen, wie du es hinnehmen kannst, dass er einfach darüber bestimmt, was wir machen sollen!” Yokato sah seinen Bruder nur mitleidig an, dann griff er nach dem Deckel einer Munitionskiste und öffnete sie. Darin lagen kleine Kugeln, deren Projektile rund waren. Er schloss die Kiste wieder, hob sie hoch, stellte sie zur Seite und untersuchte die nächste. “Was ist los, Yokato? Warum ignorierst du mich?” Raidon war unüberhörbar wütend. Er packte seinen Bruder an der Schulter, riss ihn herum und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. “Warum ignorierst du mich, Yokato? Warum?” Yokato ergriff die Hände seines Bruders, die seine Schultern fest umklammert hielten, und begann, Raidon mit einem Handgelenkhebel dazu zu bringen, loszulassen. Nur zwei Sekunden später war er wieder frei. Er ließ die Hände seines Bruders los und wandte sich wieder der Kiste zu, die er gerade untersucht hatte. “Es gibt mehrere einfache Gründe, Raidon. Erstens ist er der Älteste. Zweitens hat er uns freundlicherweise aufgenommen, obwohl er uns genausogut hätte erschießen können. Drittens hat er uns vor einem dieser Viecher gerettet. Und zuletzt viertens. Er ist der Einzige, der sich wirklich darum gekümmert hat, dass wir noch nicht tot sind. Du hast dich bisher nur gestritten oder widerwillig geholfen. Ich glaube einfach, dass er der Einzige ist, der die Gruppe zusammenhalten kann!” Yokato schloss die Kiste, in welcher sich Gewehrmunition befunden hatte, wieder und hob sie zwischen sich und Raidon. Letzterer stand einfach nur fassungslos da, während er verdaute, was sein Bruder gerade gesagt hatte. “Du meinst... ich... Nein, das ist nicht wahr. ich streite mich nicht nur! Ich mache mir viele Gedanken über unsere Situation!” “Aber du überlegst nicht wirklich, wie man sie verbessern kann. Außerdem regst du dich sehr schnell auf... so wie gestern, bei dem Streit mit Ryoudo, den Fudo schlichten musste! Und jetzt pack mit an, Raidon, das Teil ist verdammt schwer!” Während des ganzen Gesprächs hatte Yokato seine Stimme ruhig gehalten, und auch den letzten Vorwurf hatte er ohne mit der Wimper zu zucken ganz ruhig gesagt, als ob es feststehen würde. Er griff nach einem der Griffe der Munitionskiste, Raidon automatisch nach dem anderen. Sie hievten die Kiste in die Luft, dann begannen sie, zum Lager zurückzugehen. “Du glaubst also, ich wäre nicht so klug wie er, Yokato, das stimmt doch, oder?” Raidon hatte die Vorwürfe seines Bruders inzwischen verdaut. “Aber ich werde dir beweisen, dass ich es doch bin!” “Raidon, reg dich nicht auf. Du weißt genausogut wie ich, dass du in einem Konflikt nicht gegen ihn bestehen würdest. Hör mal, vielleicht ist er der bessere Anführer, aber du hast sicherlich viel mehr Erfahrung als er, was Verletzungen angeht”, erwiderte Yokato in dem Bemühen, seinen Bruder von der Idee abzubringen, Fudo herauszufordern. “Alle Menschen haben Stärken und Schwächen, und du solltest nicht mit Gewalt versuchen, deine Schwächen auszumerzen.” Er wollte weiterreden, dann jedoch blickte er in Raidons Gesicht und sah darin die Wut, die sein Bruder auf Fudo entwickelt hatte. Yokato schwieg, er merkte, dass seine Versuche, Raidon zu beruhigen, auf taube Ohren stoßen würden. Sein Bruder würde es auf die harte Tour beigebracht bekommen, was es heißt, in einer Gemeinschaft zu leben, in der sich jeder auf den anderen verlassen musste. “Was hälst du eigentlich von diesen Mädchen, die Fudo ins Lager gebracht hat”, fragte Raidon unvermittelt. Er blieb stehen, zwang seinen Bruder somit ebenfalls zum Anhalten und wischte sich mit dem Handrücken der freien Hand über die Stirn. 'Verdammt heiß, und das schon so früh am Morgen...', dachte er bei sich. “Sie scheinen nett zu sein, nach dem zu urteilen, was wir bisher von ihnen bemerkt haben. Und das sind eigentlich nur ihre Namen”, erwiderte Yokato ehrlich. Er war immer ehrlich zu seinem Bruder, da dieser es so oder so merken würde, wenn er log, genauso wie er merkte, wenn Raidon log. “Sie wirken nicht, als hätten sie bisher viel gearbeitet”, meinte Raidon nur. “Das eine Mädchen ist kaum älter als Elys kleine Schwester, jedenfalls sieht sie aus, als wäre sie etwa genauso alt. In diesem Alter arbeitet man noch nicht”, konterte Yokato und begann weiterzulaufen. Raidon blieb jedoch weiterhin stehen, und Yokato musste wieder anhalten. “Mit den beiden wird es sicher noch Probleme geben, Yokato, glaub mir. Auf jeden Fall mit der Älteren. Das hab ich mir schon gedacht, als ich sie das erste Mal gesehen habe.” Yokato sah seinen Bruder mit einer Miene an, aus der man deutlich das Missfallen über diese Äußerung sehen konnte. Er drehte sich in Richtung Lager und versuchte erneut, weiterzugehen. Raidon setzte sich nun auch wieder in Bewegung, und sie näherten sich schweigend der Lichtung. “Oh man, bin ich froh, endlich von diesen Mädchen weg zu sein”, meinte Riro grinsend, als er sich Atoeru und Ryoudo beim Holzsammeln anschloss. “Kichi allein war ja schon schlimm, aber jetzt hat sie auch noch eine Freundin gefunden... Ryo, ich sag dir, die beiden werden uns das Leben zur Hölle machen!” Riro grinste den Älteren an, dann begann er, ebenfalls Äste aufzuheben, die sie für das Wachfeuer in der Nacht benutzen konnten. “Das werden wir sehen, Riro”, entgegnete der Angesprochene. “Vorerst haben Ely und die Neue die beiden noch am Hals.” Ryoudo bückte sich, griff nach einem Ast und legte ihn zu den anderen, die er in der Beuge seines anderen Arms balancierte. Der dritte Junge, Atoeru, beteiligte sich nicht an dem Gespräch der beiden Jungen, sondern sammelte einfach nur Holz auf. Ryoudo blieb das nicht verborgen. Er gab sein Holz Riro. “Bring das bitte zur Feuerstelle”, sagte er. “Und such dann ein Stückchen entfernt von hier”, fügte er leise hinzu. Riro nickte mit einem Ausdruck des Unwillens auf seinem Gesicht, dann drehte er sich um und ging zurück zur Feuerstelle. “Alles in Ordnung bei dir?”, sprach Ryoudo Atoeru an. Dieser zuckte zusammen und ließ einen Teil des Holzes fallen, das er bereits gesammelt hatte. Der Angesprochene drehte sich zu Ryoudo um, man konnte sehen, dass er sich nicht wohl fühlte. “Es geht schon... ich hab... nur ein wenig... Angst, das ist alles”, meinte Atoeru. “Ich verstehe nicht... wie könnt ihr so ruhig bleiben? Ihr redet, als wären wir nicht in einer fremden Welt. Als würden uns nicht überall Dinosaurier bedrohen... Wie könnt ihr so ruhig sein?” Ryoudo schüttelte den Kopf. “Unser Verhalten ist der Grund, warum wir so bleiben können. Wir schaffen uns die Illusion einer normalen Welt. Wir wissen, dass wir hier ständig in Gefahr sind, aber wir versuchen, es zu ignorieren. Wie war dein Name? Aturo oder so ähnlich, stimmts?” Der Ältere grinste. “Tut mir Leid, aber sowas kann ich mir nicht so gut merken.” “Atoeru”, sagte der Junge. “Also, Atoeru, du wirkst nicht so, als würde es dir so gut gehen, wie du es vorgibst.” Ryoudo setzte sich an einen Baum und bedeutete Atoeru, sich ebenfalls zu setzen. Dieser kam der Aufforderung nach. “Was bedrückt dich, Atoeru? Du kannst es mir ruhig sagen, ich verrate es niemandem.” Atoeru blickte Ryoudo erstaunt an. Bisher hatte er Fudos kleinen Bruder nur als jemanden kennengelernt, der seinen Bruder bewunderte und der eher das tat, was ihm gesagt wurde und weniger selbst die Initiative ergriff. Seine Verwunderung war auch deutlich auf seinem Gesicht zu sehen. “Ja, ich handle auch eigenmächtig”, bestätigte Ryoudo. Atoeru blickte ihn nur noch verwunderter an, dann drehte er seinen Kopf, so dass Ryoudo nicht mehr hineinschauen konnte. “Ich... vermisse meine Familie”, flüsterte Atoeru. “Meinen Vater und meine Mutter... ich habe Angst, dass ich sie nie wieder sehen werde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir nie wieder nach ... nach Hause zurückkommen.” Er verstummte und zitterte leicht. Ryoudo wurde klar, dass der Jüngere weinte und leise schluchzte, was auch das Zittern hervorrief. Aber Ryoudo konnte das verstehen. Er vermisste seine Eltern auch, aber er hatte wenigstens noch Fudo, an den er sich halten konnte. Atoeru hatte niemanden, an den er sich mit seinen Sorgen, seinen Fragen und mit dem, was ihn bedrückte, wenden konnte. Ohne zu wissen, warum, griff Ryoudo nach Atoerus Schultern und drehte ihn zu sich. Über Atoerus Gesicht liefen die Tränen, seine Augen flossen davon über, und sein Atem ging stoßweise. “Tut mir Leid, ich wollte dich nicht zum weinen bringen”, flüsterte er. “Ich wollte dir nur helfen. Ich dachte, du würdest dich besser fühlen, wenn du jemandem erzählt hast, was dich bedrückt. Mir ging es danach immer besser. Es tut mir wirklich Leid!” Atoeru zog ein wenig Tränenflüssigkeit, welche sich einen Ausgang durch seine Nase zu schaffen versuchte, hoch, blinzelte mehrmals, um die Tränen aus den Augen zu vertreiben, und schaffte es dann sogar, ganz schwach zu lächeln. “Es geht mir besser, Ryoudo. Du hattest recht, es hat geholfen, zu erzählen, was mich bedrückt. Aber... nein, ist nicht so wichtig”, brach er dann ab. Ryoudo hatte allerdings etwas auf Atoerus Gesicht gesehen, dass ihn nachhaken ließ. “Es ist wichtig. Sag, was du denkst, sonst wird es dich nur wieder bedrücken”, sagte der Ältere, in der Hoffnung, damit den Jüngeren zu überreden, weiterzusprechen. Er hatte Erfolg. “Naja... ich beneide dich... und Kichi... und Riro... ihr habt alle jemanden aus der Familie hier, der euch Halt geben kann.” Über Atoerus Gesicht liefen frische Tränen, die dünne Spuren auf seinem Gesicht hinterließen. Ryoudos Gesicht wurde traurig. “Das ist aber auch schlecht”, entgegnete er und verstummte. Atoeru sah verwundert in die Augen des Älteren, und als er die Sorge darin gesehen hatte, verstand er, was dieser meinte. Man musste es nicht aussprechen. Die beiden Jungen blickten sich noch kurz an, dann standen sie auf und sammelten weiter Holz, um sich vom dem, worüber sie gerade nachgedacht hatten, zu viel nachgedacht hatten, zu verdrängen. “Du hast zwar niemanden aus deiner Familie hier, aber du hast dennoch Familie”, sagte Ryoudo. “Wir sind alle eine Art Familie, wir müssen zusammenhalten. Also, wenn du mal Probleme hast, wende dich einfach an einen von uns anderen. Und du kannst mich ruhig Ryo nennen, das tun alle”, meinte der Ältere. Atoeru nickte einfach nur, griff nach einem Ast und legte ihn auf den wachsenden Stapel in seiner Armbeuge. Nur einige Minuten später hörten die beiden Jungen, die gerade ihr Holz zur Feuerstelle gebracht hatten und wieder in den Wald gegangen waren, zusammen mit Riro, den sie wieder zur Sammelgruppe eingezogen hatten, Raidons wütende Stimme vom Lager her erschallen. Sie ließen das Holz fallen und rannten zum Lager zurück. Fudo hatte erst zwei weitere Stangen in den Boden treiben können, als Raidon und Yokato wieder zurückgekehrt waren. Die beiden stellten die Kiste zu den anderen, legten die Pistolen dazu und gingen zum See. Sie knieten sich nieder, tranken ein wenig Wasser und standen wieder auf. Der Älteste beachtete sie nicht weiter, sondern nagelte die Stange, die er eben in den Boden geschlagen hatte, fest und griff nach der nächsten. Ely hatte Sakura inzwischen im Lager herumgeführt. Kichi und Yoko waren den beiden teils aus Neugier, teils aus Langeweile gefolgt und hatten so das Lager ein wenig besser kennengelernt. “Solltest du Probleme haben, sag es einfach, wir werden sehen, was wir tun können. Nur solltest du dich von dem Luxusleben, das du früher gelebt hast, verabschieden”, sagte Ely ruhig. “Wir haben nichts, was den Lebensstandard, den du gewöhnt bist, auch nur annähernd erreicht.” “Das ist kein Problem”, entgegnete Sakura. Sie fuhr sich geistesabwesend durchs Haar und entfernte die letzten kleinen Äste, die sich dort noch von ihrem unfreiwilligen Aufenthalt auf einem Baum befanden. Kichi und Yoko hatten sich inzwischen von den beiden entfernt und beobachteten Fudo dabei, wie der das Zelt baute. Nach nur einer halben Minute wurde ihnen jedoch wieder langweilig, und sie liefen auf den Waldrand zu, um den Jungs beim Holzsammeln zuzusehen, in der Hoffnung, dass ihnen dann weniger langweilig wäre. Yoko hatte zwar Angst, sich dem Waldrand zu nähern, aber da dort auch die Jungs waren, sprach sie es nicht laut aus. Kichi hatte genausoviel Angst wie Yoko, aber auch sie sprach es nicht aus, weil sie ihre neue Freundin, die sich ihrer Meinung nach noch mehr in dieser Welt fürchtete als sie selbst, nicht noch mehr ängstigen wollte. Auf halbem Wege sahen die beiden jedoch Raidon und Yokato mit einer Kiste zurückkommen. Die Mädchen drehten sich wieder zum Lager um und gingen dorthin zurück, da sie wissen wollten, was sich in der Kiste befand. Kichi hatte nicht gemerkt, dass Munitionskisten mit ihnen eingesogen worden waren. Die Mädchen bemerkten nicht, wie angespannt Yokato und wie wütend Raidon war, sonst wären sie nicht so schnell zurück zum Lager gelaufen. Kapitel 8: Streit liegt in der Luft ----------------------------------- Kapitel 8 Streit liegt in der Luft Raidon ging direkt auf Fudo zu. Er war wütend, weil Fudo meinte, das Lager zu beherrschen, so kam es Raidon zumindest vor, und außerdem mochte er es nicht, wenn er herumkommandiert wurde. Den Streit mit Ryoudo hatte er zwar nicht vergessen, aber er akzeptierte nicht, dass Fudo sie auseinandergebracht hatte. Und er hatte seine Entschuldigung nicht ernst gemeint. „Fudo! Ich würde gerne etwas mit dir klären“, brüllte er mit hasserfüllter Stimme dem Älteren zu, der gerade eine weitere Stange des Zeltes in den Boden schlagen wollte. Fudo hörte die Wut Raidons, legte Stange und Hammer, die er in den Händen hielt, zur Seite und nahm die Nägel, die er zwischen den Zähnen hielt, aus dem Mund. Er warf sie neben den Hammer. „Was ist, Raidon?“, entgegnete Fudo mit ruhiger Stimme, in der Hoffnung dass das, was er schon als beinahe unausweichlich sah, doch noch zu verhindern. Er bereitete sich innerlich darauf vor, Raidons Schlag der sicher gleich erfolgen würde, abzuwehren. „Ich glaube, wir haben uns gestern nicht richtig unterhalten. Ich bin der Meinung, dass du nicht fähig bist, für unser aller Wohl zu sorgen. Ich glaube nicht, dass du geeignet bist, hier die Position des Anführers zu übernehmen!“ „Wie ich schon gestern sagte, wenn du anführen willst, dann führe. Allerdings ist der Anführer derjenige, den die Mehrheit dieser Gruppe als Anführer akzeptiert. Wenn niemand ihn als Anführer akzeptiert, dann ist er nicht geeignet, einer zu sein!“ Fudo wusste zwar, dass diese Worte Raidon nur noch mehr provozieren würden, aber er hatte sich durch Blicke mit Yokato verständigt, und die Geste, die Raidons Bruder gemacht hatte, war unmissverständlich gewesen. Raidon würde sich nicht davon abbringen lassen, denn er wollte einen Streit anfangen. Fudo griff in seine Hosentasche, zog das Messer heraus und ließ es neben dem Hammer zu Boden fallen. Raidon hatte inzwischen die Strecke, die sie noch trennte, überwunden. Er blickte Fudo in die Augen, dann ballte er eine Faust und zielte auf Fudos Magen. Fudo trat schnell zwei Schritte zurück und wich dem Schlag damit aus. Er wechselte die Position, damit Raidon ihn nicht zu dem noch im Bau befindlichen Zelt drängte, und wartete. Seine Arme hingen noch immer locker an seiner Seite, und in seinem Gesicht war aufrichtiges Bedauern zu sehen. „Ich will nicht gegen dich kämpfen, Raidon. Wir sitzen im selben Boot, das wäre nur Zeitverschwendung! Und warum glaubst du, dass Gewalt dich zum Anführer macht?“ Raidon ignorierte Fudos Worte, sprintete auf ihn zu, holte wieder zum Schlag aus und zielte dieses Mal auf Fudos Gesicht. „Sorry“, meinte der Angegriffene. Er griff das Handgelenk von Raidon, während er dem Schlag durch eine seitliche Drehung auswich, mit seiner rechten Hand. Fudo hatte sich bereits halb gedreht, so dass seine linke Seite zu Raidons Körper zeigte. Fudo drehte seinen Körper weiter und packte dabei Raidons Handgelenk fester. Seine linke Hand legte er auf Raidons Schulter. Fudo nutzte Raidons Schwung aus, vollendete die Drehung und drückte Raidon gleichzeitig durch die Hand auf dessen Schulter zu Boden. Der Angreifer lag mit der Brust auf der Erde, sein Arm immer noch in Fudos Griff. Letzterer hatte Raidon ein Knie in den Rücken gedrückt und hebelte ihn, indem er den Arm überstreckte. Raidon schrie gequält auf. Fudo ließ den Jüngeren los und stand auf. Raidon blieb noch kurz auf dem Boden liegen, drehte sich allerdings auf den Rücken. Er keuchte, da Fudo ihm die Luft aus den Lungen gedrückt hatte. Ohne ein weiteres Wort drehte sich Fudo um und kehrte an seine Arbeit zurück. Die anderen hatten den Kampf, der gerade einmal zehn Sekunden gedauert hatte, mit angehaltenem Atem beobachtet. Erst, als er vorüber war und Fudo wieder zum Zelt zurückkehrte, verarbeiteten sie, was sie gerade gesehen hatten. Kichi und Yoko sahen Fudo ungläubig mit offenen Mündern an, ihre Augen waren vor Schreck geweitet, beide sahen aus, als wollten sie gleich losweinen. Atoeru, Riro und Ryoudo standen hinter den beiden, sie beobachteten die Szene noch immer, hatten noch nicht ganz verstanden, was gerade passiert war. Sakura hatte weggesehen, sie konnte Streit zwischen anderen nicht ertragen. Erst, als Raidon keuchte, sah sie wieder zu den Kämpfenden. Sie konnte nicht glauben, dass der Konflikt so schnell entschärft worden war. Ely hingegen hatte den Kampf beobachtet, und sie hatte erkannt, dass Fudo, trotz aller Beteuerungen, dass er nicht kämpfen wollte, Spaß daran gehabt hatte, sich gegen Raidon durchzusetzen. Es bereitete ihr Sorgen, und sie hoffte, dass sie sich dieses Glänzen in seinen Augen nur eingebildet hatte. Sie nahm sich vor, Fudo sobald sie konnte darauf anzusprechen. Raidon hatte sich inzwischen, mit ein wenig Hilfe von seinem Bruder, wieder erhoben, stand allerdings noch etwas wackelig da. Yokato blickte seinen hitzköpfigen Bruder mit einem eindeutig negativen Blick an. Er führte ihn weg von Fudo, um den Streit nicht noch einmal eskalieren zu lassen. Erst jetzt begannen die beiden Mädchen zu weinen. Sakura und Ely waren sofort zur Stelle, um sie zu trösten, nahmen die beiden in die Arme und führten sie weg von dem Ort, an dem der Kampf stattgefunden hatte. Zwar konnte man, sah man von der kleinen Mulde, die Raidons Kinn im weichen Erdboden hinterlassen hatte, ab, keine Spuren sehen, aber alle konnten die Emotionen die den Kampf begleitet hatten deutlich spüren, beinahe sogar sehen. Ely und Sakura redeten beruhigend auf Kichi und Yoko ein, versuchten, ihnen klarzumachen, dass es nur ein einfacher Streit war, wie er manchmal unter Freunden vorkam. Zum größten Teil sagten sie dies jedoch, um sich selbst zu beruhigen, vor allem Ely. Die Jüngeren bemerkten dies nicht und weinten einfach weiter. Sie wollten nicht, dass sich Freunde stritten, vor allem nicht ihre Freunde. Atoeru und Riro sahen Ryoudo sprachlos an, der nur mit einem tranceartigen Blick die Stelle fixierte, an der Fudo Raidon zu Boden gebracht hatte, ohne sich wirklich anzustrengen, wie es schien. Der Älteste der kleinen Dreiergruppe wusste zwar, dass Fudo ein aktiver Kampfsportler und in verschiedenen Kampfsportarten nicht gerade schlecht gewesen war, aber er hatte noch nie gesehen, wie Fudo seine Fähigkeiten anwandte. Es hatte ausgesehen, als hätte er sein Leben nichts anderes gemacht als diese Technik anzuwenden. Erst, als Riro ihm mit seiner Hand beinahe ins Gesicht schlug, begriff er, was gerade wirklich passiert war. Er war geschockt. Geschockt darüber, dass eine Person, die Fudo gestern noch zugestanden hatte der bessere Anführer zu sein, ihn heute angriff, darüber, dass Fudo die Provokationen von Raidon einfach verpuffen hatte lassen und vor allem darüber, wie schnell er Raidon in seine Schranken verwiesen hatte. Bevor die beiden Jüngeren ihn auch nur fragen konnten, was gerade passiert war, rannte Ryoudo bereits in Richtung Wald, in eine Richtung, in die keiner der anderen gegangen war. Er wollte Ruhe haben, um nachdenken zu können. Riro und Atoeru folgten ihm, da sie nicht wussten, was sie sonst machen sollten. Fudo verdrängte seine Gedanken an die kurze handgreifliche Auseinandersetzung, die gerade stattgefunden hatte, hob sein Messer auf, steckte es wieder in seine Hosentasche, nahm den Hammer und arbeitete weiter an dem Zelt. Er schlug den Stock, den er hatte fallen lassen, nun endlich in den Boden, und als er seiner Meinung nach tief genug steckte, nagelte er ihn am Mittelteil des Zeltes fest. Yokato hatte Raidon zum Seeufer gebracht. Raidon kniete sich ans Wasser und trank gierig. “Das wird er mir büßen”, flüsterte er. “Das wird er büßen. Keiner demütigt mich! Keiner! Er wird schon noch sehen, was er von dieser Aktion hat!” Er blickte ins Wasser und beobachtete sein Spiegelbild. Er konnte keine sichtbaren Verletzungen feststellen, nur sein Kinn war etwas mit Erde und Gras bedeckt, da Fudo ihn damit in die Erde gedrückt hatte. Raidons Schuluniform war nicht mehr als solche zu erkennen, sie hatte an vielen Stellen Grasflecken, und die Krawatte war bei ihrem Streifzug zurück zu dem Ort, den er nur noch als 'Landepunkt' bezeichnete -oder auf dem Weg zurück- in einem Ast hängen geblieben und zerrissen. Yokato hörte seinem Bruder zu und schwieg. Er wusste, dass niemand Raidon in diesem Gemütszustand beruhigen konnte. Sein Bruder war gekränkt worden, und das ertrug dieser nicht. Deshalb hatten schon in ihrer Schule einige Schüler länger zu Hause bleiben müssen, verletzt im Bett liegend. “Ich denke, wir sollten erstmal eine Weile weg aus dem Lager, Raidon”, sagte Yokato schließlich. “Gehen wir doch und holen noch eine Munitionskiste. Wir würden den anderen damit helfen.” Als Yokato sah, dass Raidon nicht wirklich erpicht darauf war und sich lieber noch einmal mit Fudo anlegen wollte, fügte er etwas hinzu, das vielleicht nicht ganz fair war, aber das seine Wirkung sofort entfaltete. “Wenn wir keine Munition mehr haben, werden wir früher oder später sterben. Du. Ich. Die anderen. Auch Atoeru.” Beim letzten Namen, den Yokato aufführte, zog Raidon scharf die Luft ein. Er hatte Atoeru irgendwie liebgewonnen, und wollte nicht, dass ihm etwas zustieß. Daher stand er auf und nickte Yokato einfach zu. Dieser lief schnell zu den Munitionskisten und holte die Pistolen, dann brachen die beiden auf. “Atoeru zu erwähnen, um mich dazu zu bewegen, mit dir zu kommen, war unfair”, erklärte Raidon, nachdem sie etwa zwei Minuten durch den Wald gegangen waren. “Aber es hat gewirkt, oder?” Yokato grinste zufrieden. “Ich musste dich einfach von Fudo wegbekommen, du hattest die gleiche Stimmung wie vor einigen Jahren, als du drei unserer Klassenkameraden zu einer langen Bettzeit verurteilt hattest.” Raidon blickte seinen Bruder nur ausdruckslos an. Den restlichen Weg zum Landepunkt legten sie schweigend zurück. Ryoudo hatte sich auf einen Baum zurückgezogen, nachdem er merkte, dass er Atoeru und Riro nicht loswerden konnte. Er war so hoch geklettert, wie er den Ästen sein Gewicht gerade noch zutraute, und hatte sich dort auf einen Ast gesetzt, gegen den Stamm gelehnt. Er genoss die Ruhe um ihn herum und ignorierte Riros und Atoerus Stimmen, die unten am Baum standen und nach ihm riefen. “Riro”, konnte man nur Sekunden später Elys Stimme hören, “komm bitte mal her!” Riro blickte noch einmal in den Baum, in dem Ryoudo saß, dann rannte er zum Lager zurück. Atoeru hatte keine Lust, allein unter dem Baum zu warten, und folgte Riro. Nur eine Minute später wünschte er sich, er hätte es nicht getan, aber da war es bereits zu spät. Ely saß an der Feuerstelle und hatte jeweils einen Arm um Kichi und einen um Yoko gelegt. Sakura war gerade am See und trank einen Schluck. Die beiden kleinen Mädchen weinten noch immer ein wenig, und in ihren Gesichtern konnte man sehen, dass sie Angst hatten, Angst vor Fudo und Raidon, und dass sie nicht wussten, was da eigentlich genau passiert war. “Was ist, Ely?”, fragte Riro. An seinem Tonfall hörte man, dass er sich die Antwort schon denken konnte, aber dagegen war. “Ich wollte dich bitten, bei deiner Schwester und Yoko zu bleiben. Ich muss mit Fudo reden, und die beiden wollen nicht in seine Nähe”, sagte Ely. Ihre Stimme war eine Mischung aus Frustration, blankem Zorn und Sorge. “Keine Widerrede”, fügte sie hinzu. Riro seufzte nur schwer und ließ sich neben seiner Schwester nieder. Ely löste ihren Arm von Kichi, und diese klammerte sich beinahe augenblicklich an Riro. Yoko, die sich ängstlich umsah, blickte Riro an, dann wich sie ein kleines Stück zurück. Dabei stieß sie gegen Sakura, die sich wieder auf dem Teppich niedergelassen hatte, und klammerte sich sofort an sie. Riro blickte Atoeru an, um ihm zu zeigen, dass er keine Lust darauf hatte, Babysitter zu spielen. Atoeru setzte sich zu Riro und leistete ihm Gesellschaft, da er nicht wusste, was er sonst machen sollte. Ely ging unterdessen zu Fudo. Da sie Kichi bei Riro lassen konnte - sie vertraute ihrem kleinen Bruder, gut auf seine jüngere Schwester aufzupassen -, wollte sie sich so schnell wie möglich mit ihrem Freund aussprechen. Sie wollte ihn mit der Reaktion, die sie an ihm während des Kampfes beobachtet hatte, konfrontieren und sehen, ob sie sich geirrt hatte oder nicht. 'Sollte ich mich so in ihm getäuscht haben', dachte sie sich, als sie sich an das Funkeln in Fudos Augen erinnerte, das sie während des extrem kurzen Kampfes gesehen hatte. 'Ich hoffe, dass ich mir das nur eingebildet habe!' Sie blickte zu der nahen Feuerstelle zurück, um sich selbst die Bestätigung zu geben, dass es Kichi gut ging. Auch deshalb wollte sie mit Fudo reden. Sie erreichte das Zelt und sah, wie Fudo gerade einen weiteren Ast festnagelte. Er sah auf, als sie sich zwischen ihn und die anderen Äste stellte, die er noch verbauen wollte. “Kann ich kurz mit dir reden, Fudo?”, fragte Ely direkt. Durch ihren besorgten und wütenden Blick war Fudo bereits etwas vorgewarnt, er ahnte, dass es nicht nur ein freundliches Gespräch zwischen ihm und ihr werden würde. “Natürlich Ely. Was ist denn? Du siehst besorgt aus”, entgegnete er. Es war zwar stark untertrieben, aber Fudo hoffte, dadurch Elys Laune, die scheinbar ziemlich schlecht war, ein klein wenig zu verbessern. Ely deutete auf den Wald. Fudo verstand die Geste. Ely wollte das Gespräch etwas entfernt von den anderen führen. Spätestens jetzt war Fudo sicher, dass es etwas wichtiges, aber auch etwas schlechtes war, das sie mit ihm besprechen wollte. Er legte den Hammer zu Boden, nahm das Gewehr, das in seiner Nähe lag, und bedeutete Ely, voranzugehen. Fudo blickte sich noch einmal kurz auf der Lichtung um, konnte aber keine Gefahren erkennen. Dann folgte er seiner Freundin zum Waldrand. Ely blieb am Waldrand stehen. Fudo war nur zwei Schritte hinter ihr, und als er bei ihr war, war seine ruhige, freundliche Fassade verschwunden, war einem besorgten Gesicht gewichen. Er sah sie an. Sie wahrte einen gewissen Abstand zu ihm, etwa eine halbe Armlänge, und wann immer er versuchte, sich ihr zu nähern, wich sie ihm aus. “Was ist denn los, Ely?” Er wartete auf Elys Antwort, aber diese blieb zu seiner Überraschung vorerst aus. Sie sah ihn einfach nur an, und er fühlte sich, als würde sie gerade in ihm wie in einem Buch lesen. Ihre Blicke durchbohrten ihn förmlich, kehrten sein Innerstes nach außen und machten es aller Welt offen zugänglich. “Ich mache mir Sorgen, Fudo”, gab sie schließlich, zwei Minuten, nachdem Fudo die Frage gestellt hatte, als Antwort. Fudo hob seine linke Hand und wollte damit nach Elys rechter greifen, aber sie ging einen Schritt zurück. “Ich mache mir Sorgen um uns alle, aber vor allem sorge ich mich gerade um Kichi. Du und Raidon habt sie verschreckt, als ihr euch geprügelt habt.” Fudo wollte etwas erwidern, aber Ely hob ihre rechte Hand, um ihm zu zeigen, dass sie noch nicht fertig war. Er schwieg. “Und ich mache mir Sorgen um dich, Fudo. Ich habe dich beobachtet, während du Raidon zu Boden geschickt hast. Es hat dir Spaß gemacht, habe ich nicht recht? Es hat dir Spaß gemacht, ihn in seine Schranken zu verweisen, ihm zu zeigen, dass du besser...” “Du irrst dich, Ely”, unterbrach Fudo sie. “Es war alles andere als spaßig für mich. Ich wollte es eigentlich vermeiden, den Konflikt eskalieren zu lassen!” “Aber nachdem er eskaliert war, hat es dir Spaß gemacht, ihn zu Boden zu bringen.” “Nein, hat es nicht, Ely. Wirklich nicht.” Fudo blickte traurig zu Boden. Er drehte sich zum Lager um und begann, wieder dorthin zurückzugehen. “Wenn du glaubst, es hätte mir Spaß gemacht, mich mit Raidon zu prügeln, wie du es genannt hast, dann kennen wir uns doch nicht so gut, wie wir dachten!” Ely stand mehrere Sekunden einfach nur angewurzelt da, dann lief sie Fudo hinterher. Zwanzig Meter vom Waldrand entfernt hatte sie ihn eingeholt. Sie griff nach seiner Hand und blieb stehen, zwang ihn dazu, auch anzuhalten. Er hatte ihr allerdings noch immer den Rücken zugewandt. “Nun, deine Augen haben so geglänzt, als du ihn zu Boden gebracht hast”, flüsterte Ely. “Es wirkte wie das Glitzern in deinen Augen, als wir uns das erste Mal geküsst haben.” Fudo drehte sich zu seiner Freundin um, sein Gesicht war genauso traurig, wie sie sich fühlte. Sie löste ihre Hand und blickte zu Boden. “Es tut mir leid, Ely. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten... oder Kichi Angst einjagen. Aber was sollte ich tun?” Seine aufrichtige Stimme und seine Frage ließen Ely erkennen, dass er es wirklich so meinte, wie er es sagte. Sie hatte gelernt, zu erkennen, wann er log und wann nicht, daher war sie sich sicher, dass er die Wahrheit sagte. Dann spürte sie, wie er nach ihrer Hand griff. Seine Finger schoben sich zwischen ihre und umschlossen ihre Handfläche so sanft, dass sie nur durch die Wärme seiner Hand spürte, dass er ihre Hand wirklich hielt. Auch wenn sie es nicht wollte, so huschte doch ein Lächeln auf ihr Gesicht. Fudo wusste genau, wie er sie aufheitern konnte. Das war eine der Eigenschaften, die sie an ihm mochte. Mit seinen negativen Eigenschaften hatte sie zu leben gelernt. Dazu zählte sie auch seine Zurückhaltung. Nicht gegenüber anderen Menschen, er war sehr extrovertiert und schloss schnell Freundschaften, sondern ihr gegenüber. Er mochte noch so viel Selbstvertrauen haben, ihr gegenüber war er immer noch beinahe genauso zurückhaltend wie damals, als Ely gerade bei den Yamamotos eingezogen war. Diese Zeit schien ihr jetzt so fern, obwohl es erst vier Jahre her war. Nun ja, in letzter Zeit hatte sie ihn dazu gebracht, diese Zurückhaltung ein wenig zu lockern, aber er war ihrer Meinung nach immer noch viel zu zurückhaltend. “Du hättest ihm einfach nur ausweichen können. Du hättest ihn nicht zu Boden bringen müssen”, flüstert Ely, aber sie meinte es nicht so. Sie wusste, dass Raidon nicht aufgehört hätte, wenn Fudo nichts getan hätte. Sie drückte seine Hand und lehnte sich an ihn. Fudo schwieg, er hatte gemerkt, wie seine Freundin es gemeint hatte. Aber in seinem Kopf ließ er gleichzeitig den ganzen Kampf, mochte er noch so kurz sein, nochmals ablaufen. Er versuchte herauszufinden, ob Ely nicht doch recht gehabt hatte. Er hatte gesagt, dass es ihm keinen Spaß gemacht hatte, und er glaubte es auch selbst, aber er war sich nicht sicher. Fudo löste seine Hand von Elys, legte seinen freien Arm um ihre Schulter und ging mit ihr zum Lagerplatz zurück. Er hatte vor, später noch einmal auf das Thema zurückzukommen. Jetzt wollte er erst einmal seine Baustelle beenden. Er blickte zum Himmel und merkte zu seinem Erstaunen, dass die Sonne bereits im Zenit stand, es also schon Mittag war. “Wir sollten die anderen zusammenrufen, es ist Mittag. Mein Magen knurrt, und deren Magen sicher auch”, meinte Fudo scherzhaft, was ihm einen leichten Hieb in seine Seite einbrachte. Ely glaubt ihm zwar, dass der Kampf ihm keinen wirklichen Spaß gemacht hatte, aber sie hatte ihm noch nicht verziehen, dass er sie, Kichi und allen anderen so einen Schreck eingejagt hatten. Fudo seufzte und ging mit Ely langsam zur Feuerstelle. Raidon sah sich am Landepunkt kurz um. “Wir sind nicht allein”, sagte er dann und zog seine Pistole. Er blickte sich aufmerksam um, und konnte schließlich in einiger Entfernung einen Raptor sehen, der die beiden Jungen, die sich bei den drei Munitionskisten befanden, beobachtete. Raidon blickte sich nach weiteren Tieren um, konnte aber keine erkennen. Er sah, dass sein Bruder ebenfalls die Pistole gezogen hatte und sie auf den Raptor richtete. “Es ist nur einer. Das ist komisch”, meinte Yokato. Er blickte zu dem Raptor, dann drehte er sich im Kreis, um zu sehen, ob sich Raptoren hinter sie geschlichen hatten. Er konnte aber keine sehen. “Also, nehmen wir die Kiste, und dann nichts wie zurück zu den anderen!” Yokatos Stimme hatte einen Ton angenommen, der Raidon dazu brachte, die Kiste sofort aufzuheben, ohne auch nur ein einziges Widerwort zu geben. Sie hatten die Munition aus der zerstörten Kiste in eine noch unbeschädigte Kiste umgeladen. Die Pistolenmunition, die in der Kiste gewesen war, hatten sie zu der anderen Pistolenmunition gepackt. Die leere Kiste hatten sie dann mit der Gewehrmunition aus der zerstörten Kiste gefüllt. Die Jungen hoben die Kiste, in der sich die gesamte restliche Pistolenmunition befand, hoch, dann liefen sie, nachdem sie sich nochmals nach Raptoren umgesehen hatten, mit gezogenen Pistolen langsam den Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie wussten, dass sie durch ihre Last eine leichte Beute für Dinosaurier waren, deshalb waren sie noch aufmerksamer als sonst. Ihre Augen standen nicht still, sie blickten sich andauernd um und suchten nach Bewegungen, die auf die Anwesenheit von Dinosauriern schließen ließ. So gingen sie vorsichtig zum Lager zurück. Kein Wort kam über ihre Lippen. Auf ihren Stirnen war deutlich der Schweiß zu erkennen, aber es war kalter Schweiß, der ihnen deutlich zeigte, dass sie Angst hatten. Aber sie ignorierten ihre Angst und beeilten sich, um so schnell sie konnten wieder zur Lichtung zu kommen. Ely und Fudo setzten sich neben Riro und Kichi an der Feuerstelle nieder. Atoeru und Sakura, die ihnen gegenübersaßen, betrachteten sie schweigend. Kichi und Yoko hatten sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt, und versuchten, Riro dazu zu bringen, mit ihnen zu spielen. Dieser schaffte es aber bisher gekonnt, ihre Bitten abzuschlagen. “Wer hat Hunger?”, fragte Fudo schließlich, nachdem er die Szene etwa eine Minute beobachtet hatte. Alle sahen ihn an, denn sie hörten deutlich, wie ihre Mägen knurrten. “Ich”, sagten sie mehr oder weniger gleichzeitig. Fudo begann zu lächeln. “Dann gehe ich mal und hole das Mittagessen. Und es gibt Äpfel, welch Überraschung”, meinte er. Er war schnell genug aufgestanden, um dem liebevollen Schlag, den Ely bereits begonnen hatte, auszuweichen. “Dieses Mal nicht, Schatz”, meinte er frech grinsend und lief in Richtung der Apfelbäume am Rand der Lichtung. Dort hielt sich auch Ryoudo auf, aber das wusste Fudo nicht. Das Älteste Mitglied der Gruppe ging zu dem Baum, der sich der Feuerstelle am nächsten befand, lehnte das Gewehr dagegen und kletterte auf ihn hinauf. Auf etwa drei Metern Höhe angekommen, begann er, das Mittagessen der Gruppe zu pflücken. Er hatte mehrere Äste gefunden, die mit Äpfeln beinahe überladen waren, und pflückte Apfel um Apfel. Er ließ sie einfach zu Boden fallen, denn das hatte den Äpfeln gestern nichts gemacht, also würde es ihnen auch heute nichts ausmachen. Nachdem er etwa zwei Dutzend Äpfel gepflückt hatte, kletterte er wieder vom Baum, zog die Jacke, die er seit gestern trug, aus, legte sie auf den Boden und legte die Äpfel darauf. Dann nahm er das Gewehr und hängte es sich über die Schulter, hob die Jacke auf und trug so das Essen zur Feuerstelle zurück. Ryoudo hatte seinen Bruder dabei beobachtet, wie er das Essen geholt hatte. Dabei fiel ihm auf, dass sein Magen laut knurrte. Er kletterte vom Baum, pflückte sich unterwegs einen Apfel, kletterte zum Boden und aß den Apfel auf dem Weg zu den anderen. Etwa zwanzig Minuten später erreichten auch Raidon und Yokato die Lichtung wieder. Sie trugen die Munition zu den restlichen Kisten, stellten sie dort ab und gingen zum Rest der Gruppe. Fudo warf beiden einen Apfel zu, den sie gierig verspeisten. Raidon ignorierte Fudo, in seinem Inneren kochte er noch immer vor Wut. Jetzt jedoch wollte er erst einmal seinen Hunger stillen. Das Essen verlief ruhig, es wurde nicht gesprochen. Fudo stand schon früh auf und kehrte zu der Baustelle zurück, die einmal ein Zelt werden sollte. Yokato und Raidon, obwohl als letzte angekommen, standen nur kurz nach Fudo wieder auf und machten sich auf den Weg zum Landepunkt, zum letzten mal, wie sie hofften. Es befand sich nur noch eine Munitionskiste dort, ansonsten lag dort nur noch der große Haufen mit Schrott. Kichi hatte sich an Ely geschmiegt und war eingeschlafen, die ständige Angst, die sie sorgsam verborgen hatte, hatte sie erschöpft. Auch Yoko war eingeschlafen, an Sakura gelehnt. Die beiden älteren Mädchen lächelten sich an, während sie ihre Geschwister betrachteten. Die Jungen hatten sich in den Wald begeben und erkundeten die nähere Umgebung. Sie hatten genug Holz gesammelt, um das Feuer die ganze Nacht hindurch brennen lassen zu können, wie sie hofften. Es hatte sich bereits eine gewisse Art von Routine im Lager eingeschlichen, auch wenn sie noch nicht einmal einen Tag in dieser Welt waren. Fudo hatte sich wieder in seine Bauarbeiten gestürzt, die Zwillinge waren auf einer Art Expedition, um nützliche Dinge ins Lager zu holen, Die älteren Mädchen passten auf die Jüngsten der Gruppe auf. Ryoudo wunderte sich ein wenig darüber, wie schnell sich so etwas entwickelte, aber er war nicht unglücklich darüber. Er hoffte, dass diese Routine weitere Streitigkeiten, zumindest in der nächsten Zeit, verhindern würde. Besonders zwischen Fudo und Raidon sollte seiner Meinung nicht noch einmal ein Streit ausbrechen. Die beiden waren sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden bereits zweimal in die Haare geraten, und ein weiteres Mal würde sicher nicht so glimpflich ablaufen. Die Jungen hörten in weiter Entfernung ein Fauchen, was sie dazu veranlasste, sich schnell zum Lager zurückzubegeben. Sie hofften, dass die Dinosaurier, die dieses Fauchen ausgestoßen hatten, die Raptoren, das Lager nicht finden würden. Fudo trieb die vorletzte Stange in den Boden, als Raidon und Yokato mit der letzten Munitionskiste zurückkehrten. Raidon ging zum Seeufer und setzte sich dort nieder, während Yokato sich Fudo näherte. Zumindest glaubte Fudo, dass es Yokato war, denn die Krawatte, die schon halb zerrissen war, hatte einen ordentlichen Knoten gehabt. “Brauchst du Hilfe?”, fragte Yokato - es gab keinen Zweifel mehr, dass es sich um Yokato handelte, denn Raidon sprach kein Wort mehr mit Fudo - und betrachtete die Arbeit von Fudo. Der Angesprochene nickte. “Wenn du noch einige Minuten wartest, kannst du mir helfen, die Folie über das Zelt zu spannen und sie zu befestigen”, meinte Fudo, nahm einen Nagel und befestigte die Stange, die er eben in die Erde getrieben hatte. Er schätzte in Gedanken die Größe des Zeltes ab und kam zu dem Schluss, dass er auf jeden Fall ein weiteres bauen musste, da niemals zehn Leute in dieses eine von ihm erbaute Gebilde passen würden. Fudo griff zu dem letzten Ast und begann ihn in den Boden zu treiben. Kapitel 9: Schwierigkeiten -------------------------- Kapitel 9 Schwierigkeiten Fudo trieb die letzte Stange in den Boden. Er hatte bemerkt, dass Yokato ihn musterte, wahrscheinlich wunderte er sich darüber, wie ruhig Fudo in dieser Situation zu sein schien. Fudo war froh, dass nur Ely ihn so gut lesen konnte, um seine Ängste und Sorgen zu bemerken. Nicht einmal Ryoudo, sein eigener Bruder, konnte dies erkennen. “Was ist, Yokato?”, fragte Fudo zwischen zwei Schlägen. “Wirke ich so komisch, dass du mich heimlich beobachten musst?” Yokato erschrak, als Fudo genau das aussprach, was er gerade gedacht hatte. Er hatte sich darüber gewundert, wie ruhig der Ältere wirkte, obwohl er in einer fremden Welt war, ohne es zu wollen eine Gruppe Jugendlicher zu führen hatte und dabei auch noch für seinen Bruder, seine Freundin und deren Geschwister da sein musste. Yokato schwieg, da er nicht wusste, was er sagen sollte. Fudo sah von seinem Bauwerk auf, und zum ersten Mal in diesen zwei Tagen, die sie hier in dieser Welt waren, sah er Erschöpfung in Fudos Gesicht stehen, so deutlich als würde er ein T-Shirt mit der Aufschrift 'Ich bin Müde!' tragen. Dieser Anblick ließ alle Motivation, die er in sich hatte, verschwinden. “Entschuldige, wenn ich dich von der Überzeugung abgebracht habe, dass ich alles ruhig betrachte und so handle, wie es ein kühler Verstand tun würde. Man sieht es mir nicht an, aber ich kann nicht mehr!” “Kann ich verstehen. Ich bin nervlich am Ende, seit wir hier gelandet sind. Dass ich noch nicht zusammengebrochen bin, das... naja... verdanke ich dir”, beendete er den Satz. “Du hast dadurch, dass du mir eine Arbeit aufgetragen hast, dafür gesorgt, dass ich kaum denken konnte. Danke!” Fudo schüttelte den Kopf. “Das war nur eine Nebenwirkung. Hauptsächlich habe ich dir die Arbeit aufgetragen, weil sie getan werden musste. Hätte ich genug Zeit gehabt, hätte ich es selbst gemacht, aber Zeit war knapp gestern.” Fudo schlug die Stange die letzten Zentimeter in den Boden, dann nagelte er sie fest. “Das Gerüst steht. Kannst du mir bitte mit der Plane helfen?” Yokato nickte und griff zusammen mit Fudo nach der Plane. Sie zogen sie gemeinsam über das Zeltgerüst, dann gab Fudo Yokato einige Nägel, die er verbogen und zu provisorischen Heringen umgewandelt hatte. Yokato befestigte die Plane damit auf seiner Seite, nachdem Fudo ihm den Hammer gegeben hatte. Er nagelte die Plane am Boden fest. Fudo schloss derweil eines der Enden des Zeltes ebenfalls mit Nägeln, allerdings nur provisorisch, da Yokato gerade den Hammer hatte. Er blickte dabei in das Zelt und versuchte zu schätzen, wie viele Menschen darin Platz hatten. “Hey, Fudo, hier”, sagte Yokato laut genug, um ihn aus seinen Gedanken zu reißen. Fudo sah auf und fing den Hammer, den der Jüngere ihm zuwarf, automatisch. Er nagelte auch diese Seite des Zeltes am Boden fest, dann stand er auf. “Ich hab schon besseres gesehen, aber es muss genügen”, sagte der Älteste. “Aber das ist niemals groß genug für uns alle”, meinte Yokato. Da passen vielleicht sechs Leute rein, aber mehr nicht. Das weißt du, oder?” “Es hat Platz für vielleicht acht Leute, nicht nur für sechs, aber ja, es ist zu klein, das gebe ich zu. Ich bau demnächst noch ein zweites, aber wenigstens haben wir jetzt ein Dach über dem Kopf!” Fudo steckte den Hammer in seinen Gürtel, dann hob er das Gewehr auf und ging zur Feuerstelle. Yokato folgte ihm. Er blickte dabei zum Himmel auf und merkte, dass es schon Nachmittag war. “Ely, wenn du und die anderen hier nichts zu tun habt, könntet ihr mir einen Gefallen tun?” Fudos Stimme hatte einen ruhigen, jedoch erschöpften Klang, man konnte allerdings nicht sagen, ob er Angst hatte oder nicht. Ely merkte trotzdem, dass er sie hatte. Sie nickte jedoch und lächelte ihrem Freund zu. Der setzte sich dankbar auf den Boden zu den vier Mädchen. “Wir haben nichts anderes vor, oder, Sakura?” Das andere ältere Mädchen schüttelte den Kopf. “Gut. Wenn ihr wollt, schnappt euch noch die Jungs, dann geht es schneller. Ich wollte euch bitten, Farnblätter zu sammeln, viele Farnblätter, und sie zum Zelt zu bringen. Der Boden ist zu hart, um darauf zu schlafen, und die Decken werden wir noch zum Zudecken brauchen. Ich würde es ja gerne machen, aber ich kann nicht mehr!” Seine ehrliche Stimme und die Erschöpfung in seinem Geischt, zusammen mit einer gewissen Art der Zufriedenheit, überzeugten seine Freundin. Sie nickte. “Gut, wir schnappen uns die Jungs, wenn du dafür auf die beiden hier aufpasst”, entgegnete Ely grinsend und deutete auf Kichi und Yoko, welche aneinandergelehnt dasaßen und schliefen. “Die beiden werden sicher nicht mit in den Dschungel wollen... und wecken werde ICH Kichi auf keinen Fall!” Fudo seufzte resigniert. “Gut, abgemacht. Aber geht nicht unbewaffnet, und passt auf, ok?” Ely griff als Antwort zu dem Gewehr, das sich schon beinahe zu ihrem Eigentum entwickelt hatte. Yokato reichte ihr zusätzlich noch seine Pistole. “Im Notfall hat Raidon noch eine”, meinte er. “Und die hol ich mir jetzt auch. Bis gleich!” Er stand auf und verschwand in Richtung des Seeufers, wo er Raidon zuletzt gesehen hatte. Auch die beiden älteren Mädchen erhoben sich und gingen zum Waldrand, um die Jüngeren zum Arbeitsdienst einzuziehen. Fudo blieb allein an der Feuerstelle zurück, um auf die beiden kleinen Mädchen aufzupassen, die zu ihrer Gruppe gehörten. Die beiden schliefen immer noch, und Fudo hoffte, dass sich daran vorerst nichts ändern würde. Er wusste genau, dass nur Ely Kichi beruhigen konnte, sollte sie einen ihrer Angstanfälle bekommen. Und bei Yoko wusste er nicht, wie sie reagierte, wenn sie bemerkte, dass ihre Schwester nicht da war. Fudo war gut darin, Probleme zu lösen, aber als Aufpasser von kleinen Kindern, und er zählte die beiden Mädchen in diese Kategorie, hatte er bisher immer versagt. Yokato sah sich am See um und entdeckte Raidon schließlich, wie er bis zu den Knien im Wasser stand, halb vom Schilf verborgen, das am Rande des Wassers wuchs. Er blieb stehen und beobachtete seinen um wenige Minuten jüngeren Bruder. Raidon stand ruhig im Wasser, seine Augen auf die Oberfläche gerichtet, die Arme leicht angehoben und angewinkelt, die Hände sahen aus, als wolten sie gleich zugreifen. Die Haltung erinnerte Yokato spontan an einen Kampfsportler, der seine Reflexe testete, indem er versuchte, einen Fisch durch bloßes Zugreifen aus dem Wasser zu fischen. Raidon stieß seine Hand ins Wasser, dann verlor er das Gleichgewicht und fiel auf die Knie. Das Wasser ging ihm über die Gürtellinie. “Mist”, fluchte er und richtete sich wieder auf. Er sah seinen Bruder am Rand des Sees stehen, mit einer belustigten Miene auf seinem Gesicht. “Was ist los, Bruder?” Raidons Stimme klang wütend, und man konnte sehen, das er viel wütender war als man es aus seiner Stimme herausgehört hatte. “Ich habe mich nur gefragt, was du da machst”, entgegnete Yokato und musste ein Grinsen unterdrücken, als er seinen vor Seewasser triefenden Bruder betrachtete. “Und ich wollte die Pistole holen, da sonst nur noch Fudos Gewehr zur Verteidigung des Lagers da ist! Die Anderen sind in den Wald gegangen.” “Die Waffe liegt da, wo du grade stehst”, meinte Raidon, dann wendete er den Blick von seinem Bruder ab und richtete ihn wieder auf die Wasseroberfläche. “Diese verfluchten Fische sind schwerer zu erwischen als ich dachte”, flüsterte er und stand wieder bewegungslos da. Yokato sah die Waffe zu seinen Füßen liegen, er war beinahe auf sie gestanden. Er bückte sich, hob sie auf und ging ins Lager zurück. “Ich bring das Feuer schonmal zum Brennen”, rief er seinem Bruder zu. “Dann kannst du trocknen, wenn du kommst!” Raidon ignorierte seinen Bruder jedoch, und Letzterer ging zurück zur Feuerstelle. Die Pistole hatte er in seinen Gürtel gesteckt, nachdem er sie gesichert hatte, und setzte sich zum Feuer. Er nahm die zwei Steine, mit denen Raidon gestern das Feuer in Gang gebracht hatte, legte sie kurz zur Seite und stapelte Holz auf. Dann versuchte er, Funken zu schlagen. Fudo betrachtete die Szene, dann nahm er eine Hand voll trockenen Laubes, das er kurz zuvor am Waldrand geholt hatte. Er legte es zwischen das Holz, und nachdem es Yokato endlich gelungen war, einige Funken zu schlagen, begann das Laub schnell zu brennen und das Feuer sprang schließlich auf das dünnere Holz über. Das Geräusch der aneinanderschlagenden Steine hatte die beiden jüngeren Mädchen geweckt, die sich ängstlich umsahen. “Wo ist Ely?”, fragte Kichi Fudo sofort. Der lächelte. “Sie ist im Wald und sammelt Farn, zusammen mit Sakura und den Jungen”, meinte er, dann wandte er seinen Blick wieder dem Feuer zu das langsam in Gang kam. Sein Blick wanderte immer wieder vom Feuer zum Waldrand, er suchte nach Anzeichen von Gefahr für die kleine Gruppe, die er gerade beaufsichtigte. Die Richtung, aus der der Hilferuf, den Fudo schon lange erwartet hatte, überraschte ihn aber. Er kam vom See. Noch bevor Fudo jedoch aufgesprungen war, war Yokato bereits auf den Beinen, hatte die Waffe gezückt und rannte zum See. Er sah seinen Bruder in einem tieferen Bereich des Sees, wie er mit den Armen ruderte und versuchte, sich über Wasser zu halten. Yokato warf die Waffe zur Seite, watete einige Schritte ins Wasser und begann zu schwimmen, sobald das Wasser tief genug dazu war. Nur wenige Sekunden später hatte er seinen Bruder erreicht und versuchte, ihn aus dem Wasser zu ziehen, aber er konnte ihn nicht von der Stelle wegziehen, an der er sich strampelnd über Wasser hielt. Yokato hörte ein platschendes Geräusch, dann sah er, wie Fudo mit schnellen Bewegungen auf ihn zuschwamm. In einer Hand hatte er ein aufgeklapptes Messer, das Yokato bei ihm noch nie gesehen hatte. Bevor er fragen konnte, was Fudo damit wollte, war dieser allerdings schon untergetaucht. Anhand der Luftblasen konnte man sehen, dass er neben der Stelle tauchte, an der Raidon festzustecken schien. Dann spürte Yokato, wie der Widerstand nachließ und wie er Raidon zum Ufer ziehen konnte. Als Yokato schon dachte, Fudo wäre ertrunken, tauchte dieser wieder auf und schwamm ebenso schnell, wie er gekommen war, zum Ufer zurück, man konnte ihn deutlich keuchen hören. “Was war das denn?”, fragte Yokato, als er und Raidon gleichzeitig mit Fudo das Ufer erreichten. “Schlingpflanzen”, entgegnete Fudo. Er keuchte immer noch, man konnte sehen, dass er zu lange unter Wasser gewesen war. Das Messer hatte er zugeklappt, als er das Ufer erreicht hatte, und es wieder in seiner Tasche verschwinden lassen. Nur die Metallklammer, die es in der Tasche hielt, war noch zu sehen. Yokato merkte erst jetzt, wie unauffällig Fudo eigentlich wirkte. Er hätte nie damit gerechnet, dass er ein Messer dabei haben würde. Fudo bemerkte Yokatos Blick, sagte jedoch nichts dazu. Er deutete nur in Richtung Feuer, das durch einige Büsche verdeckt war. “Wir sollten zurück, uns aufwärmen und die Kleider trocknen lassen”, sagte er im Plauderton, erhob sich und ging zum Feuer zurück. Die Zwillinge folgten ihm. Fudo bog auf dem Weg zum Feuer kurz in Richtung Wald ab und kam zwei Minuten später mit drei großen Ästen zum Feuer zurück. Er hielt in seiner anderen Hand wieder das Messer. Während die beiden Zwillinge ihn ansahen, schnitt er mit der Klinge, die sehr scharf zu sein schien, in zwei der Äste oben einen Spalt hinein. Dann rammte Fudo diese Äste neben dem Feuer in den Boden, so dass die Spalte nach oben zeigten. In diese klemmte er den dritten Ast hinein. “So, da können wir unsere Kleider dranhängen, dann trocknen sie besser”, meinte der Älteste während er bereits sein T-Shirt auszog. Sein Messer befand sich schon wieder in der Hosentasche, aber weder Yokato noch Fudo hatten bemerkt, wie er es zurückgesteckt oder überhaupt nur zugeklappt hatte. Raidon machte sich Gedanken darüber, ob er Fudo nicht unterschätzt hatte. Der Ältere hatte ihm gerade das Leben gerettet, obwohl Raidon und Fudo nicht gerade einen guten Start hingelegt hatten. “Danke”, sagte Raidon daher nur knapp und setzte sich ans Feuer. Fudo hängte sein T-Shirt über die Astkonstruktion, die ein wenig an eine Limbostange erinnerte, und setzte sich ebenfalls ans Feuer. Die beiden Mädchen betrachteten die drei Jungs mit erstaunten Augen. Sie hatten auch den Hilferuf von Raidon gehört, aber nicht gesehen, was am See passiert war. Sie tuschelten leise miteinander, als sie sahen, dass alle drei vollkommen durchnässt waren, da sie dachten, sie wären in den See gefallen, was gar nicht so falsch war. “Wie hast du dich eigentlich in den Schlingpflanzen verheddert, Raidon?”, fragte Fudo sachlich und holte wieder sein Messer aus der Hosentasche. Er hatte nun auch einen kleinen, schon leicht angerosteten Schraubenzieher in der Hand, den er scheinbar ebenfalls aus der Tasche geholt hatte. Fudo begann, das Messer in seine Einzelteile zu zerlegen und erwartete eine Antwort von dem jüngeren Igumi. “Ich habe versucht, Fische zu fangen”, entgegnete dieser wahrheitsgemäß. Er beobachtete Fudo mit nervösem Blick, wie dieser ohne hinzusehen das Messer fachmännisch zerlegte und die Einzelteile an der Decke abtrocknete, auf der er saß. “Dabei muss ich wohl ausgerutscht sein... und als ich versucht habe, mich zu orientieren und zurück an Land zu schwimmen, habe ich mich wohl verfangen... danke nochmal, dass du mich da rausgeholt hast!” Raidon sah etwas verlegen zu Fudo, der noch immer mit seinem Messer beschäftigt war. “Ohne deinen Bruder wäre das nicht so schnell möglich gewesen”, entgegnete Fudo jedoch nur. “Hätte ich nicht gesehen, dass du festhängst, wäre ich ebenso wie er zu dir geschwommen und hätte versucht, dich rausuziehen!” “Aber das hast du nicht, du hast ihn von den Schlingpflanzen befreit!” Yokatos Stimme hatte einen Ton an sich, der klarstellte, dass dieses Gespräch über dieses Thema beendet war. Die Mädchen sahen die Jungs während des Gespräches mit immer größeren Augen an, als sie nach und nach begriffen, was passiert war. Sie blickten Fudo und die anderen erschrocken und verängstigt an und hielten einander - ohne es zu bemerken – fest an den Händen. “Es ist nichts passiert, ihr müsst keine so ängstlichen Gesichter ziehen”, meinte Yokato, als er die Haltung und den Gesichtsausdruck der beiden Mädchen sah. Der Junge sah sie mit einem offenen, herzlichen und aufmunternden Lächeln an, das die Angst der beiden Jüngsten Mitglieder der Gruppe vertrieb. Fudo hatte gemerkt, dass Yokato besser mit Kindern umgehen konnte als er selbst und hatte ihm diese Aufgabe stillschweigend übertragen, dieser hatte das auch bemerkt und akzeptiert. Fudo blickte am Rand der Lichtung entlang und suchte nach Ely und den anderen, die auf seine Bitte hin in den Wald gegangen waren. Sie waren, wenn er der Uhr an seinem Handgelenk überhaupt noch trauen konnte – er hatte gerade erst gemerkt, dass er sie noch trug – schon seit einer halben Stunde fort. Gerade, als er begann, sich Sorgen zu machen, kehrten Ryoudo, Riro und Sakura mit den Armen voller Farn zurück ins Lager. Fudo erhob sich und ging ihnen entgegen, um zu helfen. Er nahm einen Teil des Farns und ging damit zum Zelt, um es damit auszupolstern. Die drei legten den Rest des Farns vor dem Zelt ab und gingen zum Wald zurück. “Wo sind die anderen?”, fragte Fudo Ryoudo, der stehenblieb. “Wir sind ein wenig tiefer in den Wald gegangen, dort wachsen viele Farnpflanzen, wie du siehst. Und jetzt muss ich los, ich bin der einzige dieses Teils, der eine Waffe hat!” Ryoudo rannte den beiden anderen hinterher und ließ Fudo alleine am Zelt stehen. Der sah der Gruppe kurz hinterher und machte sich ein wenig Sorgen um diejenigen, die im Wald waren. Dann begann er, das Zelt zu polstern, da die Sonne schon tief stand. Fudo hatte das Gefühl, als würden die Tage in dieser Welt schneller vergehen als in der, aus der sie kamen. Das interessierte ihn jetzt allerdings wenig, denn er wollte vorerst nur das Zelt soweit wie möglich fertigstellen damit sie einen trockenen Platz zum Schlafen hatten. Er war froh, dass er ein Ziel hatte, denn so musste er nicht allzuviel nachdenken. Wenn er Ruhe hatte, dachte er über Dinge nach, die nichts nutzten, so wie zum Beispiel die Frage, ob die Zeit hier schneller verging als auf der Erde. Diese Frage fand er sinnlos, aber sie kam ihm trotzdem in den Sinn. Er versuchte, seine Gedanken zu fokussieren, um nicht mehr über die Zeit nachzudenken, aber es war wie fast immer auch jetzt so, dass er immer mehr darüber grübelte, je mehr er versuchte, nicht darüber nachzudenken. Raidon war aufgestanden und hatte seinen Bruder allein mit den beiden Mädchen am Feuer gelassen. Er wusste, dass sein Bruder besser darin war, auf Kinder aufzupassen, er hatte schon bei mehreren Ausflügen als Betreuer der Schüler ausgeholfen und daher einige Erfahrung auf diesem Gebiet. Raidon ging zum Waldrand, um sich ein wenig von den Anwesenden zu entfernen, und lehnte sich dort gegen einen der Bäume. Er schloss die Augen und genoss die Stille, die um ihn herum herrschte, nur durch gelegentliches Zwitschern von Vögeln, die sich ähnlich anhörten wie Vögel auf der Erde, aber doch vollkommen anders klangen. Er hatte noch keinen dieser Vögel gesehen, und nachdem er auf die Raptoren getroffen war, wollte er das auch nicht mehr. Dann hörte er einen besorgten Schrei aus dem Wald, oder dem Dschungel, Raidon war sich nicht sicher, wie er den Ort, in dem sie gelandet waren, nennen sollte. Er stieß sich vom Baum ab und wollte loslaufen, dann wurde er jedoch beinahe von einer Gestalt umgerannt, die vom Lager gekommen zu sein schien. Als er das Gewehr sah, dass die Person in einer Hand hielt, wurde ihm klar, dass es Fudo war. Dessen Tempo verblüffte Raidon, und der Jugendliche blieb einige Sekunden stehen. Dann rannte er dem Älteren hinterher. Ely und Atoeru rissen die langen Blätter des Farns, der zwischen den Bäumen wuchs, aus und legten sie auf einen Haufen, den die beiden anderen Jungen und Sakura dann zum Lager zurücktragen sollten. Sie waren gerade unterwegs, um den Farn, den sie bisher gesammelt hatten, zum Lager zurückzubringen. Ely blickte zum Himmel und sah, dass die Sonne den Zenit schon lange überschritten hatte. “Es wird Abend”, sagte sie, und riss weiter Farn aus. Atoeru blickte ebenfalls kurz zum Himmel auf, dann arbeitete auch er weiter. Er versuchte einigermaßen erfolgreich, sich nicht anmerken zu lassen, was in ihm vorging, aber man konnte merken, dass er nicht so ruhig wie Ely zu sein schien, denn seine Bewegungen waren hektischer und er drehte sich bei jedem ein wenig lauteren Geräusch kurz in dessen Richtung. Ely beobachtete den Jungen. Sie hatte Mitleid mit ihm, da er der einzige war, der niemanden hatte, an den er sich wenden konnte, niemand, der ihm einen Halt geben konnte. Sie wollte ihm gerade sagen, dass er immer zu ihr kommen könne, wenn er Probleme hätte, als sie ein Schnauben hinter sich hörte. Sie drehte sich zeitgleich mit Atoeru um und blieb wie versteinert stehen, eine Hand schon am Gewehrlauf, der über ihre Schulter ragte. Nichts rührte sich, es war absolut still, jegliches Vogelzwitschern war verstummt, und sowohl Ely als auch Atoeru hielten den Atem an, so dass sie ihren eigenen Herzschlag hören konnte, ebenso wie das Blut, das in ihren Ohren rauschte. Zwischen zwei Bäumen, nur etwa zehn Meter entfernt, konnte sie einen Dinosaurierkopf ragen sehen. Sie konnte sofort die Reißzähne erkennen, die Nasenlöcher und die kleinen Augen, die er an den Seiten des Kopfes hatte. Der Kopf war gigantisch, beinahe einen Meter lang, und der dazugehörige Körper maß alles in allem acht Meter, auch wenn sie das nicht sehen konnte. Trotz seiner Größe und seines Gewichtes war das Tier leise genug gewesen, um sich den beiden auf diese kurze Distanz nähern zu können. Sie blickte dem halbwüchsigen T-Rex, der seinen Kopf zu ihnen gestreckt hatte, in die Augen. Dann begann Atoeru zu schreien, und die Starre, die die Welt scheinbar belegt hatte, war aufgehoben. Der Tyrannosaurier öffnete sein Maul und begann zu brüllen, ein schauerlicher Klang, der Ely das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie löste den Lederriemen des Gewehrs von der Schulter und legte an, aber da war der Dinosaurier schon direkt vor ihr, und sie konnte gerade noch so dem Maul ausweichen, das nach ihr schnappte. Dazu musste sie allerdings das Gewehr wegwerfen, es landete auf der anderen Seite des Tyrannosaurus. Sie blickte sich um, während sie dem Biss auswich, und sah, dass Atoeru weggerannt war, in Richtung des Lagers, wie es schien. Sie wertete das als gut, aber sie machte sich auch Sorgen, da sie nicht wusste, ob sich noch mehr gefährliche Dinosaurier in der Nähe befanden. Dann biss der Dinosaurier wieder nach ihr, und nur durch einen Hechtsprung hinter einen Baum konnte sie ihm entkommen. Der Tyrannosaurus biss in den noch relativ jungen, gerade einmal dreißig Zentimeter langen Baum und zerbiss ihn. Der Stamm fiel zur Seite und landete nur knapp neben Ely. Diese hatte endlich die Pistole, die Yokato ihr gegeben hatte, gezogen und auf den Dinosaurier gerichtet. Sie bewegte sich langsam und zitternd rückwärts, in Richtung einiger dickerer Bäume, und hoffte, dass der Dinosaurier ein Gebiss hatte, dem diese Bäume widerstehen konnten. Dabei stolperte sie über eine Wurzel und fiel zu Boden, und der Dinosaurier näherte sich ihr langsam und mit halb offenem Maul. Sie konnte den Geruch von verwesendem Fleisch riechen, den der Dinosaurier verströmte, und wunderte sich, dass sie diesen Geruch nicht eher wahrgenommen hatte. Dann sah sie eine schattenhafte Bewegung auf der anderen Seite des Dinosauriers, in der Richtung, aus der sie gekommen waren und in der das Lager lag. Ein Schuss ertönte und der Tyrannosaurier heulte gequält auf. Ely sah Fudo auf der anderen Seite der riesigen Echse stehen und mit einem Gewehr auf dessen Bein zielen. Sie richtete die Pistole weiterhin auf den Dinosaurier, doch der schien genug zu haben, als Fudo ein weiteres mal schoss. Er brüllte noch einmal, dann stürmte er an Ely vorbei und verschwand im Wald. Fudo kniete beinahe sofort neben Ely. “Alles in Ordnung?”, fragte er sie und legte einen Arm um ihre Hüfte, um ihr aufzuhelfen. “Ja, alles in Ordnung. Aber wo ist Atoeru?”, fragte Ely besorgt. Fudo lächelte und half ihr hoch. Er hängte sich das Gewehr über die Schulter und nickte in Richtung Lager. “Er ist bei Ryoudo, Riro, Sakura und Raidon. Er ist in Sicherheit, und wenn ich Raidon und Ryoudo richtig einschätze, schon lange wieder im Lager.” Ely atmete hörbar auf. Fudo löste seine Umarmung und ging zu dem Farn, den Atoeru und Ely noch gesammelt hatten. Er bückte sich und hob ihn auf. Erst jetzt steckte Ely die Pistole, die sie noch immer in ihrer linken Hand gehalten hatte, wieder in die Tasche, nachdem sie sie gesichert hatte. Sie merkte, dass sie stark zitterte, und beeilte sich, Fudo einzuholen, der an einen Baum gelehnt auf sie wartete. Sie hob das Gewehr, das sie weggeworfen hatte, auf, hängt es sich über die Schulter und ging mit Fudo zusammen zurück in die Richtung, von der sie glaubten, dass sich dort das Lager befand. Atoeru rannte durch den Wald, in die Richtung, von der er glaubte, dass sich dort das Lager befand. Er achtete nicht darauf, wohin er wirklich rannte, er achtete nicht einmal genau, wohin er seinen nächsten Schritt setzte. Der Gedanke an den Dinosaurier, den er gerade gesehen hatte, der sie angegriffen hatte, war zu erschreckend gewesen. Er rannte und rannte, ohne genau zu sehen, wohin, und bemerkte die Gestalt vor sich zu spät. Er rannte ungebremst in den Jungen, der ihm entgegenkam, und beide fielen zu Boden. “Atoeru? Was ist passiert?”, stieß Raidon keuchend hervor, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. Der Jüngere hatte ihm alle Luft aus den Lungen gepresst als er in ihn hineinrannte, und Raidon fühlte, dass er mehr davongetragen hatte als nur ein wenig Atemnot. Aber diese Gedanken wurden von Atoerus panischem Blick in die hintersten Winkel seines Gehirns verschoben. Er blickte sich um und versuchte, sich zu orientieren. Dann hörte er einen Schuss und sofort danach einen lauten Schrei, den er nicht identifizieren konnte. Atoeru zuckte zusammen und stieß einen leisen, ängstlichen Schrei aus. Raidon blickte ebenso entsetzt in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war, denn Fudo war genau in dieser Richtung unterwegs gewesen, als er ihn aus den Augen verloren hatte. Das war nur wenige Sekunden, bevor Atoeru in ihn hineingerannt war, geschehen. “Hey, Atoeru, ist alles in Ordnung?” Raidon sah den zitternden Jungen an, welcher seinen Blick angsterfüllt erwiderte. Die Angst in Atoerus Blick überzeugte den Älteren, dass nicht alles in Ordnung war. Er erhob sich zusammen mit Atoeru und zog diesen zum Lager zurück. “Ely... Dinosaurier...”, brachte der Jüngere hervor, dann verstummte er wieder. Raidon spürte das Zittern des Jungen, obwohl er ihn nur am Handgelenk festhielt, und beeilte sich, zum Lager zurückzukommen. “Was ist passiert? Wo sind Ely und Fudo?”, rief ihm Ryoudo zu, der zusammen mit Riro und Sakura ein Stück in Richtung des Lagers wartete, auf Anweisung von Fudo. Der Älteste war an der Gruppe vorbeigestürmt, nur Sekunden nach dem Schrei, und hatte ihnen zugerufen, hier zu warten. Ryoudo hatte seinen Bruder noch nie so ängstlich gesehen wie zu dem Zeitpunkt, als er an ihm vorbeigerannt war. Raidon schüttelte nur den Kopf auf die Frage und ging mit Atoeru schweigend an der Gruppe vorbei. Diese schloss sich ihm an, und sie beeilten sich, um zum Lager und in die relative Sicherheit, die ihnen die Lichtung zu geben schien, zurückzukehren. Ryoudo blickte Raidon besorgt an, dann folgte er ihm jedoch, ebenso wie der Rest der Gruppe. Er schwieg, da er gesehen hatte, wie panisch sich Atoeru verhielt. Als sie die Lichtung erreicht hatten, kam Yokato sofort auf sie zugerannt, die Pistole, die er sich von Raidon zuvor geholt hatte, in der Hand. Als er sah, dass alle bis auf Ely und Fudo die Lichtung erreicht hatten, blickte er den Rest der Gruppe an, vornehmlich seinen Bruder. “Was ist passiert?”, rief Yokato seinem Bruder zu, der am Waldrand stehengeblieben war. Ryoudo hatte den Rest der Gruppe, darunter auch Atoeru, überzeugt, weiterzugehen und die Zwillinge kurz alleine zu lassen. Raidon sah seinen Bruder mit einem merkwürdigen Blick an, den Yokato noch nie gesehen hatte und somit nicht deuten konnte. Er meinte, Angst, Panik, aber auch Genugtuung darin zu sehen, und diese Kombination bereitete ihm Sorgen, auch wenn er sich fast sicher war, dass er einfach zu nervös dazu war, um es wirklich sagen zu können. Er bildete sich diesen Blick nur ein, versuchte er sich selbst einzureden. “Ich weiß es nicht”, antwortete Raidon. Ich bin Fudo gefolgt, aber dann ist Atoeru in mich reingerannt, und ich habe Fudo verloren. Und von Atoeru weiß ich auch nicht wirklich etwas.” Yokato sah in den Wald, in die Richtung, aus der die anderen gerade gekommen waren, und wunderte sich, dass sich dort immer noch niemand näherte. “Sie werden sicher gleich kommen”, sagte er zu sich selbst, da Raidon schon weiter zu den anderen gegangen war. Yokato drehte sich ebenfalls um und ging zur Feuerstelle zurück, an der die anderen saßen und versuchten, Atoeru zu beruhigen. “Wir müssten schon längst zurück sein”, sagte Fudo leise und sah sich um. Er war nervös, das sah man ihm deutlich an, obwohl er versuchte, es zu unterdrücken. Er blickte sich im Wald um und merkte, dass er jegliche Orientierung verloren hatte. Ely, welche durch ihre Begegnung mit dem Tyrannosaurier noch immer unter Schock stand, hielt sich an seiner rechten Hand fest, während Fudo in der linken die Pistole hielt, die er dabeigehabt hatte. Beide hatten ihre Gewehre auf dem Rücken, und Ely hatte ihre Pistole in die Hosentasche gesteckt. Die Farnblätter, die er am Anfang getragen hatte, waren schon lange im Wald gelandet, da es wichtigeres zu tun gab. “Haben wir uns verlaufen?” In Elys Stimme schwang bei dieser Frage deutlich Sorge mit, aber es war weniger die Sorge um sich oder Fudo, denn sie hatten Waffen und Munition dabei, sondern eher Sorge um die anderen im Lager. “Wir finden schon zurück, Ely, keine Sorge”, meinte Fudo beruhigend und sah sich um. Sie waren in einen dichten Teil des Waldes geraten, in dem sie sich seit nunmehr einem Tag befanden, so dicht, dass man kaum zehn Meter weit sehen konnte. Es waren hauptsächlich tropische Bäume, die hier wuchsen, darunter auch mehrere Palmen, die überhaupt nicht in diesen Dschungel zu gehören schienen, aber sie waren auch schon an einer Tanne und einer Erle vorbeigekommen. Fünf Meter vor sich sah Fudo einen Haselnussbaum neben einem jungen Olivenbaum stehen, wieder ein deutliches Zeichen, dass sie nicht mehr in ihrer Welt waren. Er achtete nicht weiter darauf, sondern sah sich um, in der Hoffnung, irgendetwas zu sehen, das ihm bekannt vorkam, aber auch, um nicht von irgendwelchen Dinosauriern überrascht zu werden. Vor sich war eine Lücke im Geäst, und als er nach oben sah, konnte er erkennen, dass die Sonne bereits dabei war, zu sinken. Er hatte es schon vermutet, da das Licht ein wenig schwächer gewesen war, aber als er es nun sah, bereitete es ihm doch Sorgen. Das Lager war geschützt, sie hatten Waffen und ausreichend Munition, es gab Essen und Wasser, und außerdem hatten sie ein Feuer, dass einige Dinosaurier abschreckte, also machte er sich darum nicht so viele Sorgen. Aber seine und Elys Situation war eine ganz andere. Sie waren allein, in einem unbekannten Dschungel oder Wald oder wie auch immer man es nennen wollte, und hatten die Orientierung verloren. Essen gab es zwar, es wuchsen immer wieder Bäume, an denen Früchte wuchsen, aber Wasser war ein Problem, und die Munition für ihre Waffen war auch spärlich gesäht. Sie hatten insgesamt zwei Pistolenmagazine für jede Pistole, zwei vollgeladene Gewehre und zehn Kugeln zum Nachladen der letzteren. Sollten sie einem Rudel Raptoren begegnen, wären sie schutzlos. Fudo blickte sich um, suchte nach Anhaltspunkten und lief mit Ely weiter durch den Dschungel. Eine halbe Stunde später war es beinahe vollends dunkel. “Fudo, wir haben uns verirrt”, flüsterte Ely, die sich inzwischen wieder etwas beruhigt hatte. “Ich hoffe nur, die anderen machen sich keine Sorgen um uns”, fügte sie leise hinzu. Fudo sah sie an, man konnte an seinem Blick sehen, dass sie ein Thema angeschnitten hatte, das ihm unangenehm war. “Den anderen geht es sicher gut. Und ja, wir haben uns verlaufen, aber das ist kein Grund zur Sorge.” Fudo sah sie an und lächelte. “Ich hoffe nur, wir kommen zu den anderen zurück”, flüsterte Ely leise. Wir finden schon zurück”, antwortete Fudo mit einem leicht gereizten Tonfall, der Ely sofort auffiel, auf ihr Geflüster. “Du musst dich nicht gleich aufregen, Fudo”, erwiderte Ely ebenfalls gereizt. Fudo drehte sich zu ihr um und ließ ihre Hand los. “Ich rege mich nicht auf, Ely. Ich bin ganz ruhig. Aber du solltest nicht über Dinge reden, die man gerade nicht ändern kann. Ja, wir haben uns verlaufen, aber daran können wir gerade nichts ändern. Also finde dich damit ab. Wir werden schon zu den anderen zurückkommen!” “Mich damit abfinden? Ich soll mich damit abfinden?” Ely sah ihren Freund geschockt an. “Ist dir überhaupt klar, was du da redest? Unsere Geschwister befinden sich bei den anderen! Soll ich mir etwa keine Sorgen um sie machen?” “Unsere Situation ist bedenklicher als ihre. Sie haben noch genug Munition, nicht so wie wir. Sollten wir auf gefährliche Tiere treffen, dann sind wir erledigt! Also kümmer dich erstmal um unsere Situation. Es bringt unseren Geschwistern nichts, wenn wir tot sind!”, schrie Fudo sie an. Dann drehte er sich um und lief, ohne darauf zu achten, ob Ely ihm folgte oder nicht, in den Dschungel davon. Er verschwand zwischen zwei Bäumen aus Elys Blickfeld. Ely stand kurzzeitig wie angewurzelt da, dann lief sie ihm hinterher. Sie lief zwischen den beiden Bäumen hindurch, aber Fudo war nicht mehr zu sehen. Sie sah sich um, aber konnte ihn nicht mehr entdecken. Sie lief noch einige Meter in den Dschungel, wobei sie vollends die Orientierung verlor. Schließlich spürte sie, wie ihre linker Fuß nass wurde. Sie sah nach unten und entdeckte einen kleinen Bach, in den sie getreten war. 'Daran ist nur Fudo schuld', dachte sie. 'Wenn er nicht mit dieser dummen Diskussion angefangen hätte, wäre das alles nicht passiert... nein, schon seine Bitte, Blätter zu holen, war schuld an dem hier!' Es knackste im Unterholz hinter ihr. Ely drehte sich um und erwartete halb, Fudo dort stehen zu sehen. Aber es war nur ein kleiner grüner Dinosaurier, wie ihn Yoko und Sakura beschrieben hatten. Sie blickte sich weiter um, ein wenig in Sorge um Fudo, aber schließlich siegte ihr Ärger, dass er nicht auftauchte oder nach ihr suchte. “Dann bleib eben weg”, rief sie in den Dschungel hinein. Sie blickte nach oben in das Blätterdach, wo es schon stockdunkel war. Die Sonne war untergegangen. Sie ging zum nächsten Baum und kletterte nach oben, das Gewehr noch immer auf dem Rücken befestigt. Nachdem sie auf etwa vier Metern einen gegabelten Ast gefunden hatte, der ihr Gewicht trug, setzte sie sich auf ihn, lehnte sich an den Stamm und schloss die Augen. Schnell war sie eingeschlafen. Fudo lief noch eine halbe Stunde durch den nunmehr stockdunklen Dschungel, bevor er sich einen Ort zum Ausruhen suchte. Er hatte noch mitbekommen, dass Ely etwas gerufen hatte, aber war schon zu weit entfernt gewesen, um noch zu hören, was sie genau gerufen hatte. Er war immer noch zornig auf Ely, weil sie einfach nicht verstanden hatte, in welcher Situation sie sich befanden, aber er hatte auch das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben, als er sie angeschrien hatte. Aber erstaunlicherweise war ihm das im Augenblick egal. Alles, was er wollte, war, zu den anderen zurückzukommen. Aber als er einen Baum gefunden hatte, auf den er einigermaßen leicht klettern konnte, begann er, wirklich nachzudenken und bemerkte, was für Mist er gebaut hatte. Er verfluchte sich selbst dafür, dass er Ely, seine Freundin, so behandelt und dann im Wald zurückgelassen hatte, um zu den anderen zurückzukommen. 'Wenn ihr etwas passiert, dann bin ich schuld daran', dachte er sich. Er legte das Gewehr auf eine dünnere Astgabel neben dem Ast, auf dem er saß, steckte die Pistole in den Gürtel und sah sich um. Er war auf einen Apfelbaum geklettert, der gerade zu blühen angefangen hatte. “Im Lager waren sie schon am verwelken”, sagte er zu sich selbst, einmal, um es sich wirklich zu verdeutlichen, andererseits, um die Stille, die um ihn herum herrschte, zu vertreiben. Er fühlte, dass er sich immer unwohler fühlte. 'Ely, ich hoffe, dir geht es gut', dachte er, bevor er sich an den Baum lehnte. 'Sobald es Morgen ist, werde ich nach dir suchen. Bitte, bitte, dir darf nichts geschehen sein. Wenn dir etwas geschehen sein sollte...' Er führte den Gedanken nicht zu Ende, wollte ihn nicht zu Ende führen. Stattdessen lehnte er sich an den Baum und schlief kurz darauf ein. Es war inzwischen Nacht geworden, und Fudo und Ely waren noch immer nicht ins Lager zurückgekehrt. Yokato hatte die Jüngeren und die Mädchen ins Zelt geschickt, um zu schlafen, und nur noch er, Atoeru, Raidon und Ryoudo waren draußen. Die vier saßen schweigend am Feuer und warteten. “Sie kommen heute nicht mehr zurück”, meinte Raidon schließlich. “Und wir sollten nicht alle wachbleiben. Wir müssen Wachen einteilen, auch wenn die beiden nicht da sind. Wir halten wieder zu zweit Wache, und da wir drei Leute sind, die Wache halten können...” “Vier”, unterbrach ihn Atoeru. “Ich kann auch Wache halten!” “Du siehst nicht gut aus, Atoeru, du solltest dich auch hinlegen und versuchen, ein wenig zu schlafen, wirklich”, meinte Yokato. Er deutete auf das Zelt. “Es ist noch genug Platz für dich.” “Ich will aber nicht schlafen. Nicht, bevor die anderen wieder da sind!” Atoerus Stimme war trotzig, aber auch voller Angst um Ely und Fudo, und Raidon nickte schließlich nach einigen Sekunden. “Gut, dann hälst du mit mir Wache, Atoeru. Aber du versprichst mir jetzt eines. Sobald du deine Schicht geleistet hast, legst du dich schlafen, ok?” Atoeru nickte. “Versprochen”, flüsterte er. “Dann wäre das geklärt”, meinte Raidon. “Wir übernehmen die erste Wache. Legt euch schlafen, ihr beiden. Wir wecken euch später!” Yokato warf seinem Bruder einen Blick zu, der alles andere als freundlich war, dann gab er ihm seine Pistole, stand auf und ging zum Zelt, gefolgt von Ryoudo, der die Pistole, die er den ganzen Tag bei sich getragen hatte, im Gürtel stecken ließ und keine Anstalten machte, sie abzugeben, jedenfalls nicht an Raidon oder Atoeru. Als die beiden das Zelt erreichten, das Fudo errichtet hatte und das zu etwa drei vierteln bereits mit Farn ausgelegt war, übergab der Junge die Pistole an Yokato. Dann verschwanden die beiden im Zelt. Raidon setzte sich ans Feuer und legte ein wenig Holz nach, damit es nicht ausging. Die Pistole hatte er auf den Boden neben sich gelegt. Atoeru hatte auf der anderen Seite des Feuers Platz genommen, er starrte in die Flammen, als würde sonst nichts mehr um ihn herum existieren. Raidon beobachtete den Jungen, den er mehr oder weniger in diese Welt gebracht hatte, dann wandte er den Blick ab und ließ ihn am Waldrand entlangwandern. 'Ich hoffe, den beiden ist nichts passiert', dachte Raidon. Aber dieser Gedanke hatte weniger damit zu tun, dass er der Meinung war, sie würden die beiden brauchen, sondern eher damit, dass die Verschwundenen die beiden Gewehre dabei hatten. Ohne diese Waffen war es nur eine Frage der Zeit, bis die Gruppe schutzlos war, da die Pistolenmunition nicht gerade reichlich gesäht war. ER blickte zurück zu dem Jungen am Feuer, der die Augen geschlossen hatte und ruhig und gleichmäßig atmete. 'Schlaf gut', dachte Raidon, stand auf und ging zu dem Jungen. Er hob die Decke auf und legte sie Atoeru um die Schultern, damit der Junge nicht fror. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Wald. Yokato und Ryoudo legten sich nahe des Zelteingangs schlafen, sie hatten sich eine Decke genommen, die von Raidon und Yokato mit in diese Welt gezogen worden war. Sie waren froh über diesen glücklichen Zufall. Ryoudo blickte zu den schlafenden Gesichtern der restlichen Gruppe und wurde traurig, als er Kichi und Riro sah, die bereits friedlich schliefen. Sie würden morgen sicher nur schwer zu beruhigen sein, wenn Ely immer noch nicht wieder da sein sollte. Kapitel 10: Allein ------------------ Kapitel 10 Allein Fudo und Ely liefen durch den dunklen, nicht genau erkennbaren Wald, von einem riesigen Schatten verfolgt, der ebenfalls nicht genau zu erkennen war. Sie rannten beide, so schnell sie konnten, Schweiß lief als deutliches Zeichen dafür über ihr Gesicht und am Hals entlang. Fudo trug ein Gewehr auf dem Rücken, ebenso wie Ely, und hielt in einer Hand eine Pistole. Ely lief knapp vor Fudo, welcher sie antrieb, schneller zu werden. „Lauf... weiter“, stieß Fudo schließlich zwischen zwei Atemzügen hervor. „Egal was... passiert... lauf weiter... dreh dich... nicht... um!“ Fudo holte die kurze Strecke zu Ely auf, sah sie an und lächelte. Ely nickte, während sie weiterlief, den verängstigten Blick starr nach vorne auf den Boden gerichtet. „Danke!“ Fudo blieb stehen, drehte sich um und richtete die Pistole auf den Schatten. Dann schoss er, so oft es das Magazin erlaubte. Er drückte auf den kleinen Knopf an der Seite der Waffe, das Magazin fiel heraus, und er lud sofort das zweite hinein, welches er dabeihatte. Auch dieses schoss er leer. Der Schatten, der die beiden verfolgte, zeigte sich davon jedoch wenig beeindruckt und rannte mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Nun konnte man erste Details erkennen. Der Schatten hatte einen großen Kopf, spitze, scharfe Zähne und muskulöse Beine. 'Verdammt', dachte Fudo, versuchte, sich umzudrehen und weiterzulaufen, aber noch während er dies versuchte, merkte er, dass es zu spät war. Der Kopf drehte sich, so dass das eine Auge zu Boden blickte, während das andere in den Himmel schaute, und öffnete das Maul. Fudo stand genau zwischen den Reißzähnen der Bestie. „Nein!!!“, schrie Ely. Fudo, welcher bisher das Maul angeschaut hatte, welches sich gerade um ihn schloss, schien alles in Zeitlupe wahrzunehmen. Er drehte seinen Kopf zu Ely und sah, dass sie stehengeblieben war, trotz seiner Warnung. Er konnte ihren entsetzten, verängstigten, geschockten und traurigen Blick sehen. Er wollte noch Lauf! rufen, aber da schloss sich das Maul bereits um seinen Körper, spaltete ihn in drei Teile, die Beine, den Oberkörper und den Kopf. Er nahm noch kurz den Schmerz wahr, dann verblasste dieser, und er hörte nur noch den entsetzten Schrei von Ely, bevor alles schwarz wurde... Atoeru erwachte schweißgebadet und mit einem leisen Schrei. Er öffnete die Augen und starrte in den Himmel, der klar und deutlich über ihm zu hängen schien. Die Monde, die die Nacht dieser Welt erhellten, standen schon hoch am Himmel, aber hatten den Zenit noch nicht überschritten, das wusste Atoeru jedoch nicht. Und wenn er es gewusst hätte, hätte er sich nicht dafür interessiert, jedenfalls nicht in diesem Moment. Der Junge sah sich panisch um, die Lichtung lag im Dunkeln, bis auf den kleinen Lichtkreis, den das Feuer warf. Nirgends konnte Atoeru Raidon erkennen, der mit ihm Wache halten sollte. Die Panik, die er gerade in seinem Alptraum gespürt hatte, brach aus ihm heraus. Er sprang auf, hatte nur noch ein Ziel im Kopf. Er musste zum Zelt. Er musste zu den anderen. Er musste... sich die Pistole holen, die Yokato hatte. Die Pistole bedeutete Sicherheit. Und das war, was er brauchte. Sicherheit. Atoeru wollte losrennen, um möglichst schnell zum Zelt zu kommen, aber die Decke, die er um die Schultern getragen hatte, war von diesen heruntergerutscht und waren zu einer Stolperfalle geworden. Atoeru fiel nach vorne, aus reinem Reflex rollte er sich einigermaßen ab, was ihn vor einer schlimmen Verletzung bewahrte. Der Schmerz in seinem Rücken, als er hart auf den Boden prallte, raubte ihm jedoch kurzzeitig, für einige Sekunden, die Sicht, alles wurde schwarz um ihn herum. Als er die Augen wieder öffnete, kniete Raidon neben ihm. „Alles in Ordnung, Atoeru? Du hast geschrien. Was ist passiert?“ Raidon sah den Jungen, der auf dem Boden auf dem Rücken lag, die Decke noch immer um sein rechtes Bein gewickelt, fragend und besorgt an. „Es war nur ein Traum“, gab Atoeru kleinlaut zu und begann, sich selbst dafür zu tadeln, dass er sich wegen eines Traumes so aufgeregt hatte. Es war deutlich zu sehen, dass es Atoeru unangenehm war. “Du musst dich nicht dafür schämen, dass du Angst hast”, meinte Raidon freundlich. “Es geht uns allen so, auch wenn es nicht so wirkt.” Atoeru nickte und blickte zu den Sternen, die es bisher immer geschafft hatten, ihn zu beruhigen. Dieses Mal schafften sie es jedoch nicht. „Wir sollten ins Bett gehen“, meinte Raidon. Er half Atoeru auf und gemeinsam gingen sie zum Zelt. Yokato erwachte aus dem angenehmeren Schlaf durch eine Hand, die sich ganz leicht auf seine Schulter gelegt hatte. Er schlug die Augen auf und griff mit der rechten Hand nach der, die auf seiner linken Schulter lag. „Ich bin wach, Raidon, du musst mich nicht schütteln“, flüsterte der Ältere der beiden Brüder. „Ist es Zeit für die Ablösung?“ „Ja, die Monde haben den Zenit erreicht. Die Nacht ist halb vorbei, jetzt seid ihr dran!“ Raidon gähnte. „Also mach, dass du rauskommst, ich will schlafen!“ Yokato legte die Hand auf die Schulter von Ryoudo, der nur Zentimeter vor ihm schlief, und rüttelte den Jungen sachte, aber dennoch energisch. Ein unartikuliertes Stöhnen zeigte, dass er wach und es ihm nicht wirklich recht war. “Aufstehen Ryoudo, das Frühstück ist fertig”, flüsterte Yokato sarkastisch. Er war noch genauso müde wie Ryoudo sich angehört hatte. Trotzdem bewegte er sich langsam auf den Unterarmen zum Zelteingang, nahm seinem Bruder unterwegs die Pistole aus der Hand und erhob sich, als er den Eingang erreichte. “Weckt uns, wenn es morgen wird und das Frühstück fertig ist”, meinte Raidon mit einem müden Grinsen, doch Yokato durchschaute seinen Bruder. Es war diesem unangenehm, keine Waffe zu haben, denn Waffen bedeuteten Schutz in dieser Welt. Yokato nickte und verließ das Zelt. Er wartete vor dem Eingang auf Ryoudo. Ryoudo blickte sich im Zelt um, das von dem geringen Mondlicht, das durch den Eingang fiel, dürftig erhellt wurde. Er sah vor sich die schlafende Sakura, eine Art Grenze zwischen ihm und den Jüngeren, die zwischen ihr und der hinteren Zeltwand, die Fudo so gebaut hatte, dass niemand dort hinausgelangen konnte, lagen. Er drehte sich um, blickte Raidon an, nickte ihm zu und robbte zum Ausgang. Dort erhob er sich und verließ gähnend das Zelt. Draußen wartete Yokato auf ihn, der ihm eine der beiden Pistolen, die er jetzt trug, in die Hand drückte. Die beiden Wachen setzten sich ans Feuer, ließen die Augen über den Waldrand schweifen und stellten sich auf eine lange Wartezeit ein. Raidon und Atoeru hatten sich hingelegt und waren schnell eingeschlafen. Atoeru hatte dieses Mal keinen Alptraum, Raidons Schlaf war ein wenig unruhiger, aber er erwachte nicht. Der Schweiß auf seiner Haut war das einzige Anzeichen, was er in seinem Traum durchzumachen schien. Die Geräusche, die nachts in einem Dschungel herrschten, ließen Fudo schließlich wieder erwachen. Der Jugendliche blickte sich um und sah einen kurzen Moment lang gar nichts, denn es war beinahe absolut dunkel um ihn herum. Nach einigen Sekunden hatten sich seine Augen genug an die Dunkelheit angepasst, um ihm wenigstens eine wage Vorstellungskraft zu geben, wo er sich befand. Er erinnerte sich daran, sich mit Ely gestritten zu haben und weitergegangen zu sein, ohne auf sie zu achten. Er hatte sie zu dieser Zeit verloren, etwa eine halbe Stunde bevor er schließlich auf diesen Baum geklettert war. Er zitterte stark, und auf seinen Armen, die aus dem T-Shirt herausragten, konnte er die Gänsehaut fühlen. Er rieb sich mit den Händen über die Arme, damit ihm etwas wärmer werden konnte. Während er dies tat, wurde ihm bewusst, dass Ely auch kalt sein musste, und wieder verfluchte er sich, weil er so überreagiert hatte. Er lauschte kurz in den Dschungel, konnte aber nichts bedrohliches hören. Er schloss die Augen und versuchte noch ein wenig zu schlafen, um fit zu sein, sobald die Sonne aufging. Er wollte sofort zurück, um nach Ely zu suchen. Das Fauchen, das direkt unter dem Baum ertönte, verdrängte diesen Plan jedoch. Fudo blickte nach unten und sah eine undeutliche Gestalt. Das Fauchen kam eindeutig von ihr. “Der hat mir grade noch gefehlt”, sagte er zu sich, als er den Schemen dank des Fauchens als Raptor identifiziert hatte. Das Tier blickte ihn an, jedenfalls kam es Fudo so vor, und schien zu warten. “Sobald du wieder einschläfst und runterfällst, bist du tot”, schien er zu sagen. “Nur zu, schlaf ruhig wieder ein. Ich habe Zeit.” Fudo war klar, dass er sich das alles nur einbildete. Der Raptor sprach nicht und er war auch sicherlich nicht intelligent genug, um solch berechnende Gedanken zu haben. Aber war er sich da wirklich so sicher? Fudo zweifelte an seinen Gedanken, direkt nachdem sie begannen, in seinem Kopf herumzuspuken. Er hatte gesehen, wie sie Jagd auf die Gruppe gemacht hatten, er hatte gehört, wie sie sich anscheinend untereinander unterhielten, er hatte gesehen, wie sie sich bewegten, vorsichtig, abschätzend, wie stark und wie gewandt der Gegner war, dem sie gegenüberstanden, und gesehen, wie sie flohen, sobald klar war, dass der Gegner zu mächtig war. Alle diese Erlebnisse ließen ihn an seiner Meinung zweifeln, diese Tiere wären nicht klug genug, um so etwas zu denken. Nur weil sie nicht sprechen konnten, jedenfalls nicht auf die Weise, die Fudo und die anderen Menschen als Sprechen bezeichneten, war der Raptor noch lange nicht dumm. Hatte Fudo nicht erst vor zwei Wochen eine Dokumentation darüber gesehen? Er verfluchte sich, weil er nicht so aufmerksam gewesen war. Der Fernseher war im Hintergrund gelaufen, Ryoudo und Riro hatten sich diese Dokumentation über Dinosaurier angeschaut - sie waren beide vernarrt in Dinosaurier gewesen -, während Ely und er selbst leise miteinander diskutiert hatten, was sie machen würden, sobald Fudos Eltern fort wären. Diese Zeit kam Fudo so vor, als läge sie zwei Jahre zurück und nicht erst zwei Wochen. Er griff zu der Pistole, die in seinem Gürtel steckte, nahm sie in die Hand und begann zu warten. “Was du kannst, kann ich schon lange”, flüsterte er, einfach, um seine Stimme zu hören, um sich zu beruhigen. 'Wir werden sehen, wer länger warten kann. Ich beeile mich, Ely!', dachte er, dann richtete er seinen Blick und den Lauf der Pistole auf den Schemen, den er als Dinosaurier identifiziert hatte. Seine Augen waren gebannt von der undeutlichen Form des Sauriers. Er konnte undeutlich eine Erhebung ausmachen, die der Kopf sein konnte, aber er war sich nicht sicher, ob es so war. Aber das Tier würde warten, dachte Fudo. Und das würde auch er. Fudo saß noch immer auf dem Baum, als es heller wurde. Der Schemen unter dem Baum war nun deutlich zu erkennen, es war wirklich ein Raptor. Und er war nicht allein. Fudo konnte die anderen Raptoren sehen, er schätzte, dass es mindestens fünf waren. Und sie waren anders gefärbt als die, denen er bisher begegnet war. Er hatte in Biologie, als er noch zwölf gewesen war, also vor fünf Jahren, mal von Kobras gehört, die je nachdem, wo sie lebten, ein anderes Muster aufwiesen. Und er hatte so eine ungefähre Ahnung, dass dies in dieser Welt nicht anders war, nur dass es ihn hier sehr viel mehr beunruhigte. Denn wenn verschiedene Färbungen bedeuteten, dass es verschiedene Rudel in verschiedenen Gegenden gab, dann hatte er sich viel weiter vom Lager entfernt als er zunächst angenommen hatte. 'Ich muss zu Ely zurück', dachte er, dann richtete er die Pistole auf den ersten Raptor und schoss. Er hatte gut gezielt, der Raptor sank getroffen zu Boden. Fudo zielte auf den nächsten, auch dieser ging getroffen zu Boden. Die anderen Raptoren blickten auf ihre Gefährten, dann sahen sie verwirrt und, wie Fudo meinte, nervös zu Fudo auf und fauchten ihn an. “Noch zehn... plus das zweite Magazin... plus das Gewehr mit seinen zwölf Schuss... Minus den drei Schuss, die ich dem Dinosaurier gestern ins Bein geschossen habe, macht neun... plus einer Hand voll Ersatzkugeln für das Gewehr... ich bin erledigt, wenn ich nicht schnell Ely finde!” Er richtete die Waffe auf den nächsten Raptor. Dieser legte seinen Kopf schief und sah ihn mit einem komischen Blick an, der Verwunderung oder Erstaunen ausdrücken konnte, oder auch unverhohlene Mordgier. Fudo konnte es nicht genau sagen. Er bewegte seinen Zeigefinger, und der Raptor sank zu Boden. “Neun”, kommentierte Fudo den Schuss für sich, um sich selbst zu beruhigen und sich die Anzahl der Kugeln, die er noch hatte, wirklich zu merken. Die beiden übrigen Raptoren richteten die Blicke noch kurz auf Fudo, dann verschwanden sie im Wald. “Na endlich”, meinte Fudo, steckte die Pistole wieder ein und griff nach dem Gewehr. Er befestigte es auf seinem Rücken und begann langsam, vom Baum herunterzuklettern, den Blick immer auf die Umgebung gerichtet, aus Angst vor Raptoren. Er blickte sich immer und immer wieder um und griff schließlich ins Leere. Er stürzte zu Boden, aus etwa drei Metern Höhe, und landete hart auf dem Rücken, das Gewehr wurde wie ein Stein in seinen Rücken getrieben. Sein Schrei hallte durch den Dschungel. Fudo drehte sich langsam auf den Bauch und stöhnte, es fühlte sich an, als wäre seine Knochen an mehreren Stellen gebrochen. Er richtete sich auf und schaffte es, sich auf die Knie zu setzen, bevor ihn wieder der Schmerz überwältigte. Wieder schrie er, und dieses Mal wurde sein Schrei erwidert. Allerdings nicht von einer menschlichen Stimme. Es war ein Knurren, wie Fudo es gestern schon einmal gehört hatte. Er drehte seinen Kopf nach hinten und sah den einen Raptor, den er am Morgen fliehen gesehen hatte... zumindest dachte er, dass es derselbe war. 'Ich bin tot', dachte Fudo, zog seine Pistole und richtete sie auf den Kopf des Dinosauriers, bereit, sofort zu schießen, sollte das riesige Tier sich auf Fudo zubewegen. Der junge Mann starrte in die Augen des Tieres, während er langsam, sich mit einer Hand abstützend, drehte und rückwärts kroch, weg von dem Fleischfresser. Er hatte die Waffe noch immer auf das Tier gerichtet, aber seine Hand fing an zu zittern, so dass er nicht mehr genau zielen konnte. Er zielte mehr auf die Bäume als auf den Saurier. Der Schmerz in seinem Rücken war inzwischen beinahe unerträglich geworden, und Fudo stöhnte erneut. Der Raptor richtete seine Augen direkt auf Fudo, schien allerdings durch ihn hindurchzusehen, und legte den Kopf leicht schief. Fudo schätzte diese Kopfhaltung als eine nachdenkliche ein, aber im Moment war im das egal. Die Nüstern des Tieres bewegten sich, es schnupperte. Dann richtete es seine Augen direkt auf Fudo, und schnupperte noch einmal. Erst jetzt bemerkte Fudo, wie etwas warmes an seinem Kopf herunterlief. Es floss aus seinen Haaren am Ohr vorbei über seine Wange und dann den Hals entlang unter sein T-Shirt. Er griff mit der freien Hand an die Stelle, an der er fühlte, dass es von dort kam, und zuckte zusammen, da es schmerzte. Als er die Hand betrachtete, sah er Blut. Er hatte sich beim Fall vom Baum seinen Kopf am Gewehrlauf angeschlagen, es aber wegen der Schmerzen im Rücken nicht bemerkt. 'Er riecht das Blut', dachte Fudo entsetzt und kroch schneller rückwärts. Nur wenige Sekunden später knallte er gegen einen Baum, mit dem Gewehr zwischen diesem und seinem Rücken. Der Schmerz, der durch seinen Körper schoss, war so stark, dass ihm kurz schwarz vor Augen wurde. Dieses Mal stöhnte er jedoch nicht. Als Fudo wieder sehen konnte, sah er als erstes, dass der Dinosaurier sich bewegte. Er sah die mächtigen Muskeln unter der ledrigen Haut des Raptors arbeiten, dann hob er langsam sein Bein und näherte sich Fudo. Als das Tier seinen Fuß wieder auf den Boden stellte, sah Fudo, dass die Blätter unter dem Fuß nicht einmal die Blätter knirschten. Fudo ahnte nun, dass die Tiere gefährlicher waren als gedacht, denn sie konnten sich anschleichen, ohne bemerkt zu werden. Er blickte in die Augen des Tieres, dann legte er die zweite Hand ebenfalls an die Pistole, um sie zu stabilisieren. Er zielte auf den Kopf des Dinosauriers und wartete darauf, dass dieser noch näherkam. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann wurde Fudos Warten bereits belohnt. Der Dinosaurier machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. Fudo atmete tief durch und bereitete sich auf das Unausweichliche vor. Die Waffe zitterte noch immer ein wenig, aber Fudo konnte seine Hände so ruhig halten, dass er nicht mehr auf die Bäume zielte. Er hoffte, dass er, wenn er schoss, eine Stelle treffen würde, bei der er den Raptor auf der Stelle töten würde. Ely erwachte, weil sie glaubte, einen Schrei gehört zu haben. Noch halb im Traum, wollte sie aus dem Bett springen und nachschauen, woher der Schrei gekommen war. Gerade noch rechtzeitig realisierte sie, dass sie nicht in ihrem Bett lag, sondern auf dem Ast eines Baumes saß, in luftiger Höhe. Sie griff zu einem der dünneren Äste neben sich, um sich abzustützen, da sie sonst schneller wieder auf dem Boden gewesen wäre, als sie wollte, und blickte nach unten. In beinahe fünf Metern Höhe hatte sie geschlafen, wie ihr jetzt auffiel. Und nachdem sie nach unten geblickt hatte, war sie auch sehr froh darüber. Die Erde unter dem Baum war aufgewühlt, und bis auf eine Höhe von vier Metern hinauf war der Stamm von Krallen, deren Besitzer Ely seit kurzem nur zu gut kannte, zerkratzt. Sie erinnerte sich jetzt wieder, dass sie in der Nacht aufgewacht war und die Raptoren gesehen hatte, wenn auch undeutlich. Beinahe eine halbe Stunde lang waren sie am Baum hinaufgesprungen, hatten versucht, sie zu erreichen und dabei einigen Lärm verursacht, als sie wieder auf den Boden zurückfielen. Ely sah, dass sie mehrere dickere Äste abgebrochen hatten, die sie gestern zum Hochklettern genutzt hatte. Dann waren sie verschwunden, Ely glaubte, irgendwo in weiter Ferne ein leises Knallen gehört zu haben, war sich aber nicht sicher. Die Raptoren wirkten jedoch verwundert, als sie flohen. Sie blickte noch kurz zu Boden, wo die Krallen der mannshohen Tiere ihre Spuren hinterlassen hatten, dann dachte sie an die anderen, allen voran ihre Geschwister, die sich wohl sicher im Lager befanden, und an Fudo, woraufhin sie wieder ein wenig wütend wurde. Allerdings war sie auch besorgt, was sie ein wenig verwunderte. Schließlich war es Fudo gewesen, der daran schuld war, dass sie sich verirrt hatten, und dass sie nun allein in diesem komischen Wald voller Dinosaurier herumirren würde. Wenn er sich nicht mit ihr gestritten hätte, dann... 'Hat er sich mit mir gestritten? Ich hab den Streit doch ausgelöst', rief sie sich ins Gedächtnis. Aber sie verwarf diesen Gedanken sofort, sie hatte Fudos Worte noch im Ohr. Sie konzentrierte sich wieder auf die Situation, in der sie sich gerade befand. Daher griff sie zu dem Gewehr, hängte es sich an seinem Lederband um den Hals, so dass es an ihrem Rücken hing, und begann, vom Baum zu klettern. Sie kletterte langsam, um nicht zu fallen, und sah sich immer wieder nach Dinosauriern um. Da die Raptoren einige Äste, die sie zum hochklettern benutzt hatte, abgerissen hatten, musste sie eine andere Kletterroute finden, und brauchte somit beinahe drei Minuten, bis sie wieder auf dem Boden stand. Als sie den Boden endlich erreicht hatte, spürte sie mehrere Dinge. Zum einen spürte sie ein leichtes Kitzeln in ihrem Hals, der viel zu trocken war, ein Zeichen dafür, dass sie sich wohl ein wenig erkältet hatte. Auch hörte und spürte sie, dass sie Hunger hatte. Das dringendste Gefühl war jedoch weder der Hunger noch das Kitzeln im Hals. Das dringendste war der Druck auf ihrer Blase, der, obwohl sie gerade erst aufgewacht war, schon beinahe unerträglich war. Sie blickte sich um und verschwand dann in ein dichtes Gebüsch, auch wenn weit und breit niemand zu sehen war. Es war ihr einfach peinlich, wenn jemand sie sehen sollte. 'Es ist peinlich, dass ich es peinlich finde, in der Situation', dachte Ely. Aber bis vor zwei Tagen hätte sie sich nicht einmal vorstellen können, dass sie in einem Wald leben müsste, der von gefährlichen Tieren überbevölkert zu sein schien, und um ihr Überleben und das Überleben ihrer Geschwister zu kämpfen. Und jetzt war sie auch noch auf sich gestellt. Sie hatte schon öfter in der Klemme gesteckt, das war nur natürlich, wenn man in Amerika aufwuchs, zur High School ging und mit dem wohl beliebtesten Jungen derselben zusammen war, aber sie hatte sich nie alleine darin befunden. Oder doch, es gab einige wenige Situationen, in denen sie alleine gewesen war, aber sie hatte gewusst, dass sie nicht in Gefahr war. Sie hatte ein wenig von Fudo gelernt, Nahkampftechniken, die sie nicht gerne anwendete, aber wenn es unvermeidbar war, dann bereuten die anderen immer, sich mit ihr angelegt zu haben. Aber auch diese Techniken nützten nichts gegen die Dinosaurier. Und sie hatte nicht genug Munition, um sich zur Wehr zu setzen, das wusste sie auch. Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, in was für großer Gefahr sie eigentlich schwebte, und blickte sich um, in der Hoffnung, etwas zu sehen, das sie wiedererkennen würde. Aber das war nicht der Fall. Sie wollte gerade aufs Geratewohl in irgendeine Richtung losgehen, als sie einen Schrei hörte. Dieses Mal war sie sich sicher, dass es ein Schrei gewesen war, denn er war deutlich zu hören gewesen. Es war ein Wort gewesen. Was genau, konnte sie nicht sagen, aber es war eine männliche Stimme gewesen. Und sie hatte noch nie solche Angst und Panik in einer menschlichen Stimme gehört. Aber das schlimmste war, sie kannte die Stimme. Es war die von Fudo. Sie rannte in die Richtung der Stimme, ohne genauer darüber nachzudenken, warum Fudo so panisch war. Yokato blickte sich auf der Lichtung um, als gerade die Sonne hinter den Bäumen aufging. Er blickte zu Ryoudo, der am Feuer saß und seinen Blick starr auf das Zelt gerichtet hatte, in dem die anderen schliefen. “Alles in Ordnung bei dir?”, fragte Yokato den Jüngeren und setzte sich zu ihm. Ryoudo erschrak und blickte Yokato an. “Tut mir leid, ich hab grade nachgedacht”, entgegnete er mit einem traurigen Lächeln. “Du machst dir Sorgen um deinen Bruder, stimmts?” Ryoudo nickte auf die Frage hin. “Ich hoffe, den beiden gehts gut”, sagte der Jüngere, und in seinen Augen sammelten sich bereits einige Tränen. Yokato verfluchte sich selbst, dass er Ryoudo überhaupt auf dieses Thema gebracht hatte. Der Jüngere begann, leise zu weinen, und Yokato wusste nicht, was er tun sollte. In Ermangelung einer anderen Idee legte Yokato einen Arm kameradschaftlich um den Jüngeren, wobei er seinen Blick nochmals über den Waldrand streifen ließ. “Sie werden es schon schaffen, Ryoudo, da bin ich sicher”, sagte er leise. Ryoudo nickte leicht, aber in seinen Augen hätte man sehen können, dass er sich da nicht so sicher war. Aber Yokato konnte Ryoudos Augen nicht sehen, und hoffte, dass dieser sich wieder beruhigen würde. Fudo blickte in dem Augenblick, als Yokato versuchte, Ryoudo zu trösten, auf seine Hände und sein linkes Bein, welches ein wenig zerquetscht aussah, der Dinosaurier interessierte ihn in diesem Augenblick nicht mehr. Die Waffe lag etwa vier Meter links von ihm. Der Raptor war nach vorne geschnellt, hatte Fudos Hand mit seinen Zähnen durchbohrt und ihn ein wenig hin und hergeschüttelt. Dabei hatte Fudo die Pistole losgelassen, geschrien und die Wunden betrachtet, die in seiner Hand klafften. Gleichzeitig hatte das Tier Fudo seine lange Zehenkralle in den Oberschenkel gerammt und dort einen langen Schnitt erzeugt, der den Muskel zum Teil durchtrennt hatte. Einer der Zähne hatte seine Hand komplett durchbohrt, Fleischstücke herausgerissen und ein Loch erzeugt, in dem man die Muskeln und die Knochen von Fudos Hand sehen konnte. Mehrere andere Zähne hatten Löcher hinterlassen, aus denen unaufhörlich Blut floss. Seine Haut hing von seinen Händen und wehte leicht im Wind. Wenn er die Blutung nicht schnell stillen würde, dann würde er seine Hand nicht mehr nutzen können, vielleicht sogar sterben - nein, nicht nur vielleicht, er war sicher, dass er auf jeden Fall sterben würde -, das wusste Fudo, auch wenn er nicht wirklich viel über Verletzungen wusste. Er wusste genug, um das zu erkennen. Denn das Tier vor ihm tat das alles nicht nur, um ihn zu quälen. Der Schmerz, der durch seine Hände pochte, die beide mehr oder weniger unbrauchbar geworden waren, und in seinem Bein machte Fudo beinahe rasend, aber im Augenblick war es ihm eigentlich egal, er ignorierte ihn. Er starrte den Dinosaurier nur verwundert an. Der Dinosaurier hatte Fudo entwaffnet. Er hatte bemerkt, dass die Gefahr von seinen Händen und dem Gegenstand darin ausgegangen war, und diese Gefahr hatte das Tier soeben gebannt. Fudo bewunderte die Reaktion des Tieres ebenso wie seinen scharfen Verstand, auch wenn er zu spät merkte, wie scharf dieser in Wirklichkeit war. “Na komm”, meinte Fudo sarkastisch. Er wunderte sich, wie ruhig er im Angesicht seines bevorstehenden Todes war. Er blickte nochmals auf seine verletzten Hände. Das Blut sickerte aus den Wunden, seine Hände waren rot, seine zerrissene Jeans, sein T-Shirt und der Boden ebenfalls vom Blut gefärbt. Seine Hände waren so stark verletzt, dass er, selbst wenn er gewollt hätte, das Gewehr nicht hätte benutzen können, welches sich - jetzt nutzlos geworden - auf seinem Rücken befand. Der Raptor näherte sich Fudo wieder, er umkreiste ihn, schätzte ab, ob Fudo noch eine Gefahr darstellte. Dann, nachdem er ihn zweimal umkreist hatte, blieb er direkt vor ihm stehen. Die Pistole lag noch immer außerhalb von Fudos Reichweite - er hatte sich keinen Millimeter wegbewegt, aus Angst vor dem Tier -, weit außerhalb, während der Raptor immer näher kam. Das Tier hielt den Kopf gesenkt, auf Höhe von Fudos Augen. Seine Augen starrten in die von Fudo, und Fudo erkannte die wahre Intelligenz des Tieres. Sie überstieg seine neue Einschätzung, die er nach dem Angriff, der ihn entwaffnet hatte, rasch vorgenommen hatte, um Lichtjahre. Der Raptor öffnete sein Maul und entblößte seine Zähne. 'Er grinst', schoss es Fudo durch den Kopf. 'Er weiß, dass ich keine Bedrohung mehr bin, er grinst, er weiß, dass ich wehrlos bin, dass ich sein Futter bin, dass ich tot bin... tot... TOT!' Fudo war einem Nervenzusammenbruch nahe, aber schaffte es, diesen gerade so zu verhindern, denn das hätte wirklich seinen sicheren Tod bedeutet. Aber Fudo hatte noch nicht aufgegeben, er hatte noch einen kleinen Funken Hoffnung, auch wenn er nicht wusste, warum er noch welche hatte. Der Raptor näherte sich mit dem geöffneten Maul dem Hals des jungen Mannes, um ihm das Genick zu brechen, damit er in Ruhe essen konnte. Fudo bewegte sich nicht, er war vor Angst wie gelähmt. Die Zähne berührten den Hals bereits, hatten ihn aber noch nicht in ihrem eisernen Griff, da hörte Fudo ein Klicken, direkt gefolgt von einem Knall, wie ihn nur eine Kugel, die aus einer Waffe abgefeuert wurde, von sich gab. Er starrte den Raptor an, dessen Augen plötzlich allen Glanz verloren hatten, starrte das Blut an, das aus dem Tier schoss, auf ihn tropfte - ihm auch ein wenig in die Augen geriet - und stieß seinen Kopf mit den Unterarmen nach oben, kurz bevor dessen Muskeln kontrahierten und das Maul sich mit einem Klacken schloss. Dabei wurde er mit noch mehr Blut des Dinosauriers übergossen, dass sich mit seinem eigenen mischte und unangenehm in den Wunden brannte. Und in seinen Augen. Aber in den Wunden war es eindeutig schlimmer. “Was... Fudo, was ist passiert?” Elys Stimme durchschnitt die Stille, die nach dem Schuss geherrscht hatte. Fudo blickte nach hinten und sah seine Freundin. Ely stand gerade wieder auf, sie hatte das Gewehr, mit dem sie den Raptor erschossen hatte, noch in beiden Händen. Sie rannte zu ihm und war entsetzt, als sie das Blut auf seinen Kleidern, seinem Gesicht, seinen Armen, Händen, auf seinem ganzen Körper sah. Dann sah sie genauer hin und erkannte unter dem Blut auf den Händen etwas weißes, das nur ein Knochen sein konnte. Der Biss des Raptors hatte ihn freigelegt, das Fleisch hing als Strang an der Seite der Hand herab. Ely begann zu schreien und fiel nach hinten, als sie das sah. In ihren Augen hatten sich bereits Tränen gesammelt, die jetzt hemmungslos über ihre Wangen liefen. Sie hatte solche Verletzungen noch nie gesehen, außer in Filmen, wobei man wusste, dass sie dort nicht echt waren. Es jetzt zu sehen, die Verletzungen zu sehen und dabei zu sehen, dass ihr Freund so verletzt war, beraubte sie ihrer Beherrschung. Die Tränen verschleierten ihre Sicht, und sie war froh, dass sie das nicht mehr sehen musste. Aber es zu wissen, zu wissen, dass Fudo nicht einmal einen Meter entfernt gegen einen Baum gelehnt dasaß und BLUTETE, dass er SCHWER VERLETZT war, raubte ihr den Verstand. “Ely, es tut mir leid, er war zu schnell”, flüsterte Fudo. Er sah sie an und legte alle Ruhe und Gelassenheit, die er noch besaß, in diesen Blick. Ely konnte nicht wirklich verstehen, was er gesagt hatte, aber sein Blick sagte alles. Sie kroch auf ihn zu, bedacht, so wenig wie möglich auf seine Hände zu schauen. Fudo blickte sie an, dann spürte er, wie der Schock über die Attacke des Dinosauriers nachließ. Er spürte den Schmerz, der in in den Wunden zu entstehen schien. Er spürte, wie sein Körper zitterte, als die Wirkung des Adrenalins nachließ. Das unangenehmste Gefühl war allerdings nicht der Schmerz in seinen Händen und in seinem Bein, obwohl es ebenfalls dort entsprang. Fudo spürte, wie eine Flüssigkeit über seine Haut lief, er wusste, dass es sein Blut war. Er war froh darüber, dass es ganz langsam zu gerinnen begann, aber darauf verließ er sich nicht. “Ely”, flüsterte er wieder. Seine Freundin blickte ihn an, und er musste trotz der Schmerzen lächeln. “Bitte tu mir einen Gefallen, ok?” Ely nickte. Der Streit des Vortages war für den Augenblick vergessen, sie hatten sich stillschweigend darauf geeinigt, ihn nicht mehr zu erwähnen. “Im meiner Hosentasche... oh, verdammt, tut das weh... ist mein Messer... hol es bitte raus!” Ely griff nach der Metallklammer, mit der das Messer an seiner Hosentasche hing, und zog es heraus. Fudo nickte. “Schneid damit das T-Shirt an meinem Rücken auf. Ein Schnitt...” Fudo stöhnte laut. “Ein Schnitt von oben... bis unten”, brachte er mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Ely starrte ihn ungläubig an. Er nickte ihr zu, dann verzog er sein Gesicht, als eine Schmerzwelle durch seinen Köper fuhr. Er beugte sich vor, damit Ely an seinen Rücken kam. “Wozu, Fudo? Wozu soll ich dein T-Shirt aufschneiden?” Elys Stimme war verunsichert. War Fudo etwa schon dabei, Dinge tun zu wollen, die überhaupt nichts brachten? Halluzinierte er schon? Hatte er schon so viel Blut verloren, dass er... verrückt wurde? Nicht mehr denken konnte? Sie war sich nicht sicher, aber konnte nicht weiter nachdenken, da Fudo weiterredete. “Weil du damit meine Wunden...”, begann Fudo, dann schrie er kurz auf, da der Schmerz immer stärker wurde. “Du musst damit meine Wunden verbinden”, erklärte Fudo mit nun grausam verzerrtem Gesicht, aber dennoch vollkommen ruhig, was Ely beruhigte und verängstigte. Sie wusste nicht, warum sie Angst hatte, aber zu sehen, dass Fudo so schwer verletzt war - das Blut floss noch immer und der Blutfluss war nur geringfügig schwächer geworden - und dennoch so ruhig sprach, als säße er im Wohnzimmer neben ihr auf der Couch und versuchte, ihre schlechte Laune zu vertreiben, verwirrte sie. Aber so war Fudo nun einmal. Er setzte sich ein Ziel, und verfolgte es eisern. “Ely, bitte... beeil dich!” Fudo stöhnte wieder. “O... ok... wenn du meinst”, flüsterte sie, klappte das Messer auf und schnitt damit das T-Shirt an Fudos Rücken in zwei Hälften. “Gut. Jetzt noch die... die Ärmel... bis zum Schnitt... oh, beeil dich, ich halt das nicht mehr aus!” In Fudos Augen hatten sich Tränen gesammelt, wie Ely sah, und sie flossen bereits ein wenig über sein Gesicht. Sie blickte auf das Messer in ihrer Hand, dann machte sie sich still an die Arbeit. Nur Sekunden später konnte sie das T-Shirt von seinem Oberkörper abziehen. Es war noch immer in einem Stück, aber Ely verstand nun, was Fudo vorgehabt hatte. Er musste nichts mehr sagen. Sie schnitt das T-Shirt in vier Streifen, dann klappte sie das Messer zu und legte es auf den Boden. Fudo streckte ihr mit schmerzverzerrtem Gesicht seine linke Hand hin, die nicht so schwer zugerichtet war. Es waren nur einige Fleischwunden, von den Zähnen verursacht, und ein langer Riss. Ely nahm einen Streifen und band ihn so um die Hand, dass die Wunden abgedeckt waren. Dann nahm sie einen der Ärmel, die sie abgetrennt hatte, drehte ihn zu einer acht und erzeugte damit eine schwache Imitation eines Druckverbandes, indem sie sie über dem Streifen platzierte. Der Stoff quetschte Fudos Hand etwas ein, was ihm einen Schmerzensschrei entlockte, aber als Ely die acht wieder entfernen wollte, zog Fudo die Hand weg. “Es ist gut so”, stöhnte er. Er griff mit seinen Fingern nach dem herunterhängenden Fleischstück seiner rechten Hand und legte es wieder dorthin, wo es seiner Erinnerung nach hingehörte. Die ganze Szene, als der Raptor ihn angegriffen hatte, schien für ihn in Zeitlupe geschehen zu sein, er hatte alles ganz genau beobachten können. Es tat höllisch weh, aber er biss die Zähne zusammen. Die Hautstreifen, die ebenfalls von seiner Hand baumelten, legte er darüber, als erste Stabilisierung. Er wunderte sich selbst ein wenig, wie normal ihm seine Handlungen vorkamen. Es war, als wäre er auf Autopilot geschaltet worden. Er streckte Ely die noch unverbundene Hand entgegen. Sie schloss die Augen, nahm ein Stück Stoff, das sie nach einigem Tasten fand, öffnete die Augen kurz, um es über Fudos Hand zu platzieren, und schloss sie wieder. Dann band sie es um seine verletzte Hand, und der Schmerz brachte Fudo, der gerade ein wenig am Wegdämmern war, zurück in die Realität. “Nicht so fest”, flüsterte er, und Ely blickte auf seine Hand, die sie gerade verband. Sie hatte das Stoffstück darumgebunden, als wollte sie seine Hand abbinden. 'In gewisser Weise stimmt das sogar', dachte sie. Sie lockerte den Verband ein wenig, dann zog sie ihn so straff, wie sie meinte, dass er sein müsse - für Fudos Ansicht war er VIEL zu straff -, hob ein zweites Stück Stoff auf und wickelte es um das erste, dann machte sie aus dem zweiten T-Shirt-Ärmel ebenfalls eine acht und fixierte damit den provisorischen Verband. Fudo versuchte, seine Finger zu bewegen. Es war möglich, aber er hatte starke Schmerzen dabei. Dennoch griff er zu seinem Gürtel, zog ihn aus und band damit sein Bein ab, das noch immer blutete. Er griff nach dem letzten Streifen seines ehemaligen T-Shirts und verband damit den Riss, der in seinem Bein klaffte. “Wir müssen schnell ins Lager... dort haben wir einen Erste-Hilfe-Koffer”, flüsterte Ely Fudo ins Ohr. Sie half ihm, aufzustehen. “Die Pistole...” Fudo deutete auf seine Waffe, und Ely lief hin und holte sie. Sie steckte sie in den Gürtel, hob das Gewehr, das sie neben Fudo gelegt hatte, auf, hängte es sich über die Schulter und legte ihren rechten Arm um Fudos Taille. Er legte seinen linken Arm um ihre Schultern, damit sie ihn ein wenig stützen konnte. Er spürte, dass er eine Menge Blut verloren haben musste, und sein Bein schrie protestierend auf, als er versuchte, es zu belasten, jedenfalls kam es ihm so vor. “Also, diesmal führe ich”, meinte Ely und ging in einfach in den Wald hinein. Sie hoffte, dass es die richtige war. “Wir müssen schnell deine Wunden säubern und richtig verbinden”, flüsterte sie. “Zum Glück haben wir den Erste-Hilfe-Koffer!” “Hoffentlich sind da auch Schmerzkiller drin”, entgegnete Fudo. “Wenn ich nämlich nicht bald irgendetwas gegen die Schmerzen bekomme, dann werde ich noch wahnsinnig!” 'Bist du das nicht schon?', dachte Ely, ohne genau zu wissen, warum, und gegen ihren Willen musste sie bei diesem Gedanken lachen. Sie verstummte jedoch schnell wieder, als sie Fudos verwunderten Blick sah, und dann liefen sie schweigend weiter, er mit einem Arm auf ihren Schultern auf sie gestützt, sie mit einer Pistole in der einen Hand, Fudo mit dem anderen Arm stützend. Kapitel 11: Böses Erwachen -------------------------- Kapitel 11 Böses Erwachen Sakura wurde von leisem Schluchzen geweckt. Sie hatte die Augen noch geschlossen und dachte im ersten Moment, Yoko hätte, wie bis vor drei Jahren, schlecht geträumt und vor Angst ins Bett gemacht. Es war zwar in den letzten Jahren besser geworden - in den drei Jahren war es nur dreimal passiert, einmal jedoch erst vor etwas mehr als einem Monat -, aber Sakura hatte das Gefühl, dass Yoko erst vor ganz kurzer Zeit schreckliche Angst vor etwas gehabt hatte, das auch sie selbst verstört hatte, aber woran sie sich gerade nicht erinnern konnte. Zwei Sekunden später fielen ihr zwei Dinge wieder ein, ganz kurz nacheinander. Der erste Punkt war, dass das Schluchzen nicht von unten, aus Yokos Bett kam, sondern sich auf ihrer Höhe befand. 'Wie kommt Yoko in mein Bett', fragte das Mädchen sich kurz, im Glauben, zu Hause in der oberen Etage des Hochbetts in ihrem und Yokos Zimmer zu liegen. Dieser Glaube wurde jedoch durch das unangenehm harte Gefühl der Oberfläche, auf der sie lag, zunichte gemacht. Sie erinnerte sich, dass sie nicht mehr zu Hause waren, aber wo genau wusste sie noch immer nicht. Sie tastete auf dem Untergrund umher und merkte, dass es Blätter waren, Farnblätter. Diese Erkenntnis sorgte dafür, dass sie sich daran erinnerte, wie sie am Vortag mit Ely und den Jungs diese Blätter gesammelt hatte. Und sie erinnerte sich an den Tag davor, als sie von Raptoren gejagt worden war. Erschrocken riss Sakura die Augen auf, und ein lautloser Schrei lag ihr auf den Lippen. Über sich sah sie die grüne Oberfläche der Plastikplane, aus der Fudo das Zelt improvisiert hatte, immer wieder von einem dünnen braunen Strich durchzogen - einem der Äste, die als Stabilisierung dienen sollten. Zwischen sich und dem Ende des Zeltes, das als Eingang konzipiert worden war, lagen Atoeru und Raidon, beide schliefen tief und fest, Raidon schnarchte leise. Sie drehte den Kopf auf die andere Seite, auf der die Jüngeren lagen. Direkt vor ihr lag Yoko, sie schlief ebenfalls fest, auf ihrem Gesicht konnte man sehen, dass sie einen schönen Traum hatte, denn sie lächelte. Leise atmete Sakura aus, als sie merkte, dass ihre Schwester ruhig schlief. Dann richtete sie sich auf, um zu schauen, woher das Schluchzen dann kam. Sie blickte zu den anderen beiden Geschwistern, Kichi und Riro, und sah, erkannte, dass das Schluchzen von Kichi kam. “Hey, Kleine”, flüsterte Sakura freundlich, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das tröstlich wirken sollte. “Nicht weinen. Was ist denn los? Hast du Angst?” Die Ältere setzte sich auf die Knie und blickte Kichi in die Augen. Das jüngere Mädchen nickte. Sakura kletterte über ihre Schwester, ohne sie zu wecken, und setzte sich neben Kichi. Die Jüngste der Gruppe hatte sich ebenfalls aufgerichtet. Sie blickte das ältere Mädchen mit verquollenen Augen an, und als Sakura nach einer der Hände von Kichi greifen wollte, warf sich diese geradezu in Sakuras Arme und weinte. Sakura legte ihre Arme um Kichi, drückte sie sanft an sich und wartete. Einige Minuten - Sakura war sich nicht sicher, wie lange es gewesen war, aber da ihre Beine in der bequemen Haltung, die sie eingenommen hatte, dennoch eingeschlafen waren, schätzte sie, dass es einige Zeit später war - bemerkte sie, dass ihre Schwester aufgewacht war. Sie konnte sehen, wie Yokos Gesicht sich von dem glücklichen in ein erschrockenes und verängstigtes wandelte. In ihren Augen sammelten sich Tränen. Sakura löste einen der Arme, die sie um Kichi gelegt hatte, und griff damit nach der Hand ihrer Schwester, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein war. Yoko spürte die Berührung, sah ihre große Schwester neben sich sitzen, erhob sich schnell und kuschelte sich an ihre Schwester. Die Tränen liefen der Jüngeren über die Wangen und hinterließen Spuren in der dünnen Schicht von Erde und anderem Dreck, welche sich darauf befand. Sakura drückte ihre Schwester ebenfalls an sich. “Keine Angst, es wird alles wieder gut, glaubt mir”, flüsterte Sakura den beiden zu. Hätten die Jüngeren ihr in das Gesicht gesehen, hätten sie diese freundlichen Worte, die mit einem Ton, der nach Ehrlichkeit klang, gesagt worden waren, als die Lüge erkannt, die sie waren, aber sie bemerkten es nicht und lächelten hoffnungsvoll, während sie weiter weinten. Die Jungs, die im Zelt schliefen, wurden durch das Weinen jedoch nicht geweckt, da Sakuras Kleider, in die sich die beiden jungen Mädchen vergraben hatten, die Geräusche dämpften. “Was glaubst du, ist geschehen?”, fragte Ryoudo Yokato, nachdem dieser von einer kurzen Runde zurückgekommen war. “Was meinst du?”, fragte Yokato, obwohl er sich ziemlich sicher war, dass er wusste, was Ryoudo gemeint hatte. Er sah den Jüngeren nicht an, da er ihm nicht zeigen wollte, was in ihm vorging. “Wieso sind Fudo und Ely noch nicht wieder zurück? Ihnen kann doch nichts passiert sein, oder? Sie sind schließlich bewaffnet... und es sind Fudo und Ely... ihnen kann einfach nichts passiert sein!” Ryoudo ließ seinen Blick über den Waldrand schweifen. Seiner Meinung nach mussten Fudo und Ely gleich auftauchen. Ryoudo wartete beinahe zwei Minuten reglos, in der Hoffnung, dass sie doch noch kommen würden, aber es blieb still. “Oder?” Die schrille Stimme riss Yokato aus seinen Gedanken. In Ryoudos Worten hatte der Ältere endlich erkannt, was dieser für seinen Bruder und dessen Freundin empfand. Es war absolutes Vertrauen und bedingungslose familiäre Liebe. Der Ältere sah zu Ryoudo, dann schüttelte er den Kopf. “Ich weiß es nicht”, sagte er mit einer Spur von Traurigkeit in der Stimme. Sein Gesicht war von Sorgen gezeichnet. “Was soll das heißen, du weißt es nicht?” Ryoudos Stimme war noch einen Ton schriller geworden, und Yokato zuckte unwillkürlich zusammen. In Ryoudos Stimme konnte Yokato eindeutig Furcht heraushören, Sorge und Panik ebenfalls. Er hatte Mitleid mit dem Jungen, auch wenn er es gerade nicht zeigte. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass Ryoudo, sollte Yokato ihn jetzt trösten wollen, durchdrehen würde, und das wäre nicht im Sinne der Gruppe. “Du weißt, was das heißen soll, Ryoudo! Wir wissen nicht, wo sie sind und wie es ihnen geht, und in dieser Welt ist man nicht sicher. Es tut mir leid, dass ich das so offen sage, aber jemand muss dich mit der Realität konfrontieren!” Yokatos Stimme hatte, obwohl sie nicht lauter geworden war, einen schneidenden Ton angenommen, und sein Gesicht war vor Zorn rot geworden. Er packte Ryoudo mit seiner freien Hand an der Schulter und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. Im gleichen Moment war er sich jedoch schon sicher, dass es nicht die beste Entscheidung gewesen war. “Es geht ihnen gut”, entgegnete Ryoudo mit weinerlicher Stimme. In seinen Augen standen Tränen, und er zitterte. “Es geht ihnen gut, Yokato, das weiß ich... es muss ihnen einfach gut gehen... Immerhin ist Fudo dort... Fudo ist doch dort...” Ryoudo zitterte so stark, dass ihm die Pistole aus der Hand zu Boden fiel, wo sie auf dem Gras beim Aufprall jedoch nur ein leises Geräusch verursachte. Die Beine des Jungen wurden schwach, und er kippte gegen Yokato. Dieser legte automatisch einen der Arme um den Jüngeren, welcher nun heftig schluchzte. “Sie kommen zurück... sie müssen einfach... zurückkommen... er ist doch bisher immer... immer wiedergekommen”, schluchzte Ryoudo. Tränen flossen aus seinen Augen und liefen an seinen Wangen entlang. 'Er ist total fertig', dachte Yokato, während er sich umsah, Ryoudo noch immer an sich gedrückt. 'Aber wer wäre das nicht? Mir gehts genauso, auch wenn ich es ihm nicht zeigen kann. Ich bin fertig... ich hoffe, sie kommen bald wieder!' Raidon erwachte durch eine Bewegung im Zelt. Er schlug die Augen auf und sah, wie Sakura zu Kichi kletterte und sie in den Arm nahm. Der Junge lächelte gegen seinen Willen, drehte sich um und starrte zum Zeltausgang. Einige Minuten später, gerade, als Yoko aufgewacht war, verließ er das Zelt und ging zu seinem Bruder, der Ryoudo inzwischen wieder einigermaßen beruhigt hatte. Die Zwillinge entfernten sich kurz von dem Jüngeren, und Yokato berichtete Raidon knapp, was passiert war und wie es Ryoudo ging. Er gab ihm außerdem die Pistole, die Ryoudo hatte fallen lassen. “Wenn sie nicht bald zurückkommen, dann werden wir nicht mehr lange leben”, meinte Yokato, nachdem er geendet hatte. Raidon schüttelte ungläubig den Kopf. “Ich glaub's einfach nicht! Du weißt genauso gut wie ich, dass sie wohl nicht zurückkommen werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die anderen deshalb nicht durchdrehen, weil sie nicht zurückkommen werden, und nicht einfach schwarzsehen!” Raidons Stimme klang zornig, sein Gesicht verstärkte diesen Eindruck noch, dennoch wirkte es auf Yokato so, als stünde sein Bruder nicht zu einhundert Prozent hinter seiner Meinung, was sehr selten war. “Und du weißt genauso gut, dass wir das nicht verhindern können. Sobald klar ist, dass sie nicht zurückkommen, wird Ryoudo komplett zusammenbrechen. Er steht jetzt schon knapp davor. Atoeru hält an dem Glauben fest, dass wir zusammen überleben können. Wenn die zwei Ältesten, gut bewaffnet noch dazu, verschwinden, dann wird auch er zusammenbrechen. Die beiden kleinen Mädchen werden auch aufgeben, sobald das klar wird. Und Sakura kann ich noch nicht einschätzen... aber wir werden, wenn wir Pech haben, nur noch zu zweit wirklich für unser Überleben eintreten. Wobei ich nicht sagen kann, ob ich nicht auch zusammenbreche, wenn das so weiter geht. Und ob nun zu zweit oder alleine, wir haben dann keine Chance!” “Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun?”, fragte Raidon gehässig und auch ein wenig schadenfroh. “Wir werden darauf vertrauen, dass sie wiederkommen, ganz einfach”, meinte Yokato und ging zu Ryoudo zurück. Raidon schüttelte den Kopf und verschwand in den Büschen. Yokato wollte sich gerade zu Ryoudo setzen, als er aus dem Wald ein Knacken hörte. Er drehte seinen Kopf dem Geräusch zu und sah das Iguanodon, das gestern bereits auf der Lichtung gewesen war, zumindest glaubte er, es wäre dasselbe. Die Pistole, die er getragen hatte, hatte er bereits auf das Tier angelegt. Er wunderte sich, wie schnell und automatisch das geschehen war, dann beobachtete er, was das Tier machen würde. Das Iguanodon betrat die Lichtung, als es jedoch die Menschen sah, gab es einen ängstlichen Schrei von sich, drehte sich um und verschwand wieder im Wald. 'Kommt bloß schnell zurück', dachte Yokato, als das Tier verschwunden war. Er senkte die Waffe, sicherte sie wieder und steckte sie in die Hosentasche. Dabei bemerkte er, wie seine Hände zitterten. 'Lange halten wir das hier nicht mehr aus. Kommt zurück!' Yokato entfernte sich vom Rest der Gruppe und setzte sich mitten auf der Lichtung auf den Boden. Er beobachtete den Waldrand und begann zu hoffen, denn diese Hoffnung war das letzte, das ihn vor dem Nervenzusammenbruch bewahrte. Nur Sekunden später hörte er, wie sich ihm jemand näherte. “Alles ok?”, fragte Ryoudo, der zu Yokato gekommen war. “Du siehst nicht grade gut aus!”, meinte er dann, als er Yokatos Gesicht gesehen hatte. Ryoudo setzte sich neben Yokato und sah den älteren besorgt an. Yokato blickte weiterhin zum Waldrand und tat so, als hätte er nichts gehört. “Yokato?” Ryoudo wedelte mit seiner Hand vor Yokatos Gesicht herum, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Yokato blickte noch ein wenig in die Leere, dann lächelte er und wandte seinen Blick Ryoudo zu. “Tut mir leid, Ryoudo. Es ist nichts, wirklich. Ich möchte nur ein wenig nachdenken. Kannst du mich bitte ein wenig alleinlassen?” Ryoudo sah ihn an, dann nickte er und ging zum Feuerplatz zurück. Yokato blieb sitzen und starrte weiter in den Wald. Raidon kam zwei Minuten später und lehnte sich neben der Munition an den Baum. Er blieb dort allerdings nur wenige Sekunden stehen, dann wurde er von seinem Magen mit einem lauten Knurren darauf aufmerksam gemacht, dass er seit gestern Abend nichts mehr gegessen hatte. Nachdem er kurz eine Hand auf die Pistole gelegt hatte, die er in seiner Hosentasche trug, stieß er sich ab und ging in Richtung Waldrand, der im Rücken seines Bruders lag, um sich ein oder zwei Äpfel zu pflücken. Ryoudo schloss sich ihm an, Raidon konnte ihm ansehen, dass er ebenfalls Hunger hatte. Sie pflückten einige Äpfel für sich und etwa ein Dutzend weitere für die Gruppe, bevor sie wieder zur Lichtung zurückgingen. 'Wenn wir weiter so viel essen, haben wir bald nichts mehr', dachte Raidon, als er die Bäume betrachtete. Einige der Äpfel waren bereits gänzlich verfault, andere begannen zu faulen, die Menge der reifen und auch noch essbaren Früchte nahm ständig ab. “Wenn sie zurück sind, dann können wir alles schaffen”, flüsterte Ryoudo leise. “Ich weiß es einfach.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)