Welt der Dinosaurier von FudoKajimoto ================================================================================ Kapitel 7: Die Neuen -------------------- Kapitel 7 Die Neuen „Neue?“, fragte Yokato nur verschlafen, gähnte und richtete sich auf. Fudo nickte. „Ja, zwei Mädchen. Ich habe sie gerade eben vor einigen Raptoren gerettet. Sie sitzen drüben am Feuer. Oh, und das Frühstück ist fertig. Es gibt Äpfel“, erklärte Fudo trocken. Dann stand er wieder auf. „Ihr solltet langsam aufstehen, wir haben alle heute noch einiges zu tun. Ich wollte euch bitten, zu dem Ort zurückzugehen, an dem wir gestern gelandet sind, und die restlichen Munitionskisten herzuholen. Nicht, dass die Raptoren sich darüber hermachen!“ Yokato schlug die dünne Decke zurück, die ihm und seinem Bruder als Bettdecke gedient hatte, und stand auf. Er nahm Fudos Bitte mit einem einfachen Nicken zur Kenntnis und verschwand schnell zum Waldrand. Raidon war nur wenige Meter hinter seinem Bruder. Fudo ging zum Baum zurück, nahm das Gewehr, dass immer noch dort lehnte, den Hammer und die Nägel, und ging zu der Baustelle zurück, die einmal ein Zelt werden sollte. Noch immer spürte er einen Blick auf sich ruhen, aber diesen beachtete er nicht weiter. Er legte das Gewehr nahe des unfertigen Zeltes zu Boden, nahm einen der Äste, die er am Tag zuvor gerichtet hatte, und arbeitete weiter. Das Geräusch seiner Schläge hallte ein wenig auf der Lichtung, auf der es sehr ruhig war. Kichi, welche wieder eingeschlafen war, schreckte hoch und klammerte sich fest an ihren Bruder, der deswegen fast keine Luft mehr bekam. Das kleine Mädchen blickte sich ängstlich um. Als sie sah, dass die Geräusche von Fudo verursacht wurden, atmete sie jedoch tief durch und lockerte den Klammergriff. Dankbar seufzte Riro auf, und als er die Tränen in Kichis Augen sah, legte er seinen linken Arm um sie und drückte sie an sich, um sie zu beruhigen. Schließlich war sie trotz allem seine Schwester, auch wenn er vorhin froh gewesen war, dass sie sich nicht mehr an ihn geklammert hatte. Da er nicht wollte, dass seine kleine Schwester Angst hatte, nahm er es einfach auf sich, dass er sie noch eine Weile im wahrsten Sinne des Wortes am Hals haben würde. Yokato und Raidon kamen kurz darauf wieder auf die Lichtung. Sie gingen direkt zum Wasser, tranken ein wenig davon und wuschen sich kurz das Gesicht. Dann gingen sie zu Fudo. „Was meintest du vorhin damit, dass wir die restlichen Kisten holen sollen?“, fragte Raidon ihn barsch. „Willst du uns damit einen Befehl erteilen?“ Fudo schüttelte nur den Kopf. „Ich habe es so gemeint, wie ich es sagte. Es ist eine Bitte. Wenn ihr es nicht tun wollt, dann werde ich gehen, vielleicht mit Ryoudo, und sie selbst holen. Aber da ich hier noch an dem Zelt baue und ihr bisher nichts tut, wäre es für euch doch einfacher, oder nicht?“ Fudo hatte einen strengen Ton in seine Stimme gelegt, der perfekt zu seiner Aussage zu passen schien. Raidon erschienen jegliche Gegenargumente plötzlich haltlos und schwach, weshalb er einfach nur resigniert seufzte und seinen Bruder ansah. „Wir machen uns auf den Weg, sobald wir gegessen haben“, sagte Yokato. „Ich hab euch einige Äpfel zur Seite gelegt. Sie liegen bei den Munitionskisten. Wenn ihr sie holt, könnt ihr euch auch gleich bewaffnen. Nehmt euch jeder eine Pistole“, sagte Fudo. „Und, wenn ihr einen Rat von mir wollt, nehmt jeder noch ein Ersatzmagazin mit. Wir haben für jede Pistole zwei Magazine, also sollte es kein Problem sein.“ Die Zwillinge nickten. „Und bitte bringt zuerst eine Kiste mit Munition für die Gewehre mit, falls das möglich ist“, fügte Fudo hinzu, wobei er fast schon mit einer arroganten Reaktion von Raidon rechnete. Es schien, als hätte der Junge -oder Jugendliche, Fudo konnte ihn noch nicht genau einschätzen- den Streit gestern und dessen Ausgang bereits vergessen. Aber Raidon beherrschte sich. Er nickte nur, dann ging er mit seinem Bruder zu den Munitionskisten davon. Fudo hämmerte weiter auf den Ast, bis er tief genug in der Erde steckte. Er nahm zwei Nägel und verband damit den dünnen Ast mit dem dickeren, der später einmal das Dach des Zeltes stützen sollte. Dann nahm er den nächsten Ast, den er am Tag zuvor bereits angespitzt hatte, und begann, ihn in den Boden zu schlagen. Raidon und Yokato gingen zu den Munitionskisten, nahmen sich jeder eine Pistole, entnahmen das Magazin, das sie am Abend zuvor extra geladen hatten, überprüften, ob es voll war, luden die Waffe wieder und sicherten sie. Dann nahmen sie eines der Extramagazine, luden es ebenfalls und steckten es in die Hosentasche. Die Pistolen steckten sie sich in ihren Gürtel, gut sichtbar und schnell zu greifen. Sie nahmen sich jeder einen Apfel und aßen ihn, dann gingen sie zur Feuerstelle, begrüßten Ely und die beiden Neuen kurz und machten sich auf den Weg. Sie bekamen gerade noch mit, dass das ältere Mädchen Sakura und das jüngere Yoko hieß, aber das war auch schon alles. Sie waren beide noch nicht ganz wach und hatten deshalb keine Lust, sich zu unterhalten. Sie verschwanden im Wald und machten sich auf den Weg zu dem Platz, an dem die Munitionskisten lagerten. Ryoudo hatte inzwischen Atoeru überreden können, für Riro einzuspringen und ihm beim Sammeln von Feuerholz zu helfen. Die Jungen waren nahe dem Waldrand unterwegs und brachten immer wieder einen Arm voll Brennholz zum Lagerfeuer, an welchem Ely sich mit Sakura und Yoko unterhielt, oder besser, sie ausfragte. Woher sie kamen, wie alt sie seien, was sie hier bisher erlebt hätten, und so weiter. Die beiden Jungen waren froh, dass sie dieses Gerede jeweils nur kurz ertragen mussten. Sobald sie das Holz abgeladen hatten, rannten sie zum Waldrand zurück und suchten weiter. Riro hatte sich inzwischen mit Kichi zu Ely und den beiden Neuen an die Feuerstelle gesetzt. Seine Schwester klammerte sich noch immer an ihn, aber da sie sich beruhigt hatte, machte es ihm nicht viel aus. Er hatte seine kleine Schwester früher schon öfter getröstet, und oft hatte ihm das nichts ausgemacht, nur manchmal störte ihn ihre Anhänglichkeit zu sehr. Jetzt jedoch wollte er ihr nur einen Halt geben, denn er hatte gemerkt, dass sie Angst vor allem bekommen hatte, seit sie in dieser Welt waren. Das war seine Pflicht als ihr großer Bruder, vor der er sich nicht drücken konnte. Er beobachtete Fudo, wie er an dem Zelt arbeitete, während Ely mit den beiden Mädchen redeten, die Fudo vor kurzem ins Lager gebracht hatte. „Bei euch waren also auch Dinosaurier zu Hause?“, fragte Ely gerade, weil Yoko ihr und Sakura eben erst die Sache mit den kleinen Dinosauriern, den Procompsognaten, erzählt hatte. Yoko nickte und zeigte Ely die Stelle an ihrem Arm, an dem einer der kleinen Dinosaurier sie gebissen hatte. Ely sah sich die Verletzung an, dann stand sie auf und holte den Koffer, den Raidon und Yokato mit sich eingesogen hatten. Sie hatten gesagt, es wäre ein Arztkoffer, und als sie ihn öffnete, staunte sie nicht schlecht. Es war ein gut ausgestattetes Erste-Hilfe-Set. Ely nahm das Desinfektionsspray und ein Pflaster heraus, schloss den Koffer wieder und ging zur Feuerstelle zurück. „Ich verarzte das lieber“, sagte sie lächelnd zu Yoko. „Es brennt gleich ein bisschen, aber danach wird es dir besser gehen, glaub mir.“ Ely sah Sakura an und versuchte ihr damit zu sagen, dass sie Yoko beruhigen sollte, aber das Mädchen verstand sie nicht. Ely lächelte Yoko immer noch an, dann entfernte sie die Schutzkappe vom Desinfektionsspray und sprühte es auf die Wunde. Das rötliche Spray berührte die Haut und die offenen Stellen, woraufhin Yoko heftig einatmete. Ely verschloss das Spray wieder mit der Plastikkappe, dann öffnete sie das Pflaster und klebte es über den Biss. „So, das hätten wir“, flüsterte sie laut genug, dass Yoko sie hören konnte. „Du bist ein tapferes Mädchen, Yoko.“ Yoko konnte nicht anders, sie musste lächeln. Kichi, die bisher immer noch ihren Kopf in der Schulter ihres Bruders vergraben hatte, hatte diesen inzwischen gelöst und die beiden Neuankömmlinge gemustert. Als sie Yoko lächeln sah, begann sie zu kichern. Das andere junge Mädchen sah sie erstaunt an. Kichi beruhigte sich wieder und löste sich von ihrem Bruder. Sie saß zwar immer noch auf den Knien neben ihm, aber sie sah nur Yoko an. Dann rutschte sie langsam und schüchtern auf das andere Mädchen zu. Yoko bewegte sich ebenfalls auf Kichi zu, ebenso langsam, und schließlich berührten sich ihre Fingerspitzen. Beide Mädchen begannen zu grinsen. Sakura und Ely waren inzwischen wieder in das Gespräch über die Erlebnisse, die sie bisher in dieser Welt gehabt hatten, verfallen. Yoko rutschte noch näher zu Kichi und setzte sich neben sie. „Ich bin Kichi“, stellte sich Kichi vor. In ihrem Gesicht konnte man sehen, dass sie sich freute, jemand gefunden zu haben, der so alt war wie sie. „Ich heiße Yoko“, entgegnete das andere Mädchen schüchtern. „Was ist, Yoko?“, fragte Kichi, die die verhaltene Reaktion des anderen Mädchens bemerkt hatte. „Geht es dir nicht gut? Hast du Angst?“ Kichis Stimme war während dieser Fragen unruhig geworden und man konnte genau hören, dass sie selbst sehr viel Angst hatte. Yoko schüttelte den Kopf. „Ich hab keine Angst...“, sagte sie, dann jedoch schüttelte sie den Kopf. „Doch, ich habe Angst“, flüsterte sie leise zu Kichi. „Und ich habe Angst, dass du mich nicht magst. Ich hatte nie eine Freundin außer Sakura“, gestand sie dem anderen Mädchen noch leiser. Kichi nahm ohne es zu merken Yokos Hände und drückte sie leicht. „Dann bin ich jetzt deine Freundin“, meinte sie. Yoko blickte sie an, in ihren Augen standen Tränen. Kichi erwiderte den Blick lächelnd. „Wirklich?“ „Wirklich“, sagte Kichi. Yoko begann zu weinen, aber nicht aus Angst, sondern vor Freude. 'Mädchen', dachte Riro nur, der die beiden beobachtet hatte. Er stand auf und ging zu Ryoudo und Atoeru, um ihnen zu helfen und vor allem, um von Kichi und Yoko wegzukommen. Yokato und Raidon waren unterdessen bei dem Ort angelangt, an dem sie gestern den Großteil der Gruppe getroffen hatten. Sie sahen sich kurz um, ob Dinosaurier in der Nähe waren, dann gingen sie zu den Kisten, die Fudo und Yokato am gestrigen Tage dort gestapelt hatten. “Stört es dich eigentlich nicht”, fragte Raidon, der den ganzen Weg über geschwiegen hatte, schließlich. Sein Bruder sah ihn kurz an, dann schüttelte er den Kopf. “Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Er ist kaum älter als wir und führt sich auf wie der König der Welt”, fuhr Raidon wütend fort. “Ich kann nicht verstehen, wie du es hinnehmen kannst, dass er einfach darüber bestimmt, was wir machen sollen!” Yokato sah seinen Bruder nur mitleidig an, dann griff er nach dem Deckel einer Munitionskiste und öffnete sie. Darin lagen kleine Kugeln, deren Projektile rund waren. Er schloss die Kiste wieder, hob sie hoch, stellte sie zur Seite und untersuchte die nächste. “Was ist los, Yokato? Warum ignorierst du mich?” Raidon war unüberhörbar wütend. Er packte seinen Bruder an der Schulter, riss ihn herum und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. “Warum ignorierst du mich, Yokato? Warum?” Yokato ergriff die Hände seines Bruders, die seine Schultern fest umklammert hielten, und begann, Raidon mit einem Handgelenkhebel dazu zu bringen, loszulassen. Nur zwei Sekunden später war er wieder frei. Er ließ die Hände seines Bruders los und wandte sich wieder der Kiste zu, die er gerade untersucht hatte. “Es gibt mehrere einfache Gründe, Raidon. Erstens ist er der Älteste. Zweitens hat er uns freundlicherweise aufgenommen, obwohl er uns genausogut hätte erschießen können. Drittens hat er uns vor einem dieser Viecher gerettet. Und zuletzt viertens. Er ist der Einzige, der sich wirklich darum gekümmert hat, dass wir noch nicht tot sind. Du hast dich bisher nur gestritten oder widerwillig geholfen. Ich glaube einfach, dass er der Einzige ist, der die Gruppe zusammenhalten kann!” Yokato schloss die Kiste, in welcher sich Gewehrmunition befunden hatte, wieder und hob sie zwischen sich und Raidon. Letzterer stand einfach nur fassungslos da, während er verdaute, was sein Bruder gerade gesagt hatte. “Du meinst... ich... Nein, das ist nicht wahr. ich streite mich nicht nur! Ich mache mir viele Gedanken über unsere Situation!” “Aber du überlegst nicht wirklich, wie man sie verbessern kann. Außerdem regst du dich sehr schnell auf... so wie gestern, bei dem Streit mit Ryoudo, den Fudo schlichten musste! Und jetzt pack mit an, Raidon, das Teil ist verdammt schwer!” Während des ganzen Gesprächs hatte Yokato seine Stimme ruhig gehalten, und auch den letzten Vorwurf hatte er ohne mit der Wimper zu zucken ganz ruhig gesagt, als ob es feststehen würde. Er griff nach einem der Griffe der Munitionskiste, Raidon automatisch nach dem anderen. Sie hievten die Kiste in die Luft, dann begannen sie, zum Lager zurückzugehen. “Du glaubst also, ich wäre nicht so klug wie er, Yokato, das stimmt doch, oder?” Raidon hatte die Vorwürfe seines Bruders inzwischen verdaut. “Aber ich werde dir beweisen, dass ich es doch bin!” “Raidon, reg dich nicht auf. Du weißt genausogut wie ich, dass du in einem Konflikt nicht gegen ihn bestehen würdest. Hör mal, vielleicht ist er der bessere Anführer, aber du hast sicherlich viel mehr Erfahrung als er, was Verletzungen angeht”, erwiderte Yokato in dem Bemühen, seinen Bruder von der Idee abzubringen, Fudo herauszufordern. “Alle Menschen haben Stärken und Schwächen, und du solltest nicht mit Gewalt versuchen, deine Schwächen auszumerzen.” Er wollte weiterreden, dann jedoch blickte er in Raidons Gesicht und sah darin die Wut, die sein Bruder auf Fudo entwickelt hatte. Yokato schwieg, er merkte, dass seine Versuche, Raidon zu beruhigen, auf taube Ohren stoßen würden. Sein Bruder würde es auf die harte Tour beigebracht bekommen, was es heißt, in einer Gemeinschaft zu leben, in der sich jeder auf den anderen verlassen musste. “Was hälst du eigentlich von diesen Mädchen, die Fudo ins Lager gebracht hat”, fragte Raidon unvermittelt. Er blieb stehen, zwang seinen Bruder somit ebenfalls zum Anhalten und wischte sich mit dem Handrücken der freien Hand über die Stirn. 'Verdammt heiß, und das schon so früh am Morgen...', dachte er bei sich. “Sie scheinen nett zu sein, nach dem zu urteilen, was wir bisher von ihnen bemerkt haben. Und das sind eigentlich nur ihre Namen”, erwiderte Yokato ehrlich. Er war immer ehrlich zu seinem Bruder, da dieser es so oder so merken würde, wenn er log, genauso wie er merkte, wenn Raidon log. “Sie wirken nicht, als hätten sie bisher viel gearbeitet”, meinte Raidon nur. “Das eine Mädchen ist kaum älter als Elys kleine Schwester, jedenfalls sieht sie aus, als wäre sie etwa genauso alt. In diesem Alter arbeitet man noch nicht”, konterte Yokato und begann weiterzulaufen. Raidon blieb jedoch weiterhin stehen, und Yokato musste wieder anhalten. “Mit den beiden wird es sicher noch Probleme geben, Yokato, glaub mir. Auf jeden Fall mit der Älteren. Das hab ich mir schon gedacht, als ich sie das erste Mal gesehen habe.” Yokato sah seinen Bruder mit einer Miene an, aus der man deutlich das Missfallen über diese Äußerung sehen konnte. Er drehte sich in Richtung Lager und versuchte erneut, weiterzugehen. Raidon setzte sich nun auch wieder in Bewegung, und sie näherten sich schweigend der Lichtung. “Oh man, bin ich froh, endlich von diesen Mädchen weg zu sein”, meinte Riro grinsend, als er sich Atoeru und Ryoudo beim Holzsammeln anschloss. “Kichi allein war ja schon schlimm, aber jetzt hat sie auch noch eine Freundin gefunden... Ryo, ich sag dir, die beiden werden uns das Leben zur Hölle machen!” Riro grinste den Älteren an, dann begann er, ebenfalls Äste aufzuheben, die sie für das Wachfeuer in der Nacht benutzen konnten. “Das werden wir sehen, Riro”, entgegnete der Angesprochene. “Vorerst haben Ely und die Neue die beiden noch am Hals.” Ryoudo bückte sich, griff nach einem Ast und legte ihn zu den anderen, die er in der Beuge seines anderen Arms balancierte. Der dritte Junge, Atoeru, beteiligte sich nicht an dem Gespräch der beiden Jungen, sondern sammelte einfach nur Holz auf. Ryoudo blieb das nicht verborgen. Er gab sein Holz Riro. “Bring das bitte zur Feuerstelle”, sagte er. “Und such dann ein Stückchen entfernt von hier”, fügte er leise hinzu. Riro nickte mit einem Ausdruck des Unwillens auf seinem Gesicht, dann drehte er sich um und ging zurück zur Feuerstelle. “Alles in Ordnung bei dir?”, sprach Ryoudo Atoeru an. Dieser zuckte zusammen und ließ einen Teil des Holzes fallen, das er bereits gesammelt hatte. Der Angesprochene drehte sich zu Ryoudo um, man konnte sehen, dass er sich nicht wohl fühlte. “Es geht schon... ich hab... nur ein wenig... Angst, das ist alles”, meinte Atoeru. “Ich verstehe nicht... wie könnt ihr so ruhig bleiben? Ihr redet, als wären wir nicht in einer fremden Welt. Als würden uns nicht überall Dinosaurier bedrohen... Wie könnt ihr so ruhig sein?” Ryoudo schüttelte den Kopf. “Unser Verhalten ist der Grund, warum wir so bleiben können. Wir schaffen uns die Illusion einer normalen Welt. Wir wissen, dass wir hier ständig in Gefahr sind, aber wir versuchen, es zu ignorieren. Wie war dein Name? Aturo oder so ähnlich, stimmts?” Der Ältere grinste. “Tut mir Leid, aber sowas kann ich mir nicht so gut merken.” “Atoeru”, sagte der Junge. “Also, Atoeru, du wirkst nicht so, als würde es dir so gut gehen, wie du es vorgibst.” Ryoudo setzte sich an einen Baum und bedeutete Atoeru, sich ebenfalls zu setzen. Dieser kam der Aufforderung nach. “Was bedrückt dich, Atoeru? Du kannst es mir ruhig sagen, ich verrate es niemandem.” Atoeru blickte Ryoudo erstaunt an. Bisher hatte er Fudos kleinen Bruder nur als jemanden kennengelernt, der seinen Bruder bewunderte und der eher das tat, was ihm gesagt wurde und weniger selbst die Initiative ergriff. Seine Verwunderung war auch deutlich auf seinem Gesicht zu sehen. “Ja, ich handle auch eigenmächtig”, bestätigte Ryoudo. Atoeru blickte ihn nur noch verwunderter an, dann drehte er seinen Kopf, so dass Ryoudo nicht mehr hineinschauen konnte. “Ich... vermisse meine Familie”, flüsterte Atoeru. “Meinen Vater und meine Mutter... ich habe Angst, dass ich sie nie wieder sehen werde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir nie wieder nach ... nach Hause zurückkommen.” Er verstummte und zitterte leicht. Ryoudo wurde klar, dass der Jüngere weinte und leise schluchzte, was auch das Zittern hervorrief. Aber Ryoudo konnte das verstehen. Er vermisste seine Eltern auch, aber er hatte wenigstens noch Fudo, an den er sich halten konnte. Atoeru hatte niemanden, an den er sich mit seinen Sorgen, seinen Fragen und mit dem, was ihn bedrückte, wenden konnte. Ohne zu wissen, warum, griff Ryoudo nach Atoerus Schultern und drehte ihn zu sich. Über Atoerus Gesicht liefen die Tränen, seine Augen flossen davon über, und sein Atem ging stoßweise. “Tut mir Leid, ich wollte dich nicht zum weinen bringen”, flüsterte er. “Ich wollte dir nur helfen. Ich dachte, du würdest dich besser fühlen, wenn du jemandem erzählt hast, was dich bedrückt. Mir ging es danach immer besser. Es tut mir wirklich Leid!” Atoeru zog ein wenig Tränenflüssigkeit, welche sich einen Ausgang durch seine Nase zu schaffen versuchte, hoch, blinzelte mehrmals, um die Tränen aus den Augen zu vertreiben, und schaffte es dann sogar, ganz schwach zu lächeln. “Es geht mir besser, Ryoudo. Du hattest recht, es hat geholfen, zu erzählen, was mich bedrückt. Aber... nein, ist nicht so wichtig”, brach er dann ab. Ryoudo hatte allerdings etwas auf Atoerus Gesicht gesehen, dass ihn nachhaken ließ. “Es ist wichtig. Sag, was du denkst, sonst wird es dich nur wieder bedrücken”, sagte der Ältere, in der Hoffnung, damit den Jüngeren zu überreden, weiterzusprechen. Er hatte Erfolg. “Naja... ich beneide dich... und Kichi... und Riro... ihr habt alle jemanden aus der Familie hier, der euch Halt geben kann.” Über Atoerus Gesicht liefen frische Tränen, die dünne Spuren auf seinem Gesicht hinterließen. Ryoudos Gesicht wurde traurig. “Das ist aber auch schlecht”, entgegnete er und verstummte. Atoeru sah verwundert in die Augen des Älteren, und als er die Sorge darin gesehen hatte, verstand er, was dieser meinte. Man musste es nicht aussprechen. Die beiden Jungen blickten sich noch kurz an, dann standen sie auf und sammelten weiter Holz, um sich vom dem, worüber sie gerade nachgedacht hatten, zu viel nachgedacht hatten, zu verdrängen. “Du hast zwar niemanden aus deiner Familie hier, aber du hast dennoch Familie”, sagte Ryoudo. “Wir sind alle eine Art Familie, wir müssen zusammenhalten. Also, wenn du mal Probleme hast, wende dich einfach an einen von uns anderen. Und du kannst mich ruhig Ryo nennen, das tun alle”, meinte der Ältere. Atoeru nickte einfach nur, griff nach einem Ast und legte ihn auf den wachsenden Stapel in seiner Armbeuge. Nur einige Minuten später hörten die beiden Jungen, die gerade ihr Holz zur Feuerstelle gebracht hatten und wieder in den Wald gegangen waren, zusammen mit Riro, den sie wieder zur Sammelgruppe eingezogen hatten, Raidons wütende Stimme vom Lager her erschallen. Sie ließen das Holz fallen und rannten zum Lager zurück. Fudo hatte erst zwei weitere Stangen in den Boden treiben können, als Raidon und Yokato wieder zurückgekehrt waren. Die beiden stellten die Kiste zu den anderen, legten die Pistolen dazu und gingen zum See. Sie knieten sich nieder, tranken ein wenig Wasser und standen wieder auf. Der Älteste beachtete sie nicht weiter, sondern nagelte die Stange, die er eben in den Boden geschlagen hatte, fest und griff nach der nächsten. Ely hatte Sakura inzwischen im Lager herumgeführt. Kichi und Yoko waren den beiden teils aus Neugier, teils aus Langeweile gefolgt und hatten so das Lager ein wenig besser kennengelernt. “Solltest du Probleme haben, sag es einfach, wir werden sehen, was wir tun können. Nur solltest du dich von dem Luxusleben, das du früher gelebt hast, verabschieden”, sagte Ely ruhig. “Wir haben nichts, was den Lebensstandard, den du gewöhnt bist, auch nur annähernd erreicht.” “Das ist kein Problem”, entgegnete Sakura. Sie fuhr sich geistesabwesend durchs Haar und entfernte die letzten kleinen Äste, die sich dort noch von ihrem unfreiwilligen Aufenthalt auf einem Baum befanden. Kichi und Yoko hatten sich inzwischen von den beiden entfernt und beobachteten Fudo dabei, wie der das Zelt baute. Nach nur einer halben Minute wurde ihnen jedoch wieder langweilig, und sie liefen auf den Waldrand zu, um den Jungs beim Holzsammeln zuzusehen, in der Hoffnung, dass ihnen dann weniger langweilig wäre. Yoko hatte zwar Angst, sich dem Waldrand zu nähern, aber da dort auch die Jungs waren, sprach sie es nicht laut aus. Kichi hatte genausoviel Angst wie Yoko, aber auch sie sprach es nicht aus, weil sie ihre neue Freundin, die sich ihrer Meinung nach noch mehr in dieser Welt fürchtete als sie selbst, nicht noch mehr ängstigen wollte. Auf halbem Wege sahen die beiden jedoch Raidon und Yokato mit einer Kiste zurückkommen. Die Mädchen drehten sich wieder zum Lager um und gingen dorthin zurück, da sie wissen wollten, was sich in der Kiste befand. Kichi hatte nicht gemerkt, dass Munitionskisten mit ihnen eingesogen worden waren. Die Mädchen bemerkten nicht, wie angespannt Yokato und wie wütend Raidon war, sonst wären sie nicht so schnell zurück zum Lager gelaufen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)