Welt der Dinosaurier von FudoKajimoto ================================================================================ Kapitel 6: Der Morgen des zweiten Tages: Alte und neue Probleme --------------------------------------------------------------- Kapitel 6 Der Morgen des zweiten Tages: Alte und neue Probleme Das Feuer knisterte hörbar. Fudo stand ein Stück davon entfernt und blickte in den Wald. Er versuchte, die Augen offenzuhalten, aber es fiel ihm schwer. Er hielt eines der Gewehre in seiner linken Hand, der Lauf war zu Boden gerichtet. Er versuchte zu erkennen, ob sich in der Dunkelheit, die am Rande des Waldrandes begann, Dinosaurier befanden und die Gruppe beobachteten, die sich auf der Lichtung ein provisorisches Lager errichtet hatten. Allerdings war die Dunkelheit, die durch das Feuer auf der Lichtung scheinbar noch verstärkt wurde, unmöglich mit den Augen zu durchdringen. Fudo versuchte zu hören, ob sich im Wald etwas regte, aber er hörte nichts bis auf seinen Atem, seinen Herzschlag und das gleichmäßige Atmen der schlafenden Personen, an denen er gerade vorbeiging. Er hatte sich einige Minuten zuvor aus Elys Armen befreit -sie war eingeschlafen und Fudo wollte sie nicht wecken, da sie friedlich zu schlafen schien-, hatte die Decke, auf der sie gesessen hatten, so gut es ging um sie gelegt, damit ihr nicht so kalt war, und hatte begonnen, um das Lager zu patroullieren. Er genoß es, die kühle Nachtluft auf seiner Haut zu spüren. Die Luft war das einzige, das ihn noch wach hielt. Es blies ein leichter, kühler Wind, und dieser Wind löste bei Fudo immer wieder ein bisschen Gänsehaut aus. Durch den Wind und die Bewegung schaffte er es, seine Aufmerksamkeit und seine Gedanken gut genug zusammenzuhalten, um sich auf die Umgebung konzentrieren zu können. Fudo machte sich Gedanken darüber, was sie weiterhin machen sollten. Er versuchte bereits zu schätzen, wie lange die Äpfel, die an den Bäumen um die Lichtung herum wuchsen, reichen würden, um die Gruppe, die hier rastete, zu ernähren. Schließlich sättigten Äpfel nicht lange. Er schätzte, dass die Äpfel vielleicht noch zwei, maximal jedoch drei Wochen reichen würden. Allerdings überlegte er, was sie sonst noch an Essen hier finden könnten, da die Jüngeren sich irgendwann nicht mehr mit Äpfeln zufrieden geben würden. Er ging zum Feuer, legte die Waffe zur Seite, nahm zwei dicke Äste vom Haufen mit dem Feuerholz und legte sie auf das Feuer, welches schon ziemlich heruntergebrannt war. Er wartete kurz, bis die Äste Feuer gefangen hatten, und legte noch drei weitere, dünnere Äste dazu. Dann hörte Fudo im Wald, aus der Richtung, aus der sie am Tag zuvor gekommen waren, ein Fauchen. Es war allerdings sehr leise, und Fudo war nicht wirklich beunruhigt. Zur Sicherheit nahm er jedoch das Gewehr wieder zur Hand und ging zu Ely, die Augen auf den Wald gerichtet und die Ohren gespitzt. Er legte Ely sanft eine Hand auf die Schulter und weckte sie. „Was... was ist los?“, fragte die eben Geweckte schlaftrunken. „Bin ich eingeschlafen?“ Sie sah Fudo vor sich knien, das Gewehr in der einen Hand, und wurde beinahe schlagartig hellwach. „Ist was passiert?“ „Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe, aber ich habe das Fauchen von Raptoren gehört“, sagte Fudo leise zu ihr. „Ich bin nicht sicher, ob wir in Gefahr sind oder nicht. Ich wollte dich wecken, bevor sie uns angreifen, was ich allerdings nicht hoffe!“ Ely sah Fudo an, dann lächelte sie und nickte. Sie griff neben sich, wo das zweite Gewehr lag, und stand auf. Sie blickte sich um, dann hörte auch sie das Fauchen aus dem Wald. „Ich hoffe, die kommen nicht hierher“, flüsterte Ely mit sorgenvoller Stimme. Sie blickte in die undurchdringliche Dunkelheit des Waldes, in die Richtung, aus der die Geräusche kam. Fudo stand neben ihr, das Gewehr im Anschlag, und blickte ebenfalls in den Wald. Seit er das Gefauche gehört hatte, war er wieder wirklich hellwach, sein Körper war von Adrenalin durchflutet. Die beiden Jugendlichen blieben einige Minuten stehen, dann war das Fauchen nicht mehr zu hören. „Sie sind weg“, seufzte Ely erleichtert. „Ich hoffe, dass sie nicht herausfinden, wo wir sind!“ Ely sah Fudo an, dann begann sie zu gähnen. Sie blickte zum Himmel und sah, dass die Monde schon halb über den Himmel gewandert waren. „Sollen wir die anderen wecken, Fudo? Ich bin müde“, sagte Ely gähnend. Fudo blickte sie an, dann nickte er. „Ich bin auch müde“, stimmte er ihr zu. Er hängte sich das Gewehr über die Schulter und ging zum Schlafplatz von Raidon und Yokato. Fudo rüttelte beide kurz an den Schultern, bis sie einigermaßen wach waren. Nachdem die beiden gemerkt hatten, wo sie waren, standen sie leise auf, um die anderen nicht zu wecken. „Wir haben vor einigen Minuten Fauchen gehört“, erzählte Fudo den beiden, nachdem sie sich zu ihm und Ely gesellt hatten. „Wir wissen nicht genau, ob die Raptoren noch näherkommen, aber seid auf der Hut. Weckt uns im Notfall, ok?“ Raidon und Yokato nickten. Fudo und Ely gaben den beiden die Gewehre, dann gingen sie zu dem Schlafplatz, auf welchem vorher die beiden Zwillinge geschlafen hatten. Ely und Fudo legten sich leise hin. Ely legte ihre Arme um Fudo und schlief kurz darauf ein. Fudo hatte seine Arme ebenfalls um seine Freundin gelegt. Er lag nur wenige Minuten wach, denn die Müdigkeit, die er schon seit langer Zeit spürte, überwältigte ihn schnell. Er schloss die Augen und schlief ebenfalls ein. Yokato und Raidon setzten sich ans Feuer, legten ein bisschen Holz nach und beobachteten dann den Wald. Sie versuchten, gegen die Müdigkeit anzukämpfen, die sie immer noch plagte, obwohl sie einige Stunden geschlafen hatten. Raidon hatte sich im Schneidersitz ans Feuer gesetzt und sich das Gewehr über die Knie gelegt. Er starrte ins Feuer und beobachtete, wie die Funken durch die Luft flogen. Yokato stand wieder auf und ging im Feuerschein am Waldrand entlang. Er versuchte, seinen Augen Zeit zu geben, sich so gut es ging auf die Dunkelheit des Waldes einzustellen, dies gelang ihm jedoch nicht wirklich. Er nahm das Gewehr in beide Hände und lief weiter entlang des Feuerscheins am Waldrand entlang. Er war beunruhigt durch das, was er von Fudo gehört hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Fudo keinen Scherz gemacht hatte, als er von dem Gefauche erzählt hatte, denn die Panik in Fudos Augen und die Sorge in seinem Gesicht waren deutlich zu sehen gewesen, als er es erzählt hatte. Yokato behielt seinen Blick weiter in Richtung Wald gerichtet, während er seine Runde beendete und zu seinem Bruder ans Feuer zurückkehrte. “Wir sitzen ziemlich in der Tinte”, flüsterte Raidon, nachdem sich sein Bruder wieder ans Feuer gesetzt hatte. Er blickte in Richtung des Waldes, der so undurchdringlich wirkte und voller tödlicher Gefahren war, dann zu den schlafenden Menschen, die sich nur wenige Meter entfernt auf einigen dünnen Decken schlafen gelegt hatten und mehr oder weniger friedlich schlummerten. “Das stimmt. Aber was sollen wir machen? Wir sind hier, und weg können wir nicht. Wir wissen ja nicht einmal, warum wir hier gelandet sind... und noch weniger, wie. Aber das ist auch nicht wichtig!” Yokatos Stimme klang ruhig wie schon bei den Gesprächen zuvor, doch man konnte in seinem Gesicht noch immer die Sorgen sehen, die er sich machte. “Aber zum Glück sind wir nicht allein hier gelandet.” Er sah auch zu den Schlafenden hinüber. “Mir tut Atoeru Leid”, fügte er dann noch hinzu. Raidon sah seinen Bruder verständnisvoll an. “Ich glaube, ich weiß, warum. Alle hier haben einen Bruder oder eine Schwester, jedenfalls eine Person aus der Familie, an die sie sich halten können, die sie tröstet und sich um sie sorgt, nur Atoeru nicht, stimmts?” Raidon sah seinen Bruder nicken, und redete sofort weiter. “Aber Atoeru ist nicht allein. Er ist mit uns hierhergezogen worden, also sollten wir uns auch um ihn kümmern, finde ich!” Yokato sah seinen Bruder nun sehr erstaunt an. Sonst war sein Bruder immer ein Egoist gewesen, wenn es einmal gefährlich geworden war, auch seine Arbeit als Schulsanitäter hatte da nicht wirklich geholfen. Aber hier, in dieser unbekannten Welt, in der Gesellschaft einer kleinen Gruppe von Menschen, die dasselbe Schicksal erlitten hatten, entwickelte er einen Beschützerinstinkt für einen Jungen, den er erst seit einem Tag kannte. Yokato fand das Ganze erstaunlich und verwunderlich. Er war jedoch nicht veängstigt deswegen, sondern sogar froh. Sein Bruder hatte angesichts der Gefahr, die sie umgab, seine harte Schale brechen lassen. “Ich bin auch dafür, dass wir ihm zeigen, dass er nicht allein ist”, meinte Yokato schließlich. Raidon hatte das Zögern seines Bruders bemerkt. “Was hast du, Yokato? Ich hab das Gefühl, du traust mir das nicht zu!” “Das ist es nicht, Raidon, wirklich... ich wundere mich nur über diesen plötzlichen Sinneswandel. Früher warst du in Gefahrensituationen immer egoistisch und hast dich nur um dein Wohl gekümmert. Und jetzt sorgst du dich um einen Jungen, den du kaum kennst. Du würdest dich auch wundern, wenn sich jemand so schnell so drastisch ändern würde, oder?” Yokato sah seinen Bruder abwartend und berechnend an, er versuchte, die Antwort von Raidon vorauszusehen und möglichen Erwiderungen, die gegen seine These sprachen, bereits Gegenargumente in den Weg zu legen. Diese Art der Diskussion hatten die Geschwister schon oft gehabt. Meistens kamen sie zu keinem Ergebnis. Raidon überraschte seinen Bruder jedoch, indem er die einzige Aktion ausführte, die Yokato nicht erwartet hatte. Raidon nickte. “Da muss ich dir Recht geben, Yokato, das ist verwunderlich. Aber nicht viele kommen in UNSERE Situation, oder? Was in einer solchen Situation passiert und was nicht, kann niemand vorhersagen. Aber ich wundere mich selbst ein bisschen darüber, dass ich mir um Atoeru Sorgen mache”, erklärte Raidon weiter. Er blickte in das inzwischen wieder stärker heruntergebrannte Feuer und legte zwei weitere dicke Äste darauf. Dann sah er wieder seinen Bruder an. Yokato nickte nur und blickte dann ins Feuer. Raidon lauschte den Geräuschen des Waldes, konnte aber nichts gefährliches hören, oder jedenfalls nichts, das er als gefährlich interpretierte. Einige Zeit später stand er auf und ging den gleichen Weg, den schon Yokato gegangen war, um nicht einzuschlafen und den Wald zu beobachten. Die ganze Nacht über wechselten sich die Geschwister mit dem Patroullieren ab und legten immer wieder Holz auf das Feuer, damit es nicht ausging. Sie sprachen kaum noch, und wenn, dann über unwichtige Dinge. Die Nacht blieb jedoch ruhig, und es war kein Fauchen mehr zu hören. Die beiden Wachen waren froh darüber, und auch darüber, dass im Osten -sie hielten es jedenfalls dafür, denn im Osten ging in ihrer Welt die Sonne auf- ein heller Streifen am Himmel erschien und den Beginn eines neuen Tages ankündigte. Yokato sah es als Erster. Er war gerade auf seiner Runde, als er am Horizont, über den Kronen der Bäume, sah, wie das dunkle blau, das den Himmel bisher gefärbt hatte, langsam heller wurde und in ein Orange überging. Er lief schnell zu seinem Bruder und weckte diesen aus dem Halbschlaf, in dem er sich befunden hatte. Zusammen beobachteten sie, wie die Sonne sich schließlich über den Rand, den die Baumkronen bildeten, schob und die Lichtung in ihr Licht zu tauchen begann. “Endlich ist diese Nacht vorbei”, seufzte Raidon. Sein Gesicht war blass, und unter seinen Augen waren dunkle Ränder zu sehen, die zeigten, dass er zu wenig Schlaf gehabt hatte. Er rieb sich seine Augen, dann stand er auf und ging zu den Schlafenden hinüber. Er beugte sich zu Fudo hinunter und rüttelte an seiner Schulter, bis dieser ebenfalls wach wurde. Ely, welche immer noch in Fudos Armen lag, wurde dadurch ebenfalls wach. Die Beiden gähnten, dann sahen sie sich um und die Erinnerungen an den gestrigen Tag durchfluteten ihr Gehirn. Sie richteten sich auf und sahen Raidon an. “Was ist los?”, fragte Fudo. Er gähnte. “Es ist morgen. Wir sind müde und würden uns gerne etwas erholen”, antwortete Yokato, welcher nun ebenfalls dazugetreten war. “Wärt ihr so freundlich und würdet uns wieder ablösen?” Fudo sah Ely an, bedeutete ihr, dass sie liegenbleiben könne, wenn sie wolle, aber sie antwortete nur mit einem Kopfschütteln. Dann sahen beide Raidon und Yokato an und nickten. Fudo stand auf und half seiner Freundin ebenfalls auf die Beine. “Die Gewehre liegen in der Nähe der Feuerstelle, die Pistolen liegen bei den Munitionskisten”, sagte Yokato, dann legte er sich auf einen der freigewordenen Plätze, gähnte, schloss die Augen und drehte sich zur Seite. Raidon folgte seinem Beispiel, und nur zwei Minuten später waren beide eingeschlafen. Fudo blickte sich auf der Lichtung um, die durch den Tau, der das Gras befeuchtete, im Licht der aufgegangenen Sonne glänzte. Er konnte nicht anders, als diesen Anblick zu genießen. Er wusste zwar, dass sie sich immer noch in Gefahr befanden, aber dieses Naturschauspiel war einfach überwältigend. Er ging schließlich zum Feuer und setzte sich dort nieder. Er legte etwas Holz nach, bemerkte, dass der Stapel fast verschwunden war und hoffte, dass sie genug neues Holz sammeln konnten, um das Feuer die nächste Nacht hindurch brennen zu lassen. Dann blickte er zum Rest der Gruppe, deren Schutz er jetzt wieder übernommen hatte. “Du bist besorgt, das sieht man dir an”, sagte Ely und lehnte sich an ihn. “Das sollte man nicht”, entgegnete Fudo mit einem halbherzigen Grinsen auf den Lippen. “Ich versuch, mich zu beherrschen und die Sorge nicht durchscheinen zu lassen!” Ely lächelte ihren Freund an. “Das ich dir ansehe, dass du besorgt bist, heißt nicht, dass alle es merken, Fudo. Du weißt, ich kenne dich sehr gut, und kann beinahe jede noch so kleine Geste von dir deuten, genauso wie du beinahe jede meiner Gesten deuten kannst”, flüsterte sie. Sie legte ihren linken Arm um seinen Körper und genoss das Gefühl, als er seinen rechten Arm um ihren legte. Sie hatte das Gefühl, dass ihr, solange Fudo bei ihr war, nichts passieren würde, dass allein seine Anwesenheit die Gefahren verscheuchen würde. Fudo wollte etwas sagen, wurde aber von einem Geräusch aus dem Wald daran gehindert. Es war ein Ast gewesen, der geknackt hatte, und beinahe sofort hatte Fudo sich von Ely gelöst, sich umgedreht, das Gewehr in die Hand genommen, und den Lauf, auf dem linken Knie kniend, in die Richtung gerichtet, aus der das Knackgeräuch gekommen war. Einige Sekunden später konnte man zwischen den Bäumen den Schemen eines großen Dinosauriers erkennen. Er ging, soweit Fudo und Ely das sagen konnten, auf vier Beinen, war mehr als drei Meter groß, und wirkte nicht wie ein Fleischfresser. Fudo senkte den Gewehrlauf und beobachtete den Dinosaurier, der zwischen den Bäumen hervorkam. “Die Art kenne ich”, sagte er zu Ely, als er ihn erkennen konnte. Der Dinosaurier ging auf vier Beinen, wobei die vorderen um einiges dünner waren als die hinteren. An den Innenseiten der vorderen Füße waren dornenartige Knochen zu sehen, die wirkten, als wären sie nicht nur zur Zierde da. “Was ist das für einer?” Ely konnte die Angst, die sie verspürte, nicht aus ihrer Stimme fernhalten. Sie blickte ängstlich zu den Dornen an seinen Füßen, auf denen braune Flecken zu sehen waren, von denen sie annahm, dass es sich um getrocknetes Blut handelte. “Was genau das ist, kann ich nicht sagen, aber wir haben ihn gestern schon gesehen, als wir die Lichtung gefunden haben. Scheint, als wäre das sein Wasserloch!” Fudo richtete das Gewehr wieder auf den Dinosaurier, der vom Waldrand aus zu ihm und Ely herüberblickte. Als der Dinosaurier jedoch das Feuer, welches durch die beiden halb verdeckt worden war, sah, stieß er einen panischen Ruf aus und verschwand wieder im Wald. “Und es scheint, als hätte er Angst. Entweder vor uns, oder, was ich eher glaube, vor dem Feuer”, fügte Fudo hinzu. Er erhob sich wieder, hielt das Gewehr jedoch weiter auf den Waldrand gerichtet. Durch den Schrei war der Rest der Gruppe aufgeweckt worden. Die Jüngeren, die die Nacht mehr oder weniger ruhig durchgeschlafen haben, richteten sich auf und blickten sich auf der Lichtung um. “Das war gar kein Traum”, flüsterte Kichi mit weinerlicher Stimme. Sie saß, auf ihre Hände gestützt, da, und beobachtete den Waldrand an der Stelle, an welcher der Dinosaurier gerade verschwunden war. Ihre Haare sahen so wirr aus, als wenn sie sich seit drei Tagen nicht gekämmt hätte, und in ihrem Gesicht konnte man noch Spuren von Tränen sehen. Sie hatte einen nicht ganz so erfreulichen Traum gehabt und im Schlaf geweint, konnte sich jedoch nicht mehr daran erinnern. “Nein, es ist wahr. Wir sind hier, in einer Welt voller Dinosaurier”, bestätigte Riro Kichis Worte mit einer Stimme, die ein wenig fasziniert, ein wenig ängstlich und ein wenig ungläubig klang. Er hatte neben ihr geschlafen und gehört, was seine kleine Schwester zu sich selbst geflüstert hatte. Er hatte bisher auf dem Rücken gelegen, nun drehte er sich auf seine linke Seite, dann richtete er sich auf, stützte sich auf seinen linken Arm und sah Kichi an. Als er sah, dass sie schon wieder kurz davor war, zu weinen, legte er den rechten Arm von hinten um ihre Schultern und zog sie an sich. Er hatte schon vor einiger Zeit gemerkt, dass Kichi sich so leicht beruhigen ließ, jedenfalls hatte Ely es so immer geschafft. Kichi drehte sich zu ihrem Bruder herum und vergrub ihr Gesicht in seiner rechten Schulter. Sie begann zu weinen. “Alles wird gut, uns wird nichts passieren, Schwesterchen”, flüsterte Riro in einem beruhigenden Ton. In seiner Stimme konnte man zwar hören, dass auch er Angst hatte, aber dennoch hatte er Vertrauen zu seiner großen Schwester und zu Fudo. Die beiden anderen Jugendlichen konnte Riro nicht einschätzen. Ryoudo hatte sich bereits erhoben und war zu Fudo und Ely gegangen, da er gesehen hatte, dass Fudo das Gewehr in Richtung des Waldes erhoben hatte. “Was war los?”, fragte er neugierig und ein bisschen beunruhigt. Er sah Fudo an und hoffte, er würde sofort antworten. Dieser jedoch hängte sich nur das Gewehr wieder über die Schulter und drehte sich zum Lager um, ohne auf die Frage seines Bruders einzugehen. Ryoudo stellte sich vor Fudo und wedelte mit seiner Hand vor dessen Gesicht herum. “Hallo? Jemand zu Hause?”, fragte er mit einer besorgten Stimme. Fudo blickte seinen Jüngeren Bruder an. Dann bewegte er sich seitlich an ihm vorbei. “Wenn alle wach sind, erzähl ich es allen, so lange musst du dich wohl noch gedulden”, sagte er ruhig und ging zu den anderen, die noch auf den Decken lagen oder saßen. “Tut mir Leid, dass ihr nicht mehr viel Schlaf bekommen habt”, sagte er, während er sich neben Raidon und Yokato auf die Decke setzte. Raidon murrte daraufhin nur, drehte sich auf die Seite und schloss seine Augen wieder. “Kein Problem”, sagte Yokato mit müde klingender Stimme. “Aber ich glaube, wir stehen etwas später auf und versuchen jetzt, noch ein bisschen zu schlafen!” Er schloss ebenfalls seine Augen. Fudo stand wieder auf und blickte die Jüngeren an. Riro hatte noch immer seinen Arm um Kichi gelegt und diese weinte auch noch immer. An Riros Stimme, die vom ruhigen Ton zu einem eher resignierten Ton gewechselt hatte, merkte man, dass er das nicht mehr lange aushalten würde. Während Fudo mit den Zwillingen geredet hatte, war Ely zu ihren Geschwistern gegangen und versuchte nun ebenfalls, Kichi wieder zu beruhigen. Riro hatte die Umarmung gelöst und Ely daraufhin sofort ihre kleine Schwester sanft in die Arme genommen. Die Ältere flüsterte mit ruhiger Stimme und versuchte, Kichi dazu zu bringen, nicht mehr zu weinen. Fudo blickte über die Köpfe der Gruppe hinweg, dann hörte er, wie sein eigener Magen knurrte. Er bedeutete Ryoudo, der neben Ely als einziger wirklich auf den Beinen war, ihm zu folgen, und ging auf den Waldrand zu. “Warum soll ich mitkommen?”, fragte Ryoudo verwirrt. “Ich dachte, du wolltest den anderen erzählen, was gerade eben los war!” Ryoudo hatte zu seinem Bruder aufgeschlossen und lief neben ihm her. Fudo deutete auf die Apfelbäume. “Mit leerem Magen lässt sich nicht gut erzählen. Wir holen das Frühstück”, erklärte der Ältere der beiden. Er trat zu dem Apfelbaum, auf den sie zugegangen waren -er lag, von der Lichtung und dem See aus gesehen, etwa senkrecht zum Seeufer und etwa achzig Meter von dem Baum, der auf der Lichtung stand, und etwa einhundert Meter vom See entfernt- und trat dagegen. Durch die Erschütterung fielen mehrere Äpfel zu Boden, der Großteil schaukelte jedoch nur in der Höhe an den Stielen umher. Fudo trat nochmals gegen den Baumstamm, doch der Tritt zeigte keine Wirkung. Ryoudo hatte die Äpfel inzwischen aufgehoben. “Ich glaube, ich weiß, warum sie runtergefallen sind”, sagte er mit einer Stimme, in der Ekel mitschwang. Er zeigte Fudo einen der Äpfel, der schon braun und leicht angeschimmelt war. Als Fudo das gesehen hatte, erschrak er. “Das ist nicht gut”, meinte er, woraufhin Ryoudo ihn nur mit einem komischen Gesichtsausdruck ansah. “Wenn die Äpfel anfangen, schlecht zu werden und zu schimmeln, was sollen wir dann demnächst essen?”, führte er seine Überlegung weiter aus. Ryoudo verstand nun, warum Fudo der angeschimmelte Apfel erschreckt hatte. Auch er selbst machte sich nun Gedanken über die Folgen, wenn sie keine Äpfel mehr zum essen pflücken könnten. 'Genau darum ist er mein Vorbild', dachte sich Ryoudo und sah Fudo kurz ehrfurchtsvoll an. Dann warf er die angeschimmelten Äpfel in den Wald und half Fudo, auf den Baum zu klettern. “Ich werfe sie dir zu, und du fängst sie auf”, sagte Fudo mit einer ruhigen, vielleicht zu ruhigen Stimme, an der man merkte, dass er sich nicht wirklich wohl fühlte, aber die anderen nicht beunruhigen wollte. Er stützte sich am Baumstamm ab und kletterte in etwa vier Meter Höhe hinauf. Dort griff er nach einem Apfel, der leuchtend rot etwa vierzig Zentimeter vor seinem Gesicht hing. Er pflückte ihn vom Baum und warf ihn seinem jüngeren Bruder zu. Ryoudo fing den Apfel geschickt mit seiner rechten Hand auf und legte ihn vor sich auf den Boden. Fudo hatte inzwischen den nächsten Apfel gepflückt und warf ihn herunter. Ryoudo fing den Apfel mit einiger Mühe ebenfalls mit der rechten Hand auf, legte ihn schnell neben den ersten und wartete dann auf den nächsten. Fudo ließ ihn fallen, Ryoudo fing ihn und legte ihn zu den anderen. Diese Erntemethode wandten sie beinahe einige Zeit an, dann kletterte Fudo wieder von Baum, weil er meinte, es wären genug Äpfel. Sie hatten in kurzer Zeit etwas mehr als drei Dutzend Äpfel gepflückt. Er hob einen Teil davon auf, den Rest nahm Ryoudo, dann gingen sie beide wieder zurück zum Lagerplatz. Ely hatte es inzwischen geschafft, Kichi wieder zu beruhigen. Daraufhin war die Älteste mit ihren Geschwistern zum Feuer gegangen, die Jüngere hatte sich an ihre Schwester geklammert, Riro ging ein kleines Stück vor den beiden. Er setzte sich auf die Decke, die noch am Feuer lag, und blickte die Feuerstelle an, in welcher das Feuer nicht mehr wirklich brannte, sondern nur noch ein bisschen glomm. Er nahm den letzten Ast, der noch an der Stelle lag, an welcher sie das Holz vom vorigen Abend gelagert hatten, und legte ihn auf das letzte glimmende Stück Holz. Ely und Kichi hatten sich ebenfalls auf die Decke gesetzt, Ely redete noch immer beruhigend auf ihre Schwester ein, diese verstärkte dabei jedoch nur den Klammergriff um den Arm der Älteren. Fudo ging zu der Gruppe, legte die Äpfel ab, beugte sich zum Feuer hinunter und fachte es gerade genug an, um den Ast, den Riro daraufgelegt hatte, zum brennen zu bringen. “Wir müssen nachher wieder Holz sammeln”, sagte Fudo, laut genug, damit alle es hören konnten. Die anderen, mit Ausnahme von Kichi, nickten, nachdem sie gesehen hatten, wie schnell der Vorrat an Brennholz aufgebraucht worden war. Ryoudo tippte Riro auf die Schultern, als dieser sich umdrehte, flüsterte Ryoudo ihm etwas zu. Riro nickte zustimmend. “Wenn es ok wäre, dann sammeln Riro und ich Holz”, sprach Ryoudo für sich und den Jüngeren. Er blickte erwartungsvoll in die Runde. Nachdem er gemerkt hatte, dass auf keinem Gesicht irgendeine ablehnende Reaktion zu sehen war, sprach er weiter. “Da es scheint, als hätte niemand etwas dagegen, tun Riro und ich das. Aber erst nach dem Frühstück”, endete er, griff zwei der Äpfel, die sie gerade gepflückt hatten, gab einen davon Riro und biss in den anderen hinein. Die anderen nickten nur stumm, nahmen sich ebenfalls einen Apfel und begannen zu essen. Kichi war die zögerlichste der Gruppe. Sie nahm einen kleinen Apfel, beäugte ihn von allen Seiten, roch einmal kurz daran, dann erst biss sie hinein. Noch immer hatte sie sich mit einem Arm an den Arm ihrer großen Schwester geklammert. Ihr Körper zitterte noch immer ein bisschen, da sie sich in dieser Umgebung fürchtete, aber niemand außer Ely bemerkte es. Fudo nahm vier große Äpfel zur Seite, damit Raidon und Yokato, welche wieder eingeschlafen waren, auch noch etwas zu essen hatten, wenn sie wach wurden. Den Apfel, den er sich genommen hatte, hatte er bereits zur Hälfte gegessen. Es schien ihm jedoch, dass der Apfel ihn nicht mal ein bisschen satter machen würde. Nachdem er den ersten jedoch gegessen hatte, merkte er, dass das nur daran lag, dass er großen Hunger hatte. Deshalb nahm er sich einen zweiten und begann, diesen ebenfalls zu essen. 'Das haben wir doch erst behandelt. Äpfel werden sehr schnell verdaut, darum habe ich so großen Hunger. Seit gestern ernähre ich mich nur von Äpfeln...', dachte er bei sich. “Du wolltest doch noch etwas erzählen”, sprach Ryoudo schließlich Fudo an. Dieser nickte, dann grinste er. “Es sind zwar noch nicht alle wach”, entgegnete er. “Aber du hast Recht, ich kann es ja schonmal sagen. Heute mogen, kurz bevor ihr wachgeworden seid, ist ein Dinosaurier hier gewesen.” Kaum hatte Fudo das Wort 'Dinosaurier' gesagt, ließ Kichi den Apfel, den sie aß, fallen, und klammerte sich wieder fest an ihre große Schwester. Ely sah Fudo an, schüttelte den Kopf und bedachte ihn mit einem Blick, der deutlicher als tausend Worte 'Warum musstest du das ausgerechnet jetzt sagen?' ausdrückte. Fudo grinste entschuldigend und setzte eine Miene auf, die deutlich 'Es tut mir Leid' ausdrückte, dann wurde er wieder ernst. “Keine Sorge, es war ein Pflanzenfresser. Es scheint, als wäre das hier seine Wasserstelle, aber als er das Feuer gesehen hat, ist er in den Wald verschwunden. Ich hoffe, er kommt nicht wieder!” Die beiden Jungen stimmten Fudo zu, auch sie hofften, das Feuer habe den Dinosaurier verschreckt. Kichi klammerte sich jedoch nur stumm an den Arm ihrer Schwester, in ihren Augen, in welchen Tränen standen, und an ihrem Gesichtsausdruck sah man, dass die vorher gezeigte Ruhe nichts als Fassade gewesen war. Sie hatte Angst davor, dass Fudo sich irrte und der Dinosaurier wiederkommen würde. Sie hatte Angst vor diesen Lebewesen bekommen, seit sie die Raptoren gesehen hatte. Sie sagte jedoch nichts, sondern griff roboterhaft nach dem Apfel, den sie hatte fallenlassen und der auf der Decke gelandet war, hob ihn auf und aß weiter. Nach dem kargen und nur für eine kurze Weile sättigenden Frühstück standen alle auf und verschwanden nach und nach kurz im Wald, um ihre Blase zu leeren. Fudo ging zum See und trank ein bisschen Wasser, dann ging er zurück zum Lagerplatz, welcher sich auf etwa zehn Meter Radius um den Baum beschränkte. Er nahm das Gewehr wieder an sich, welches er liegengelassen hatte, und lehnte sich dann neben den Kisten mit der Munition an den Baum, den Gewehrknauf in der rechten Hand, den Lauf zu Boden gerichtet. Er ließ seinen Blick über die Bäume am Rand der Lichtung streifen, um zu sehen, ob sich dort irgendwelche Dinosaurier aufhielten, die der Gruppe gefährlich werden könnten. Ryoudo und Riro hatten sich inzwischen in den nahen Wald begeben, um dort Holz zu sammeln. Ely setzte sich auf den -bis auf die schlafenden Zwillinge- verlassenen Schlafplatz. Sie legte sich nicht hin, um zu schlafen, das lag allerdings auch nur daran, dass Kichi ihren Arm noch immer nicht losgelassen hatte. Ely war müde und wollte eigentlich nur noch schlafen, hielt sich jedoch wach, damit ihre kleine Schwester nicht noch mehr Angst bekam, als sie ohnehin schon hatte. Nach einigen Minuten döste sie jedoch ein und fiel in einen Zustand des Halbschlafes. Kichi war schon kurz zuvor eingedöst und hatte somit nicht gemerkt, dass auch Ely schlief. Fudo beobachtete das Lager und die Gruppe, die sich gesammelt hatte, und ließ vor seinem geistigen Auge den gestrigen Tag noch einmal ablaufen. Alles, was er gestern erlebt hatte, seit er mit Ely aus der Stadt zurückgekommen war und er Zuhause den Velociraptor getötet hatte, der seinen Bruder und die Geschwister seiner Freundin verfolgte. Er überlegte, ob er irgendetwas hätte besser machen können in seinen Versuchen, die zusammengewürfelte Gruppe, die sich um ihn und Ely gebildet hatte, weil er und sie die anderen am besten verteidigen konnte, zu schützen. Nach einigen Minuten ließ er den gestrigen Tag jedoch auf sich beruhen, da er wusste, dass er nichts mehr an seinen Taten ändern konnte. Er blickte sich nochmals im Lager um, das sich um den Baum herum gebildet hatte. Zufällig fiel sein Blick dabei auf die Munitionskisten, auf welchen die unbenutzten Waffen lagen. Eine Pistole fehlte. Fudo beugte sich sofort zu den Kisten hinunter, in der Hoffnung, sie wäre einfach nur hinter einer der Kisten, aber er konnte sie nicht finden. Beim Suchen merkte er auch, dass es die Pistole war, deren Lauf verbogen war, wodurch die Waffe jedoch unbrauchbar war, da die Kugeln eine unberechenbare Bahn hatten. 'Die hat sicher Ryoudo genommen, bevor sie in den Wald sind... verdammt', dachte sich Fudo panisch. Er stieß sich vom Baum weg und lief schnell auf den Waldrand zu. Gerade, als er diesen erreicht hatte, hörte er leise panische Schreie, die aus der Richtung kamen, in welcher die beiden Jüngeren verschwunden waren. Fudo beschleunigte und griff mit der linken Hand nach dem Lauf des Gewehres, so dass es sich schräg vor seiner Brust befand. Er rannte in die Richtung, aus welcher die Schreie kamen, und hoffte, dass er noch rechtzeitig kommen würde. Fudo rannte einige Zeit durch den Wald, zumindest kam ihm das so vor. Während er rannte, merkte er, dass er das Lager ungeschützt zurückgelassen hatte, da er gesehen hatte, wie Ely eingeschlafen war. Aber das war ihm in diesem Augenblick egal. Er hatte keine Gefahr erkennen können, als er losgerannt war. Er hoffte, dass das auch so sein würde, wenn er zurückkäme, und lief weiter. Nach kurzer Zeit kamen ihm jedoch die beiden Jungen entgegen, beide hatten die Arme voller Äste, und sie sahen nicht aus, als hätten sie vor kurzem vor Angst geschrien. “Alles in Ordnung bei euch?”, fragte Fudo besorgt. Als er die verwirrten Blicke der beiden Jungen sah, war er sich sicher, dass sie nicht geschrien hatten. Er schüttelte den Kopf, drehte sich um, damit die Jüngeren nicht sahen, was sein Gesicht gerade zeigte, und ging mit ihnen zurück zum Lager. “Du wirkst besorgt, Fudo”, flüsterte Ryoudo, der etwas schneller ging, um neben Fudo zu gelangen. Er sah zu seinem Bruder hinüber und in sein Gesicht auf und grinste. “Hast du dir Sorgen gemacht? Wenn ja, dann musstest du das nicht. Ich hatte eine Waffe dabei, wir waren sicher.” Ryoudos Stimme hatte einen ruhigen, ernsten, aber auch etwas schrillen Ton angenommen, der zeigte, dass er doch mehr Angst hatte als er eigentlich zeigen wollte. Fudo blickte seinem Bruder in die Augen, dann schüttelte er den Kopf. “Ich sags dir später velleicht mal”, meinte er. “Außerdem... die Pistole, die du mitgenommen hast, ist kaputt... aber ich bin froh, dass ihr sie nicht nutzen musstet!” Fudo konnte beobachten, wie sofort jegliche Farbe aus dem Gesicht seines jüngeren Bruders wich, bis dieser weiß wie Kreide zu sein schien. Der restliche Weg zurück zum Lager war in tiefes Schweigen gehüllt, da Ryoudo in seinen Gedanken die verschiedensten Schreckensszenarien durchspielte, die hätten passieren können, wenn sie gefährliche Dinosaurier getroffen hätten. Riro folgte den beiden in etwa zwei Metern Abstand, er konnte nicht schneller laufen, selbst wenn er gewollt hätte, das Holz, das er trug, war seiner Meinung nach viel zu schwer. Ryoudo betrat ein Stück vor Fudo die Lichtung. Er blickte sich um und konnte nichts erkennen, was darauf hindeutete, dass auch nur eine einzige Person im Lager in Gefahr gewesen war. Dies musste jedoch nicht viel heißen, da sie hier, an diesem Ort, an den es sie verschlagen hatte, ständig in Gefahr waren. Ryoudo ging zur Feuerstelle und legte das Holz daneben ab. Riro tat dasselbe, und die beiden Jungen setzten sich auf das Gras der Lichtung. Fudo hatte sich wieder an den Baum gelehnt und das Gewehr neben sich gestellt. Er grübelte noch immer über den Schrei nach, den er gehört hatte. Hatte er ihn sich nur eingebildet? Wenn dies der Fall war, dann wurde er schon verrückt, oder er war zu gestresst. Fudo hoffte, dass es nur der Stress gewesen war. Dann hörte er wieder diesen Schrei, schrill und verängstigt. Er blickte automatisch in die Richtung, von der er glaubte, dass der Schrei gekommen war. Ryoudo und Riro blickten ebenfalls dorthin. 'Sie haben es auch gehört', dachte Fudo nur, dann griff er nach der Waffe neben sich, stieß sich vom Baum ab und ging langsam in die Richtung, in der er die schreiende Person vermutete. Ryoudo war bereits aufgesprungen und zu seinem Bruder geeilt. “Was war das, Fudo?”, fragte er ängstlich. “Wir haben das schon im Wald gehört. Ist das wieder ein Dinosaurier?” Fudo blickte seinen jüngeren Bruder an, dann schüttelte er den Kopf. “Ich glaube nicht, dass es ein Dinosaurier ist, Ryo. Ich glaube eher, dass noch mehr Menschen hier gelandet sind. Ich werde nachsehen. Bleib du hier und erklär Ely, wo ich hin bin, ok?” Sie hatten bereits den Waldrand erreicht. Fudo blickte noch einmal kurz zum Lager und zu seiner schlafenden Freundin zurück, dann ging er mit schnellen Schritten davon. Ryoudo blieb stehen und sah ihm nach, sah, wie Fudo beinahe automatisch das Gewehr über seine linke Schulter hängte, aus der Tasche sein Taschenmesser holte und damit im Vorbeigehen Pfeile in die Bäume ritzte. Dann war er im Zwielicht des Waldes verschwunden. Ryoudo ging schnell zu Ely und weckte sie. Fudo bewegte sich vorsichtig, aber dennoch schnell und bestimmt durch den Wald. Mit dem Messer, das er in seiner rechten Hand hielt, schnitt er dünne Pfeile in einige der Bäume, an denen er vorbeikam. Inzwischen konnte er die Schreie besser hören, und hatte sie als menschliche Schreie erkannt. Es schien sich um ein Mädchen zu handeln, jedenfalls schätzte er dies an der Tonhöhe der Schreie. Er wurde immer vorsichtiger, da er merkte, wie die Lautstärke der Schreie zunahm. Schließlich vernahm er noch einen weiteren Laut. Es war Fauchen. Eine Art Fauchen, die er zwar nicht oft gehört hatte, die er aber trotzdem zweifelsfrei erkannte. Es war das Fauchen von Raptoren. Fudo klappte sein Messer zusammen und steckte es in die Hosentasche zurück, in der er es immer trug. Dann nahm er das Gewehr von der Schulter, überprüfte, ob es geladen war und schlich schließlich weiter. Nur etwa hundert Meter entfernt sah er sie schließlich. Es waren fünf der kleinen Raubsaurier, von denen das Fauchen stammte. Sie hatten sich um einen Baum versammelt und versuchten, an ihm emporzuspringen. Die Schreie stammten von einem Mädchen, das oben im Baum saß. Fudo konnte es nicht genau sehen, da ihm Äste einen Teil der Sicht versperrten, aber er glaubte, einen weiteren Menschen hinter dem Mädchen zu erkennen. Er legte das Gewehr an und schoss. Einer der Dinosaurier klappte zusammen, die Kugel hatte seine Hüfte zerschmettert. Die anderen vier Dinosaurier blickten sich um, um zu sehen, warum ihr Gefährte plötzlich schwer verletzt am Boden lag. Fudo hatte sich jedoch hinter einem Baum verborgen. Die Raptoren sahen sich hektisch um, sie konnten nicht verstehen, was gerade passiert war. 'Dazu seid ihr einfach nicht intelligent genug', dachte Fudo, der durch die Lücke, die der Stamm des Baumes, hinter dem er sich versteckte, an der Stelle aufwies, an der er sich teilte, während er die Raptoren beobachtete. Er schob das Gewehr zwischen die beiden Teilstämme, zielte kurz und schoss wieder. Die Kugel streckte einen weiteren Raptor zu Boden. Die Drei noch stehenden liefen aufgeregt zwischen ihren Gefährten hin und her, ignorierten dabei die Blutlachen, in die sie oft genug traten. Erst jetzt wurde Fudo bewusst, dass die Person auf dem Baum schrie. Das Geräusch schien seine Ohren zum bersten zu bringen. Er versuchte, es zu verdrängen, legte wieder an und schoss. Die Kugel pfiff knapp am Bein eines der noch stehenden Raptoren vorbei, aber es genügte, um diesen dazu zu bringen, sich umzudrehen und in den Wald zu verschwinden. Die beiden anderen Raptoren blickten kurz zu ihren gefallenen Brüdern, aus denen mit jeder Sekunde mehr Leben floss, dann schlossen sie sich dem fliehenden Mitglied ihrer Gruppe an. Fudo schloss die Augen, ignorierte weiterhin die schrillen Schreie, die vom Baum kamen, drehte sich um, ließ sich zu Boden sinken, griff in seine linke Hosentasche, holte drei Kugeln heraus und lud sie in das Magazin des Gewehres. Dann erst stand er auf und ging die letzten Meter bis zum Baum, seine Augen waren dabei auf den Wald um ihn herum und auf die beiden Raptoren vor ihm gerichtet. “Es ist alles in Ordnung”, rief er der Person im Baum zu, die er vorher gesehen hatte. Nur wenige Sekunden später hörten die Schreie endlich auf. Fudos Ohren klingelten noch etwas, aber er ignorierte es, während er weiterhin zum Baum blickte. “Sie sind weg. Es gibt keinen Grund mehr, noch dort oben zu sitzen. Sie werden bald wiederkommen, und dann sollten wir nicht mehr hier sein!” Wie um dies zu bestätigen hörte man in der Ferne den lauten Ruf eines Raptors, der beinahe sofort von einem heiseren Schrei vom Baum beantwortet wurde. Nur wenige Sekunden später kletterten zwei Mädchen vom Baum herunter, wobei das eine so jung wirkte wie Kichi. Beide hatten langes, blondes Haar, das jedoch verdreckt war und in dem sich einige wenige kleine Äste und Blätter verfangen hatten. Fudo bedeutete den beiden, ihm zu folgen, und lief in Richtung Lager zurück, wobei er an den Bäumen, an denen sie vorbeikamen, aufmerksam nach den Pfeilen suchte, die er erst vor kurzem geritzt hatte. Besorgt schaute er sich immer wieder nach Dinosauriern um, die ihnen folgen konnten, aber zum Glück konnte er keine erkennen. “Wer bist du?”, hörte er hinter sich eine Stimme. Er blickte zurück und erkannte, dass das ältere der beiden Mädchen ihn angesprochen hatte. “Und wo sind wir hier?” Fudo wurde etwas langsamer, bis er neben dem Mädchen lief. “Wo wir sind, kann ich auch nicht sagen, da ich es nicht weiß. Was mich betrifft, ich heiße Fudo. Ich bin mit einigen anderen Menschen hier gelandet, und seitdem versuchen wir, das beste aus unserer Situation zu machen.” “Und warum bist du her aufgetaucht?”, fragte das ältere Mädchen leicht verwirrt. “Nicht, dass Yoko und ich nicht dankbar wären, aber...” “Ich hatte Schreie gehört und dachte, da ist jemand in Gefahr. Ich hab nicht lange nachgedacht, sondern bin los, um herauszufinden, woher die Schreie stammen. Dann hab ich die Raptoren und euch gesehen und sie vertrieben. Ganz einfach.” Fudos Stimme hatte sich während dieser extrem kurzen Erklärung nicht ein bisschen von dem ruhigen Ton, mit dem er sprach, entfernt, was ihm weitere verwunderte Blicke von Seiten der immer noch verängstigten Mädchen einbrachte. Das ältere Mädchen versuchte noch ein oder zwei Mal, ein Gespräch zu beginnen, aber Fudo achtete nicht wirklich darauf, sondern versuchte im Halbdunkel des Waldes die Pfeile wiederzuentdecken. “Ist es noch weit?”, fragte schließlich das jüngere Mädchen, das ihm bereits als Yoko vorgestellt worden war. Fudo schüttelte den Kopf. “Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir da”, sagte er ruhig, dann verfiel er wieder in Schweigen und führte sie den Weg zurück, den er gekommen war. Nur wenige Minuten später wurde es heller, und schließlich hatten sie den Waldrand erreicht. Fudo trat auf die Lichtung und blickte sich schnell um. Seit er gegangen war, war erst eine halbe Stunde vergangen, und im Lager hatte sich kaum etwas verändert. Kichi schlief, jetzt jedoch an Riro geklammert, der Fudo mit einem Blick begrüßte, der 'Bitte, sorg dafür, dass sie mich loslässt' auszusagen schien. Ely war wieder auf den Beinen, saß bei der Feuerstelle und hatte die zweite Winchester über die Knie gelegt, und Ryoudo versuchte vergebens, das Feuer wieder zu entfachen. Als Ely ihn sah, winkte sie ihm zu und lächelte. Fudo hängte sich das Gewehr wieder über die Schulter und ging zu seiner Freundin. Die beiden Mädchen folgten ihm, da sie nicht wussten, was sie sonst machen sollten. “Warum hast du mir nicht selbst gesagt, wo du hingehst?”, fragte Ely Fudo, als dieser sich zu ihr setzte. Sie setzte eine beleidigte Miene auf, aber dann lächelte sie wieder, um ihm zu zeigen, dass sie es nicht so meinte. Er legte das Gewehr beiseite, und sie legte ihren Arm um ihn und lehnte sich gegen seine Schulter. Die beiden Mädchen setzten sich ein wenig abseits von Fudo und Ely nieder. “Die Schreie stammten von diesen beiden Mädchen”, sagte Fudo, der gemerkt hatte, dass Ryoudo Ely erklärt hatte, wo er hingegangen war. “Sie waren von Raptoren bedroht worden.” Ely sah die beiden Mädchen an und lächelte. “Geht es euch gut?”, fragte sie mit freundlicher, besorgter Stimme. “Wir haben auch schon Bekanntschaft mit diesen Echsen gemacht, daher wissen wir, was passieren kann. Seid ihr verletzt?” “Wir sind nicht verletzt”, antwortete das ältere Mädchen leise. Sie war nervös, weil sie keinen einzigen Erwachsenen im Lager gesehen hatte. Jetzt im Tageslicht wirkte Fudo, der sie vor nicht einmal einer Stunde gerettet hatte, jung, sie schätzte ihn auf etwa sechzehn. “Ich hab Hunger”, sagte Yoko und setzte einen betrübten Blick auf. Ely nickte, löste sich von Fudo und stand auf. “Ich hole euch was zu essen”, sagte sie. “Allerdings nur unter einer Bedingung.” Die Mädchen sahen sie erwartungsvoll an. “Ihr stellt euch vor”, meinte Ely grinsend. “Ich heiße Ely. Ich bin mir fast sicher, Fudo hat sich schon vorgestellt”, fuhr sie fort, nachdem sie einen Blick mit ihrem Freund gewechselt hatte. “Ich heiße Sakura, und das ist meine kleine Schwester Yoko”, antwortete sie lächelnd, dann konnte man deutlich hören, wie ihr Magen knurrte. Ely lächelte und ging zu den Apfelbäumen am Rand der Lichtung. “Entschuldigt mich bitte”, sagte Fudo nur wenige Sekunden später, nachdem er den Blick gesehen hatte, mit dem Sakura ihn unauffällig zu mustern versuchte. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass Sakura ihn in der kurzen Zeit, seit er sie und ihre Schwester getroffen hatte, nicht aus den Augen gelassen hatte. Und er wusste, dass auch Ely dieser Blick nicht entgangen war. Fudo erhob sich, nahm das Gewehr, das dank Ely neben ihm lag, und lehnte sich wieder an den Baum, um den herum sie sich eingerichtet hatten. Er spürte deutlich, dass er ebenfalls wieder Hunger bekam, aber erstaunlicherweise hatte er keinen Appetit. Er glaubte, dass das an der Entdeckung der faulen Äpfel lag. Sie waren zwar noch nicht einmal zwei Tage hier, aber da er keine Ahnung hatte, ob und wie sie jemals wieder nach Hause kommen sollten, rechnete er mit dem Schlimmsten. Und das war, dass ihnen das Essen ausgehen könnte. Vor den Raptoren hatte er nicht so viel Angst wie davor, dass ihnen das Essen ausgehen könnte. Er beobachtete, wie Ely mit einigen Äpfeln zurückkam und sie den beiden reichte. Sie blickte zu ihm auf und lächelte. Er lächelte zurück, und die ganzen Sorgen, die ihn gerade bedrückt hatten, waren kurzzeitig verschwunden. Aber nur allzu früh holten würden sie ihn wieder einholen, das wusste er. Wieder spürte er Sakuras Blick auf sich, und um diesem zu entkommen, ging er zu dem Teil des provisorischen Zeltes, das er gerade baute, und weckte Raidon und Yokato. “Wir haben Besuch”, sagte er mit einem komischen Grinsen, als sie endlich wieder einigermaßen bei Bewusstsein waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)