Tagträume von angeljaehyo (One-Shots) ================================================================================ Kapitel 1: Der Skandinavier --------------------------- Sanft wachte Raito auf. Die Klimaanlage brummte leise und vier Beine waren in einem Gewirr aus weißen Laken verheddert. Sein brunetter, verwuschelter Kopf hob und senkte sich im Takt der Brust, auf der er lag. Leicht lächelnd wandte er sich dem Fenster zu - die Palmen draußen wiegten sanft im übriggebliebenen Wind vom gestrigen Monsun. In der Nacht hatte es stark geregnet und gestürmt - nicht, dass Raito allzu viel davon mitbekommen hatte, aber er fand, dass diese Geräuschkulisse doch irgendwie sehr passend zum Verhalten seines Partners war, wenn sie miteinander schliefen. So wild dieser gestern gewesen war, so sanft sah sein Gesicht in den einfallenden Sonnenstrahlen an diesem Morgen aus, als sich Raito zu ihm drehte und ihm leicht einige schwarze Haarsträhnen aus dem kindlich anmutenden Zügen strich, woraufhin ihr Besitzer unwissentlich die Nase leicht kraus zog. Raito lachte seinen langsam aufwachenden Freund an und küsste ihn fast unmerklich auf die Wange. "Guten Morgen, Rouraito", flüsterte er. Wie erwartet drehte angesprochener Schwarzhaariger sein Gesicht in das Kissen und stöhnte. "Du solltest mich doch nicht so nennen." Raito setzte sich auf und genoss den Ausblick - es war Flut und das Meer eroberte Stück für Stück das von weißem Sand bedeckte Land zurück. "Mir gefällt der Name aber", meinte er lächelnd und sah den einzigen Anblick, der ihm noch lieber als die paradiesische Küste war, an. Ein Auge starrte vorwurfsvoll von dem Chaos aus weißer Bettwäsche und tiefschwarzem Haar zu dem jungen Brunetten herauf. "Nur weil er deinem so ähnlich ist, oder?" Raito lachte. "Erwischt." Lawliet - oder, in seiner japanischen Form 'Rouraito' - setzte sich nun auch auf und kratzte geistesabewesend sein rechtes Handgelenk und den Unterarm, eine Gewohnheit, die er sich vor langer Zeit - so kam es den beiden zumindest vor - angeeignet hatte. "Oh nein...", stöhnte er auf. "Die Sonne knallt heute wieder so runter." Der blasse Mann hatte ganz rosige Wangen, was allerdings nicht Raitos Schuld war, sondern die der Sonne - würde er sein leichtes weißes T-Shirt ausziehen, sähe man seinen ganzen, roten Sonnenbrand. "Nicht einmal Lichtschutzfaktor 40 hilft bei dir...", hatte Raito gestern noch gelacht. "Was wollen wir denn machen, wenn du nicht in die Sonne kannst?", fragte er nun und fand den Sonnenbrand seines Freundes nicht mehr lustig - ER wollte nämlich in die Sonne und weiter braun werden. Lawliet ließ sich wieder ins Bett fallen und lächelte seinen Gefährten von unten schelmisch an. "Also...", sinnierte er und legte seinen Zeigefinger an den Mund, "ich wüsste da schon etwas..." Plötzlich schossen seine dünnen, blassen Arme nach oben, griffen sich Raito und zogen ihn zu ihm. Raito versuchte, vorwurfsvoll zu schauen, schaffte es aber beim Anblick seines Freundes nicht. "Du kriegst wohl nie genug?", neckte er ihn lächelnd. Lawliets Miene wurde auf einmal ernst. "Bis ans Ende meiner Tage nicht, Raito-kun..." ~~~ Düster starrte Yagami Raito geradeaus auf die Wand seiner Zelle und verachtete sich selbst. Für sein Aufgeben. Für seine Schmach. Und vor allem für seine Tagträume... Wie armselig war das denn? Er hasste sich dafür, dass er an jenem Tag zu schwach gewesen war, die acht Buchstaben in das Notizbuch zu schreiben. L Lawliet. L selbst war nie schwach. Ohne zu zögern hatte er ihn in diese Zelle verfrachtet, in der er nun auf die Vollstreckung seines Urteils wartete - die Giftspritze. Raito seufzte und schielte auf den Stoff seiner Zwangsjacke - eindeutig die Inspiration für die weißen Bettlaken, wie widerlich. Pervers. Verzweifelt blickte er zur Stahltür... Seine Familie war ihn schon besuchen gekommen. Es hatte ihn kalt gelassen: Die Tränen seiner Mutter, das Zittern Sayus, der gebrochene Mann, der mal sein Vater gewesen war. Dies war ihm so egal. Aber dass er von IHM noch nichts gehört hatte - von dem Mann, der ihm anscheinend so viel bedeutet hatte, den er trotz dem, was er ihm angetan hatte, noch bewunderte (anders als Raito selbst war Lawliet nicht zu schwach für seinen Job als L), den er als einzigen Menschen auf der Welt respektierte... Nach dessen Duft er sich sehnte, dessen Haut... Raito schüttelte bei dem Gedanken seinen Kopf. Wie erbärmlich er doch war. Aber dass er keine Nachricht von ihm hatte, geschweige denn einen Besuch von ihm bekam... Das verletzte ihn. Er dachte, L hätte ihn wirklich als Freund gesehen. Als ebenbürtigen Gegner. Hätte ihn respektiert. Würde Lawliet Raito noch respektieren, wenn er von seinen Tagträumen wissen würde...? Plötzlich ging die Tür auf. Der gleiche Aufseher wie jeden Tag kam mit Raitos Frühstück hinein. Hat der denn nie 'nen freien Tag...?, fragte sich Kira. Der Aufseher war ganz offensichlich Skandinavier - die Anlage, in der sie sich befanden, gehörte zu einem geheimen, internationalen Gericht und Gefängnis - hatte platinblondes Haar und hellblaue Augen. Seine Nase sah aus, als ob sie schon gebrochen gewesen wäre und er schaute immer sehr verdrießlich drein. Heute hatte er anscheinend besonders schlechte Laune. "Mund auf!", bellte der Skandinavier. Raito fand es immer erniedrigend, gefüttert zu werden, hatte aber keine andere Wahl. Er setzte sich kerzengerade hin und aß wortlos alles auf. Als er fertig war und der Skandinavier sich schon zum Gehen umdrehte, fragte Kira dieselbe Frage wie immer, bei der der Blonde schon immer die Augen verdrehte. "Habe ich eine Nachricht? War zufällig ein blasser, dunkelhaariger Mann mit schlechter Haltung da, der nach mir gefragt hat?" Wie immer schaute Raito mit glänzenden Augen zu dem Skandinavier herauf, hängte alle seine Hoffnungen in die blassen Lippen des Mannes, bei dessen Anblick Raito immer leicht an etwas Süßes erinnert wurde. (Insgeheim dachte sich Raito danach auch immer, dass er sich nie so sehen wollte, wie er wie ein Hund hechelnd nach seinem Herrchen fragte.) Wie immer schüttelte der Skandinavier den Kopf. Doch nach dem viel zu realistischen Tagtraum von heute Morgen war die eiskalte Abfuhr für den immer noch Jugendlichen zu viel. Mit einem verzweifelten, wütenden Gesichtsausdruck starrte er seinen Wächter an. "Bitte", sagte er eindringlich, leidenschaftlich. "Bitte, lügen Sie mich nicht an! Es ist... so wichtig..." Seine Stimme brach und mit ihr seine Anspannung, seine so hingebungsvoll aufrechterhaltene Würde. Er sackte auf dem Stuhl, auf dem er saß, zusammen. "Bitte...", sagte er mit gebrochener Stimme, eine Oktave höher. Als der Skandinavier die Schultern seines sonst so gefassten Hochsicherheitsgefangenen beben sah, flüsterte er azuf japanisch: "Es tut mir leid..." und verschwand. Raito war zu aufgewühlt, zu schwach, um sich darüber Gedanken zu machen. Draußen stand der Wächter schwer atmend an die Wand von Kiras Zelle gelehnt. Mit einem Ruck zog er sich die Perücke vom Kopf, sodass er ein paar seiner schwarzen Haare mit herausriss. Die Silikonnase schmiss er achtlos auf den Boden. Seine Tränen sammelten sich unter den hellblauen Kontaktlinsen, also nahm er sich schnell heraus. Die salzige Flüssigkeit schwemmte die Schminke unter seinen großen, schwarzen Augen weg und legte dunkle Augenringe frei. Lawliet rang um Atem, fasste sich an die Brust. "Raito..." Aufgelöst sackte er neben der Tür zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)