Bikou-no-Jutsu von Rabenkralle (Die Kunst der Beschattung) ================================================================================ Kapitel 24: Angst und Zweifel ----------------------------- Kapitel 24: Angst und Zweifel „Entschuldige, dass ich mich eben so habe gehen lassen.“ Gedankenverloren spielte Temari mit dem Kunai in ihrer Hand herum. „Das hätte nicht passieren dürfen.“ „Schon in Ordnung.“ Shikamaru seufzte und starrte in den Himmel. „Wir sind zwar Ninja, aber im Grunde auch nur Menschen wie alle anderen.“ „Trotzdem … Ich komm mir gerade wirklich dumm vor.“ Mit Schwung warf sie die Waffe in die Höhe, nur um sie anschließend wieder zu fangen und letztendlich so hinter dem Band ihres Kimonos zu befestigen, sodass sie niemandem auffallen würde. Beim nächsten Mal würde sie sich auch ohne ihren Fächer zu verteidigen wissen … Das versteckte Kunai auf ihrer rechten Seite beruhigte sie ungemein. Auch ansonsten ging es ihr schon deutlich besser als noch vor einer Viertelstunde. Tief atmete sie ein und aus. „Was hatte dieser Angriff nur zu bedeuten?“ „Ich hab keine Ahnung. Ich frage mich nur, ob es überhaupt jemals einen echten Informanten gegeben hat“, äußerte sich Shikamaru. „Du meinst also, das könnte ein abgekartetes Spiel gewesen sein?“ „Ich bin mir nicht sicher. Aber nach meinem Geschmack gibt es einfach zu viele Ungereimtheiten. Ein starker Kagebunshin, der mir an die Gurgel wollte, aber das Original lässt sich nicht blicken. Vielleicht wollte man uns gar nicht töten … Wenn es so wäre, ist mir die Art des Überfalls aber zu heftig. Das passt irgendwie nicht zusammen …“ „Ja, dann war das wirklich eine zu drastische Maßnahme …“, entgegnete Temari. Obwohl sie sich einigermaßen beruhigt hatte, steckte ihr das Erlebte noch immer in den Knochen. Der Gedanke, dass alles bloß gespielt gewesen sein könnte, nahm ihr trotzdem ein bisschen die Last von den Schultern. „Oder aber jemand hat sich einen bösen Scherz erlaubt und lauert schon auf die nächste Gelegenheit, uns den Garaus zu machen.“ Temari musste unbeabsichtigt schlucken. „Ich hoffe nicht …“ Shikamaru beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Vielleicht hätte er Letzteres besser nicht sagen sollen. Doch als Ninja musste man nun mal auf alles gefasst sein … „Ich glaub auch nicht, dass es so kommt. Es wird einfach ein Test gewesen sein“, warf er ein. Allerdings sagte er es nicht, weil er davon überzeugt war, sondern um ihr die Furcht zu nehmen. Er kannte diese verängstigte Seite von ihr schließlich nicht. Und so schnell wollte er das auch nicht mehr erleben … Hoffentlich hatte sie sich bald gefasst und wurde wieder die Alte … Am Gasthaus angekommen, setzten sie sich auf die Terrasse. Zu dieser Abendstunde hielten sich dort viele Leute auf. In dieser Menge würde Temari sich bestimmt etwas wohler fühlen … „Möchtest du vielleicht was zu trinken?“, fragte Shikamaru. Sie nickte: „Pfefferminztee und dazu am besten eine Beruhigungstablette.“ Die zweite Hälfte des Satzes versuchte sie, scherzhaft zu betonen, doch das wollte ihr nicht so recht gelingen. Er seufzte. „Den Tee besorg ich dir. Aber ich glaub nicht, dass ich irgendwo so ’ne Tablette herkriege.“ „Schon okay.“ Sie setzte für einen Augenblick ein Lächeln auf. „Der Tee reicht mir schon.“ Während Shikamaru ihr den Tee holte, starrte Temari unentwegt auf ihre Hände. Sie zitterten noch immer ein wenig … Kurzerhand vergrub sie ihr Gesicht in ihnen, um es nicht mehr sehen zu müssen. Sie fühlte sich so schrecklich schwach … Nur war sie das denn überhaupt? Immerhin hatte sie den Kagebunshin ohne ein einziges Ninjutsu überwältigt. Das machte sie trotzdem alles andere als stolz. Das einzig Gute daran war, dass sie Shikamaru gerettet hatte. Was interessierte sie da die Methode, wie sie es angestellt hatte? Temari hob ihren Kopf und fasste an das Kunai. Falls es ein nächstes Mal geben würde, würde sie es besser machen und nicht mehr vor Angst zittern. Nein, noch einmal würde sie nicht wie ein Schwächling aussehen … „Danke“, sagte sie, als sie die Tasse Pfefferminztee entgegen nahm und auf dem Tisch abstellte. „Pass auf, er ist ziemlich heiß.“ Shikamaru ließ sich auf seinem Platz nieder. „Ich weiß.“ Temari lächelte ihn an. „Aber ich denk dran.“ Sie pustete und nahm einen kleinen Schluck. Der Tee rann angenehm durch ihre Kehle und erwärmte und belebte sie von innen. Sie hatte gar nicht gemerkt, was für einen trockenen Hals sie hatte … „Geht es dir inzwischen besser?“, erkundigte er sich schließlich, obwohl er ihr Grinsen bemerkt hatte. „Ja, es geht schon“, entgegnete sie. „Ich hatte ja nicht umsonst psychologisches Training.“ Ob das wirklich der Wahrheit entsprach? Damals, als sie ihn das gefragt hatte, hatte sie noch viel überzeugter geklungen. Aber vielleicht irrte er sich ja auch und sie konnte doch besser mit der Situation umgehen, als es momentan den Anschein hatte. Trotzdem war es wohl klüger, nicht weiter nachzufragen. Nicht, dass er damit alles nur noch schlimmer machte … „Okay.“ Shikamaru gab sich zufrieden. „Aber wenn es dir nicht gut geht, möchte ich das bitte wissen.“ „Keine Sorge.“ Sie lächelte erneut. „Dazu wird es nicht kommen.“ Als es langsam dunkel wurde, gingen die beiden auf ihr Zimmer. Shikamaru setzte sich wieder an sein Shogi-Brett und Temari versuchte sich mit ihrem Buch abzulenken. Zum Glück war es bloß ein Sammelband mit Kriminalfällen und kein Thriller … Das Genre war nämlich das Letzte, was ihre Nerven gerade gebrauchen konnte. Nach einiger Zeit war sie ziemlich müde geworden. Dabei kratzte der kleine Zeiger der Uhr gerade mal die Zwölf an. Sie war erst vor elfeinhalb Stunden aufgestanden … So las sie noch etwas weiter. Bald merkte sie aber, dass es nichts mehr brachte. Sie musste dringend schlafen … Eigentlich hatte sie nicht einmal mehr Lust, ihre Zähne putzen zu gehen. Doch daran führte wohl kein Weg vorbei. Also raffte sie sich auf, schnappte sich ihre Tasche und verließ den Raum. Schon auf dem Flur beschlich sie ein beklemmendes Gefühl. Zum Glück war er gut beleuchtet und das Bad nicht so weit entfernt. Dort angekommen, betrachtete sie sich einen Moment im Spiegel. Die Entschlossenheit war komplett aus ihren Augen verschwunden. Das erste Mal seit langer Zeit … »Du siehst jämmerlich aus«, dachte sie in Anbetracht ihres Spiegelbildes. Gut, dass ihre Brüder sie so nicht sahen. Kankurou hätte in derselben Situation auch ohne seine Marionetten nicht die Nerven verloren. Und Gaara … Der hatte immer noch seinen Sand und war auch ohne Shukaku der beste Shinobi von Sunagakure. Würdig, den Titel des Kazekage zu tragen … Ganz im Gegensatz zu ihr, die den Rang des Jounin gar nicht verdiente. Tse, lächerlich, dass sie schon wieder daran dachte. Nachdenken tat ihr momentan wirklich nicht gut. Also putzte sie einfach ihre Zähne und versuchte, in der Zeit an nichts zu denken. Das gelang ihr auch einigermaßen. Auf dem Weg zur Toilette machte sich erneut ein gewisses Unwohlsein in ihr breit. Litt sie etwa schon unter Verfolgungswahn? Nein, sie musste Ruhe bewahren. Das war in der Stille jedoch alles andere als einfach … Fünf Minuten später war sie froh, als sie an ihrer Zimmertür ankam. Rasch zog sie sie auf und kaum war sie ihm Raum, schlug sie sie schlagartig hinter sich zu. Das war erstmal geschafft … „Was ist denn mit dir los?“, hörte sie Shikamaru fragen. „Ni… nichts“, stammelte Temari zurück. Ihr Herz schlug ihr gerade vor Aufregung bis zum Hals. „Ich dachte nur, da wär … Ach, egal.“ »Oje …«, kam es ihm in den Sinn. Auch dem besten Ninja konnte es passieren, dass er sich in Stresssituationen Dinge einbildete. Bei ihr kam es ihm aber schon merkwürdig vor, da der Vorfall nun einige Stunden zurück lag. Das Verhalten wollte so gar nicht zu ihr passen. Außerdem war er von beiden sonst der Angsthase, der es vermied, irgendetwas zu riskieren. „Meinst du nicht, es wäre besser, wenn du ab morgen wieder deinen Fächer mit dir rumschleppst?“, äußerte er sich. Ein verlockender Gedanke … „Kommt nicht infrage! Erstens fliegt so unsere Tarnung auf und zweitens muss ich lernen, auch ohne ihn zurecht zu kommen“, widersprach sie auf der Stelle. „Dann fliegen wir halt auf. Was spielt das jetzt noch für eine Rolle?“, entgegnete er. „Ich möchte nicht, dass du dich die nächsten Tage wie ein verschrecktes Huhn benimmst. Das wäre nämlich auffällig!“ „Ich verhalte mich doch nicht wie ein verschrecktes Huhn!“, missbilligte sie seine Aussage. „Doch, genau das tust du“, legte Shikamaru fest. „Ich kann dich ja verstehen, aber wenn du dich plötzlich so einem Druck aussetzt, ist das nicht gut für dich.“ Temari senkte ihren Blick. „Ja, kann schon sein. Trotzdem muss ich irgendwas tun, um beim nächsten Mal nicht wie ein Vollidiot dazustehen.“ „Es sagt doch keiner, dass wir hier noch einmal angegriffen werden.“ „Außerdem …“ Sie ignorierte seine Aussage, holte stattdessen das Kunai hervor und blickte ihn herausfordernd an. „… bin ich hiermit auch ziemlich gut.“ Sie warf es, es zischte knapp an Shikamarus rechtem Ohr vorbei und blieb in der Wand stecken. Er stand daraufhin auf und zog es wieder heraus. „Okay.“ Mit Schwung warf er das Kunai zu ihr zurück und sie fing es geschickt auf. „Du hast mich überzeugt.“ „Geht doch“, meinte sie zufrieden. Sie ging zum Bett herüber und platzierte die Waffe auf ihrem Nachttisch. Diese Aktion hatte sie wirklich gebraucht, um ihr Selbstwertgefühl etwas zu steigern … „Ach, Shikamaru …“, setzte sie an. „Meinst du, wir können irgendwo noch ein Kunai auftreiben? Mir wäre wohler, wenn du auch eins mit dir herumträgst.“ „Ich weiß zwar nicht, was das großartig bringen soll, aber wenn du dich dann besser fühlst …“ Er öffnete die Schublade und nahm ein einzelnes Kunai heraus. „Das hier hab ich neulich ’nem kleineren Jungen abgenommen, der mich damit in der Vorratskammer attackiert hat, als ich dir was zu essen geholt hab.“ „Ach so?“ Temari war überrascht. „Du hast ihn doch hoffentlich nicht zu sehr erschreckt.“ „Nicht mit Absicht.“ Shikamaru setzte ein Grinsen auf. „Aber als ich ihn gefragt hab, ob ihm seine Eltern nicht beigebracht haben, dass Waffen kein Spielzeug sind, hat er angefangen rumzuheulen und ist dann abgehauen.“ „Dabei bist du doch gar nicht so gruselig.“ Sie lachte auf. »Na, also …«, dachte er. Endlich hörte er wieder ihr Lachen. „Na gut, ich geh dann jetzt schlafen.“ Sie wandte ihm den Rücken zu und zog sich rasch ihr Nachtzeug an. Nach der Sache bei den heißen Quellen vor ein paar Tagen brachte es ohnehin nichts mehr, sich großartig zu genieren … Danach legte sie sich aufs Bett und verzichtete erst einmal auf die Decke, da es ziemlich warm im Zimmer war. „Soll ich das Fenster aufmachen?“, fragte Shikamaru nach. „Ja, bitte …“ Temari gähnte. Wenige Sekunden später spürte sie einen leichten Luftzug. Herrlich … „Ich bin dann eben noch mal kurz weg“, kündigte er an. „Meinst du, du kommst ein paar Minuten ohne mich zurecht?“ Lächelnd blickte sie ihn an. „Na, was denkst du denn?“ Er erwiderte ihr Lächeln und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Temari drehte sich auf die Seite, um die Lampe auszuschalten. Bevor sie das tat, fiel ihr Blick auf die Blume, die sie von ihm bekommen hatte. Sie schwamm auf der Wasseroberfläche einer tiefen Schale. Schön, dass sie noch nicht anfing, zu verblühen … Seufzend machte sie das Licht aus und legte sich wieder auf den Rücken. Gut, dass sie diesen Tag überstanden hatte … ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Obwohl dieses Kapitel irgendwie schon ein wenig die Beziehung zwischen den beiden heran treibt, kommt es mir nur wie ein Übergangskapitel vor … Na ja, auf nächste Woche könnt ihr euch hingegen ein bisschen freuen. Nichts Großartiges, aber ihr werdet ja sehen … Das Stichwort lautet jedenfalls: Annäherung. :D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)