The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 31: Straight Ahead -------------------------- Irgendwann am Nachmittag, als die Dämmerung sich schon wie ein dunkles Samttuch über den Horizont spannte, waren auf der Treppe in Helen Clancys Haus in Midgar wieder Schritte zu hören. Die Kuckucksuhr tickte leise vor sich hin, die Heizung rauschte und erfüllte das urige Wohnzimmer mit wohliger Wärme, die nun noch von etwas Anderem durchtränkt war: von Waffelduft. In diesem Punkt hatte Tifas Freundin sich strikt an die selbst aufgestellte Abmachung gehalten. Cloud hatte den Vormittag damit zugebracht, sich mit seinem Vater zu unterhalten, der vor lauter Panik völlig aus dem Häuschen gewesen war. Skylar war vielleicht mit einer Reeve’schen Scharfsinnigkeit gesegnet, aber Zusammenhänge vermochte er wohl zu erkennen – und er hatte schnell begriffen, dass man ihm längst nicht die ganze Wahrheit berichtet hatte. Cloud redete auf ihn ein, träge auf dem Sofa sitzend und das PHS am Ohr, und zeigte sich geduldiger denn je, während Helen in der Küche ihr Waffeleisen strapazierte. Da es genauso alt aussah wie der Rest des Hauses, musste es wohl ein Erbstück sein. Yuffie war als erstes aus ihrem murmeltierartigen Tiefschlaf erwacht und hätte sich wohl sofort auf die Waffeln gestürzt, wäre Cloud nicht zur Stelle gewesen, um sie an beiden Schultern zu ergreifen. Beleidigt verzog sich die junge Frau ins Badezimmer. Helen nahm die kleinen Unstimmigkeiten unter ihren Gästen gelassen zur Kenntnis, was daran liegen mochte, dass sie einige anstrengende Stunden auf der Suche nach dem Puderzucker verbracht hatte. Jedenfalls waren irgendwann wieder alle auf den Beinen. Während man sich schweigend um den Rundtisch versammelte, begann Cloud sofort seinen Bericht: „Übrigens, ich habe mich mit meinem Vater unterhalten.“ Barret schnitt eine Fratze. „Uff, wir hatten den Alten ganz vergessen. Du solltest dich ja eigentlich bei ihm melden.“ „Ja, vielen Dank auch, dass ihr mir das ausgerichtet habt.“ „Tut uns Leid. Aber schau nich’ mich so an, die Ander’n haben ja auch nich’ dran gedacht.“ „Wie auch immer, jedenfalls wollte er wissen, ob er uns irgendwie helfen kann, und ich sagte, ja, er solle sich doch mal umhören nach dem Spiegel des Alten Volkes ... schließlich hat er lange Zeit in einer Bibliothek gearbeitet ...“ „Und wie kommst du auf so ein Dingens?“, fragte Tifa mit hochgezogenen Augenbrauen. „Spiegel des Alten Volkes? Hä?“ „Ich weiß auch nicht, was das ist. Als ich eigentlich zu meiner Hinrichtung eskortiert werden sollte und stattdessen in diesem Büro landete, hat dieser Fawkes-Typ versucht, mich zu bedrohen, damit ich ihm mein Geheimnis verrate, wie ich an die Maschine gekommen bin. Seine Leute wurden, wie zu erwarten war, alle von Lukretia abgemetzelt. Tja, und ich fragte ihn, was er denn eigentlich wolle, und er sagte, er suche den Spiegel des Alten Volkes. Ich kam leider nicht mehr dazu, weiter nachzuhaken. Wir müssen wissen, was das ist. Er sagte auch, seine Quellen würden einen Hinweis auf den Keller unter der Villa liefern. Was sollen das für Quellen sein und von wem stammen sie? Texte? Aufzeichnungen? Irgendwo muss es etwas geben, und wir haben vielleicht nicht genug Zeit, uns danach umzuhören. Bei meinem Vater schöpft da ja niemand Verdacht.“ „In der Tat nicht“, sagte Reeve unter Stirnrunzeln. Aeris, die ihre Hände wie eine Betende gefaltet hatte, drehte sich zu ihrer Stuhllehne um, auf der die weiße Taube saß: „Sephiroth, weißt du irgendwas darüber?“ Der Vogel schüttelte den Kopf. Mit einem Blick zur Küche hin legte Cid einen Finger an die Lippen. „Leute, Vorsicht. Gleich kommt diese Glucke mit ihren Waffeln, und die würde sich ziemlich wundern, wenn sie uns reden hören würde ... oder wenn sie ihn reden sähe.“ Er zeigte auf Sephiroth. Die Anderen nickten einander einsichtig zu und rückten wie peinlichst ordentlich ihr Besteck zurecht, als Helen wieder aus der Küche zurückkam. „Also, die ersten drei sind etwas angebrannt ... aber sonst ... Na, was schaut ihr denn so erschrocken? Bin ich mitten in ein geheimes Gespräch hineingeplatzt?“ „Nicht doch, Helen“, antwortete Tifa mit aller Liebenswürdigkeit. „Wir sind schon auf deine Waffeln gespannt.“ Dies schien die Freundin zu versöhnen, und sie stellte den Rost, auf dem die Waffeln lagen, mitten auf den Tisch. „Dann nichts wie los.“ Yuffie hatte es mit dem Sirup gehörig übertrieben. Das gestand sie sich selbst ein, als sie sich auf ihrem Stuhl zurücksinken ließ. „Es dämmert schon wieder“, stellte Cid mit einem Blick aus dem Fenster fest. „Wir sollten längst auf dem Weg sein ...“ „Ich sehe, ihr müsst gehen.“ Helen sammelte die Teller ein und stapelte sie vor sich. „Aber sagt mir regelmäßig Bescheid, ob’s euch gut geht, ja?“ Tifa nickte. „Helen, danke für alles. Ohne dich hätten wir ordentlich festgesessen. Ich wusste, auf dich können wir zählen.“ „Kein Problem. Dasselbe hättest du für mich doch auch getan. Haben euch denn die Waffeln geschmeckt?“ „Die waren klasse“, sagte Reeve wohlwollend. „Gnnnaaah“, stöhnte Yuffie neben ihm. „Und jetzt soll ich auch noch in das Flugzeug? Oh Gott!“ Cid warf ihr einen strengen Blick zu. „Wer sich überfrisst, hat selber Schuld. Und mein Flugzeug wird nicht wieder vollgekotzt, damit das klar ist!“ Cloud erhob sich von seinem Stuhl. „So, wir haben jetzt wirklich lange genug gerastet. Danke für alles, Helen, aber jetzt müssen wir uns schleunigst wieder auf den Weg machen.“ „Ich verstehe. Na dann ... eure Jacken hängen im Flurschrank, ich gebe euch noch eine Decke und was zu Trinken mit.“ „Meine Güte ... können wir das annehmen?“ „Ihr müsst, sonst bin ich beleidigt.“ „Hm, na gut. Bei Gelegenheit revanchieren wir uns. So, sind alle startklar?“ Tifa verteilte mittlerweile die Jacken aus dem Flurschrank und reichte Cloud seine herüber. „Jetzt schon. Nehmen wir die Tiny Bronco?“ „Das sollten wir wohl. Mit der Substanz könnten wir es zwar nach Junon schaffen, aber der anschließende Weg nach Nibelheim wäre dafür zu weit.“ In der Dämmerung rief ein Käuzchen, und ein runder Vollmond beanspruchte einen großen Teil des Himmels für sich. Die Tiny Bronco stand, von der Tarnplane gänzlich unsichtbar gemacht, direkt vor dem lädierten Gartenzaun. „Den bringen wir nächstes Mal wieder in Ordnung“, murmelte Cid und streckte eine Hand aus, bis er gegen das vertraute kalte Metall stieß. „Ah ja, hier ist sie. Mir nach ...“ Die Tür in der Seite öffnete sich mit einem leisen Quietschen. „Sollte auch mal geölt werden“, flüsterte Yuffie. „Du sei still!“ „Und ihr wisst, wo so ein Substanzbrenner ist, ja?“, wollte Aeris wissen. „Wir benutzen den im praktischen Unterricht“, antwortete Cloud. „So einwandfrei funktioniert er zwar nicht, aber irgendwann klappt’s ... eigentlich kann man sich also nicht beklagen.“ Im Inneren des kleinen Flugzeugs gingen die Deckenlampen an, sodass man wieder sehen konnte, wo man sich eigentlich befand. „Beim nächsten Halt“, kam es von Cid aus dem Cockpit, „müssen wir unbedingt Sprit nachtanken. Sonst landen wir auf dem Weg nach Nibelheim irgendwo im Ozean und gesellen uns der Gelnika hinzu.“ Vorsichtshalber widersprach niemand. Es folgte eine mehr oder weniger ruhige Reise. Ja, Reisen, dachte Cloud, genau wie früher ... einmal hier, einmal dort. Es wird jedenfalls nicht langweilig. Habe ich das eigentlich vermisst ...? Er war hellwach, obwohl es schon fast wieder dunkel wurde, und seine Wunde schmerzte nicht mehr. Munter sah er aus dem Fenster, wo der spiegelblanke Ozean unter ihnen vorbeizog. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)