The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 29: On A Quest ---------------------- Der Schlafende Wald lag so still da wie eh und je. Keine Vögel zwitscherten und keine Tiere sprangen durch das Unterholz. Malerisch, voller Ruhe und Harmonie erstreckte sich der heilige Ort bis ans Ende des Übergangs, den das Grüppchen nun verließ. „So, ist ja schön und gut“, begann Cid, bereits im Begriff, sich endlich wieder eine Zigarette anzuzünden, „aber wie sollen wir ohne Mondharfe den Wald aufwecken? Hä?“ „Wir lassen ihn schlafen“, antwortete Aeris. Das fahle Licht der kaum merklich einsetzenden Morgendämmerung ließ sie bleich und geisterhaft wirken. „Ihr müsst nur zusehen, dass ihr hinter mir bleibt. Am besten, wir halten uns alle an den Händen.“ Yuffie schnitt eine Grimasse. „Wie im Kindergarten!“ „Du kannst natürlich auch in den unendlichen Weiten des Waldes verloren gehen“, gab Aeris zynisch zurück. Prompt umklammerte Yuffie Tifas Arm, die überrascht herumfuhr. Barret zuckte die Schultern und packte Nanakis Schwanzquaste, darauf achtend, sich nicht zu verbrennen, und Aeris fasste das Ohr des Vierbeiners, da er außer seinen Zähnen keine Möglichkeit zum Festhalten hatte. „Los, folgt mir, und nicht loslassen.“ Der Wald schluckte die Sieben wie ein riesiges grünes Maul. Sobald sie ihn betreten hatten, schloss er sich hinter ihnen, ohne einen weiteren Blick auf den Eingang freizugeben. Seltsamerweise funkelten Lichtstrahlen durch das Blätterdach, obwohl die Nacht noch viel zu finster war, und bläuliche Nebelschwaden verschleierten die Sicht auf die Bäume ringsherum. Tifa seufzte tief, als sie ein beklemmendes Gefühl in der Brust verspürte. „Dass wir hier waren, ist schon so lange her ... erinnert ihr euch?“ Ihre Stimme blieb ganz ohne Widerhall, als spräche sie durch ein dickes Stofftuch. „Der Wald ist so alt wie diese Welt“, antwortete Aeris und ging festen Schrittes voran, ohne irgendein Zögern zu zeigen. Zwischen all diesen grünlichen Schatten schien sie den Weg ganz klar vor sich zu sehen. Eine Weile lang passierten sie Bäume, immer und immer wieder, und nichts ringsherum schien auch nur die kleinste Änderung aufzuweisen. Ganz so, als bewegten sie sich gar nicht von der Stelle. „Wir laufen nicht im Kreis“, sagte Aeris irgendwann, als habe sie die Gedanken der Anderen gelesen, und hielt Nanakis Ohr ganz fest. „Wir sind gleich da. Ihr werdet überrascht sein ...“ „Erklär mir eins“, murmelte Barret hinter Nanaki, „wenn nur besondere Leute nach ihrem Tod zu so lustigen Tauben werden, wieso is’ ausgerechnet Sephiroth eine geworden und Vincent nich’? Ist das nich’ irgendwie ungerecht?“ „Nein.“ Mehr sagte sie nicht. Barret wartete ab und hakte verwirrt nach: „Ja ... und wieso is’ das so?“ „Soll ich das jetzt erklären?“ „Darum hab’ ich ja gebeten, ich versteh’ das nich’.“ „Ich auch nicht“, schloss sich Yuffie an. Aeris ging beständig weiter. „Nun, wisst ihr, was die Cetra seit jeher von den Menschen unterscheidet?“ „Dass sie mit dem Planeten sprechen?“, sagte Tifa versuchsweise. „Ja, aber nicht nur das. Also, ihr seid hier, um Gutes zu tun, nicht wahr? Würdet ihr auch Gutes tun, wenn ihr dabei unsichtbar wärt, wenn sich also niemand bei euch bedanken würde und sich auch überhaupt keinerlei Vorteil für euch ergäbe? Würdet ihr dann für jemand Anderen euer Leben riskieren, vielleicht sogar opfern, wenn dieser Jemand davon überhaupt nichts merken würde und auch sonst niemand? Ich meine ... versteht ihr, was ich sagen will?“ „Du willst sagen, dass wir nur dann Gutes tun, wenn sich für uns ein persönlicher Vorteil daraus ergibt?“, fragte Tifa argwöhnisch. „Oder wenn euch bei Nichtbefolgen eine Strafe angedroht wird, wie zum Beispiel Gefangenschaft oder sonst irgendwas. Denkt mal darüber nach.“ Die anderen schwiegen verwirrt, während sie ihr hinterhergingen, dann fragte Cid: „Aber Cloud nicht, oder? Cloud tut doch auch Gutes, obwohl es niemand bemerkt. Du weißt selbst, wie er Sephiroth und JENOVA verfolgt hat.“ „Cloud tut das alles aufgrund von Persönlichkeitskomplexen“, antwortete Aeris zur nicht mäßigen Überraschung der Anderen. „Ääh – wie jetzt?“ Yuffie schielte perplex zu ihr nach vorn. „Er hat Sephiroth verfolgt, weil der Nibelheim abgebrannt hatte, war es nicht so? Tifa tat es, weil ihr Vater getötet worden war, und Vincent jagte Hojo wegen Lukretia. Das sind alles Komplexe. Wäre das nicht passiert, hättet ihr nicht so gehandelt.“ Aeris legte eine wohlbedachte Pause ein. „Dieses auf Vorteile bedachte Handeln ist den Cetra nicht zu eigen, wisst ihr. Und Sephiroth auch nicht.“ „Boah!“, fuhr Barret auf. „Das war ja wohl der größte Komplex von allen! Der hat sich nur für dich opfern wollen, weil er mit den ganzen verdammten Erinnerungen nich’ klargekommen is’!“ Die Cetra ließ sich nicht beirren. „Seine Beweggründe waren andere. Sephiroth hätte sich auch einfach von irgendeiner Klippe stürzen können, wenn er nur sein Leben loswerden wollte ... aber er schleppte weiterhin diese Wahrheit mit sich herum, und er wäre daran zugrunde gegangen, hätte er nicht alles darangesetzt, dem Planeten etwas Gutes zu tun. Wir nennen das eine reine Intention. Und die ist sozusagen ... eine Fahrkarte ins Verheißene Land. Versteht ihr?“ „Das soll also heißen, außer Sephiroth sind noch andere Nicht-Cetra dort gelandet?“, fragte Cid argwöhnisch. „Bugenhagen.“ „Ach herrje!“ Nanaki sprang auf. „Was, er ist dort?! Kann ich ihn sehen? Bitte! Ich muss unbedingt mit ihm sprechen! Wenn wir die Maschine in Sicherheit gebracht haben, darf ich das Verheißene Land besuchen? Darf ich?“ Aeris schien sich überrumpelt zu fühlen. „Warte ... wenn alles gut geht, wird sich ein Besuch dort gar nicht vermeiden lassen ...“ Sie war plötzlich stehen geblieben, woraufhin die Anderen es nur schwer vermeiden konnten, gegen sie zu stoßen. „Entschuldigung, aber irgendetwas ... stimmt hier nicht ...“ Sie blinzelte. „Kommt, wir sind direkt davor ...“ „Ja, was ist denn nun?“, wollte Yuffie wissen. Der Trupp setzte sich wieder in Bewegung. „Wo sind denn – ach du Schreck!“ Die Sonnenstrahlen, die ohne Unterlass von oben herabgefallen waren, verschwanden plötzlich; der ohnehin nicht sichtbare Himmel verdunkelte sich wie unter einem großflächigen Schatten, und hinzu gesellte sich der Lärm von Dutzenden schlagender Vogelflügel. Was direkt über Aeris und den Anderen kreiste, war ein riesiger Schwarm Tauben. Aeris duckte sich unter ihnen weg und riss ihre Freunde mit sich durch das grüne Dickicht, hinaus auf die offene Fläche des Stadtpfades, der aussah wie aus silbernen Drachenschuppen. Auch hier war der Himmel verdeckt von Millionen kreisender Tauben. „Schneller!“ Aeris umschloss Nanakis Ohr ganz mit der Faust und zerrte die Sechs hinter sich her in eines der riesigen Schneckenhäuser. Cid hielt sich, während er rannte, eine Handfläche über den Kopf; so ganz traute er den Tauben noch immer nicht über den Weg ... Unterhalb des Kalkdaches atmeten sie auf. Der Lärm der Vögel war nur schwer zu übertönen. „Sie sind völlig in Aufruhr!“, rief Aeris. „Vermutlich ist dem Verheißenen Land bereits etwas zugestoßen ... in jedem Falle droht allen Cetra Gefahr. Deswegen haben sie Miragia verlassen und sich hier versammelt.“ Sie biss sich auf die Lippe, und auf ihrer Stirn zeigten sich kaum merklich Furchen, während sie nachdachte. Tifa holte tief Luft und schrie: „Was sollen wir denn jetzt machen?!“ „Wir können nichts tun!“, gellte Aeris zurück. „Wir müssen die Substanz suchen und die Maschine von Lukretia in unsere Gewalt bringen! Schnell, wir gehen zu dem Haus, in dem sich der Altar befindet, wo Sephiroth mich damals auf sein Schwert gespießt hat! Kommt!“ Früh in der Nacht öffnete Cloud die Augen und blinzelte träge zum Bettrand hinüber. Sephiroth saß nicht mehr dort. Wahrscheinlich hilft er den Anderen, dachte Cloud noch immer erschöpft und ließ sich wieder in die Kissen sinken. Ein orangefarbener Clownfisch glotzte ihnen aus seinen glasigen Augen entgegen, während er langsam mit den Brustflossen schlug. „Das Vieh“, stöhnte Barret. „Wie kriegen wir den da weg?“ „Wartet.“ Aeris trat vor, und die schwach weiß leuchtenden Kugeln an den Wänden begannen, ein übernatürliches Licht auszustrahlen. „Merkt euch, dieser Wächter ist nur ein Trugbild. Wer es allerdings nicht durchschaut, der kann nicht vorbei.“ Sie machte eine gebieterische Handbewegung, und scheinbar ohne Notiz davon zu nehmen, verblasste der Fisch plötzlich wie ein zwielichtiger Schatten, bis er zuletzt ganz verschwunden war. Die Treppe hinter ihm führte hinunter in eine altbekannte Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)