The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 23: A Great Moment -------------------------- „Irgend etwas stimmt hier ganz und gar nicht“, schnaubte Cid, der neben Yuffie und Tifa vor der Glasscheibe der Gaskammer stand. Ratlos starrte er darauf und kaute hin und wieder auf seiner Zigarette, als wolle er sie durchbeißen. „Lasst uns lieber zurück zu Aeris gehen.“ Yuffie packte Tifas rehbraunen Wildlederärmel. „Wer weiß, was die sonst anstellt – man bedenke: Cloud könnte längst tot sein!“ „Glaubst du, dass mich das weniger ängstigt als Aeris?“, gab Tifa aufgescheucht zurück. „Außerdem könnten wir ebenfalls bald tot sein ... Hmpf, du hast Recht, hier ist bei bestem Willen nichts zu holen. Cid, lass uns von hier verschwinden!“ „Wie ihr meint. Zu den Anderen in den Zellentrakt?“ „Na, wohin denn sonst?!“ „Okay, schon gut.“ Er aktivierte die Transfer-Substanz. Hinter der Ecke neben dem Aufzug – jener Ort, den Yuffie als Versteck genutzt hatte – stand Henry Fawkes und beobachtete interessiert, wie sich die Drei vor seinen Augen in Luft auflösten. Die Substanz, natürlich, sie hatten den Köder geschnappt. Das Gespräch, das er belauscht hatte, war nicht besonders aufschlussreich gewesen, aber immer noch besser als gar nichts. Vielleicht hätte er so geistesgegenwärtig sein und an Valentines Umhang einen Peilsender anbringen sollen ... oder besser noch, ein Abhörgerät ... aber nein, das hätten sie bestimmt entdeckt. Vorsicht war angebracht, und so war es besser. Er konnte sich nicht beklagen. Er hatte Strife und nun würde er sich voller Vergnügen dessen Lebensgefährtin als Köder krallen; diese merkwürdige Frau mit den hellen Augen, die aufgrund ihrer Vorliebe für schlichte und ordentliche Kleidung wie ein Schulmädchen aussehen würde, wäre sie nicht schwanger. Wenn er sie hatte, würde er Strife zu allem bewegen können. Bald war auch dieses Hindernis überwunden ... Aeris war nicht bei Reeve, Nanaki und den Anderen. Wer nach ihr gefragt wurde, zuckte ahnungslos die Schultern. „Du willst mir nicht erzählen, dass sie hinter eurem Rücken verschwunden ist, oder?“, fuhr Tifa Barret an. Sie war sonst nie so aufbrausend, aber mittlerweile waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. „Ich sach’ doch, niemand hier hat geseh’n, wie sie weggegangen is’.“ „Sie kann sich ja wohl schlecht in Luft aufgelöst haben! Und die Transfer-Substanz hatten wir bei uns, also, Yuffie hatte sie. Ach, wie auch immer. Aeris ist weg und wir haben ein Problem.“ Nanaki erhob sanft seine Stimme: „Vielleicht hat sie mehr gesehen als wir. Sie ist eine Cetra, ihre Sinne sind scharf.“ „Nicht schärfer als deine, Red. Dir wäre doch nichts entgangen“, antwortete Tifa wenig überzeugt. „Vielleicht doch. Ich meinte etwas Anderes. Nicht Augen, Ohren oder Nase.“ „Telepathie?“ „Was weiß ich ... noch heute fällt es mir schwer, das Alte Volk genau einzuschätzen.“ Er fuhr sich mit seiner langen rosa Zunge über die Lefzen. „Also, ich meine, möglicherweise hat sie ja längst eine Spur.“ „Hm. Gut. Gehen wir mal davon aus. Wieso hat sie dann nichts gesagt, und wo ist sie?“ Nanaki machte ein Denkergesicht und wollte scheinbar gerade zu überlegen anfangen, als eine eigenartige Erschütterung das Gebäude durchzuckte. Jeder hielt sich an der Wand oder an einem Nebenstehenden fest, um das Gleichgewicht zu halten, und Putz bröckelte von der Decke. Das sich nähernde Krachen klang wie Donnergrollen. „Der Gang stürzt gleich über uns ein!!“, quiekte Yuffie und wollte schon das Weite suchen, aber Barret packte fest ihr Handgelenk. „Jetzt bewahrt mal Ruhe! Das Ding hier is’ doch stabil, das wird uns nicht sofort auf den Kopf fallen! Aber wir sollten natürlich trotzdem weg von hier ... Wer hat die Substanz?“ „Moment mal!“, rief Cid aus. „Seid mal still und horcht!“ „Cid, zum Donner, wir werden gleich begraben, und außer diesem Getöse hier hört man ’nen Scheiß –“ „Still!“ Er hob die Hand, wobei weitere größere und kleinere Brocken von oben herabregneten. Tifa lauschte und machte ein entsetztes Gesicht. „Aber das – das ist doch – !“ „Aeris?“, wimmerte Yuffie. „Oh Gott, was macht sie da ...?“ „Ich kann nichts verstehen, das Echo ist zu laut ... aber sie scheint wütend zu sein ...“ „Wir können nicht ohne sie von hier weggehen“, erinnerte Nanaki. „Das würde sie auch nicht tun.“ Tifa holte tief Luft. „Na gut, dann rennen wir eben. Immer dahin, wo ihr ihre Stimme hört. Und passt auf, dass ihr nicht verschüttet werdet! Los!“ Cloud spürte das Beben nur als leichte Vibration. Er lag immer noch in dem befremdlichen Büro auf der Seite, unfähig, sich großartig zu bewegen, und sein verzweifeltes nach Luft Ringen wurde mittlerweile gelegentlich von Hustenstößen unterbrochen. Warum immer ich?, dachte er, sich mühsam bei Bewusstsein haltend. Erst diese ganze Geschichte im Keller, und jetzt macht mich auch noch ein einziger Tritt in die Rippen fertig. Ich bin wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen ... Kommissar Taggert und seine Männer flohen hechelnd durch den Justizpalast-Trakt in Richtung des AVALANCHE-Traktes, denn diesen konnten sie auf ihrer Flucht nicht vermeiden, wollten sie nicht in eine Sackgasse laufen. Bemerkenswert war vor allem der Grund ihrer Panik: eine Frau. Taggert glaubte, dass es dieselbe war, die er nachträglich im Mittellandjustiz-HQ festgenommen hatte ... die Frau von diesem Strife, das war sie doch? Er hatte weder genug Zeit noch Nerven, um einen längeren Blick über die Schulter zu riskieren. Folglich war er sich nicht sicher. Erschreckenderweise blieb diese Frau ihm und seinen beiden Oberoffizieren dicht auf den Fersen, obwohl sie ihre Schritte in Zeitlupe auszuführen schien. So schnell er auch rannte, er konnte ihr nicht entkommen. Sie blieb hinter ihm. Und wohin auch immer sie ging, hinter ihr stürzte der Gang mit ohrenbetäubendem Lärm in sich zusammen – fiel ein, implodierte, sackte nieder, als ob ein kleines Kind auf eine Sandburg trat, die es zuvor gebaut hatte. Es war schrecklich. Desaster, Chaos. Niemand konnte vor ihr fliehen, sie folgte ihnen allen und hinterließ nur eine Schneise der Verwüstung. Als sei sie eine psychokinetisch veranlagte Telepathin, die vor Zorn ihrer Macht freien Lauf ließ. Immer wieder schrie sie kaum verständlich Dinge wie „Was habt ihr mit ihm gemacht?“ oder „Wo ist er?“, die Taggert und seinen Leuten laut widerhallend hinterhergaloppierten, bis sie von herabfallenden Asbestfaserplatten erdrückt wurden oder in der übermenschlichen Geräuschkulisse untergingen. Der Kommissar wollte nur, dass dieser Horror ein Ende fand, dass er aufwachte und alles war nur ein Traum. Ja, dachte er außer Atem, das ist nicht mehr als ein Alptraum ... und er dauert sicher nicht mehr allzu lange ... Yuffie kreischte auf, als sie das Szenario erblickte. Erschüttert umschlang sie Reeves Arm, der – welch Zufall! – direkt neben ihr stand. „Oh mein Gott“, kam es unförmig über Tifas Lippen. „Seht euch das an ... ist das wirklich Aeris?“ Cid ließ fast seine Zigarrete fallen, als er einem herabstürzenden Dachstück auswich. „Verdammt, sie wird diese Leute töten, und uns genauso! Sie verhält sie wie ein Monster!“ „Sie sucht nach Cloud“, fügte Nanaki mit zuckender Schwanzspitze hinzu. „Kommt schnell, nicht dass wir noch erwischt werden!“ „Die rennen allesamt in Richtung AVALANCHE-Hauptquartier“, stöhnte Barret. „Das wird ’n herrlicher Anblick sein, alles in seine Einzelteile zerlegt ...“ „Nicht zu fassen“, brummte Cid. „Unglaublich.“ Er konnte den Blick nicht von Aeris losreißen. Direkt vor ihr flohen Kommissar Taggert von der Mittellandjustiz und zwei der Wärter den Hauptgang hinunter, schienen sich jedoch so gut wie gar nicht von der Stelle zu bewegen. Aeris schritt hinter ihnen her, langsam, scheinbar ohne den Boden zu berühren, schwebend ... ihre Augen, weiß glühend wie Sterne, starr und ohne jedes Blinzeln auf ihre Opfer gerichtet, hell aus dem Rest ihres ausdruckslosen Gesichts hervorstechend. Ihr langes dunkelblondes Haar wehte hinter ihr her. Sie ging festen Schrittes ohne jegliches Zögern, wie eine Tötungsmaschine. Hinter ihr stürzte ebenso langsam und zielsicher der ganze Trakt ein und begrub alles unter sich. Aber wollte sie wirklich töten? „Wo ist Cloud?“, schallte ihre Stimme donnernd und hundertmal von unsichtbaren Wänden zurückgeworfen bis zu ihren Kameraden hinüber, die sie nicht zu bemerken schien. Sie wandte kein einziges Mal den Blick ab. Sie konnte nichts Anderes sehen als das, was sie da jagte. Nanaki duckte sich zur Rechten in den Seitengang, als Kommissar Taggert an ihm vorbeistürmte ... oder auch nicht stürmte. Der Mann, der hinter ihm lief – es könnte Clouds Aufpasser sein – stolperte unnachvollziehbarer Weise über seine eigenen gehetzten Füße und fiel der Länge nach hin. Ehe die unsichtbare Macht es so weit zuließ, dass er sich wieder bewegen konnte, hatte Aeris ihn ohne jegliche Beschleunigung ihres Schrittes eingeholt und richtete plötzlich die gestreckte Handfläche geradeaus auf ihn. Verzweifelt kroch der arme Mann vorwärts, von Schrecken und Entsetzen geschüttelt, und trachtete danach, sich wieder auf die Beine zu ziehen. Er war langsam. „Aeris, niiiiiiiiicht!!“, brüllte Yuffie, die ihre Hände trichterförmig vor den Mund hielt. Nanaki stimmte ein sirenenartiges Geheul an, das fast vom Lärm ringsumher verschluckt wurde. Als habe sie nichts gehört, machte die Cetra keine Anstalten zu reagieren. Noch immer zeigte ihr Gesicht keine Emotion, was sie befremdlich, gar furchteinflößend aussehen ließ. Ihre Freunde zweifelten mittlerweile daran, dass es sich wirklich um Aeris handelte ... Da erschien jedoch in dem Gang, der noch vor ihr und den Verfolgten lag, etwas Helles, Kleines; ein flatterndes Ding, das scheinbar furchtlos auf sie zuhielt. Es war eine schneeweiße Taube. Von herabrieselndem Staub und Lärm unbeeinflusst näherte sich der kleine Vogel, flog über den Köpfen von Taggert und seinem gestürzten Kollegen hinweg. Aeris hielt inne. Ihre mit der Fläche nach vorn gerichtete Hand verlor an Spannung und richtete sich empfangend dem Tier entgegen, während das Gesicht der Cetra einen mehr und mehr verklärten Ausdruck annahm und ihre Augen zu leuchten aufhörten. Die Taube ließ sich sacht auf Aeris’ Hand nieder. Und damit war der Alptraum vorbei. Schlagartig hörten die Erschütterungen auf, nichts brach mehr zusammen oder fiel von der Decke. Der Lärm endete von einer Sekunde auf die nächste. Inmitten von Trümmern stand Aeris, wie immer, ohne jegliche unnatürlich Aura, betrachtete den Vogel auf ihrer Hand und fuhr ihm mit der Fingerspitze liebkosend über den Kopf. Sie sah beinahe verträumt aus. Niemand rührte sich oder sagte ein Wort. Nicht einmal der zu Boden gefallene Wärter nutzte die Zeit, sich zu erheben. Angespannt wartete man, ob bei der nächsten Regung alles wieder aufs Neue beginnen würde. Schließlich ließ Nanaki mit einem Schnauben Luft aus seinen Lungen entweichen und bewegte die zitternden Glieder, ehe er auf seine Freundin zuging. „Du – Aeris?“ „Red?“ „Ähm ... bist du in Ordnung?“ „Es geht mir gut.“ Sie sah sich um. „Tut mir Leid, dass das passiert ist. Aber diese Leute hatten es nicht besser verdient! Sie sollten mir nur sagen, wo Cloud ist, aber das haben sie ja nicht getan!“, rief sie ärgerlich aus. „Irgendeiner musste denen doch mal zeigen, wo es langgeht!“ „Ich verstehe.“ Der Vierbeiner schluckte. „Nun, wir waren alle etwas erschrocken ... niemand wusste, dass du so etwas kannst ...“ „Ich bin eine Cetra“, antwortete sie, als könne man damit alles erklären. „Ich habe die Kräfte des Planeten. Das wisst ihr doch.“ Nanaki wandte sich den Anderen zu. „Kommt her ... aber fallt nicht über die Steinplattenteile. Ich glaube, sie hört jetzt erst mal damit auf ...“ „Natürlich höre ich jetzt damit auf!“, erwiderte sie, wobei sie fortfuhr, den Vogel zu streicheln. „Jetzt habe ich schließlich auch Aussicht darauf, Cloud zu finden.“ „Du liebe Güte“, kommentierte Cid, während er sich näherte. „Mädchen, hast du eine Kraft ... Hieltest du das wirklich für nötig? Ja? Und was ist das da eigentlich für ein Viech auf deiner Hand ...? Habe ich irgendwo schon mal gesehen.“ Aeris hielt ihm und den Anderen die Hand mit der Taube darauf entgegen und sagte: „Ich darf ihn euch ein zweites Mal vorstellen: Das ist Sephiroth.“ „Äh ... ah ja. Wieso hast du den Vogel ausgerechnet so genannt?“ Cid klang ehrlich verwirrt. „Nein, das ist er, den ihr alle kennt!“ Reeve blinzelte. „Willst du uns vielleicht veralbern?“ Tifa legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Lass mal gut sein ... sie ist bestimmt noch ein bisschen mitgenommen von der ganzen Sache.“ Aeris zuckte die Schultern. „Ich wusste, ihr würdet mir nicht glauben. Aber bisher konnte ich euch alles, was mit Cloud und Lukretia passiert ist, verklickern, wieso glaubt ihr mir dann nicht auch, dass dieser Vogel hier die Manifestation von Sephiroths Seele ist? Und die anderen Tauben, die ihr manchmal seht, das sind die Cetra. Sie sind zwar alle am Virus gestorben, aber anstatt ihre Seelen wieder in Lebensstrom zu verwandeln, hält der Planet sie in gewisser Form am Leben. Er hat ihnen für ihre Dienste einen ganz speziellen Lebensraum geschaffen.“ Sie nickte. „Ich weiß jetzt alles. Ich weiß über das SPECULUM Bescheid und über das, was es tun kann. Sie haben mir das alles gesagt.“ Mit wackligen Knien packte Kommissar Taggert seinen Komplizen und fasste den zweiten beim Arm. „Wir sprechen uns noch“, murmelte er, scheinbar in Ermangelung einer besseren Eingebung, was zu sagen angebracht war, dann eilten die Drei leicht taumelnd in den noch stehenden Gang zurück. Aeris’ Freunde scharten sich um sie und warteten auf weitere Erklärungen, aber bevor sie diese vernehmen konnten, stieß die Taube einen hellen Fiepton aus und schlug aufgeregt mit den Flügeln. „Oh, ich habe dir gar nicht zugehört!“, rief Aeris fast reumütig. „Entschuldigung ... sag mir, was du willst.“ Sie beobachtete die ausdrucksstarken Gebaren des Tieres, die sich über eine Palette von Kopfnicken bis Quieken und Gurren erstreckte. Wenn es sich also tatsächlich um Sephiroth handelte, was die Anderen noch stark bezweifelten, dann schien er nicht sonderlich viele Möglichkeiten der tierischen Artikulation zu kennen. „Cloud!“, rief Aeris, die ihn offensichtlich verstanden hatte, und machte einen Sprung auf der Stelle, was der Vogel mit einem aufgebrachten Flattern quittierte. „Du hast ihn gefunden! Schnell, sag uns, wo er ist! Oder besser, zeig uns den Weg!“ Die Taube flog auf und sauste wie ein Pfeil den Gang hinunter. „Na dann, hinterher!“, rief Yuffie, die sich neben Aeris als Erste anschickte, ihm zu folgen. Die Übrigen wechselten einige Blicke und eilten ihnen dann nach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)