The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 18: Prisoner -------------------- Schweigend ließ Cid seinen Blick über den leeren, von Dunkelheit umfangenen Dorfplatz in Nibelheim schweifen. Das Ende seiner Zigarette glühte schwach, ansonsten war kaum ein Licht zu sehen, ausgenommen die in den rings umherstehenden Häusern ... aber aus den Fenstern von Tifas Zuhause fiel überhaupt kein Licht. „Die Tür steht sperrangelweit offen“, ließ sich Aeris vernehmen und schlich um die reglose, im fahlen Mondlicht monströs wirkende Gestalt der Tiny Bronco herum. „Es ist niemand hier.“ „Das verstehe ich nicht.“ Aus Cids Stimme sprach ehrliche Verwirrung. „Sie hatten mich gebeten, hierher zu kommen ... Barret hat mir genau das erzählt, was ich dir während des Fluges berichtet hatte. Und dass wir Vincent unbedingt ...“ Er schüttelte ratlos den Kopf. „Wir können ihnen nicht helfen, wenn wir nicht wissen, wo sie sind.“ „Du hättest nicht den Umweg nach Kalm machen sollen, um mich abzuholen“, sagte sie leise, obgleich sie wusste, dass es falsch war, Cid deswegen einen Vorwurf zu machen. „Vielleicht. Aber Cloud war der Meinung, du müsstest sowieso noch einmal –“ „Das hat damit beim besten Willen nichts zu tun! Wärst du früher hier gewesen, dann hätten sie dich vielleicht noch mitgenommen oder dir zumindest gesagt, was sie vorhaben!“ „Nun mal langsam. Entweder, sie haben spontan eine bessere Lösung gefunden als die Klinik in Mideel ... oder es ist etwas anderes dazwischen gekommen, und sie werden innerhalb der nächsten Zeit Kontakt mit uns aufnehmen.“ „Sofern sich das PHS noch in ihrem Besitz befindet.“ „Warum sollte es das nicht?“ Sie gab keine Antwort, schritt nur weiter ratlos durch die milde Winternacht. Auf einem Nadelbaum in einem ganz in der Nähe befindlichen Vorgarten saß eine kleine weiße Taube und musterte die Cetra mit kleinen blaufunkelnden Augen, die das Mondlicht in sich aufzusaugen schienen. Die Stille wurde jäh durch das Rufsignal des PHS unterbrochen. „Na, ich hab’s doch gesagt.“ Cid förderte das kleine Gerät zutage. „Ja ...?“ „Mit wem spreche ich?“ Irritiert blieb er stehen. „Augenblick mal – mit wem spreche ich? Wer sind Sie und wie gelangen Sie –“ „Ich würde Ihnen raten, besser keine weiteren Fragen zu stellen. Das PHS wurde beschlagnahmt und die Besitzer inhaftiert. Da Sie offensichtlich ebenfalls zu dieser organisierten Bande von Unruhestiftern gehören, möchte ich Sie bitten, sich bei dieser Gelegenheit zu stellen. Ich nehme an, Sie sind Mister Highwind.“ Cid schwieg. Organisierte Bande von Unruhestiftern? Daran war etwas ganz und gar faul. Während seiner Abwesenheit musste sich in Nibelheim mehr ereignet haben als nur der Abriss der Shin-Ra-Villa ... Ein leises Knistern erklang. „Offensichtlich wollen Sie nicht kooperieren. Ich möchte Ihnen nur noch nahe legen, sich nicht von der Stelle zu rühren – andernfalls wird das Feuer auf sie eröffnet.“ „Das Feuer?“, platzte Cid heraus. „Wer zum Henker sind Sie eigentlich?!“ Erst eine Sekunde später erhielt er Antwort. „Kommissar Taggert von der Mittellandjustiz. Und ja, wir haben eine Reihe Einsatzkommandos auf den umliegenden Dächern postiert, nur für den Fall ... der jetzt eingetreten ist. Sie und die schwangere Frau, stellen Sie sich beide neben das Flugzeug und unternehmen Sie keinen Fluchtversuch. Ich meine es wirklich ernst.“ Der Zorn drohte den Piloten nunmehr zu überwältigen. „Ihr verdammten Halunken! Ihr wisst so gut wie ich, dass ich kein Terrorist bin, zum Kuckuck!“ Aber nun antwortete ihm nur noch der anhaltende Piepton als Kennzeichen einer unterbrochenen Verbindung. Der Boden unter Clouds Füßen bewegte sich, als er es endlich wagte, sich umzusehen. Zusammen mit seinen Freunden befand er sich in einer kleinen Kammer mit grauen Wänden und einer schwachen künstlichen Beleuchtung. „Ach du liebe Güte“, murmelte er und war überrascht, wie dünn und zittrig seine Stimme klang. „Das kannste laut sagen“, kam es tonlos von Barret. „Nicht mal als Präsident der AVALANCHE hat man ein Sonderrecht vor dieser Scheiß-Mittellandjustiz!“ Ihnen allen waren beide Hände auf den Rücken gebunden, nur Nanaki trug stattdessen einen Stahlring um den Hals wie ein Kettenhund. Das Gebäude um sie herum schwankte gleich einem Boot ... „Wo sind wir?“, wollte Cloud wissen. „Auf einem Flugzeugträger vor Junon“, antwortete ihm Tifa. „Eigentum der Mittellandjustiz, seit das Hauptquartier der Shin-Ra zu dem der AVALANCHE ausgebaut wurde ... sie nennen ihn S.S.Botterscotch, aber frag mich nicht, wer auf diesen albernen Namen gekommen ist. Jedenfalls wird er nunmehr als Justizvollzugsanstalt genutzt und beherbergt Inhaftierte, wie du siehst.“ „Ein Gefängnis auf dem Wasser.“ „Wenn du es so nennen willst, ja. Was wir hier machen, nennt sich übrigens Untersuchungshaft, weil man bisher unsere Schuld nicht beweisen kann ... toll, nicht wahr?““ Er seufzte leise und sah an sich herab. Bis zu den Knöcheln waren seine Schuhe schmutzig vom Sumpfboden, und um alles noch etwas schlimmer zu machen, klebte überall an ihm noch Vincents Blut. „Wisst ihr inzwischen ... was passiert ist?“ Barret drehte sich zu Cloud um, und die Ketten rasselten leise. „Dass du Vincent mit seinem Gewehr erschossen hast, das wissen wir. Warum, das wissen wir nich’. Vielleicht möchteste uns ja erklären, wieso du so einfach deinen und unseren Freund abknallst.“ Cloud schluckte. „So war es nicht. Ihr wisst, dass ich das nicht tun würde. Das alles hatte einen Grund ... ich weiß, was es war, das Vincent angegriffen hat, das jeden angreift, der sich der Maschine nähert ... es ist Lukretia. Sie hat sie gebaut ...“ „Lukretia?“, fuhr Tifa auf. „Verdammt, Cloud, hast du eben Lukretia gesagt?“ „Ich ... ja.“ „Und was soll das bedeuten, wenn ich fragen darf? Dass sie sich unsichtbar gemacht hat und – “ „Nein. Nein, ganz anders. Ach, himmelnocheins, ich wusste, dass ihr mir nicht glauben würdet! Ich, ich musste Vincent ... sie hätte ihn sonst ... es war schon fast zu spät, und es war alles voller Blut, und er hat gesagt, ich soll ... er zeigte mir, wie ich ....“ Clouds Beherrschung verflüchtigte sich wie eine Wolke inmitten eines Orkans. Seine Hände zitterten, und er kämpfte darum, seine Emotionen im Zaum zu halten. Als Tifa das sah, hörte sie auf Fragen zu stellen. „Cloud, lass uns später darüber reden. Zunächst müssen wir uns hier irgendwie aus der Affäre ziehen, wenn wir nicht eingelocht werden und für die nächsten Jahre hier bleiben wollen.“ „Da hat sie Recht“, brummelte Barret. Yuffie Kisaragi saß in ihrem Arbeitszimmer in Wutai und rechnete die Differenzen zwischen den Import- und Exportsummen aller im letzten Jahr beförderten Substanzen aus. Obwohl es auch auf dem Westkontinent bereits mitten in der Nacht war, musste sie diese Arbeit noch beenden. Auf dem Hocker neben ihrem Schreibtischstuhl saß zusammengerollt ihre winzige schwarzgefleckte Mischlingshündin Kisu-Chan und war längst eingeschlafen. Yuffies Tippen auf der Tastatur ihres alten und langsamen ausländischen Computers störte das Tier nicht, es winselte nur hin und wieder im Schlaf und seine großen Ohren, die aussahen wie die Flügel eines Schmetterlings, zuckten zeitweilig. Die Tür bewegte sich leise. „Es ist jetzt schon fast am frühen Morgen, Yuffie. Willst du heute gar nicht mehr ins Bett gehen?“ „Ich bin gleich fertig.“ Sie wandte sich nicht einmal um, ihre Finger huschten weiter behände über die Tasten. „Ich hab’ dir was mitgebracht“, fuhr Reeve fort, unglücklich darüber, nicht ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu genießen. Er trat zu ihr hin und stellte eine dampfende Tasse neben ihre Hand. Yuffie sah auf. „Kaffee! Danke, das kommt mir sehr gelegen. Magst du dich setzen? Du musst nur Kisu vom Stuhl schmeißen.“ „Ich glaube, ich lass sie einfach, wo sie ist.“ Reeve war wie immer fasziniert und konnte den Blick nicht von Yuffie lassen. So kindisch sie sich auch jahrelang benommen hatte, sie war – zumindest zu einem großen Teil – erwachsen geworden. Er fand sie bildschön. Umso deprimierender war für ihn der Gedanke, dass er zu alt für sie war und dass sie außerdem nicht im Mindesten an ihm interessiert war. Aber nichtsdestotrotz würde er alles für sie tun, ihr zu Füßen liegen. Reeve gehörte zu den Männern, die das durchaus wirklich taten ... „Warum bist du eigentlich noch auf?“, kam es unverhofft von Yuffie, ohne dass sie den Blick vom Bildschirm abwandte. „Du bist bestimmt nicht extra zu mir gekommen, um mir Kaffee zu bringen, oder?“ Das war er in der Tat. Etwas anderes als Yuffie bewegte ihn zu so später Stunde nicht aus dem Bett. „Nun, ich ... wollte sowieso noch einmal nach Post sehen.“ „Achso, wenn’s nur das ist.“ Sie tat es immer noch mit kindlicher Gleichgültigkeit ab. Und hämmerte weiterhin auf die Tasten wie ein Konzertpianist. Er schüttelte den Kopf, was sie sowieso nicht sah. Dann schreckte er auf, ebenso wie Yuffie, als beide das Piepen des PHS hörten. „Boah, das kann doch kaum sein ... angenommen, ich würde schlafen, die hätten mich mitten in der Nacht geweckt!“ „Bestimmt ist es ein Notfall“, vermutete Reeve und beobachtete, wie Yuffie unter einem Stapel Papier das kleine Gerät zutage förderte. „Die haben uns doch schon ewig nicht mehr angerufen.“ „Das werden die sobald auch nicht mehr“, knurrte Yuffie. „Hallo? Wer ist denn da?“ Sie lauschte, und der Zorn in ihrer Miene wich Bestürzung. „Aber – ja, Moment, ich ...“ „Yuffie, was ist denn los? Du bist so blass.“ Sie achtete gar nicht auf ihn, als sie das PHS ausschaltete. Tief Luft holend erhob sie sich von ihrem Schreibtischstuhl und griff nach dem Hausschlüssel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)