The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 15: Overtake -------------------- „Habt ihr nich’ gesagt, dass sich dieses Wesen von innen nach draußen frisst?“, fragte Barret vorsichtig. „Das stimmt“, antwortete Cloud müde. „Sie –“ Er korrigierte sich schnell. „Es hat auch versucht, in meinen Körper zu gelangen. Aber ich habe eine eigene Abwehr dagegen, wisst ihr. Als es mir zu nahe kam, wurde mir schlecht.“ Barret schnippte mit den Fingern. „He, he! Genau das isses doch! Cloud hat dieses Monster einfach ausgekotzt, richtig? Wenn wir also Vincent etwas Salzwasser einflößen, dann wird er es sicher ebenfalls los, stimmt’s?“ „Das glaube ich nicht.“ Es war schwer, wieder eine neue Hoffnung zunichte zu machen. „Ich bin sicher, es wird sich weiterhin festhalten, sofern Vincent nicht von sich aus darauf reagiert und es abstößt. Und das tut er nicht.“ Ich weiß es besser, fügte er in Gedanken hinzu. Barret ließ die Schultern sinken. „Verdammter Mist, es kann doch nich’ sein, dass es absolut keine Rettung gibt!“ Nun klang auch er verzweifelt. „Aber in der Klinik können sie es schon irgendwie rausholen ... die haben schließlich die Möglichkeiten dazu.“ Cloud ballte die Fäuste. Wenn Lukretias Geist etwas Greifbares wäre, dann gäbe es kein Problem ... aber sie existiert nur noch als eine erstaunlich heftige Emotion aus Wut und Kummer. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Gefühl aus dem Bauch heraus ... Resigniert schüttelte er den Kopf. Aeris war eine gute Hausfrau. Dies war auch nötig, wenn man über mehrere Jahre lang mit Cloud zusammenlebte. Er war viel zu beschäftigt, um sich Bügeln oder Kochen beibringen zu lassen. Noch immer hatte sie ihm nichts davon erzählt, dass ihre Verwandten keinesfalls alle umgekommen waren, als die Rasse der Cetra fast restlos von der Erde verschwunden war. Dabei konnte er sie sehen. So oft schon hatte er gesagt: „Das sind ungewöhnliche Vögel, findest du nicht? So weiß dürften sie vor ihren natürlichen Feinden nicht besonders gut geschützt sein. Und warum sind sie so zahm? Irgendwie eigenartig, die Viecher.“ Sie seufzte. Seit Jahren besuchten die anderen Cetra sie jeden Tag, und Cloud war genauso daran gewöhnt wie sie, aber noch immer wusste sie nicht, wie sie ihm die Tatsache beibringen sollte, dass es sich bei diesen ‚ungewöhnlichen Vögeln’ um ihre Familie und Rassegenossen handelte. Würde ihm das nicht unheimlich sein – sofern er ihr überhaupt glaubte? Cloud war schwer zu überzeugen. Er war zu materialistisch veranlagt, um auf jedes Märchen hereinzufallen ... andererseits wusste er, dass Aeris nicht log. Oder nur, wenn es nötig war. Bisher log sie nicht, sie sagte ihm nur nicht die ganze Wahrheit ... Motorengeräusch ließ sie jäh ihre Überlegungen unterbrechen. Es kam eindeutig von oben und näherte sich dem Platz in der Mitte der Rundsiedlung. Offenkundig handelte es sich um ein kleines Flugzeug, viel kleiner als die Highwind auf jeden Fall. Als sie aus dem Fenster sah, wurde ihr Verdacht bestätigt: Es war die Tiny Bronco. Und es war auch Cid, der sie flog. Sie fragte sich, was er in Kalm verloren hatte, denn die Stadt lag abseits und war nicht einmal in der Nähe von einer der Routen, die er täglich zurücklegte. Beunruhigt öffnete sie die Haustür und sah nach draußen. Ein leichter Nieselregen fiel aus dem wolkenverhangenen Himmel. Tatsächlich kam Cid, nach all den Jahren immer noch in seine blaue verwaschene Tracht gekleidet, direkt auf sie zu. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war ernst, aber wie ernst, das konnte selbst Aeris nicht abschätzen. Sie wusste, sie hätte Überraschung zeigen sollen, ihn mit Fragen überhäufen – sie hatten sich ewig nicht gesehen. Aber eine Spannung lag in der Luft, die sie beunruhigte, zu einer sonderbaren Eile trieb. „Guten Abend, Cid ... was ist passiert?“, fragte sie sofort, ohne auf eine Erwiderung der Begrüßung seinerseits zu warten. Offensichtlich war er darauf vorbereitet. Er seufzte. „Gut, dass du da bist. Ich war gerade in der Nähe, als mich Barret angefunkt hat, und ich dachte, ich nehme dich mit.“ „Wohin fliegen wir?“ „Nach Nibelheim. Ich erkläre dir alles während des Fluges. Wir haben nicht viel Zeit, also beeil dich mit dem Umziehen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich komme gleich mit, das Bisschen Regen macht mir nichts aus.“ Ein ungutes Gefühl befiel sie. „Lass uns gehen.“ Cid ging voraus und half ihr in das Flugzeug. Er hatte mit einem Stirnrunzeln ihren leicht gewölbten Bauch und damit ihre offensichtliche Schwangerschaft zur Kenntnis genommen, sich aber nicht weiter danach erkundigt. Vermutlich hätte er es getan, wäre ausreichend Zeit für solche Dinge gewesen. Nun nahm er Platz im Cockpit und schaltete die Triebwerke der Tiny Bronco ein. „Ich hoffe, Fliegen ist nicht zu belastend für dich“, murmelte er. „Das hoffe ich auch“, antwortete sie. In einer leichten Kurve erhob sich das Flugzeug über die Landschaft und wandte sich in Richtung Nibelheim. Die Stille vor dem Haus war beunruhigend. Man hörte normalerweise immer Menschen irgendwo vorbeigehen und sich unterhalten. Nibelheim war eng. Man war sich ständig bewusst, dass man sich in der Nähe vieler, vieler anderer Menschen befand ... Nicht so jetzt. Der Himmel war noch ein wenig dunkler geworden, und draußen schien sich nichts mehr zu regen. „Was ist da bloß los?“, wisperte Nanaki, das Schweigen schuldbewusst durchbrechend. Cloud sah aus dem Fenster und versuchte, etwas zu erkennen. Es gelang ihm nicht. „Zu dunkel“, erklärte er. „Wir müssten rausgehen und nachsehen. Aber ich will Vincent hier nicht allein lassen.“ „Dann bleibst du hier“, bestimmte Barret. „Wir gehen mal nach Tifa sehen. Die is’ jetzt schon eine ganze Weile da draußen, und allmählich wird’s kalt.“ Cloud nickte. Er blieb neben dem Kopfende der Couch knien, auf welcher Vincent lag und sich nicht bewegen wollte oder konnte. Alle Anderen traten vor die Tür. Ihm fiel auf, dass niemand beobachtet hatte, wohin Henry Fawkes von der ERCOM nach der Flucht aus dem Keller gegangen war. Hatte er irgendetwas vor? Würde er etwas gegen Tifa unternehmen, die sich in seine Angelegenheiten eingemischt hatte? Falls das passierte, dann hatten sie einen nicht zu unterschätzenden Gegner am Hals. Die ERCOM hatte unerhört viel Einfluss auf den Arm des Gesetzes, wenn nicht sogar auf die Regierung selbst. Unverhofft jammerte Vincent leise, und Cloud sah zu ihm hinunter. „Wird es wieder schlimmer?“, fragte er sanft. Vincents Stimme war schwach und flüsternd. „Weiß ich nicht genau. Es ist jedenfalls ... ziemlich ... unangenehm.“ Allem Anschein nach eine maßlose Untertreibung. Mittlerweile war in seinen Augen das letzte Funkeln erloschen, das Haar klebte ihm schweißfeucht an den Schläfen, und er sah nur noch müde aus. Es musste möglichst schnell etwas passieren. Der Prozess zog sich furchtbar in die Länge ... ein langsames, qualvolles Ende. Cloud wandte sich von der Couch ab und sah stattdessen aus dem Fenster. Auch wenn es zu finster war, um Näheres zu erkennen, die Silhouetten mehrerer Personen hoben sich jetzt deutlich von der nächtlichen Kulisse ab. Und es waren eindeutig mehr als drei. Viel mehr. Alarmiert wich Cloud vom Fenster zurück, erkannte aber, dass er schon bemerkt worden war. Eine Männerstimme rief: „Da sind noch welche drinnen!“, und viele Füße setzten sich zur selben Zeit in Bewegung. Tifa stürzte von außen zum Fenster, als müsse sie sich dazu erst von etwas losreißen. „Haut ab, Cloud! Schnell!“ Allem Anschein nach wurde sie kurz darauf wieder von der Scheibe fortgezogen. Die automatische, auf Bewegung reagierende Außenbeleuchtung an der Hauswand sprang an, und nun konnte Cloud sehen, warum die Stadt so ruhig war: Der Platz in Nibelheim war umstellt. Umstellt von Wärtern der Mittellandjustiz, jenen Personen, denen man beim Beschluss des Mittelland-Paktes die Verantwortung über die Ausübung des Gesetzes übertragen hatten. Sie handelten im Namen der Gerechtigkeit – normalerweise. Cloud wurde es kalt angesichts dieser vielen bewaffneten Personen, die sich um Tifas Haus geschart und es von der Umgebung isoliert hatten. Ganz sicher waren sie nicht hier, um die ERCOM oder Henry Fawkes zu verhaften ... „Hier spricht Kommissar Taggert von der Mittellandjustiz. Verlassen Sie mit erhobenen Händen das Haus. Das Gebäude ist umstellt“, teilte ihm eine scharfe Kommandostimme von außerhalb mit. „Wenn Sie der Anweisung nicht umgehend Folge leisten, werden wir Gewalt anwenden.“ Du liebe Güte, sie gehen davon aus, dass wir bewaffnet sind. Cloud wusste selbst, dass es klüger wäre, der Aufforderung einfach nachzukommen. Aber genauso wusste er, dass die ERCOM mit der Mittellandjustiz illegal verhandelt haben musste, um die Inhaftierung Tifas und der anderen anzuordnen, und dieses wiederum stellte die Moral, welche hinter dem Befehl steckte, eindeutig in Frage. Zögernd trat Cloud zurück ans Fenster. „Dies ist die letzte Warnung. Wenn Sie das Haus nicht umgehend verlassen, werden wir gewaltsam in das Gebäude eindringen. Alles, was sie tun und sagen, wird gegen Sie verwendet werden.“ Cloud schnaubte. Das war’s. Leckt mich, ihr Schweine. Er packte Vincent, der diese wenig rücksichtsvolle Berührung mit einem leisen Stöhnen quittierte, bei den Schultern und hob ihn vom Sofa auf. Er war selbst überrascht, dass er Vincent tragen konnte, aber dieser war nicht schwer. Jedenfalls nicht so schwer, wie er einmal gewesen war. „Cloud ... w-wohin gehen wir ...?“ „Sei ruhig. Wir verschwinden von hier, bevor die noch eine Blendgranate durchs Fenster schmeißen.“ Er blieb stehen und konzentrierte sich fest auf die Transfer-Substanz in seiner Hosentasche. Er konnte Vincent damit nicht nach Mideel bringen – die Substanz hatte auf dem MASTER-Level eine Reichweite von etwa hundert Kilometern und brachte einen damit, wie Vincent ja selbst unter Beweis gestellt hatte, allerhöchstens von Nibelheim nach Junon. Trotzdem stellte sie momentan die einzige Rettung dar. Sie musste funktionieren, jetzt. Vor dem Haus näherten sich inzwischen Schritte. Die Tür wurde aufgestoßen, und das leise Klicken, verursacht von Maschinenpistolen, die entsichert wurden, erfolgte in mehrfacher Wiederholung. Jetzt komm schon, du verdammter Zauber!, dachte Cloud aufgebracht. Er hielt noch immer den bewegungslosen Vincent in den Armen, dessen Kopf mit dem langen schwarzen Haar seitlich herunterhing wie der eines Toten. Er stirbt. Angespannt starrte Cloud zur Zimmertür hin, wartete, dass jemand sie aufstoßen und eine Waffe auf ihn richten würde. Adrenalin ergoss sich in sein Blut, und er überlegte, was er tun sollte, wenn sie ihn und Vincent so vorfanden ... wie würden die Wärter die Situation deuten? Was war ihnen erzählt worden, das sie dazu bewegte, Tifa, Barret und Nanaki so einfach vor der Haustür wegzufangen? Es war unglaublich. Irgendjemand war ganz und gar nicht auf seiner Seite – das war alles, was Cloud in diesem Moment dachte. Dann setzte die Wirkung des Transfer-Zaubers ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)