The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 51: The Other Side -------------------------- Der Oberoffizier der Mittellandjustiz kratzte sich soeben in einer unziemlichen Gegend, als Fawkes dicht hinter ihm stehen blieb. „So, hier haben wir es also.“ Der Mann fuhr zusammen, drehte sich um und salutierte. „Mister Fawkes, haben Sie mich erschreckt! Äh, nun ... ja, das ist es, also diese Maschine. Wo ist Kommissar Taggert?“ „Er hat entschieden, uns den Rest der Mission zu überlassen und vertraut darauf, dass wir das Gut gesichert nach Junon bringen.“ Damit deutete Fawkes mit einem Kopfnicken auf das SPECULUM. „Wir sollten ihn also nicht enttäuschen. Wo befinden sich die Gefangenen?“ „Oh, die sind ... gleich hier drüben.“ Der Soldat trat beiseite und wandte sich in Richtung der Abtrennung, hinter der normalerweise ein Chocobo untergebracht wurde. Fawkes hob die Augenbrauen, als er hinter dem Gitter, das von fachkundigen Soldaten noch durch ein hochwirksames Plasmanetz verstärkt worden war, jene acht vermissten Personen erblickte, darunter natürlich auch seine Helen, die genauso reglos dalag wie der Rest seiner ehemaligen Gegenspielerpartei. „Oh ... sieh an ... sie sind alle noch betäubt?“ „Ja, das hat ein Magnesium-Blendgeschoss nun mal so an sich“, antwortete der Oberoffizier, verdutzt über die offensichtlich leicht entsetzte Miene des ERCOM-Leiters. „Aber das bleibt ohne Folgen, die sind in der nächsten Viertelstunde wieder alle putzmunter.“ „Das will ich hoffen“, murmelte Fawkes. „Sie hätten sie auch etwas vorsichtiger hinlegen können. Das sind immer noch Menschen.“ „Wir haben ihnen nichts angetan.“ „Das will ich hoffen“, wiederholte Fawkes und wandte sich von ihm ab zu der Maschine hin. Sie wirkte so reizvoll wie eh und je auf ihn, aber jetzt, da er wusste, wozu sie gut war, hatte er kein Interesse mehr daran, besser über sie Bescheid zu wissen. Er hatte noch nicht einmal eine Ahnung, was Strife eigentlich vorhatte und wie er gedachte, sie vor Taggert und anderen Eindringlingen zu schützen ... aber er fuhr fort zu hoffen, dass Strife selbst das etwas genauer wusste. Denn wenn nicht, dann war diese ganze Unternehmung aussichtslos und würde ihnen am Ende nichts weiter einbringen als das Kriegsgericht oder sogar weitere Hinrichtungen ... Während ihm diese Gedanken kamen, wurde er eines klammen Gefühls am Hals gewahr, das sich um ihn herumschlich und ihn zurückzudrängen schien. Erschrocken wich er von dem SPECULUM zurück, als ihm klar wurde, um was es sich nur handeln konnte. „Nicht du“, stöhnte er und merkte, wie ihm sofort der Schweiß ausbrach. „Stimmt was nicht, Mister Fawkes?“, erkundigte sich ein nebenstehender Soldat. „Ich? Oh – nein, schon gut.“ Gleichzeitig fragte er sich jedoch, wie sie aus ihrem Loch im Boden heraus gekommen war, wenn doch Strife sich sicher gewesen war, sie eingesperrt zu haben ... Sein Blick wanderte unwillkürlich zu Strife hinter der Absperrung hinüber, welcher unruhig atmend halb auf der Seite zwischen dem vierbeinigen Wesen und seiner Gefährtin Aeris lag. Ich hoffe für dich, dass du einen Plan hast, Cloud, dachte Fawkes grimmig, und trat noch weiter zurück, um Lukretias schwachen, aber dennoch eisigen Griff gänzlich abzuschütteln. Verblüfft stellte er fest, dass, sobald er dies geschafft hatte, sich der Himmel vor den Fenstern lichtete, dass sich eine weiße Taube nach der anderen in Luft auflöste und ihr Kreischen verstummte. Sie kehren ins Verheißene Land zurück. Warum? Mit in sich gekehrtem Blick blieb er vor dem SPECULUM stehen, hoffend, dass Lukretia ihn nicht erneut anzugreifen gedachte. Clouds Blick wanderte durch eine unwirkliche Gegend. Krumme, verkrustet aussehende Bäume reckten sich in kranken Winkeln und bedrohlichen Ansammlungen in einen düsteren, wolken- und konturlosen Himmel hinauf. Als er sich umsah, fiel sein Blick auf am Boden liegende Gestalten und silbrige Ketten. Er wusste sofort, wo er sich befand. Ich weiß. Ich habe das SPECULUM nicht betreten, aber trotzdem bin ich hier, genau wie damals. Ich habe meinen ganz eigenen Zugang zum Verheißenen Land ... vielleicht sollte ich stolz darauf sein. Andererseits gab es ihm zu denken, dass er jedes Mal, wenn ihn ein Übermaß an Emotionen unter sich zu begraben drohte, ausgerechnet im Wald der Toten landete, wo Trug nicht von Wahrheit zu unterscheiden war. Normalerweise war es ja auch Sephiroth, der ihn hierher brachte, und Sephiroth hatte er seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen, nicht einmal in Taubengestalt. Ich hatte gedacht, er und die Cetra hätten uns letztlich uns selbst überlassen ... bis ich diesen riesigen Schwarm am Himmel gesehen habe. Ganz schön beeindruckend ... Er sollte Angst haben an diesem Ort, aber er verspürte keine. So sehr auch die blauen Kugeln zwischen den schwarzen Blättern glommen und ihn anzustarren schienen, er ignorierte sie. Etwas Anderes war viel wichtiger. Cloud folgte dem grauen Pfad auf dem Boden, pflügte sich seinen Weg durch hohe, sich wiegende Grashalme, bis er schließlich in einiger Ferne ein einzelnes Tor vor sich erkennen konnte, vom schwärzesten Schwarz, das er je gesehen hatte, und in etwa so abweisend wie ein Büro im Quartier der Mittellandjustiz. Das war eigentlich klar. Hier gibt es für alles ein Tor. Logisch, dass es auch für den Wald eins gibt. Sich der Wichtigkeit seiner Aufgabe nur allzu bewusst, warf er sein ganzes Gewicht gegen dieses Ungeheuer von einem Tor, das ihn um einige Meter überragte, und schaffte es schließlich, den Spalt zum Passieren weit genug zu vergrößern. „He, nicht drängeln“, ertönte überraschenderweise eine seltsam bekannte Stimme von außerhalb der schwarzen, farblosen Geisterwelt. „Ich mach’ dir das Tor schon auf, nur sind die Scharniere noch immer nicht geölt.“ „Ophiem?“, fragte Cloud, als er den Torwächter zu erkennen glaubte. „Wer denn sonst? Gut, dass du hier bist.“ „Ihr seid wieder da ... aber ihr wart doch eben noch alle draußen! Oder bist du als einziger ...?“ „Nein, nein, mein Lieber, ist schon richtig, wir waren alle in der Außenwelt, um bei den Böslingen ein bisschen Eindruck zu schinden. Jetzt, wo du hier angekommen bist, sind wir rechtzeitig wieder da. Von der schnellen Truppe eben.“ Er schenkte Cloud ein warmes Lächeln und half ihm, sich durch die Tür zu zwängen. „Ich muss dich was fragen“, fuhr Cloud nervös fort. „Warum kann ich in speziellen Situationen auch ohne das SPECULUM hierher?“ „Oh ... tja, weiß nicht. Du darfst das nicht durch bloße Willenskraft fertig bringen, schon gar nicht, wenn du bei Bewusstsein bist.“ „Das bin ich nicht, ich habe ... glaube ich jedenfalls ... eine Ladung Kampfflugzeugtorpedos abbekommen ...“ „Jau, das hab’ ich von oben gesehen. Du bist nicht tot, keine Angst! Pass auf: Wir sind genauso ratlos wie du. Wir wissen nicht, was wir machen sollen. Es wird sogar von einigen vermutet, dass wir am sprichwörtlichen Arsch sind, denn Lukretia kann uns auch nicht ewig beschützen, die hat ’ne Menge von ihrer ursprünglichen Kraft eingebüßt.“ „Um sie geht es mir auch“, sagte Cloud rasch. „Bringst du mich zu Ifalna?“ „Nichts leichter als das“, antwortete Ophiem und nahm ihn bei der Hand. „Komm mit, ja?“ Cloud hatte erwartet, die Cetra in Aufruhr zu erleben, aber das waren sie nicht. Gesittet und still standen sie auf der großen Wiese versammelt, alle mit gesenkten Köpfen, und ein unheimliches Schweigen lag über ihnen. Eine sanfte Brise zauste im Schein einer nicht existenten Sonne ihre genauso irreale Kleidung. „Aber ...“, setzte Cloud an, als sich auch schon Ifalna aus der Menge löste und auf ihn zutrat. Die übrigen Cetra rührten sich nicht, als hätten sie keine Notiz von ihm genommen. „Schon gut, Cloud. Wir haben verloren. Es ist vorbei ...“ „Nein, das ist es nicht!“ „Aber du und alle deine Freunde, ihr seid ausgeschaltet und könnt in eurem Zustand nichts in eurer Welt ausrichten.“ „Darum geht es nicht“, fauchte Cloud voller Ungeduld und beobachtete den Unwillen in ihrer Miene. „Jetzt vertrau wenigstens deiner Tochter! Wenn wir nichts unternehmen, wird sie auch sterben. Dann werden wir alle sterben. Und ich verlasse mich besser nicht darauf, dass wir alle hier landen!“ Sein Blick zuckte über die Menge. „Wo ist Sephiroth?“ Ihr Gesicht verlor noch ein wenig mehr an Ausdruck. „Ich werde es nie schaffen, ihm zu vertrauen, Cloud. Genauso wenig werde ich es schaffen, dir zu vertrauen.“ Er rollte die Augen. „Wir haben keine Zeit, Ifalna. Bring mich zu ihm.“ „Er ist nicht hier. Wenn du ihn unbedingt sehen willst, dann komm mit zum Weidenhain.“ Damit drehte sie sich um und ging voraus, ohne auf ihn zu warten. Cloud war leicht verwirrt. Warum war Sephiroth nicht bei den Anderen? Insgesamt schien unter den Angehörigen des Alten Volkes kein so reibungsloses, märchenhaftes Klima mehr zu herrschen, wie er am Anfang den Eindruck gewonnen hatte. Kopfschüttelnd ging er ihr nach, bemüht, ihren großen Schritten zu folgen. Bereits auf halbem Weg über den Pfad verlor das Gras seinen satten, bilderbuchhaften Grünton und wies an einigen Stellen gelbe Halme auf; genauso war der Himmel von mehreren, langsam an Größe gewinnenden Wolken verhangen. „Etwas stimmt hier nicht“, stellte Cloud fest. „Beurteile das selbst“, antwortete Ifalna schlicht. Er wusste darauf nichts zu erwidern, aber er horchte auf, als ein melodisches Geräusch die seltsam konturlose Luft erfüllte. Es waren unverkennbar die Töne einer Panflöte. „Die Flöte“, sagte Ifalna sofort, als müsse sie irgendetwas erklären, „gehört eigentlich meiner Tochter. Weiß der Geier, wie sie in seinen Besitz gekommen ist. Weißt du, ich wollte ihm ein Lied beibringen. Ein ganz bestimmtes Lied. Aber er ist nun mal keiner von uns, er kann es einfach nicht.“ Cloud begriff nicht, was ein Lied für eine wichtige Rolle spielen sollte, dann erinnerte er sich an die Vorfälle in der Gold Saucer vor acht Jahren. „Tja“, sagte er, weil ihm nichts Besseres einfiel. Ifalna hielt an und klopfte gegen einen Baum. „He, komm her. Er ist zurückgekommen.“ Das ungeschickte Flötenspiel brach augenblicklich ab, und Sephiroths düstere Gestalt mit dem ausgebreiteten befiederten Flügel löste sich aus der willkürlichen Anreihung blattbesetzter Bäume. Gleichzeitig spürte Cloud, zu seiner eigenen Zufriedenheit, wie diese Hektik, diese Kraft, die ihn zum Handeln drängte, erneut Besitz von ihm ergriff. Er lief zu Sephiroth und packte ihn bei den Schultern, wobei er sich fast auf die Zehenspitzen stellen musste. „Hilf mir!“ „Was soll ich tun?“, fragte Sephiroth ihn, ohne eine Bewegung zu unternehmen. „Lukretia, du musst sie aufhalten. Und das SPECULUM, wir können es nicht beschützen, wir müssen es zerstören –“ „Cloud“, sagte Sephiroth sanft und löste Clouds verkrampfte Finger von seinen Schulterschützern. „Langsam.“ „Lukretia, deine Mutter, sie ist wahnsinnig geworden – und die Mittellandjustiz, die –“ „Sie haben sich auf der Highwind eingefunden und schicken sich an, das SPECULUM nach Junon zu bringen.“ „Aber Lukretia wird sie aufhalten. Sie wird sie alle töten ... verdammt, wir sind am Ende!“ Sephiroth blickte zu Boden, Ifalnas Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. „Ich denke nicht, dass der Planet all das zulassen wird, meine Freunde. Ihr macht euch viel zu viele Gedanken.“ Die Drei fuhren aufgeschreckt herum und versuchten den Besitzer dieser irgendwie bekannten Stimme auszumachen. Cloud sah ihn zuerst; er näherte sich schwebend und mit einem breiten Lächeln im leicht runzeligen Gesicht, wie schon zu Lebzeiten. „Bugenhagen!“ „Na, Cloud? Nach all den Jahren erinnerst du dich noch an mich.“ Ifalna fiel ihm sofort ins Wort: „Bitte, erweck jetzt hier keine falschen Hoffnungen, ja? Nichts wird den Planeten dazu bringen, irgendwas zu unternehmen.“ „Vielleicht ist das ja auch nicht nötig“, antwortete Bugenhagen mit hinterm Rücken gefalteten Händen. „Ifalna, du sagtest, du hättest Sephiroth das Lied beigebracht?“ „Ja“, antwortete sie müde, „habe ich ... da er damals ja das Lied des Todes gesungen hat, warum auch immer, hielt ich es ohnehin für angebracht, ihn das Lied der Geburt zu lehren. Aber kein Cetra würde sich mit der Panflöte so ungeschickt anstellen.“ Sie warf Sephiroth einen verdrossenen Blick zu. „Du weißt aber sicherlich“, fuhr Bugenhagen ruhig fort, „dass es das einzige unserer Lieder ist, das eine Katharsis einzuleiten vermag.“ „Daran brauchst du mich nicht zu erinnern.“ Cloud hob beide Hände. „Moment mal! Was ist das für ein Lied? Und was ist eine Katharsis?“ „Eine Katharsis ist eine seelische Reinigung“, erklärte Ifalna. „Bugenhagen glaubt, damit ließe sich Lukretias Zorn zerstäuben ... oder so. Leider hat Miragia nichts davon“, setzte sie gereizt hinzu. „Es heilt praktisch Herzschmerz?“ „Ja, wenn du es so nennen willst. Aber dein Freund hier stellt sich dumm an.“ „Ich gebe mir Mühe!“, verteidigte sich Sephiroth. „Jaah, das sieht man!“ „Seid still.“ Cloud hob autoritär einen mahnenden Zeigefinger. „Sephiroth, spiel das Lied. Wenigstens versuchsweise.“ Sephiroth zuckte die Schultern, setzte die obere Reihe der Panflöte an die Lippen und entlockte ihr eine Reihe von Tönen. Cloud hörte ihm zu, und bereits nach einigen Sekunden breitete sich ein fremdartiges, seltsames Gefühl in ihm aus, kroch ihm bis in die Fingerspitzen. Ifalna sah Sephiroth nicht allzu begeistert beim Spielen zu, aber Cloud war sich mit einem Mal sicher, dass sie die Wirkung des Liedes unterschätzte. Er spürte selbst nur zu deutlich, dass es wirkte, wirkte wie eine Droge, die in ordentlichen Portionen Glückshormone in die Blutbahn spuckte. Fast wollte er weinen vor Gerührtheit, aber er verkniff es sich. „Äh“, sagte er, „danke, das reicht.“ „Es ist völlig unausgereift“, keifte Ifalna. „Nein, ich glaube nicht“, antwortete Cloud und fuhr sich verstohlen über die Augen. „Wie schaffen wir es, dass das Lied auch in der Außenwelt zu hören ist? Dort wird es schließlich gebraucht.“ „Das ist eben das Problem. Wir haben nur ein einziges Tor zur Außenwelt, und das ist das SPECULUM.“ „Cloud meint, es sollte zerstört werden“, sagte Sephiroth seufzend. „Anders kann es nicht beschützt werden.“ Ifalna hob die Augenbrauen. „Seid ihr sicher, dass ihr das wollt?“, wandte sie sich an Cloud. „Es muss sein. Allerdings kann man das Material nicht beschädigen, glaube ich, und in unserer momentanen Situation haben wir kaum Möglichkeiten, irgendeinen Plan umzusetzen. Es sei denn ...“ Cloud ließ seinen Blick über die sinkende Sonne am Himmel schweifen. „... ich handele gleich von hier aus ...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)