The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 38: Sharp Words ----------------------- Sephiroth verharrte still vor dem Spiegel, beide Hände um die kleine Bambusrohrflöte geklammert. „Warum hast du uns das gezeigt?“, fragte er den Spiegel laut, wohl wissend, dass dieser kaum eine Antwort geben würde. „Meine Mutter tobt da draußen als Überrest einer spirituellen Existenz herum, mordet wie ein Monster und stirbt dabei jede Sekunde einen schmerzvollen Tod, und wenn wir dich fragen, was zu tun ist, dann zeigst du uns ... die Geburt ihres Kindes. Was hat das Ganze mit mir zu tun? Ich kann nicht zurück, auch wenn ich wollte. Was erwartest du, das wir unternehmen?“ Die Oberfläche des Spiegels kräuselte sich leicht, blieb aber dunkel. „Wie konntest du uns das überhaupt zeigen? War das die Wahrheit oder nicht? War es vielleicht eine Möglichkeit, wie es hätte ablaufen können, oder ist es wirklich so passiert?“ Sephiroth schüttelte den Kopf. „Zeitreisen sind unmöglich. Nichts kann schneller sein als das Licht. Das Gesetz der Erhaltung der Masse würde seine Gültigkeit verlieren, das Prinzip von Ursache und Wirkung würde umgekehrt ... diese Voraussetzungen einer Welt, die unabhängig von uns existiert, können nicht außer Acht gelassen werden. Aber dich interessiert das nicht, oder?“ Er merkte, dass er nunmehr zu dem Planeten sprach und längst nicht mehr nur zu dem Spiegel direkt vor sich. „Was solche Materialisten wie Cloud sagen oder genau wissen, ist im Verheißenen Land bedeutungslos. Du lässt die Außenwelt unabhängig von ihren Bewohnern existieren, aber nicht Miragia. Bezweckst du irgendetwas damit?“ Dünne grünliche Rauchfaden stiegen vom unsichtbaren Boden der Spiegelhalle auf und schlängelten sich um Sephiroths Körper. „Das scheint mir genauso ein Paradoxon wie die Tatsache, dass ich selbst hier bin, ich, der dich damals beinahe ausgelöscht hat. Du verzeihst mir, was die Bewohner der Außenwelt mir nie verzeihen könnten. Und das nur, weil ich nicht aufgrund von Komplexen gehandelt habe? Was ist, wenn ich das doch habe?“ Der Spiegel antwortete nicht. Vielleicht waren ihm Sephiroths Fragen zu umfangreich, um sie klar zu beantworten, oder sie erreichten ihn überhaupt nicht. Mit einem leisen Seufzen berührte Sephiroth die Stelle, an welcher auf der Spiegeloberseite ein Splitter fehlte, sah Cloud und die Anderen an dem ihm bekannten großen Eichenholztisch sitzen und stürzte sich ein weiteres Mal direkt in dieses Szenario. „Hallo, Mister Fawkes. Wer hätte gedacht, dass wir uns je auf diese Weise unterhalten würden?“ „Strife“, nuschelte die Stimme des ERCOM-Leiters mit merkwürdig resigniertem Unterton. „Ich habe Ihnen eine Menge zugetraut, aber nicht, dass Sie auch meine engste Freundin auf Ihre Seite ziehen würden.“ „Das würde ich auch nie versuchen“, antwortete Cloud gelassen. Das Telefon stand auf dem Eichenholztisch mit eingeschaltetem Lautsprecher, und rundherum saßen neben Helen und Cloud, um dessen Hals immer noch der Umhang lag, auch noch Tifa, Yuffie, Reeve, Barret und Cid; Nanaki lag als einziger lang über der Tischplatte ausgestreckt, und seine Schwanzspitze klopfte gleichmütig auf das Holz. „Was wollen Sie?“, fragte Henry Fawkes vorsichtig. „Überlegen Sie mal.“ „Tun Sie Helen nichts an.“ „Sie ist nicht unsere Geisel oder so, aber das könnte sich ändern, wenn Sie wieder versuchen, uns zu irgendetwas zu zwingen. Wir sind nur auf einen nächtlichen Sprung zum Tee vorbeigekommen, und Helen war so freundlich, uns aufzunehmen. Hören Sie, wir haben die Maschine der Cetra aus dem Kellerschacht herausgeholt.“ „Ich weiß“, murmelte er, „der Einbruch wurde mir gemeldet, konnte aber aufgrund der Gefahr, die der Keller birgt, nicht bewiesen werden. Sie erwarten jetzt wahrscheinlich, dass ich Sie damit entkommen lasse.“ „Ganz und gar nicht.“ Clouds Fingernägel trommelten lässig auf die Tischplatte und erzeugten zusammen mit Nanakis Schwanzklopfen einen einheitlichen Beat. „Wir möchten, dass Sie herkommen und sich das ansehen, was Sie so gierig in Ihren Besitz bringen wollen.“ Fawkes gab zunächst keine Antwort, als hätte es ihm die Sprache verschlagen, dann stotterte er: „Sie ... Sie wollen, d-dass ich mir das ... aber ... Sie würden mir zeigen, wie man ...?“ „Sie dürfen gern hineinklettern und es sich von innen ansehen.“ „Aber das Monster ...“ „Es ist immer noch im Kellerschacht eingesperrt, und wir werden eine Möglichkeit finden, es ganz loszuwerden. Kommen Sie einfach her. Aber allein. Denken Sie an Ihre Helen.“ „Ich ... ja. In Ordnung. Haben Sie Geduld, bis zum Morgen schaffe ich es.“ „Sehr schön, dann freuen wir uns schon auf Ihre Ankunft.“ Der Sarkasmus in Clouds Stimme, ehe er auf den Abbruchknopf drückte, ließ die Anwesenden unwillkürlich schmunzeln. „Glaubt ihr, der Sack hält sich dran?“, fragte Barret misstrauisch in die Runde. „Er wird meine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen“, sagte Helen fest. „Also macht euch keine Sorgen.“ Sie sammelte die leeren Teetassen ein und trug sie in die Küche, als plötzlich eine silbrige Manifestation direkt über dem Tisch Gestalt annahm. Cloud schlug mit der flachen Hand auf den Tisch: „Da bist du ja wieder, komm her.“ Die Taube landete vor ihm auf dem Holz. „Also ist Aeris wieder zurück.“ „Rrrrrrrrru“, machte der Vogel und sträubte sein Gefieder. Cloud hob die Augenbrauen. „Lern doch bitte, dich etwas klarer auszudrücken.“ Im nächsten Moment klopfte es an die Haustür. Cid sprang auf. „Wartet. Sie ist es, ich lass’ sie rein.“ Aeris hatte schnell die Kontrolle über ihren erkalteten Körper wiedergefunden und war von der Highwind aus durch die stockfinstere Nacht zum Haus herübergetrottet. Cid öffnete ihr die Tür und bat sie mit einer verschwörerischen Geste hinein: „He, wir haben ihn an der Angel, diesen ERCOM-Clown.“ Sie nickte. „Ich habe euch auch was zu erzählen. Sind alle hier?“ „Ja, alle. Komm.“ Sie folgte ihm und sah ihre alten Freunde allesamt, einschließlich Helen Clancy, um den Wohnzimmertisch versammelt und freudvoll auf das darauf stehende Telefon blicken. Cloud bot den interessantesten Anblick, denn er trug eine scheinbar abgewandelte Version von Vincents weinrotem Umhang. Der deprimierte, steinerne Ausdruck war endlich gänzlich aus seinem Gesicht gewichen und hatte einer optimistischen Zufriedenheit Platz gemacht. Nanaki wedelte freundlich mit dem Schwanz, als er Aeris sah, und sprang vom Tisch. „Da bist du ja! Los, erzähl uns, was du gesehen hast!“ Er versuchte gar nicht erst, seine Neugier auf das Verheißene Land zu verstecken. „Nun“, setzte Aeris nachdenklich an. Sie nahm gar nicht erst Platz, sondern blieb auf der Wohnzimmerschwelle stehen. „Also, was den Spiegel des Alten Volkes betrifft ... ich kenne jetzt schon drei Dinge, für die diese Bezeichnung zutreffend scheint ...“ „Leg los“, forderte Barret sie munter auf. „Es gibt zunächst das SPECULUM. Dieses Wort bedeutet Spiegel auf einer Sprache, die nicht mehr gesprochen wird. Vielleicht ist das gemeint. Dann ist dort die Welt selbst, Miragia, die einen Spiegel der Außenwelt darstellt, auf der wir uns jetzt befinden.“ „Das wurde mir auch gesagt“, entsann sich Cloud. „Ein Spiegel der Außenwelt.“ „Als Letztes“, fuhr Aeris fort, „gibt es in einem begrenzten Raumabschnitt innerhalb Miragias einen richtigen Spiegel, der zeigen kann, was immer er will, und durch den die Cetra treten müssen, wenn sie in Vogelgestalt unsere Welt besuchen wollen.“ Erwartungsvoll sah sie in die Runde. „Das Letzte habe ich allerdings schon ausgeschlossen, da ja Ronven von etwas sprach, das nicht wirklich ein Spiegel genannt werden kann.“ „Die Frage ist nun: Wenn es kein richtiger Spiegel ist, was ist es dann?“ „Tja, sie hat ihre Vermutung ja leider nicht niedergeschrieben.“ „Glaubst du?“ Aeris warf Cloud einen verwirrten Blick zu. „Was heißt Glaubst du? Du hast doch selber vorgelesen, was in dem Bericht stand ...“ „Ja, habe ich, aber woher wollen wir wissen, ob das ihr einziger Bericht war? Nach unserem Treffen mit ihr hat sie nur noch Berichte über Sephiroth verfasst, aber davor? Vielleicht sollten wir da noch etwas energischer nachforschen.“ „Hm. Da hast du wahrscheinlich Recht.“ Nanaki begann erneut mit dem Schwanz zu wedeln: „Bitte, Aeris, erzähl uns, was du noch gesehen hast! Bugenhagen, war er da?“ „Ich habe nicht mit ihm gesprochen, obwohl ich das vielleicht hätte tun sollen“, antwortete Aeris zögerlich. „Weißt du, diese Sache mit dem Spiegel hat sich zu lange hingezogen, um in aller Ruhe –“ „Dann kann ich jetzt gehen, oder? Darf ich?“ Er machte Hundeaugen. Das beherrschte er einfach wie kein Zweiter. Cloud war derjenige, der ihm anstatt von Aeris nachdrücklich zur Antwort gab: „Zuallererst werden wir niemand Anderen nach Miragia schicken als unseren übelsten Widersacher.“ Alle, die bei ihm am Tisch saßen, rissen überrascht die Augen auf. „Moment mal, meinste etwa diesen ... Kerl?“, fragte Barret und beugte sich dabei über den Tisch in Clouds Richtung. Seine Augen verrieten mehr Misstrauen denn je. „Ich dachte, du hätt’st den verarscht! Das hältste nich’ wirklich für ’ne gute Idee, Cloud! Erzähl mir das nich’. Das wäre ja genau das, was du die ganze Zeit mit aller Kraft zu verhindern versucht hast. Hast selber gesagt, dass du dran gescheitert wärst.“ „Alle Cetra vertrauen ihm“, sagte Aeris ruhig. „Ich weiß, was ich tue“, antwortete Cloud scharf. „Anders können wir ihn doch gar nicht von dieser Idee abbringen. Er weiß nicht, auf was er sich da überhaupt einlässt, versteht ihr das nicht? Er muss es mit eigenen Augen sehen. Vielleicht will er gar nicht mehr als das. Sephiroth?“ Die Taube auf dem Tisch drehte ihren Kopf in seine Richtung. „Du weißt, was du zu tun hast, wenn wir ihn ins Verheißene Land schicken.“ Sephiroth nickte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)