The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 36: Welcoming --------------------- Die Welt hatte sich in eine Reihe von Erschütterungen verwandelt. Partikel, Sterne, was auch immer – alles sauste funkelnd an der Cetra vorbei; in welche Richtung, das vermochte sie nicht festzustellen. Sie trachtete nur danach, sich irgendwo festzuhalten, Sicherheit zu bekommen, aber die Synapsen ihres Gehirns waren sich vollkommen darüber einig, dass sie mitten im leeren Raum umhergewirbelt wurde. In ihrem Inneren flehte sie, dieses Ziehen von allen Seiten, diese Koordinationsunfähigkeit möge endlich ein Ende haben. Sie fühlte sich, als sei sie mit einem Katapult in den Nachthimmel hinaufgeschossen worden und dort in einen Wirbelsturm geraten. Dann aber, schlagartig, hatte ihre Reise doch ein überraschendes Ende. Plötzlich waren all die äußeren Eindrücke wie verschwunden. Stattdessen lag Aeris wie benommen auf einer riesigen grünen Wiese, auf welcher Massen von Blumen blühten und über die sich ein weiter azurblauer Himmel spannte. Diese Welt schien ihren sehnlichsten Wünschen entsprungen zu sein ... Eben erhob sie sich mühsam aus dem Gras, als sie auch schon Schritte näherkommen hörte. Viele Schritte. Als sie sich umwandte, sah sie mindestens ein Dutzend ihrer Artgenossen auf sich zueilen. Alle strahlten und winkten, während sie sich näherten. Ganz vorn lief eine Person, die Aeris nie wieder zu sehen geglaubt hatte. „Mutter!“ Von Freude erfüllt sprang sie auf, soweit ihr ermüdeter Leib es zuließ, und warf sich Ifalna in die Arme. „Aeris, Kind! Endlich bist du gekommen, endlich! Ich hatte schon geglaubt, du kämst mich gar nicht mehr besuchen.“ Lächelnd drückte Ifalna ihre Tochter an sich. „So, na, wir wollen’s mal nicht übertreiben, sonst zerquetschen wir noch das Kind, nicht wahr?“ Sie wich ein Stück zurück, beugte sich herab und betrachtete neugierig Aeris’ Bauch. „Ja, das sieht doch ganz gut aus. Du wirst bestimmt eine hervorragende Mutter. Aber schließlich hattest du ja auch ein gutes Vorbild!“ „Das ist wahr“, stimmte Aeris schmunzelnd zu, „obwohl du meiner Stiefmutter ja nie begegnet bist. Aber nun – ...“ „Oh, ich weiß. Du hast bestimmt eine Menge Fragen. Die hatte Cloud auch ...“ „Was hältst du eigentlich von Cloud?“ Diese Frage beschäftigte sie nun schon eine ganze Weile. „Oh, er ist auf jeden Fall der Richtige.“ „Nein, ich meine ... denkst du auch, dass er euch alle –“ Ihr Blick huschte über die Reihen von Cetra, die hinter Ifalna standen. „– an diese ERCOM verraten hat? Oder zugelassen hat, dass man euch gefährdet?“ Ifalna schüttelte den Kopf und legte ihrer Tochter beide Hände auf die Schultern. „Nein, Aeris, hör mal. Niemand verurteilt Cloud. Niemand behauptet, er habe etwas getan oder nicht getan. Wenn er deswegen besorgt ist, beruhige ihn bitte. Wir alle haben nach wie vor vollstes Vertrauen in ihn. Wenn jemand unsere Sicherheit garantieren kann, dann er.“ „Hm. Das sehe ich genauso. Er wird euch nicht enttäuschen.“ „Davon bin ich überzeugt. Weißt du, eigentlich wollte ich dir, sobald du hier eintriffst, alle deine Verwandten vorstellen, die du an JENOVA verloren hast ... deine Tante, deinen Onkel ...“ Sie nickte einigen Cetra hinter sich zu, die lächelnd, aber mit verhaltener Neugier zu Aeris hinübersahen. „... aber wir haben leider nicht genug Zeit für ein Familienkaffeekränzchen. Sie sind jetzt alle aus der Vergessenen Stadt zurückgekommen, um dich zu sehen, aber die Party wird warten müssen. Komm mit mir mit, ja, und ich zeige dir etwas.“ Sie fasste Aeris’ Arm und zog sie sanft mit sich. Eine kurze Weile lang schaute Aeris zurück zu den versammelten Cetra, die ihr hintersahen und zum Teil immer noch winkten, dann richtete sie ihren Blick geradeaus, wo sich ein Tor über den Rasen spannte, das aus dünnen Drähten verschiedener Stärke zu bestehen schien. „Ein ganz wichtiger Ort“, sagte ihre Mutter geheimnisvoll. „Immer geschützt gegen unbefugtes Betreten. Ophiem!“ Von hinten kam ein zerstreut wirkender Vertreter des Alten Volkes herbeigelaufen. „’Tschuldigung, Ifalna. Hallo, Aeris! Willkommen! Zum Spiegel wollt ihr?“ „Wenn schon, denn schon“, antwortete Ifalna schlicht und wartete, bis sich das Tor vor ihr soweit gehoben hatte, dass sie ohne Bücken hindurchtreten konnte. „Komm, mein Kind. Jetzt wird es interessant.“ Hinter dem Tor war die Wiese zu Ende, ebenso der Himmel. Um die Körper der Beiden floss irgendein Materiestrom, hellgrün wie MAKO-Energie. Fasziniert starrte Aeris dieses halbflüssige Gas an und fühlte sich jäh an Lebensstrom erinnert. „Von hier aus“, setzte Ifalna an, „erhält der Planet Miragia aufrecht. Auf der Seite gegenüber befindet sich der Wald der Toten – dies hier ist praktisch der Gegenpol dazu. Hier ist auch der Abreisepunkt, von dem aus wir in die Außenwelt aufsteigen können. Und hierher kommen wir auch zurück.“ Ihr Blick wanderte durch die konsistenzlose Umgebung. „Ich habe Sephiroth gesagt, er soll sofort hier auftauchen, aber mir scheint, er flattert immer noch bei deinen Freunden in der Außenwelt rum. Meine Güte! Naja, lassen wir ihm etwas Zeit. Die Reise dauert auch einige Minuten, weißt du.“ Aeris blinzelte. „Hat nicht der Torwächter irgendetwas von einem ... Spiegel gesagt?“ „Spiegel? Ja, natürlich.“ „Dazu hätte ich nämlich eine Frage.“ „Bitte, nur zu, stell sie.“ „Mutter ... hast du je etwas vom Spiegel des Alten Volkes gehört?“ Ifalna furchte die Stirn, was im grünlichen Schein der Umgebung noch gut zu erkennen war. „Hm. Spiegel des Alten Volkes? Meine Güte, es gibt vieles, das man so nennen könnte ... aber direkt gehört habe ich das noch nie ...“ „Was könnte man so nennen?“, hakte Aeris eifrig nach, aber bevor ihre Mutter eine Antwort geben konnte, flammte über den Köpfen der Beiden ein helles Licht auf. „Das wurde aber auch Zeit“, kommentierte Ifalna und verschränkte die Arme vor der Brust. Das Licht wurde zu einem glühenden Punkt, ähnlich einem Stern, der herabfiel und dabei einen Schweif hinter sich herzog. Er kam näher und gewann dabei an Größe und Helligkeit, bis er wie ein Meteor in einiger Entfernung auf den unsichtbaren Boden aufschlug. Umrundet von Lichtreflexen nahm der Stern allmählich Gestalt an. Das Schimmern verschwand. Sephiroth erhob sich aus der Hocke und streckte sich; sein schwarzer Flügel wirbelte Mengen an Lebensstrom auf. „Ah. Ihr seid schon hier.“ „Du bist ein notorischer Zuspätkommer, du Mensch“, murmelte Ifalna. „Aeris ist hier, siehst du?“ „Wie ... eindrucksvoll“, murmelte Aeris und versuchte krampfhaft, ihren bohrenden Blick von Sephiroths Flügel abzuwenden. „Ich schätze, das ...“ „Der ist cool, oder?“, erkundigte sich Sephiroth mit der Art eines kleinen Jungen, der seinen Freunden ein neues Spielzeug vorführt. „Oh, ja, ziemlich.“ Ifalna erhob die Stimme. „Genug jetzt mit dem Firlefanz! Der Spiegel. Komm, mein Schatz, den zeigen wir dir, dann wird deine Frage schon beantwortet werden.“ Barret lugte misstrauisch durch die Glasscheibe. „Meinste, sie is’ okay?“ „Natürlich ist sie okay“, antwortete Cloud und schob damit seine eigene Besorgnis beiseite. „Sag lieber Cid, er soll uns irgendwo landen.“ „Hab’ ich ja. Wir sind schon fast da.“ Cloud starrte weiterhin ins Innere des SPECULUMs, und seine Finger trommelten nervös auf das Metall. „Sephiroth ist auch weg. Ich wette, er ist ins Verheißene Land zurück, um mit ihr zu reden ...“ „Tja, kann ja sein. Und? Biste jetz’ neidisch, weil du irgendwelche Neuigkeiten nich’ mitkriegst?“ „Ich weiß nicht. Ich wäre natürlich mitgekommen, wenn das möglich gewesen wäre.“ „Ach, hör doch auf. Vielleicht labern die ja auch irgend’n belangloses Zeugs. Komm doch mit aufs Deck zu den Anderen.“ „Ich bleibe lieber hier.“ Seit mehr als einer Viertelstunde war Cloud nun alleine mit der seltsamen Maschine zurückgeblieben; seine Freunde hatten sich an Deck oder im Steuerraum etwas ausgeruht. Barret war gekommen, um wenigstens einmal nach dem Rechten zu sehen. „Dann erfahre ich wenigstens alle Neuigkeiten aus erster Hand, wenn sie zurückkommt.“ Missmutig zuckte Barret die Schultern. Seine Hände steckten wieder einmal tief in seinen Jackentaschen. „Hmm. Na gut. Ach, warte mal, irgendwas wollte ich noch ... ich sollte dir noch irgendwas sagen ... ach ja.“ Er streckte die gesunde Hand in Clouds Richtung aus. „Tifa hat drum gebeten, sich ma Vincents Umhang anseh’n zu dürfen.“ „Vincents ... Umhang“, wiederholte Cloud, dann schien er den Sinn hinter den Worten zu entdecken. „Oh, ja, richtig ... nein, warte. Den gebe ich ihr dann doch selbst. Erst mal will ich wissen, was sie damit vorhat.“ „Äh, wie du meinst ... he, he, jetzt warte wenigstens auf mich!“ Cloud war bereits durch die Frachtraumtür entwischt, ehe Barret registrierte, dass er sich überhaupt bewegt hatte. „Pass du auf Aeris und die Maschine auf. Ich bin ja gleich wieder da.“ „Jaah jaah.“ Barret sah Cloud kurz hinterher, dann begann er von Neuem damit, das SPECULUM argwöhnisch zu betrachten. Tifa stand an der niedrigen Reling des Highwind-Decks und ließ sich den frostigen Morgenwind um die Ohren blasen. Neben ihr lag, alle Viere von sich gestreckt, Nanaki und döste vor sich hin, Yuffie hing luftkrank in irgendeiner Ecke und Reeve bemutterte sie. Habe ich jetzt eigentlich die Ruhe gefunden, die ich wollte?, fragte sich Tifa, den düsteren Blick in weite Ferne gerichtet. Jetzt, wo ich meinen Job als Botschafterin wahrscheinlich sowieso los bin? Ach, verdammt. Wieso läuft das alles acht Jahre lang gut und geht dann plötzlich alles auf einmal den Bach runter? Verdammt! „Tifa?“ Sie zuckte zusammen. „Hu-huch! Ich hab’ dich gar nicht kommen gehört. Ist Aeris noch nicht wieder da?“ „Wir werden uns wohl noch etwas gedulden müssen, bis wir wieder etwas von ihr hören“, antwortete Cloud, der hinter ihr stand. Der kalte Wind vermochte kaum, seine starren blonden Strähnen in eine Richtung zu drängen. „Du wolltest doch den Umhang sehen.“ Er hielt ihr das abgewetzte Stück Stoff entgegen, welches flatternd seine ausgefransten Seiten sehen ließ. „Hm, ja, genau. Gib mal her.“ Mit konzentrierter Miene nahm sie ihm das Kleidungsstück ab und betrachtete es, wobei sie sich so in die Fahrtrichtung drehen musste, dass ihr der Saum nicht ins Gesicht wehte. „Tja, er ist etwas unpraktisch für unsere Zwecke ... er hat vorne am Kragen fünf Lederriemen mit Schnallen.“ „Vincent hat immer nur die oberen drei zugemacht“, erinnerte sich Cloud mit leiser Stimme. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich jedoch nicht. „Nun, ich ... könnte ja eine Änderung daran vornehmen ...“ Mit einem Mal wirkte Cloud erschrocken. „Nicht! Das ist Vincents Umhang, wir können damit nicht einfach machen, was wir –“ „Cloud, das war Vincents Umhang!“, fiel sie ihm streng ins Wort. „Er hat ihn dir geschenkt! Du musst den Gedanken loslassen, Vincent könnte zurückkommen und ihn wiederhaben wollen! Er wollte, dass du ihn benutzen kannst. Schweben können, das bedeutet einen ungeheuren Vorteil!“ „Ich ... weiß“, antwortete Cloud, erläuterte aber nicht näher, woher er das wusste. „Ähm ... na ja, das hätte ihm bestimmt auch nicht gefallen, wenn du seinen Umhang hast und damit nichts anfangen kannst. Wir müssen ihn so haben, dass man einfach ... leicht raus- und reinschlüpfen kann ... du weißt schon, einfach so über den Kopf ziehen. Weißt du was? Ich näh’ ihn um. Ich trenne die Schnallen ganz raus und mach’ den Kragen etwas weiter. Dann passt das schon.“ Sie schaute Cloud erwartungsvoll ins Gesicht, aber dieser sah nicht besonders begeistert aus. Nachdenklich ließ er den Blick über den Stoff gleiten. „Hm ... mach einfach damit, was du willst. Es wird schon richtig sein.“ „Nicht so schnell, Cloud. Du wirst mir zuschauen. Damit du dich gleich mit dem Gedanken anfreunden kannst, mit dem Ding herumzulaufen.“ Er schnitt eine Grimasse. „Muss das wirklich sein?“ „Ja!“ „Aber Aeris ...“ „Du hast selber gesagt, dass wir auf sie noch eine Weile warten müssen. Die Änderung dauert keine fünf Minuten. Ich kann das nämlich gut.“ „Und wie? Hier auf der Highwind? Mit Nadel und Faden?“ Seine Miene verriet nach wie vor Unwillen und Skepsis. „Wir landen doch gleich, Cloud – und zwar in Midgar.“ „Ach ja, bei deiner Freundin Helen. Wir müssen ja noch ihren Zaun wieder hinstellen“, gab er zynisch zurück. „Na schön, okay. Meine Güte. Von mir aus.“ Tifa erlaubte sich ein selbstzufriedenes Lächeln, als sie den Umhang faltete, glatt strich und ihn über ihren Arm hängte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)