The Mirror Of The Ancients von CaroZ (Miragia-Trilogie 2) ================================================================================ Kapitel 34: Wishing ------------------- „Cid, die ham’ uns gehört. Ihr ganzes Lager is’ in Aufruhe. Du musst Cloud und Aeris hier absetzen, und wir verschwinden schon ma zum Zielpunkt, bevor wir von denen noch abgeschossen werden!“ „Alles klar“, gab Cid zur Antwort und ließ die Tiny Bronco dicht über den Boden gleiten. Cloud hielt Aeris’ Arm. „Wir springen ab, wenn du das Kommando gibst, Cid.“ „Na schön, ihr zwei. Dann auf drei. Eins – zwei – drei!“ Mit einem hinreichend großen Satz sprangen Cloud und Aeris durch die geöffnete Tür des immer noch sehr schnell fliegenden Flugzeugs und rollten sich in die entgegengesetzte Richtung auf dem trockenen Grasboden ab. „Argh“, jammerte Aeris mit schmerzverzerrtem Gesicht. „Das war ... eine Spur zu heftig.“ Cloud umschlang ihre Schultern. „Komm hoch, schnell! Diese Mittelland-Typen werden gleich hier auftauchen, also komm! Nichts wie runter!“ „Wha– ... wo-wohin bringen wir das SPECULUM eigentlich?“, fragte Aeris mit schwankender Stimme, während sie taumelnd auf die Beine kam. „Tja, das ist es ja, weswegen Cid gut daran getan hat, so schnell wieder von hier zu verschwinden. Wir bringen es auf die Highwind.“ „A-aber die ... ist doch in Junon ... das schaffen wir nicht ... die Substanz hat nur eine Reichweite von hundert Kilometern ...“ „Vincent hat es von der Villa bis zu mir ins Klassenzimmer geschafft, das ist ungefähr dieselbe Distanz“, antwortete Cloud unbeirrbar. „Außerdem werden die Anderen jetzt sofort nach Junon fliegen und dort praktisch von der Tiny Bronco in die Highwind umsteigen, damit sie uns gleich entgegenkommen können.“ Er stützte sie, während er zielstrebig auf das abgesperrte Trümmergelände zuhielt. „Armer Cid ... er ist seit Tagen nur am Fliegen.“ „Beruflich macht er doch auch nichts Anderes. Er kommt damit schon zurecht. Warte – da sind überall Wachen, wir können nicht näher rangehen ... ich hätte mir vielleicht mal früher Gedanken darüber machen sollen –“ Sie hielt sich immer noch an seiner Schulter fest, den Blick auf die Gruppe von Wachposten gerichtet. „Sollen wir ... die Substanz benutzen ...?“ „Ich weiß nicht. Dann besteht die Gefahr, dass sie nachher nicht mehr funktioniert. Leider ist dieses Ding nicht besonders zuverlässig.“ „Ich meine die andere, die auf dem ersten Level ... die müssen wir nachher doch sowieso einschmelzen ...“ Er schnippte mit den Fingern. „Ha, da hast du allerdings Recht. Hervorragende Idee. Hauptsache, die schafft das auch schon. Versuchen wir’s.“ Er zog Aeris fest an sich und konzentrierte sich auf die schwächere der beiden Substanzen, die er trug. Es funktionierte reibungslos. Eine Viertelminute später sahen er und Aeris den wohlbekannten, halb eingestürzten Keller der Shin-Ra-Villa vor sich. Hinter ihnen begann die Holzwendeltreppe, zu ihrer Linken befand sich die Tür zu der Kammer mit den Särgen. Der Weg vor ihnen führte zu einer überaus chaotisch zurückgelassenen Bibliothek. „Komm“, sagte Cloud fest, obgleich er ein flaues Gefühl im Magen verspürte. Irgendjemand hatte hier viele Stunden zwischen all den herumliegenden Büchern und umgestürzten Regalen verbracht, denn es lagen teilweise aufgeschlagene Textsammlungen auf den Tischen oder solche, die mit zahlreichen Lesezeichen versehen waren. Es erinnerte Cloud an jenen Tag, an dem er vergeblich versucht hatte, Sephiroth vom Herausfinden seiner eigenen Vergangenheit abzuhalten; nur hatte sein ehemaliger Erzfeind während seiner gierigen Studien keine solche Unordnung verursacht. Bei diesem Gedanken fiel Cloud auf, dass Sephiroth nicht bei ihnen war. Eine weiße Taube wäre vor dieser düsteren Kulisse leicht zu entdecken, ihr Flügelschlag unüberhörbar gewesen. Er war ihnen nicht gefolgt. Cloud bückte sich und schob einige Buchseiten zur Seite, welche die Falltür bedeckten. Sie musste überraschend zugefallen sein ... „Hier runter“, sagte er zu ihr, denn Aeris kannte diesen Ort noch nicht. Sie nickte wortlos und half ihm, die Falltür zu öffnen, wofür es beinahe schon zu eng war in der verwüsteten Bibliothek. Neben der erwarteten Eiseskälte schlug ihnen ein erschauerlicher Geruch entgegen, ein Gänsehaut erregendes Gemisch aus geronnenem Blut, halbverwestem Fleisch, verbranntem Holz und schmelzendem Metall. „Oh Gott“, murmelte Cloud und sog tief die Luft ein, allerdings in weiser Voraussicht nicht durch die Nase. „Wir müssen da runter, Cloud, es gibt keinen anderen Weg, habe ich Recht?“ „Das ... stimmt.“ Im Geheimschacht brannte Licht, aber von oberhalb war außer einigen herabgefallenen Büchern, die zum Teil mit zerknickten Seiten wie verunglückt dalagen, nichts zu sehen. Cloud ging in die Knie und schwang sich die Leiter herunter. Aeris folgte ihm. Unten angekommen war der Gang in Richtung des SPECULUMs bereits geöffnet, die halbflüssigen Wände an den Seiten zurückgeflossen. Den Beiden bot sich ein Anblick, der dem vorherrschenden Geruch durchaus gerecht wurde: Sowohl Mitarbeiter der ERCOM als auch Wärter der Mittellandjustiz lagen kreuz und quer in dichter oder geringer Nähe zum SPECULUM auf dem schimmernden Boden, als hätte jemand eine Handvoll von ihnen einfach aus großen Höhen herabfallen lassen. Blut, sowohl flüssiges als auch geronnenes, bedeckte Wände und Boden. Das Einzige im Umfeld, das ganz und gar unbefleckt geblieben war, war das SPECULUM selbst. So dicht hat Lukretia also keinen herankommen lassen, dachte Cloud. Da passt sie wirklich auf wie ein Schießhund. Er wandte sich Aeris zu, die schreckensbleich in selbige Richtung starrte und aussah, als würde sie jeden Augenblick vor Entsetzen in Tränen ausbrechen. „Ruhig,“ sagte er. „Die sind sowieso alle längst tot ...“ Es klang nicht einmal tröstlich. „Aber wie sie getötet wurden, das kann man in der Luft spüren. Es erdrückt einen fast“, antwortete sie mit gepresster Stimme. „Glaub mir, das kenne ich wirklich nur zu gut.“ Sie schlang beide Arme und den von Cloud. „Du darfst mich nicht loslassen, hörst du? Sonst wird sie sich auf dich stürzen.“ „Ich weiß.“ Beide setzten sich in Bewegung und näherten sich der Maschine, die im hinteren Ende des Tunnels wie eine einsame Träne vor sich hin schimmerte. Sie machten große Schritte über die Leichenteile und deren verstreute Innereien, und der Boden unter ihren Füßen war rutschig von Blut und anderem. Cloud sah aus dem Augenwinkel, dass Aeris ihren Blick starr nach geradeaus gerichtet hielt. Vielleicht sollte er es genauso halten. Unmittelbar vor dem SPECULUM griff Cloud mit zitterten Händen unter seine Jacke und förderte den in Plane gewickelten Substanzbrenner zutage. „Na denn ... fangen wir an.“ „Braucht das Ding keinen Strom?“ „Nein, es läuft mit Batterien ... zum Glück.“ Er stellte es auf den Boden, legte die kleinere der beiden Substanzen in die Halterung und drückte einen Schalter um. Innerhalb weniger Sekunden färbten sich die Brennstäbe glühend hellorange, und der kugelförmige grüne Stein begann in sich zusammenzusinken wie ein Stück Butter. „Das geht ja schnell.“ „Ja, da haben wir Glück. Manchmal dauert es ewig. Sag mal ... hat Sephiroth dir gesagt, was genau wir mit der Substanzschmelze tun sollen?“ „Ja, ich erkläre es dir, wenn es soweit ist.“ Nach der nächsten Minute war von der Substanz nur noch eine hellgrün fluoreszierende Flüssigkeit zurückgeblieben, von welcher Rauchfäden aufstiegen, die verdächtig nach MAKO aussahen. „So, schau her.“ Sie nahm den Brenner mit der Schmelze und kippte diese auf den Boden, wobei sie einen Bogen rund um das SPECULUM beschrieb. Cloud sah ihr kritisch dabei zu. „Und das soll klappen? Einfach einen Kreis aus Substanzschmelze um das Gerät ziehen und dann ...?“ Aeris nahm die andere Transfer-Substanz, die auf dem MASTER-Level, und legte eine Hand an das SPECULUM. Sofort zog sich um die Maschine herum eine Wand aus grünlichem Rauch, der vom Boden aufstieg und am Metall kondensierte. Als die einsatzfähige Substanz dann ihre Wirkung tat, begann das SPECULUM sich tatsächlich zu dematerialisieren. Zwar geschah dies langsamer als bei einem normalen Ort-zu-Ort-Transport, aber es dauerte dennoch nicht lange, bis das ganze riesenhafte Ungetüm von Gerät gänzlich verschwunden war. „Faszinierend“, gestand Cloud beeindruckt. Aeris lächelte triumphierend, hielt sich dabei aber an der Wand fest. „Und jetzt ... sollten wir schnell wieder verschwinden.“ „Das stimmt.“ Er half ihr zurück über den Leichenteppich, wobei sie sich an ihm festkrallte. Kein einziges Mal hatte sie den Körperkontakt zu ihm unterlassen, verantwortungsbewusst wie sie war. Als die Beiden bereits mehrere Meter vom ehemaligen Standort des SPECULUMs entfernt waren, erklang unerwartet ein helles Lachen im Schacht. Die Herkunft des Geräusches war nicht auszumachen, es schien von überall zugleich herzukommen. „Halt den Mund, Lukretia“, murmelte Cloud, während er die bleiche Aeris vorwärts schleppte. „Deine Drohungen und Verhöhnungen sind für die Hunde, siehst du? Deine geliebte Erfindung ist doch sowieso längst weg!“ Das Gelächter wurde noch etwas lauter, aber keine Freude sprach aus ihm. Es klang nach einer Schauspielerin, die sich beizubringen versuchte, auf Kommando zu lachen. „Sie ist ... wirklich hier“, stöhnte Aeris. „Sie beobachtet uns ...“ „Das stimmt, und ich weiß genau, was ihr vorhabt“, antwortete Lukretias Stimme, die von unsichtbaren Wänden zurückgeworfen zu werden schien, von undefinierbarer Lautstärke im Raum ihre Runde machte und dabei den Schatten einer schwachen Existenz nach sich zog. „Warum ... tust du das alles?“, stellte Cloud voller Abscheu endlich die Frage, die er ihr schon lange hatte stellen wollen. „Du tötest sie alle. Du hast auch Vincent getötet. Warum?“ Während er sprach, kämpfte er sich weiter in Richtung Leiter vor, mit Aeris im Schlepptau. Die Antwort kam nicht sofort. Irgendwann, als Cloud schon im Begriff war, Aeris die Leiter hinaufzuschieben, sagte Lukretia plötzlich: „Ich ... bin unglücklich. Ich kann nichts tun. Nur das. Ob ich will oder nicht. Niemand darf dem SPECULUM zu nahe kommen. Ich beschütze die Cetra ... und JENOVA schenkt mir keinen Frieden.“ Clouds Finger, um eine Sprosse der Leiter geschlossen, fühlten sich kalt an. „Warum nicht?“ „Sie hat die Cetra immer gehasst. Deswegen hat sie sie ausgerottet. Ich bin an ihr Schicksal gebunden. Ich kann nicht sterben.“ Aeris zwang sich mühsam Sprosse für Sprosse hinauf. „Du könntest damit aufhören“, sagte Cloud etwas leiser. „Mit dem Töten? Nie. Ich will die Cetra und ihr Verheißenes Land schützen. Dagegen kann ich mich nicht wehren ... der Hass ist stärker als ich. Würdest du dich nicht wie ein ängstliches Kind an Ifalnas Tochter klammern, dann würde ich ... dich in Stücke reißen –“ „Das kannst du nicht“, erwiderte Cloud furchtlos, „und das weißt du. Ich bin genauso an JENOVA gebunden wie du. Ich kann dich bekämpfen.“ Lukretia lachte wieder ihr freudloses Lachen. „Du weißt nicht, wofür du kämpfst oder wie du es anstellst.“ Cloud erinnerte sich daran, dies bereits im Traum von ihr gesagt bekommen zu haben, und antwortete nicht. Dicht hinter Aeris kletterte er die Leiter hinauf, und oben angekommen, verschlossen sie die Falltür, die mit einem dumpfen Dröhnen herabfiel, erneut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)