I want to be your friend... von Irrational_Agonist (or your lover?) ================================================================================ Kapitel 2: Karaoke ------------------ “Du willst was?!”, schrie meine Mutter hysterisch, als ich ihr von meinen Plänen für den Abend erzählte. “Das kommt nicht in Frage! Du musst deine Hausaufgaben doch noch machen!”, fügte sie hinzu und raufte sich theatralisch die Haare. “Dazu habe ich noch das ganze Wochenende Zeit.”, erwiderte ich und fuhr fort: “Außerdem beteuerst du immer, wie sehr du dich freuen würdest, wenn ich endlich einmal etwas mit Freunden unternehme- zählt ein Abend in der Karaokebar nicht dazu?” Meine Mutter lief ein paar Mal in der Küche auf und ab und schien nachzudenken, bis sie sich dann schließlich neben mich stellte, mir liebevoll eine Hand auf die Schulter legte und flötete: “Doch, da hast du Recht. Ich wünsche dir viel Spaß heute Abend, aber benimm dich!” Ich seufzte gelangweilt, schenkte meiner Mutter mein schönstes Lächeln und umarmte sie kurz. “Dankeschön, Mutter. Das ist echt lieb von dir.”, bedankte ich mich, hob meine Schultasche vom Boden auf und verschwand in meinem Zimmer. Zuerst flog meine Schultasche fröhlich in die Ecke, wo sie mit einem lustigen Klatschen den Boden küsste, gleich darauf folgte meine Uniformjacke, während ich mich mit einem wohligen Seufzen nach hinten auf mein Bett fallen ließ. Ich starrte eine zeitlang Löcher in meine weiße Zimmerdecke, bis mir das zu langweilig wurde und ich meinen Blick auf meinen Schreibtisch richtete. Sofort sprang mir meine riesige, neongrüne Funkuhr ins Auge und ließ mich wie elektrisiert hochschnellen, als ich realisierte, dass es schon 18:15 Uhr war. In einer Dreiviertelstunde würde Sakamoto kommen und ich hatte mich noch nicht einmal umgezogen! Ich war mit einem Satz vor meinem Kleiderschrank, riss diesen auf und begann, hektisch darin herumzuwühlen. Was zur Hölle sollte ich bloß anziehen? Was zog man überhaupt an, wenn man mit Freunden etwas machte? Normal oder eher… normal? Leicht enttäuscht musste ich feststellen, dass mein Kleiderschrank außer langweiligen T-Shirts in mehreren verschiedenen Farben und ebenso uninteressanten Hosen nicht viel zu bieten hatte. Schließlich entschied ich mich für ein dunkelblaues Poloshirt und eine einfache Jeans, doch richtig zufrieden war ich nicht. Ich ging zu meiner Schultasche und kramte meinen Geldbeutel daraus hervor, den ich in meine Hosentasche steckte, danach warf ich einen prüfenden Blick in den Spiegel. Irgendetwas gefiel mir nicht… aber ich konnte beim besten Willen nicht sagen, was es war. Waren es meine Haare? Nein, die waren ordentlich gekämmt und lagen so wie immer. Mein Polohemd? Nein, das war auch sauber und der Kragen war ebenfalls richtig aufgestellt. Meine Hose? Eigentlich auch nicht, denn sie passte mir immer noch sehr gut… Konnte es vielleicht an meiner schwarzen Jacke liegen, dass ich mir nicht gefiel? Auf keinen Fall- das war doch meine erklärte Lieblingsjacke! Bevor ich weiter grübeln konnte hörte ich, wie es an der Tür klingelte und meine Mutter durch den Flur raste, um aufzuschließen. Ein paar Sekunden später erklangen Stimmen im Flur, eine konnte ich deutlich als Sakamotos Stimme erkennen, die andere war die Stimme meiner Mutter, die jetzt deutlich anschwoll und ein: “Kazamasa, dein Freund ist da!!!” die Treppe hoch schmetterte. “Komme ja!”, rief ich zurück, warf einen letzten Blick in mein Zimmer und stürmte dann die Treppe herunter. Sakamoto stand entspannt in der Diele und begrüßte mich mit einer freundschaftlichen Umarmung, die ich leicht befangen erwiderte. “Na dann wünsche ich euch einen schönen Abend! Kommt mir aber nicht zu spät nach Hause, ja?”, meinte meine Mutter an der Tür, wir nickten synchron. “Keine Sorge, Kohara-san. Das wird schon nicht passieren.”, beruhigte Sakamoto sie, bevor wir uns endgültig umdrehten und zum S-Bahnhof liefen, um in die Stadt zu fahren. Als wir uns einige Schritte von unserem Haus entfernt hatten, blieb der Blonde stehen und zog seinen langen Mantel aus, mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Er trug ein halbdurchsichtiges Oberteil und skandalös kurze Shorts sowie Beinstulpen, die seine Unterschenkel bedeckten. “Sa- Sakamoto?!”, stammelte ich mit hochrotem Kopf, der Angesprochene sah mich leicht verständnislos an. “Hm, was ist?”, wollte er dann wissen, ich hingegen schüttelte nur den Kopf und murmelte: “Ach, nichts…” Wir setzten unseren Weg zum S-Bahnhof fort und standen bald schon auf dem Gleis, wo mich die nächste Überraschung erwarten sollte. Zuerst standen wir nur stumm nebeneinander, bis Sakamoto plötzlich anfing, unruhig von einem Bein aufs andere zu springen und seine Arme an den Körper presste. “Was hast du?”, fragte ich verwirrt, der Blonde hielt kurz in seiner Tätigkeit inne und antwortete mir mit klappernden Zähnen: “Mir ist kalt… kann ich dich kuscheln?” Ich schätze, ich habe noch nie in meinem Leben so dämlich ausgesehen wie in diesem Moment, denn ich bekam im wahrsten Sinne des Wortes Stielaugen. “Äh…”, gab ich dann wenig intelligent von mir, was von dem Blonden wahrscheinlich als Zustimmung gewertet worden war, denn im nächsten Moment hatte er seine Arme um mich geschlungen und drohte mich zu erdrücken. “Mmh… schon besser.”, schnurrte er dann und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge, ich versuchte, die aufdringlichen Blicke der Umstehenden galant zu ignorieren. “Dauert nur noch zehn Minuten, bis die S-Bahn kommt.”, informierte ich den Kleineren, der sich daraufhin nur noch enger an mich schmiegte. “Wenn du mich nicht bald streichelst, bin ich bis dahin bestimmt erfroren…”, beschwerte er sich, ich rollte die Augen. “Ach, wirklich? Weißt du, im Grunde macht mir das gar nicht so viel aus.”, erwiderte ich sarkastisch, Sakamoto kicherte. Nach einer Weile schließlich tat er mir sogar Leid, also begann ich, vorsichtig, seine nackten, mit einer Gänsehaut überzogenen Arme entlang zu streichen. “Das tut gut… mach weiter so.”, murmelte Sakamoto leise, ich hielt in der Bewegung inne und wurde rot. Zum Glück kam in diesem Moment die S-Bahn, was den Blonden dazu veranlasste, mich loszulassen, um mich gleich darauf wieder am Arm zu packen und mich wie einen Sack Kartoffeln hinter sich her zu zerren. Wir ließen uns nebeneinander auf eine Bank mit Sitzen fallen und verbrachten die kurze Fahrt in absolutem Schweigen. Erst als wir an einem S-Bahnhof in der Innenstadt ausstiegen und zur nahe gelegenen Karaokebar liefen, begann Sakamoto ein Gespräch. “Bist du müde?”, wollte er von mir wissen, ich schüttelte abwesend den Kopf. “Nein, nicht wirklich. Wieso?”, erwiderte ich. “Na ja, du scheinst so, als hättest du nicht wirklich Lust darauf, jetzt zum Karaoke zu gehen.”, erläuterte der Kleinere, ich seufzte und strich mir durch die Haare. “Nein, das schon… ich denke nur nach.”, versuchte ich mich aus dem Schneider zu reden, doch der Blonde ließ nicht locker. “Was hast du dann, wenn du nicht müde bist?”, hakte er nach. “Ich sagte doch, ich denke nach.”, wiederholte ich halbherzig, Sakamoto sah enttäuscht aus. “Was? Mein Shou-chan will nicht mit mir reden?”, schmollte er dann, ich musste unwillkürlich lachen. “Du bist blöd. Ich gehöre dir doch nicht. ”, grinste ich, der Blonde zog eine beleidigte Grimasse, die sich schnell in ein verführerisches Grinsen umwandelte. “Noch nicht, Baby… noch nicht.”, säuselte er dann, ich lachte hell auf. Schließlich waren wir an der Karaokebar angelangt, eine Angestellte wies uns unsere Kabine zu, wir bestellten unsere Getränke und machten die Tür der Kabine hinter uns zu. Zugegeben, ich fühlte mich schon etwas komisch, alleine mit Sakamoto in einem Raum und das hinter geschlossener Tür. Ich zog meine Jacke aus und warf sie auf das Sofa, dann schnappte ich mir die Liste mit den Liedern. Nach einer Weile ging die Tür auf, eine Bedienung brachte unsere Getränke, wir bedankten uns höflich. Nachdem die junge Frau den Raum verlassen hatte und wir wieder alleine waren herrschte abermals unangenehme Stille. “Möchtest du anfangen, Shou?”, fragte Sakamoto plötzlich in die Stille, ich nickte: “Ja, gerne. Ich habe auch schon ein Lied.” Ich hatte mir “Weekend” von X Japan ausgesucht, denn es war ein Lied, was ich schon recht gut konnte und öfters sang. Ich wollte mich ja nicht gleich beim ersten Lied vor Sakamoto blamieren… Anfangs war meine Stimme noch recht leise und unsicher angesichts der Tatsache, dass ich nicht alleine hier war, doch kaum hatte ich mich richtig aufs Singen konzentriert, ging ich richtig in der Musik auf. Kaum hatte das Lied geendet, drehte ich mich mit vor Freude strahlendem Gesicht zu Sakamoto um, der reichlich erstaunt schien. “Na, was sagst du?”, fragte ich erwartungsvoll. Der Blonde musterte mich einen Moment lang abwägend, dann lächelte er und meinte: “Hast du dir eigentlich schon einmal überlegt, Sänger zu werden?” Ich starrte ihn erschrocken an. “W- wieso denn das? D- das ist doch unsinnig?!”, stammelte ich. “Wieso unsinnig? Es macht dir doch Spaß, oder?”, erwiderte Sakamoto ernst. “Natürlich macht es mir Spaß, aber meine Eltern haben etwas anderes für mich vorgesehen.”, entgegnete ich und nahm einen Schluck von meiner Cola. Sakamoto schüttelte verständnislos den Kopf, bevor er selbst ein Lied aussuchte und begann zu singen. Jedoch war ich viel zu aufgewühlt, um ihm richtig zuzuhören und so kam es, dass ich es nicht einmal bemerkte, wie er sein Lied beendete. Also erschrak ich erst einmal gehörig, als ich das Gesicht des Blonden wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt ausmachte. “Was soll das?!”, fuhr ich ihn ungewollt verärgert klingend an, er hingegen grinste nur vielsagend. “Wir können ja ein Lied zusammen singen, was hältst du davon?”, schlug der Kleinere vor, ich nickte leicht und stimmte zu: “Klingt gut.” Schon bald standen wir vor dem kleinen Bildschirm, Sakamoto hatte die Arme um mich gelegt und wiegte sich im Takt der Musik hin und her. Mit hochrotem Kopf versuchte ich mich auf die Musik zu konzentrieren und keinen einzigen falschen Ton in meinen Gesang einzubauen, was mir auch recht gut gelang. Nachdem das Lied vorbei war, flüchtete ich mich erleichtert auf das Sofa in der Mitte des Raumes, Sakamoto sah mir mit sichtlicher Belustigung zu. Er setzte sogar noch einen drauf, indem er versaut grinste und säuselte: “Weißt du, jetzt hätte ich richtig Lust darauf, mit dir rumzumachen…” Ich hatte gerade einen großen Schluck aus meinem Cola- Glas genommen und verschluckte mich jetzt vor Schreck daran. Nachdem ich einige Minuten lang gehustet hatte, keuchte ich empört: “Perversling! Wag´ es bloß nicht…!” Am Ende des Abends war ich mir sicher, dass ich noch nie in meinem Leben so viel Spaß gehabt hatte wie heute. Als Sakamoto und ich schließlich draußen vor der Karaokebar standen, überkam mich sogar eine gewisse Melancholie. Am liebsten hätte ich geweint in Anbetracht der Tatsache, dass ich den Blonden bis Montag wahrscheinlich nicht wiedersehen würde. Ich war ihm unheimlich dankbar, dass er mich so lange genervt hatte, bis ich schließlich zugesagt hatte, mit ihm zum Karaoke zu gehen, denn ich war mir sicher, ich hätte einiges verpasst, wäre ich nicht mitgekommen. Wehmütig umarmte ich den Kleineren und verabschiedete mich von ihm, er grinste nur und meinte: “Komm gut nach Hause, Shou. Ich freu mich schon auf Montag.” Ich lächelte ebenfalls und rief: “Komm auch gut nach Hause, Saga! Danke nochmal!”, dann drehte ich mich zum Gehen um. Als ich in der S-Bahn saß, fiel mir zum ersten Mal auf, wie spät es war. Schon 24:30 Uhr! Oh mein Gott… Mutter würde sich bestimmt aufregen! Ich hatte beim Karaoke vollkommen die Zeit vergessen… Die paar hundert Meter vom S-Bahnhof bis zu unserem Haus legte ich im Dauerlauf zurück und stellte entsetzt fest, dass in der Küche noch Licht brannte. Ich klingelte an der Haustür, die sofort von meiner besorgten Mutter aufgerissen wurde. “Wo warst du so lange? Wir haben uns Sorgen gemacht!”, keifte sie und zerrte mich in den Flur. “Ich habe unheimlich viel Spaß beim Karaoke -Singen gehabt und habe dadurch vollkommen die Zeit vergessen .”, erklärte ich schuldbewusst. “Kind, wir wären fast gestorben vor Angst um dich! Ich hätte bald eine Vermisstenanzeige aufgegeben, wenn du nicht gekommen wärst! Mach das nie wieder, ja?!”, fuhr meine Mutter empört fort, ich nickte betreten. “Das kommt nicht mehr vor, versprochen.”, seufzte ich, wünschte ihr eine gute Nacht und verschwand in mein Zimmer, wo ich mich auf mein Bett warf und kurz darauf vor Erschöpfung einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)