Fond Seasons von Lina_Kudo (Zärtliche Jahreszeiten (Seiya&Usagi)) ================================================================================ Kapitel 2: Aki Kiri - Herbstnebel --------------------------------- Kapitel 2: AKI KIRI Herbstnebel Ich sitze hier in meinem Zimmer und schaue gedankenverloren aus dem Fenster. Es ist Morgengrauen, in der Luft liegt noch ein dichter Nebelschleier, sodass ich nicht viel von der Landschaft und der Natur erkennen kann. Genauso verschleiert sieht es gerade in meinem Gefühlsleben aus. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Bin völlig im Unwissen, was ich machen soll. Tappe im Dunkeln und kann das Richtige nicht mehr vom Falschen unterscheiden. Ja, was ist richtig? Und was ist falsch? Zwischen diesen Begriffen liegt gar kein so großer Unterschied, wie viele vielleicht meinen. Klar, etwas ist eindeutig falsch oder eindeutig richtig. Aber viele kennen diese undefinierbare Zwischendimension nicht, die gerade mein gesamtes Leben bestimmt. Es ist falsch, dem Mann, der einen von ganzem Herzen liebt, eine nicht existente Liebe vorzugaukeln. Und zugleich ist es richtig, denn eine vorherbestimmte Zukunft darf man nicht auf den Kopf stellen. Dem Schicksal soll man sich beugen, denn gegen ihn hat man sowieso nicht die geringste Chance. Es ist auch richtig, viel Zeit mit dem Mann zu verbringen, den man in Wahrheit liebt. Es ist aber falsch, ihn überhaupt zu lieben. Er darf nicht mehr als der beste Freund sein. Aber es ist ebenfalls nicht richtig, die wahren Gefühle zu verleugnen. Was ist also Recht? Und was ist Unrecht? Wer kann mir diese Frage endlich beantworten? Der Aufprall etwas Hartes an eine gläserne Wand. Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. War das etwa ein kleiner Stein? Ich stehe endlich von meinem Bett auf, gehe ans Fenster und öffne es. Als ich herunterblicke, bleibt mir das Herz für wenige Augenblicke stehen. Grinsend stehst du unter meinem Haus, lässig an deinem neuen roten Motorrad gelehnt. Allein dein Anblick raubt mir den Verstand. Wie schaffst du das nur? Wie gelingt dir das nur, mich mit deiner bloßen Anwesenheit so durcheinanderzubringen? Wann hast du diese Macht über mich erlangt, ohne dass ich es selbst bemerkt habe? Diese Macht, die du eigentlich gar nicht besitzen dürftest? Ein mildes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, bevor ich das Fenster schließe und schnell die Treppen runterlaufe. In Windeseile schlüpfe ich in meine weißen Ballerinas, öffne die Tür und gehe auf dich zu; bleibe direkt vor dir stehen. Du trägst immer noch ein sanftes Lächeln auf deinen Lippen. »Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.« Ich zögere nicht lange, stimme sofort zu. Wir steigen auf dein Motorrad. Du setzt mir behutsam einen Helm auf, bevor du dir deinen eigenen aufsetzt. Sekunden später fahren wir los. Als wir die Stadt hinter uns gelassen haben, beschleunigst du. »Halt dich gut fest, Schätzchen!« Ich zögere nicht, halte mich sofort an deine Anweisung. Ich würde alles tun, was du mir sagst. Denn mein Vertrauen zu dir ist grenzenlos. Ich schlinge meine Arme fest um deine Taille. Du wirst so schnell, dass ich mich noch zusätzlich schutzsuchend an deinen Rücken lehne. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, dir so nahe sein. Es fühlt sich so falsch an, und doch so richtig. Unsere Haare wirbeln gemeinsam wild im herbstlichen Wind herum; harmonieren prächtig zusammen; bilden gemeinsam eine beeindruckende Mischung aus Schwarz und Gold. Wie eine lange Fahne flattern unsere Pferdeschwänze hinter uns, deren Bewegungen den rauschenden Wellen des Meeres ähneln. Die Dunkelheit der Nacht, und die Helligkeit des Tages verbinden sich zu einem. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wo Dunkelheit und Finsternis ist, da gibt es auch Glanz und Lichtflut. Das Eine ohne das Andere kann nicht existieren. Genauso ist es, wenn wir ohne einander sind. Das geht einfach nicht. Unvorstellbar. Vor einem Waldrand machst du Halt. Wir steigen aus. Lächelnd deutest du auf den Wald. Ich nicke und wir betreten ihn gemeinsam. In diesem Wald bin ich noch nie gewesen. Schon nach kurzer Zeit verschlägt mir sein Anblick den Atem. Es ist so wunderschön hier … Es ist nichts zu hören, nur noch das letzte musikalische Gezwitscher der Vögel, bevor auch die letzten sich auf den Weg in den Süden machen. Die Vögel … Wie sehr ich sie doch beneide. Sie sind frei, müssen keine Verpflichtungen erfüllen. Sie können einfach wegfliegen, wenn es ihnen an einem Ort nicht mehr gefällt. Wir können das nicht. Wir dürfen das nicht. Wir können nicht einfach vor dem Schicksal fliehen und weglaufen. Es wäre einfach sinnlos. Es würde gar nichts nützen, sondern eher alles nur noch verschlimmern. Ich kann hören, wie der Herbstwind durch die Blätter fährt, sie erzittern und dann schließlich fallen lässt. Ich bemerke verträumt, dass der Wind auch sanft durch dein edles schwarzes Haar fließt. Und ertappe mich selbst dabei, wie ich dich minutenlang nur verklärt anstarre. Ich schüttele kurz meinen Kopf und versuche mich mit dem ergreifenden Anblick dieser Landschaft abzulenken. Mit ihrer Hilfe meine stetig wachsenden Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen. Natürlich ist selbst diese herrliche Kulisse nicht annähernd so schön und begehrenswert wie du, doch … mit viel Mühe schaffe ich es wirklich irgendwie, meine Gefühle für kurze Zeit zu verdrängen. Verdrängen, nicht zu verbannen. Denn dies war ein Ding der Unmöglichkeit. Vor uns liegt eine märchenhafte Allee mit einem prächtigen Farbenmeer aus mahagonibraunen, weinroten und ockergelben Blättern auf der Wiese und den Bäumen. Ein atemberaubender Anblick. Ein überwältigendes Bild der unberührten Natur. Eine bezaubernde Landschaft, wo nur wir beide uns befinden. Und das ist der eigentliche Grund, warum dieser Ort so … wundervoll ist. Wo wir wenigstens für ein paar Momente die Realität vergessen können. Unser Ort der Zuflucht vor dem gnadenlosen Schicksal. »Gefällt es dir?«, fragst du mich liebevoll. Ich schaue zu dir und schenke dir mein glücklichstes Lächeln. »Natürlich … Ich könnte mir keinen schöneren Ort vorstellen auf dieser Welt.« Du lässt dich auf dem weichen Boden nieder. Machst es dir in liegender Position auf dem Rücken gemütlich; legst deinen Kopf auf deine verschränkten Arme und schließt für kurze Zeit deine Augen. Ich setze mich neben dich und beobachte dich nur schmunzelnd. Ein herrlicher Frieden breitet sich in mir aus. Es ist so traumhaft. So romantisch. So … perfekt. An so einem wunderschönen Ort Zeit mit dir zu verbringen. Nur mit dir … Mit dir über die verschiedensten Dinge zu reden. Es ist einfach alles schön, was ich mit dir erleben darf … Doch auf ein bestimmtes Thema kommen wir nicht zu sprechen. Machen bewusst einen riesigen Bogen darum. Um die Liebe … und um alles Weitere, was im Entferntesten damit zu tun hat. Wir wollen beide diese kostbaren Augenblicke nicht durch so ein Thema zerstören. Nicht jetzt. Du setzt dich plötzlich auf und hebst deinen Arm. Ich kann mich kaum rühren, als deine Hand sich langsam meinem Gesicht nähert. Ich sehe, dass deine Hand zittert. Sehe, wie schwer dir diese Geste fällt. »Du … hast da etwas«, flüsterst du hauchend und nimmst ein orangefarbenes Blatt von meinem blonden Schopf. Ich sehe dich nur schweigend an. Diese Art von Nähe fällt uns beiden sehr schwer. Die Gewissheit, dass wir uns nicht näher kommen können, ist schier unerträglich. Ich blicke zu Boden. Eine Zeit lang. Bis ich es nicht mehr aushalte und zaghaft wieder zu dir hochschaue. Mit einem traurigen Lächeln hältst du mir eine Nelke entgegen. Eine leuchtend rote Nelke, die selbst in dieser gewaltigen Farbenpracht dieses Waldes jede Aufmerksamkeit auf sich zieht. Schon allein durch ihre Farbintensivität – doch viel wichtiger als ihre kräftige Farbe ist etwas ganz Anderes … Vorsichtig steckst du sie mir in mein goldenes Haar. Du lächelst mich leicht gequält an. Deine Augen spiegeln Trauer und tiefe Melancholie wider. Warum lächelst du mich an, obwohl dir überhaupt nicht danach zu Mute ist? Warum? »Die Nelke steht dir perfekt … und sieht an dir noch sehr viel schöner aus.« Wie gefesselt sehe ich dir tief in die Augen. Mit der gleichen Wehmut. Eine rote Nelke. Wir wissen beide, für was sie steht. Für eine unerfüllte Leidenschaft … und eine unerfüllte Liebe … Egal, wie grenzenlos und stark diese Liebe zwischen uns ist, sie wird nie sein dürfen. Diese Nähe zwischen uns … Sie fühlt sich so richtig an, und doch … ist sie falsch. Sei darf nicht sein. Nebel herrscht immer wieder. Er ist normal und natürlich. Bei diesem gewöhnlichen Nebel weiß man aber ganz sicher, dass er irgendwann verschwinden wird. Dass er irgendwann von der starken Sonne durchbrochen und aufgelöst wird. Doch ob mein innerer Nebel irgendwann verschwindet, ist ungewiss … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)