Heldenlied von NejiTen-Schreiber (Legenden leben ewig [NejiTen][NaruHina][KibaIno][PeinKonan]) ================================================================================ Chapter 2 ~ Our old world is hard to find ----------------------------------------- Sie hatten schon längst das Vorgebirge erreicht, in dem sich wenige Täler, die sanft zwischen den Felswänden lagen, mit weiten Strecken von kantigem Stein abwechselten. Ein Weg schlängelte sich zwischen den Felsbrocken entlang, die teilweise groß waren wie Häuser, teilweise gut in eine Hand passen würden. Die verwilderte Obstplantage, an der sie gerade vorbei ritten und über die sie einen guten Blick hatten, trug volle Blüte – es war Frühling. Konan war das schon vorher aufgefallen, kleine Blüten in den Bergen, junges Gras, wie es nach dem Winter aus der Erde schoss, Tiere, die, mager nach dem Winter, eifrig das saftige Grün auffraßen. Aber vorhin – vorhin war noch später Herbst gewesen. Was war aus der kältesten Jahreszeit geworden? Wo waren Pein und Neji und Kiba? Und wo waren sie selbst?! In der Ferne erkannte man das Donnerhorn, einer der höchsten Gipfel des Gebirgszuges. Sie hatten ihn den ganzen Weg gesehen, seit sie den Höhenzug betreten hatten, aber jetzt sahen sie ihn aus einem völlig falschen Winkel – nicht nur Pein oder Kiba oder Neji hatten sich bewegt. Sie waren es gewesen. Sie befanden sich jetzt weit im Südosten von der Stelle, an der sie die drei Frauen getroffen hatten. Und die anderen waren vielleicht auch nicht mehr dort, wo sie eben noch gewesen waren. Laut Hinatas Angaben war Neji viel zu weit weg von der Stelle, an der er sich eigentlich befinden sollte. Das konnten sie sehen, trotz der Tatsache, dass die Zwielichtberge selbst für sie fremd waren. Aber eine Entfernung von so vielen Tagesreisen war einfach nicht zu übersehen. Konan und Hinata waren sich darüber einig geworden, dass es das Beste war, umzukehren und die Zwielichtberge wieder auf der Seite zu verlassen, auf der sie sie betreten hatten. Im Norden wartete nur das Heer Orochimarus voller Untote und Monster. Oder vielleicht auch nicht. Sie wussten es nicht. Es war Frühling, nicht Herbst. Sie waren nicht dort, wo sie sein sollten. Und Pein, Neji und Kiba waren es auch nicht. Es war, als wäre die Welt auf den Kopf gestellt worden und niemand anderes als sie hatte es bemerkt. Auch wenn sie letzteres nicht beurteilen konnten. Immerhin war ihnen seitdem noch keine Menschenseele begegnet. Vielleicht war es für sie alle so…? Aber wem konnte man diese Tat zuschreiben? Orochimaru? Nein. Selbst er hatte nicht derartig viel Macht. Nur die Götter waren in der Lage, etwas derartig … Großartiges zu vollbringen. Nicht angenehm, ja, aber großartig, was auch immer es gewesen war. Die Götter… Ob die alte Priesterin etwas damit zu tun hatte? Konan warf einen Blick über die Schulter zurück dorthin, wo sie die drei Frauen getroffen hatten. Dort, wo Neji und Kiba verschwunden waren, und dort, wo der Nebel auch Pein einfach verschluckt hatte. Wo er jetzt war? Ging es ihm gut? Wie sollten sie sich wieder finden? Und wie sollte Konan stark sein und aufrecht stehen bleiben, wenn man ihre wichtigste Stütze einfach so weggenommen hatte? Sie schluckte und versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Aber ihre Gedanken wirbelten wirr durcheinander und sie konnte kaum an etwas anderes als an Nagato denken. Sie war schon seit Jahren nicht mehr so lange von ihm getrennt gewesen ohne zu wissen, dass sie ihn bald wieder sehen würde, und jetzt war er so plötzlich weg, so schnell wie ein brutaler Schlag mitten ins Gesicht kam. So ähnlich hatte die Erkenntnis sich angefühlt, dass er nicht mehr da war und sie keine Ahnung hatte, wo er war, was geschehen war oder wie – bei den Fünf Göttern! – sie ihn wieder finden sollte. „Reiß dich zusammen!“, schalt sie sich leise. „Du bist eine Kriegerin der Schattengilde. Reiß dich zusammen. Du brauchst ihn nicht.“ Das war eine Lüge und sie wusste es und darum verrenkte sie sich beinahe den Hals um ihn vielleicht doch zu sehen, wie er ihnen folgte, auch wenn sie wusste, dass es nicht so war. Wenn Nejis Aufenthaltsort auch nur ein kleiner Hinweis auf ihre Situation war, dann war auch Nagato nicht mehr in der Nähe. Dennoch… sie musste sich zusammenreißen, wenn sie überleben und ihn wieder finden wollte. Sie mochte ihn nicht brauchen, um zu überleben, aber im Leben zählte mehr als nur das. Und Pein war für sie zumindest die Hälfte ihres Lebens. „Hey.“, riss Hinatas Stimme sie aus den Gedanken und sie drehte sich wieder zu ihrer Gefährtin, da diese vor ihr ritt. Während des ganzen Ritts die Berge hinunter hatte die junge Magierin keinen Ton gesagt. Dass sie jetzt so plötzlich die Stimme erhob, war beinahe ein Schock und das eine Wort zerschmetterte die Stille so leicht wie ein Donnerschlag. „Ich glaube, da vorn verlassen wir die Berge.“, erklärte Hinata und deutete den Weg hinunter. Er führte weiterhin zwischen den scharfkantigen Steinen hindurch, die den Großteil des Gebirges auszumachen schienen, doch unweit von den beiden Reiterinnen öffnete sich die Landschaft zu einer grünen, hügeligen Hochebene, die sich bis zum Horizont und darüber hinaus erstreckte. Es war deutlich fruchtbares Land, größtenteils bewachsen von Gras, Wiesenblumen und Kräuter, aber hin und wieder erhoben sich Haine aus lichten Laubbäumen und Sträuchern wie kleine Inseln aus einem grünen, im Wind wogenden Meer. „Wir haben … auf dem Hinweg viel länger gebraucht.“, bemerkte Hinata leise und sprach nicht aus, was sie beide in schon vorher gedacht hatten: dass es gar nicht Neji, Kiba und Pein waren, die sich bewegt hatten, sondern sie beide. Die Pferde waren zwischen den letzten der am Wegrand aufragenden Felsen stehen geblieben. Hinatas großer, weißer Hengst stampfte unruhig mit den vorderen Hufen, bewegte sich aber nicht vom Fleck. Für eine ganze Weile – Minuten? Stunden? – rührte sich keine der beiden Frauen und das einzige, was Konan in diesem Moment versuchte, war ihre Atmung unter Kontrolle zu halten. Sie hatten in den letzten Jahren so viel durch gemacht. Nein, das stimmte nicht. Sie hatte in ihrem gesamten Leben so viel durch gemacht, aber vor allem nachdem ihr Heimatdorf dem immer währenden Krieg zum Opfer gefallen war. Es war einfach unmöglich, in einem Land wie ihrem friedlich und ungestört aufzuwachsen, selbst wenn man tief in einem Wald geboren worden war, bei einem kleinen Volk, das in kleinen Stammesverbänden lebte und sich versteckt hielt in einem Land, das groß und weit und vertraut war und gut dafür, verborgen zu leben. Selbst das, selbst das war keine Garantie dafür, Frieden zu haben. Und Konan war nicht dort geboren worden. Im Nachhinein musste sie sagen, dass es ein Wunder war, dass ihr Dorf so lange durchgehalten hatte, ohne abgebrannt oder geschleift zu werden, nur ein paar Überfälle, aus denen sie nahezu unbeschadet bis glimpflich herausgekommen waren. Immerhin länger als die acht Jahre, die sie dort gelebt hatte. Danach war ihr Leben enger mit Kampf und Krieg verknüpft worden, als sie gewünscht hatte, aber niemals hatte sie sich so gefühlt wie jetzt. Ängstlich, hilflos, ahnungslos, hoffnungslos und auf eine Weise schutzlos und nackt, die sie nie wieder spüren wollte. Sie saß einfach da und spürte die Panik, die sie dazu bringen wollte zu hyperventilieren, weil sie einfach nicht wusste, was geschehen war, was sie hier herbrachte, warum sie hier waren, wo sie und ihre Freunde waren und wo, verdammt von Tsuki-hime, wo der Mann war, den sie liebte?! Angestrengt konzentrierte sie sich darauf, tief einzuatmen, dass sich selbst der rote Schuppenpanzer unter ihren Atemzügen hob und senkte. Die Luft war rein und klar und völlig ohne den Geruch von Blut, Verwesung und dem Metall der Waffen und Rüstungen, den sie seltsamerweise erwartete. Vielleicht weil sie sich so sehr an ihn gewöhnt hatte, dass sie ihn nicht mehr aus der Nase bekam, ganz egal, wie weit sie ritt um den Schlachtplätzen zu entkommen. Der Wind kam ihnen entgegen und trug den süßen Duft von jungem Grün, Knospen und den bunten Wiesenblumen mit sich. Der Duft von Frühling. Frühling war mehr für Konan als nur eine Jahreszeit. Er war ein Symbol. Ein abstraktes Gebilde, das sich aus Hoffnung, Glück, Liebe und Frieden zusammensetzte. Aus Wachstum und Segen und Anfang und allem, was gut und schön war. Sie hatte das Gefühl, schon lange keinen Frühling mehr erlebt zu haben, obwohl es jedes Jahr nach dem Winter wieder warm wurde und die Pflanzen Blüten trugen. Aber wie konnte man eine Blume sehen, wenn sie unter verstümmelten Leichen begraben war? Der letzte Frühling… Der letzte Frühling war im Dorf gewesen, als ihre zarte, schöne Mutter noch so lebendig gelacht hatte, und ihr riesiger, bärenhafter Vater sie mit seinen starken Armen in die Luft geworfen hatte, und Pein noch Nagato und nur Nagato gewesen war. Und jetzt… jetzt… jetzt… Frühling? Konan spürte, wie die Kontrolle ihr entglitt. Ihr Atem wurde heftiger, schneller, flacher und für einen Moment wurde ihr so schwindelig, dass sich die buntgefleckte Wiese vor ihr drehte und Nachtherz, ihre dunkle Stute, nervös mit den Ohren zuckte und schnaubte. Jahrelange, eisern eingedrillte und antrainierte Disziplin und stahlharter Wille, jetzt nicht aufzugeben, waren das einzige, was sie davor bewahrte, einfach ohnmächtig zu werden und aus dem Sattel zu kippen. Erneut sog sie tief die Luft ein, dass sie zwischen ihren Zähnen zischte, und brachte ihre Stute wieder unter Kontrolle. Sie musste sich zusammenreißen. Sie konnte nicht einfach so auseinander fallen! Das würde das Geschehene auch nicht rückgängig machen und Hinata… Erschrocken wandte Konan den Kopf. Sie hatte ihre Gefährtin völlig vergessen. Wie mochte das jüngere, sensiblere Mädchen mit der Sache umgehen? Hinata saß wie eine Statue auf dem Rücken ihres prachtvollen Pferdes, den Blick starr geradeaus gerichtet und die Augen weit aufgerissen. Es war kaum zu erkennen, dass sie atmete, und ihre linke Hand war so fest um die Zügel gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ihr langes Haar und der Pelzrand ihres schweren Wintermantels sowie die langen Bänder, die sie in den Schweif des Hengstes geflochten hatte, bewegten sich unter den unsichtbaren Fingern des Windes. Erst nach einem Moment bemerkte Konan, dass Hinata weinte und ihre Wangen nass waren vor Tränen. Der Anblick erschreckte die Kriegerin. Hinata war ruhig und friedfertig und sensibel, aber sie weinte selten. Vorsichtig lenkte Konan Nachtherz näher an das andere Pferd heran und legte der Gefährtin eine Hand auf den Unterarm. Zuerst reagierte die Magierin nicht, dann wandte sie langsam den Kopf. „Wir werden sie finden und herausbekommen, warum wir hier sind. Und wo wir sind.“ Die Stimme der Kriegerin klang fester und sicherer als erwartet, aber zu leise, als dass Hinata deren eigenen Zweifel nicht bemerken würde. Trotzdem nickte das schwarzhaarige Mädchen und nahm die Zügel wieder mit beiden Händen auf. „Ich mache mir Sorgen um Neji.“, murmelte sie. Sie wandte kurz den Kopf und setzte dann hinterher: „Und um Kiba und Pein.“ Sie senkte den Blick. Dann zog sie geräuschvoll die Nase hoch und fuhr mit einer Hand über die Wange, Verwunderung im Blick, als hätte sie nicht gemerkt, dass sie geweint hatte. „Huh…“, machte sie und wischte sich entschlossen die Nässe aus dem Gesicht. „Lass uns … Lass uns zu diesem Dorf reiten.“, erklärte sie dann bestimmt und deutete nach Osten. Konan folgte ihrem Fingerzeig und trieb Nachtherz ein paar Schritte nach vorn, so dass sie an dem Felsen vorbeisehen konnte, der ihren Blick versperrte. Dort war tatsächlich ein Dorf. Es lag gemütlich am Hang des größten Hügels weit und breit, eine adrette, saubere Siedlung inmitten von rechteckigen, deutlich abgegrenzten Feldern und Weiden, auf denen Rinder grasten. Drei Wege führten von der Ortschaft fort, zwei in südliche Richtung, der letzte zu den Zwielichtbergen, jener, auf dem die beiden Reiterinnen sich gerade befanden. Auf der Spitze des Hügels standen drei weitere Bauten, eines davon, rund und plump und leuchtend weiß in der Sonne, deutlich höher als die anderen, mit einem spitzen Dach und seltsamen, vierteiligen Vorbau, der sie an die Speichen eines Rades erinnerte. Nur war es viel breiter und natürlich ungemein größer als jedes Rad, das Konan bis jetzt gesehen hatte, selbst die der mächtigen Karren, die die Trolle nutzten. Zu welchem Zweck ein solches Gebäude dienen sollte, konnte die Kriegerin nicht einmal erraten. „Zumindest erfahren wir dann, wo wir sind.“, stimmte sie zu und trieb Nachtherz an. Hinata folgte und sie legten den Weg in einem raschen Trab zurück, der ihre Knochen durchschüttelte, die Pferde allerdings schonte. Während sie näher kamen, konnten sie immer mehr Details ausmachen. Zwei der Felder wurden bearbeitet von Bauern, die von Pferden gezogene Pflüge tief in die Erde drückten. Zwei Jungen trieben eine Herde Gänse quer über einen brach liegenden Acker auf das Dorf zu. In der Siedlung selbst herrschte tätiges Leben. Von einer der anderen Straßen näherte sich eine Karawane aus stabilen Karren und Reitern – Händler vielleicht? Obwohl es sehr wenig Krieger waren, die sie begleiteten. Doch dieses Land schien den Krieg nicht so zu kennen wie die Heimat der beiden Reiterinnen, darum brauchten sie womöglich nicht mehr bewaffnete Begleitung als das? Das Dorf hatte ja nicht einmal Palisaden, die es vor Angriffen schützten. Ob es hier überhaupt fähige Krieger gab? Konan hatte keine Schwierigkeiten, sich dies vorzustellen, auch wenn es gegen alles ging, was sie bis jetzt kannte. Jeder, den sie kannte, dem sie in ihrem Leben begegnet war, selbst alte Waldhexen und Edelfräulein, jeder konnte kämpfen, wusste, wie er eine Waffe in der Hand hielt und besaß eine, selbst wenn es nur ein gefährlich scharfes Küchenmesser oder ein grob zurechtgestutzter Prügel war. Die Leute hielten mit ihrer Arbeit inne, als die beiden Reiterinnen vorbeikamen, und starrten ihnen nach. Den beiden Jungen liefen sogar einige Gänse weg, ehe sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrierten. Konan runzelte die Stirn und ließ den Blick weiterschweifen; Hinata schien nichts zu bemerken, sie war zu sehr in Gedanken versunken. Die Kriegerin fragte sich, was so sonderbar war an zwei bewaffneten Reiterinnen. Es war nicht so, als ob sie die Hände an den Klingen hatten oder eine andere bedrohliche Geste machten. Dann sah sie wieder zum Dorf und dachte sich, dass sie vielleicht umdenken mussten. Dies war nicht das Land, das sie kannten. Hier schien es keinen Krieg zu geben, auch keine Kämpfe, anscheinend nicht einmal plündernde Räuberhorden. Vielleicht waren bewaffnete Reiter wie sie einfach kein alltäglicher Anblick in Dörfern. Darum entschied sie sich dagegen, die Bauern auf dem Feld zu fragen, sondern hielt nicht an. „Lass uns zuerst einen Brunnen suchen und die Pferde tränken.“, schlug sie vor. Kurz darauf klapperten die Pferdehufe über sauber gefegtes Kopfsteinpflaster und diesmal bemerkte es selbst Hinata. Sie hatten Burgen reicher Fürsten gesehen, die bei Regen im Matsch versunken waren, weil man es nicht einmal geschafft hatte, grob gezimmerte Holzbretter für die wichtigsten Wege auszulegen. Ein einfaches, kleines Dorf mit gepflasterter Hauptstraße hatten sie noch nie gesehen. Dafür fanden sie sehr leicht den Weg auf den Marktplatz, dessen Mittelpunkt ein alter, aber gut in Stand gehaltener Ziehbrunnen war. Links und rechts des Brunnens hatte man hölzerne Tröge für die Tiere von Reisenden und Blumenkästen, in denen Primeln und Tulpen blühten, aufgebaut. Man ging ihnen aus dem Weg, als sie ihre Pferde auf ihr Ziel zu lenkten, und außer freundlichen Grüßen und Lächeln hatte man nicht mehr für sie übrig als teilweise misstrauische, teilweise neugierige Blicke. Allerdings trat auch niemand vor und verlangte Bezahlung für das Wasser, das Konan aus dem Brunnen holte und in eine der Tränken kippte. Hinata hielt währenddessen beide die Pferde und ließ sie saufen. Es dauerte eine Weile, bis die Tiere sich abwandten. Daran erst bemerkte Konan, wie lange sie tatsächlich geritten waren, ohne Pause und Rast, weder für sie beide noch für die Tiere. Der Gedanke daran ließ ihren Magen in die Kniekehlen sacken. Hinata und den Pferden mochte es auch nicht anders gehen. Ob es in diesem Dorf ein Gästehaus gab? Und wenn, würde man sie überhaupt bedienen? Ob sie genug Geld hatten? Oder vielleicht sollten sie lieber ihre Fragen stellen und dann verschwinden, um etwas später Pause zu machen und sich an ihren Vorräten zu bedienen? Vielleicht wäre das klüger, aber der Gedanke an eine warme Mahlzeit… und vielleicht ein Bett, denn so tief wie die Sonne stand, bedeutete für sie, dass sie heute sicher nicht mehr weit kommen würden... Die Magierin trat an sie heran und erklärte leise: „Lass uns hier bleiben, für die Nacht, falls es uns möglich ist.“ Langsam nickte Konan und drehte sich dann zu einem etwa dreizehnjährigen Jungen um, der sie schon die ganze Zeit beobachtete, oder besser, anstarrte. „Hey!“, sagte sie, und er fuhr erschrocken zusammen, fing sich aber schnell wieder. Wahrscheinlich wollte er sich vor seinen Freunden, die in der Nähe herumlungerten, keine Blöße geben. „Gibt es hier ein Gästehaus oder eine Ortshalle?“ Er runzelte die Stirn, als wüsste er im ersten Moment nichts mit ihren Worten anzufangen. Dann nickte er langsam und deutete über den Marktplatz. „Die Glückliche Maid ist die beste Herberge in der Gegend.“, erklärte er und mitten im Satz wechselte seine Stimme die Tonlage und sprang eine ganze Oktave nach oben. Ihr Blick folgte dem ausgestreckten Finger und sie entdeckte ein relativ großes Haus am Rande des freien Platzes. Es war zweistöckig und hatte ein schweres, dicht wirkendes Dach. Die Wände schienen frisch geweißelt zu sein und über der Tür hing ein Schild, auf dem Glückliche Maid stand. Es wirkte gediegen und besser als jedes Gästehaus, das sie je gesehen hatte. Wahrscheinlich konnten sie es sich nicht leisten, aber es war den Versuch wert. „Vielen Dank.“, erklärte Hinata höflich, während Konan nur nickte und entschlossen quer über den Marktplatz marschierte. Vielleicht konnten sie hier ein paar Antworten auf ihre Fragen finden. Vielleicht auch nicht. Vielleicht konnte man ihnen, wenn nicht hier, sagen, wo sonst. Wenn ihr Geld reichte oder sie etwas eintauschen konnten, würden sie allerdings auf jeden Fall eine warme Mahlzeit bekommen und vielleicht auch ein halbwegs weiches Bett. Denn so sehr es ihnen beiden auch widerstrebte, sich in weltlichen Genüssen zu ergehen, solange sie nicht wussten, ob es ihren Gefährten gut ging, so wussten sie doch beide, dass sie satt und ausgeruht bessere Chancen auf Erfolg hatten, als wenn sie ihre Pferde wie wild durch die Landschaft trieben. Allerdings, so schoss es ihr durch den Kopf, würde es schwierig werden, die richtigen Fragen zu stellen ohne zu viel Misstrauen zu erregen. Unwillkürlich fühlte sie sich in die ersten Monde zurückversetzt, während denen Pein versucht hatte, seine Vision von einer geeinten Armee gegen den Lichlord zu verwirklichen. Zu oft hatten sie mitten in der Nacht aufbrechen müssen, zu oft waren sie zu knapp entkommen, zu oft hatte man sie verfolgt, weil die Fürsten nicht hören wollten, weil sie dachten, die seltsamen Reisenden mit ihren Reden von Untergang oder Frieden seien eine Gefahr. Sie wollte nicht erneut in eine solche Situation geraten, darum war bei Fragen wohl eine gewisse Vorsicht geboten. In kleinen Dörfern reagierte man schnell mit Misstrauen gegenüber Fremden, die aus heiterem Himmel in das Dorf geritten kamen. Hinata und sie mochten die Helden der Totenkriege sein, sie mochten berühmt und reich und mächtig sein, doch sahen sie neben all diesen einfachen Dorfleuten aus wie abgerissene Landstreicher oder vielleicht eher Söldner, wenn man ihre Waffen und Kriegsausrüstung in Betracht zog. Dieser Gedanke verstärkte ihren Beschluss noch einmal. Sie mussten auf jeden Fall vorsichtig sein. Trotzdem hatten sie es zu versuchen. Es war einfach zu … verwirrend, zu seltsam. Einerseits erkannte Konan Landmarken – wie das Donnerhorn – andererseits war hier so vieles anders, dass sie einfach keine Ahnung mehr hatte, wo sie waren. Sie mochten in die Zwielichtberge hineingeritten sein, aber die Frage, aus welchem Gebirge sie herausgekommen waren, war eine andere – vielleicht war es dasselbe. Aber warum war dann Frühling? Warum waren die Bewohner der Ebene so anders? Warum war die ganze Welt so anders? Das waren die eigentlich wichtigen Fragen – neben dem allgegenwärtigen Rätsel, wo Pein, Neji und Kiba waren – doch sie wusste mit Bestimmtheit, dass diese Bauern sie ebenso wenig beantworten konnten wie sie selbst. ~ [ ♣ ] ~ Tenten stolperte über einen losen Stein und konnte sich gerade noch vor dem Sturz bewahren, indem sie sich am nächsten Baumstamm festhielt. Fluchend rappelte sie sich wieder auf und hielt Ausschau nach ihren Gefährten, die von ihrem Missgeschick offensichtlich nichts mitbekommen hatten. Sie warf sich den großen, ledernen Beutel mit ihrem Reisegepäck und Proviant über die Schulter und beeilte sich, zu den anderen aufzuschließen. Sie waren jetzt schon fast fünf Tage unterwegs. Fünf Tage, die ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen warne, denn Shikamaru hatte das Risiko für zu groß befunden den Weg über die Hauptstraße zu nehmen und stattdessen seinen Vorschlag durchgesetzt die Route durch den Wald zu wählen. Schon am ersten Tag hatte Tenten sich einen Schnitt am Oberarm zugezogen, als sie unbeabsichtigt in dichtes Geäst aus Dornenbüschen hinein geraten war. Trotzdem waren solche Lappalien besser als auf offener Straße zu reisen und sie musste sich widerstrebend eingestehen, dass dieser Kurs sehr viel ungefährlicher war als der direkte Weg. Die Stille des Waldes hatte eine seltsame Wirkung auf sie. Einerseits war die Natur hier noch unberührt und so ursprünglich, dass Tenten das Gefühl hatte endlich einmal aufatmen zu können. In der Wildnis gab es keine Ansprüche irgendwelcher Professoren und Staatsmänner. Bis hierher war all die Gewalt und die sogenannte Zivilisation noch nicht vorgedrungen; in den Wäldern herrschten eigene Gesetze. Tenten verspürte ein Gefühl der Sicherheit zwischen den hohen Bäumen, die wie starre Wächter ihre Äste über ihnen ausbreiteten. Andererseits… Andererseits kam sie in der Stille nicht umhin nachzudenken. Und zu viel Nachdenken war etwas, das man vermeiden sollte, wenn man nicht wahnsinnig werden wollte. Zumindest in einer Welt wie der ihren. Im Lauf der Zeit hatte sie viel gesehen, zu viel Schreckliches erlebt, das sie bis in den tiefsten Winkel ihres Herzens geschoben hatte, damit sie es nicht noch einmal in ihrer Erinnerung durchleben musste. Auch jetzt machte Tenten sich ihre Gedanken. Was mit dem Dorf geschehen würde, zu dem sie unterwegs waren, wenn sie nicht rechtzeitig da waren. Was sie denn überhaupt tun konnten, wenn sie da waren. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie zu spät wären oder schlichtweg nichts mehr tun konnten, und sie war sich nicht sicher, wie viel von diesem Leid sie noch ertragen konnte. Sie wischte einen Ast aus dem Weg und beeilte sich die anderen einzuholen. Der erste, den sie sah, war Shikamaru. Er trug schlichte Reisekleidung bestehend aus einem Leinenhemd, einer Lederweste darüber und einer einfachen Hose. Nichts deutete auf seinen wahren Stand hin; auch das war eine Vorsichtsmaßnahme, die Shikamaru im Gegensatz zu anderen völlig widerstandslos über sich hatte ergehen lassen. Und gerade wegen seiner Vernunft diese Art von Kompromissen einzugehen war er ideal für Aufträge wie diesen. Anders als die meisten Anhänger der Rebellion besaß er das Wissen wie sich die Mächtigen verhielten, verstand ihre Gedankengänge und kam ihren Schachzügen immer einen Schritt zuvor. In der Aufgabe seiner Identität erreichte er im Gegenzug einen Vorteil, der den Rebellen schon oft mehr als nützlich gewesen war: Er, der die Fäden im Hintergrund zog, wurde für ihre Feinde vollkommen gesichtslos. Tenten warf ihm einen weiteren Blick zu. Der Narasprössling starrte leicht abwesend in die Ferne und machte einen gemächlichen Schritt nach dem anderen. Wären sie nicht auf einer Mission und wäre ihre Lage nicht so gefährlich, da war Tenten sich sicher, dass er sich an den nächsten Baum gelehnt und eine Runde geschlafen hätte. Sie seufzte. Shikamaru war unverbesserlich und trotzdem war er der einzige, der wirklich den Weg vor Augen hatte und den ganzen Komplex von wichtigen Fakten zu überblicken in der Lage war. Wortlos schloss sie zu ihm auf und ging neben ihm. Shikamaru warf ihr einen kurzen Blick zu, dann setzte er seinen Weg fort. Das war das Angenehme an ihm. Man musste nicht zwangsläufig mit ihm ein Gespräch beginnen. Shikamaru war jemand, der einen anderen auch ohne viele Worte verstand und das Meiste fand er ohnehin schon durch Beobachtung heraus. Es waren kleine Dinge, die er sah und den anderen entgingen. Doch gerade das machte sein Genie aus. Sie mochte noch so viele Bücher lesen, noch so sehr studieren, die Art Intelligenz, die der Adlige besaß, würde sie nie erlangen. Ihre anderen Gefährten waren da von einem ganz anderen Schlag. Schon von weitem konnte Tenten hören wie Suigetsu und Kankuro durch das Unterholz brachen und dabei eine lautstarke Auseinandersetzung führten. Sie waren hitzköpfig und verloren anders als sie und Shikamaru häufig die Kontrolle über sich. Beide geboten weder über die Umsicht, noch über Shikamarus analytischen Fähigkeiten eine Situation zu begreifen. Doch sie waren beide loyal und kämpften mit vollem Herzen für ihre Sache, auch, wenn Tenten den Grund für ihre Entschlossenheit darin nie herausgefunden hatte. Das war ein eisernes Gesetz der Rebellen. Niemand fragte den anderen warum er sich ihrer Sache angeschlossen hatte. Die einzige Möglichkeit bestand darin, dass dieser seine Überzeugung aus freien Stücken preisgab. Ein Außenstehender konnte denken, dass die Rebellen ihren Widersachern so den Weg zu Verrat ebneten, doch Minato besaß großes Geschick im Auswählen ihrer Verbündeten. Er hatte eine Gabe sofort das Wesen jedes Einzelnen zu erkennen und sich auf dessen Grundlage ein Bild von dem Anwärter zu machen. Nicht immer wählte Minato aus, wer beitreten sollte – wie konnte es auch möglich sein mit einer solch verstreuten Organisation – doch jene, denen er vertraute, besaßen oft die gleiche Gabe. Sie waren vorsichtig, tasteten sich ganz sachte an ihr Vorhaben heran; ihre Rebellion war noch schwach, aber sie wuchs. Wuchs langsam, gemächlich, aber sie wuchs. Sie kämpften für Dinge wie die Rettung des Dorfes, zu dem Tenten und ihre Gefährten unterwegs waren, kämpften für die Freiheit und für den Untergang der Tyrannei der Goldenen Kaiser und für eine Zukunft, in der es gerecht zugehen sollte. Doch dieser Traum lag noch in weiter Ferne und bis es soweit war, mussten sie einander blind vertrauen können. Die Maßnahme, nichts von sich preisgeben zu müssen, verschaffte ihnen Privatsphäre und eine Gleichheit, die unerschütterlich war. Minato hatte geschickt gehandelt, war behände vorgegangen und das Resultat war beachtlich. Noch nie waren sie verraten worden. Eine Krähe riss Tenten aus den Gedanken. Inzwischen waren sie ein gutes Stück vorangekommen, der Wald wurde dichter. Jetzt entdeckte Tenten schon öfter Fichten und andere Nadelbäume und auch ihr Weg wurde beschwerlicher. Wo sie zuvor den Pfaden der Waldtiere gefolgt waren, nahmen nun Farne und dichtes Unterholz ihren Platz ein, die ihnen das Durchkommen zusätzlich erschwerten. Hätte Tenten mehr Zeit gehabt, hätte sie gerne einige Pflanzen, die sie aus den Zeichnungen einiger Lehrbücher wieder erkannt hatte, untersucht, aber das war natürlich ausgeschlossen. Ihr Marsch wurde anstrengender. Sie war nur froh, dass sie das Reisekleid, das sie zu Beginn getragen hatte, hatte ablegen und gegen praktischere Männerkleidung – Hose und robustes Wams – eintauschen können. Mit dem Kleid war sie oft in den Ästen der niedrigen Büsche hängen geblieben und hatte sich nur durch einen beherzten Ruck daraus befreien können. Das wiederum hatte sie an manchen Wegstrecken den letzten Nerv gekostet. Hinzu kam ihr Hunger, der mit den vorbeigehenden Stunden immer größer wurde. „Lass uns eine Pause machen“, sagte sie leise zu Shikamaru. Ihre Stimme war ein wenig dünn und rau, weil sie so lange geschwiegen hatte, aber um den Adligen aus seiner Trance zu wecken reichte es trotzdem. Shikamaru nickte ihr kurz zu und rief den anderen beiden zu: „Suigetsu! Kankuro! Wartet mal, wir halten kurz an!“ „Bist du schon müde, Nara?“, gab Suigetsu zurück. „Brauchst du ein Päuschen damit du deine fürstlichen Glieder ausstrecken kannst?“ Tenten kniff die Lippen zusammen um Suigetsu nicht ihrerseits einen scharfen Kommentar um die Ohren zu hauen. Es wäre untertrieben zu sagen, dass sie ihn nicht mochte. Er hatte etwas Unheimliches an sich, das sie jedes Mal wieder ein wenig aus der Bahn warf. Vielleicht war es die Tatsache, dass er einen solchen Spaß an blutigen Kämpfen hatte, oder ihre Vermutung, dass er nur des Kampfes selbst willen zu den Rebellen gekommen war. Wenn es einen gab, dem sie misstraute, dann war er es und um sich davon abzuhalten ihm an die Gurgel zu gehen, hielt sie sich meist von ihm fern, wenn es denn möglich war. Seine Sticheleien prallten jedenfalls wirkungslos an Shikamaru ab, der eine ausdruckslose Miene aufgesetzt hatte und nun seine Vorräte inspizierte. „Es bringt nichts sich zu verausgaben“, erklärte er gelangweilt. Suigetsu ließ ein verächtliches Schnauben hören. „Du musst es natürlich am besten wissen.“ Er grinste überheblich und Tenten platzte schließlich doch der Kragen: „Lass ihn gefälligst in Ruhe, Spitzzahn!“ Ihr Mitstreiter drehte sich sauer zu ihr um und Tenten hätte schwören können, dass Shikamaru ein ‚Wie anstrengend’ gemurmelt hatte. Suigetsu entblößte seine spitzen Eckzähne, denen er seinen Beinamen verdankte, und funkelte sie an. „Von Weibern lasse ich mir nichts sagen! Warum haben wir dich noch gleich mitgenommen?“ „Klappe, Suigetsu!“, fauchte der Vierte im Bunde, der gerade zwischen den Bäumen auftauchte. Kankuro hatte sie nun endlich eingeholt und wirkte nicht minder wütend als Suigetsu. „Oh ich vergaß, du Fettwanst, du musst ja den Ritter in strahlender Rüstung spielen“, erwiderte Suigetsu sarkastisch und rückte ein Messer aus der beeindruckenden Sammlung an seinem Gürtel zurecht. Kankuro, der nicht fett, sondern eher muskulös und massig war, funkelte ihn an. „Oder vielleicht glaubst du, dass du sie beeindrucken kannst und ihr-“ „Lass Tenten, da raus!“, knurrte Kankuro. Die beiden Männer hatten sich mittlerweile voreinander aufgebaut und schienen kurz davor aufeinander loszugehen. „Oh, natürlich lasse ich Tenten da raus, wie unverschämt von mir“, sagte Suigetsu gerade. Kankuros Miene war inzwischen zu Zornesrot gewechselt. Tenten sah hilfesuchend zu Shikamaru, der sich nun auf seine Gefährten zu bewegte und zwischen sie trat. „Schluss jetzt“, bestimmte der Adlige ruhig, schob Suigetsus Hand beiseite, die bereits zu seinem Waffengürtel gezuckt war, und hinderte Kankuro daran auf den Messerkünstler loszugehen. „Wir machen eine Pause, keine Widerrede.“ „Ich gehe kurz zum Bach“, murmelte Tenten, „Wasser auffüllen.“ Shikamaru nickte ihr einmal kurz zu ohne sich jedoch umzusehen. „Mach dich mal locker, Nara“, vernahm sie, kaum, dass sie ein paar Meter gegangen war, wieder Suigetsus Stimme, „nicht mal einen kleinen Scherz kann man hier machen…“ Shikamaru oder Kankuro antworteten etwas, das sie nicht verstand. Doch Tenten war eigentlich ganz froh darüber. Seit fünf Tagen musste sie die Sticheleien von Suigetsu und Kankuro ertragen und sie hatte es satt. Hatte es satt, dass Suigetsu jedes Mal jeden von ihnen mit seinen überflüssigen Bemerkungen nervte, hatte es satt, dass Shikamaru es nicht schaffte klare Anweisungen zu erteilen und dass sich Kankuro jedes Mal als ihr Retter aufspielte. Tenten kämpfte sich durchs Frühlingsgrün und erreichte schließlich den kleinen Bach, dessen Wasser sie gehört hatte. Sie stellte ihren Beutel neben sich auf der Erde ab, krempelte die Ärmel hoch und wusch sich zuerst einmal das Gesicht. Der lange Marsch war anstrengend gewesen und der dünne Schweißfilm auf ihrer Stirn sprach ein Übriges. Aber wenigstens war das Wasser erfrischend. Tenten seufzte erleichtert und wünschte sich, sie hätte Zeit um ein kaltes Bad zu nehmen. Ihre Gedanken schweiften wieder zu Kankuro. Sicher hatte sie seine Avancen bemerkt. Sie hätte blind sein müssen, wenn nicht! Aber … und da lag das eigentliche Problem. Sie wusste nicht, wie sie zu ihm stand. Vielleicht hätte sie ihn akzeptiert, wenn er nur ein Freund sein wollte, aber Kankuros Annäherungsversuche wurden mit der Zeit immer offensichtlicher, dass sogar jemand wie Suigetsu begriff was eigentlich zwischen ihnen stand. – Tenten spritzte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht. – Und sie wollte es nicht. Es war nicht, dass sie Kankuro nicht mochte. Er war ein toller Mensch und auf seine eigene Art recht attraktiv. Ein Mann, der für sie sicher eine gute Partie abgab und bei ihren Eltern genau den passenden Eindruck hinterlassen würde. Wenn es doch so leicht sein würde… Es gab nur drei Dinge, die Tenten sich für eine Beziehung wünschte. Erstens musste sie dieser Mann bedingungslos lieben. Zweitens musste sie ihm ebenso tiefe Gefühle entgegenbringen. Und drittens musste er ihr zu jeder Zeit absolute Freiheit zugestehen. Es bestand kaum ein Zweifel daran, dass ersteres auf Kankuro zutraf, doch Tenten war sich nicht sicher, welche Gefühle sie für ihn hegte, doch selbst, wenn sie irgendwann etwas Tiefergehendes für ihn empfand, sie wusste eines ganz sicher: Nämlich, dass er eine feste Bindung wollte und nicht Jahre, vielleicht auf Jahrzehnte zu warten gewillt war. Er wollte diese Liebe jetzt, gerade weil nicht sicher war was in der Zukunft geschehen würde. Er wollte eine Familie, ein ruhiges Zuhause, das er sich irgendwo mit ihr aufbauen wollte. Kankuro wollte ihre Freiheit und die wollte sie ihm unter keinen Umständen geben. Tenten biss sich auf die Lippen. Sie hatte nur nicht den Mut ihm das zu sagen. Oder nicht den Mumm. Je nach dem wie man es auffasste, denn irgendwie schmeichelten ihr seine Bemühungen auch und vielleicht brachte sie es auch nicht übers Herz ihm so wehzutun. Tenten war am Ende einer Sackgasse angelangt und sie konnte weder vor noch zurück. Einen Augenblick blieb sie reglos im Gras an dem kleinen Bach knien. Alles war einfach so verworren und sie wusste nicht was sie tun sollte! Ihre Finger gruben sich in die feuchte Erde und Tenten versuchte einen Moment einfach nur ruhig zu atmen, sich zu beruhigen und sich innerlich darauf vorbereiten, dass sie gleich zurückkehren musste. Es dauerte keine Ewigkeit Wasservorräte aufzufüllen. Sie tauchte ihren Wasserschlauch in den klaren Bach. Die Kühle des Wassers an ihrer Haut tat ihr gut, sie linderte kurzfristig die geschundenen Muskeln, als sie nach dem Auffüllen ihrer Vorräte auch ihre Arme mit dem kühlen Wasser einrieb. Könnten sie doch nur ein bisschen länger bleiben. Nachdenklich betrachtete sie ihr Spiegelbild. Sie wirkte abgezerrt und müde, ihre Frisur war durcheinander geraten und ihre Augen hatten einen mutlosen Ausdruck angenommen. Glaubte sie überhaupt noch, dass sie das Dorf- Tenten erstarrte. Ihr nächster Impuls war die Waffe. Ihre Hand fuhr zu dem Dolch, den sie am Gürtel befestigt war und zog ihn aus der Scheide. Leicht panisch sah sie sich um. Sie musste vom Wasser weg, wo sie jeder sehen konnte. Sofort! Tenten ging rückwärts, darauf bedacht keinen Laut zu machen und spürte wie das Adrenalin durch ihren Körper jagte. Da war ein Geräusch gewesen, ganz sicher. Ein Rascheln, wie wenn jemand das Laub streifte. Selbst, wenn es nur ganz kurz da gewesen war, es war da gewesen! Tenten drückte sich mit klopfendem Herzen an einem Baum – bereit jederzeit einem vermeintlichen Angreifer die Waffe in die Brust zu stoßen – und wartete. Wartete. Eine Minute verstrich. Sie lauschte auf jedes Geräusch, jede plötzliche Bewegung in ihrem Umfeld. Wenn es mehr als einer war, war sie hilflos. Sie musste zurück zu ihren Gefährten, die deutlich kampferprobter waren als sie. In diesen Wald kam niemand, der nicht einen triftigen Grund dazu hatte, und die Wahrscheinlichkeit auf einfache Bauern oder Reisende zu treffen ging gegen Null. Wilderer? Räuber? Es musste schon mindestens eine Viertelstunde vergangen sein. Nichts. Langsam beruhigte sie sich wieder. Hatte sie sich das alles nur eingebildet? „Tenten!“ Sie war noch nie so erleichtert Kankuro zu sehen. „Hier“, krächzte sie und wurde sich erst jetzt bewusst, unter welcher Anspannung sie gestanden hatte. Kankuro runzelte kurz die Stirn, als er die gezogene Waffe bemerkte, und sah sie dann besorgt an. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Ich… Ja“, brachte Tenten zustande, „ich dachte nur, ich hätte etwas gehört…“ „Wir sollten zurückgehen“, sagte Kankuro, „Suigetsu wird langsam ungeduldig und Shikamaru macht sich Sorgen, auch wenn er es nicht sagt.“ Tenten steckte den Dolch in die Scheide an ihrem Gürtel zurück. „Tut mir leid“, murmelte sie, „ich bin irgendwie ein bisschen durch den Wind.“ Kankuro grinste leicht. „Ist nicht schlimm. So geht es jedem irgendwann mal und außerdem beschütze ich dich doch.“ Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. „Wir sollten gehen.“ Kankuro nickte und sie machten sich gemeinsam auf den Rückweg, doch Tenten wurde das Gefühl nicht los, dass sie nicht länger allein waren… Den restlichen Nachmittag legten sie ein ordentliches Tempo vor. Nach Shikamarus Beurteilung würden sie das Dorf in etwa drei oder vier Tagen erreichen, was Tenten nur sehr recht war. Die Angst saß ihr noch immer in den Knochen und seit dem Vorfall am Bach – war überhaupt etwas vorgefallen? – hatte sie sich nicht mehr von den Männern entfernt. Alles war wieder so wie es sein sollte. Suigetsu machte seine bissigen Kommentare, die sie diesmal wortlos hinnahm, Kankuro stritt sich manchmal mit ihm und Shikamaru trottete in gewohnter Manier hinterher. Alles war in Ordnung. Warum also erwischte sie sich dabei wie sie die Waffen ihrer Mitstreiter inspizierte und sich Gedanken machte was für einen Vorteil diese bei einem Angriff bieten würden? Waren sie stark genug sich zu verteidigen, wenn es notwendig wurde? Mit einem Mal nahm diese Mission eine ganz andere Note an. Tenten war nicht oft an Rettungsmissionen beteiligt, sie hatte eher im Hintergrund agiert, ein paar Informationen beschafft oder eine Gruppe Soldaten bestochen, aber eigentlich war ihr Leben dabei nie wirklich in Gefahr gewesen. Die Bedrohung, die dieses kleine Geräusch in ihr ausgelöst hatte, hatte sie noch nie empfunden. Auf einmal wurde ihr bewusst, wie nah das alles war. Die Rebellion passierte nicht irgendwo in weiter und damit sicherer Ferne, sie war längst zu einem Teil ihres Alltags geworden. Nur die Gefahr war ihr bislang nicht so bewusst gewesen. Der restliche Tag zog sich quälend langsam dahin und Tenten spürte wie die Angst immer mehr Teil ihrer selbst wurde und sich in ihren Gliedern einnistete. Irgendwie zwang sie sich nur noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Immer weiter. Sie mussten das Dorf erreichen. Sie mussten die Menschen retten. Der Himmel war bereits dunkler geworden, ihre panischen Blicke häufiger und auch ihre Gefährten schienen unruhiger geworden zu sein. Fühlte es sich so an verrückt zu werden oder war das nur der Beginn einer Paranoia? Auf einmal spürte sie wie jemand ihr die Hand auf die Schulter legte. Sie schrak zusammen und für ein paar Sekunden suchte sie fast panisch nach der Ursache, bis sie Shikamaru erkannte. „Beruhig’ dich, Tenten“, schnaufte er. Tenten atmete flach, schüttelte dann seinen Griff ab und kämpfte langsam die Aufregung nieder. Shikamaru wartete ab bis sie die Kontrolle über sich zurück erlangt hatte. Er betrachtete sie aufmerksam und schien jedes Detail ihres Handelns zu analysieren. „Was ist los, Tenten?“ „Hier ist irgendjemand.“, sagte sie endlich. „Ich weiß. Mach dir keine Sorgen.“ Tenten warf schnell einen Blick auf Kankuro und Suigetsu. Beide hatten von der Unterhaltung nichts mitbekommen. „Ich soll mir keine Sorgen machen! Verdammt noch mal, Shikamaru, hier läuft irgendwo jemand rum, der uns die ganze Zeit beobachtet!“ Doch der Angesprochene kam nicht mehr dazu zu antworten. Der Pfeil surrte durch die Luft und blieb direkt hinter ihnen im nächsten Baum stecken. Augenblicklich warf sich Tenten auf den Boden und riss Shikamaru mit sich. „Runter!“, schrie sie Suigetsu und Kankuro zu, doch die hatten bereits ihre Schwerter gezogen, gingen in Deckung und versuchten auszumachen, wo sich der Schütze befand. Eine Minute lang blieb es totenstill. Tenten wagte nicht sich zu rühren und sie spürte wie abermals die Angst in ihr hoch kroch. Shikamaru murmelte irgendetwas, das sie nicht verstand. Dann hörte sie auf einmal ein lautes Knurren und aus dem Geäst kam der größte Hund, den sie je gesehen hatte. Sein Gebiss war riesig. Er musste ihr fast bis zum Brustkorb reichen! Die Bestie stieß abermals ein wütendes Knurren aus und fixierte nun Suigetsu und Kankuro, die anhand dieser Bedrohung zwar blass geworden waren, aber dem Hund grimmig entgegentraten. „Weg mit dir, du Töle, oder ich stech’ dich ab!“, rief Suigetsu drohend. Das gigantische Tier rührte sich keinen Millimeter und Suigetsu trat verunsichert einen Schritt nach rechts. Seine Hand fuhr an seinen Gürtel, wo er den erstbesten Dolch ergriff, den er zu fassen bekam. Urplötzlich schoss ein weiterer Pfeil auf ihn zu und durchbohrte sein Hemd, nagelte es an den Baum, vor dem er stand. Suigetsu wurde leichenblass. Dann wurde er zornesrot. „Zeig’ dich, du Feigling!“, brüllte er. Der Hund fletschte die Zähne, stieß ein wütendes Bellen aus und im nächsten Moment hatte sich das Tier auf ihn gestürzt und umgeworfen. Das Hemd riss mit einem lauten Geräusch, das Tenten heftig zusammenzucken ließ, und diese dolchartigen Reißzähne waren nun direkt über Suigetsus Gesicht. Tenten lief es kalt den Rücken herunter und irgendwie schaffte sie es sich aufzurappeln. „Lass ihn, Akamaru!“ Die Bestie stieß noch mal ein tiefes Grollen aus und ließ dann von Suigetsu ab. Der atmete stockend ein und wich dann zurück. Tenten hatte sich und Shikamaru mittlerweile Deckung verschafft. Ihr schoss der aberwitzige Gedanke durch den Kopf, dass es verrückt war, einen solch monströsen Hund den Namen des legendären Tieres zu geben, das Kiba den Helden begleitet hatte. Aus ihrem Versteck sah sie wie Suigetsu und Kankuro etwas oder jemanden anstarrten. Sie riskierte einen Blick. Ein Mann war zwischen den Bäumen aufgetaucht. Er war recht groß, hatte einen muskulösen Körper, braunes Haar und auf den Wangen rote Tätowierungen in Form von Reißzähnen. Sein Blick schweifte schnell zwischen Suigetsu und Kankuro hinterher und wartete scheinbar darauf, dass die etwas Unvorhergesehenes taten. Immer auf der Hut. Das war ihr erster Eindruck. Der zweite war sein Blick, der etwas Wildes, Ungezähmtes verinnerlichte. Er hatte einen schneeweißen Langbogen gespannt, der aus einem Material bestand, das Tenten nicht zuordnen konnte. Die Pfeilspitze war auf ihre Gefährten gerichtet. „Keine Bewegung!“, befahl der Fremde. „Wer seid ihr?“ „Jemandem wie dir lege ich keine Rechenschaft ab!“, schleuderte Suigetsu ihm entgegen, „verzieh dich!“ Die Augen des fremden Mannes verengten sich zu Schlitzen und das gigantische Tier, das nun um seine Beine strich, knurrte wütend. Plötzlich nahm Tenten eine Bewegung am Rande ihres Blickfeldes wahr. Sie drehte den Kopf und erkannte zu spät, dass Shikamaru sich erhoben hatte. Bevor sie es verhindern konnte, trat er in das Sichtfeld des Fremden. Sie warf ihm einen ängstlichen Blick zu. Es war nicht Shikamarus Art, sich derartig bloßzustellen und den Vorteil seines Versteckes aufzugeben. Tenten presste ihren Körper an den Baumstamm und beobachtete, was weiter vor sich ging. Kaum, dass Shikamaru ihm in den Weg getreten war, fuhr der Fremde herum und richtete den Pfeil auf seine Brust. Doch Shikamaru hielt seinem stahlharten Blick stand. „Wir kennen dich nicht“, erklärte der junge Adlige, „wir haben dir nichts getan, aber…“, seine Augen verengten sich zu Schlitzen, „wir werden uns verteidigen, wenn du uns angreifst.“ „Große Worte für jemanden, dem ich in weniger als einer Minute einen Pfeil durch den Schädel jagen könnte.“, erwiderte der Fremde. Er verzog den Mund zu einem wölfischen Grinsen und für eine Sekunde glaubte Tenten in seinen Zügen eine Wildheit zu erkennen, die sie erschütterte. Doch sie konnte sich nicht länger darauf konzentrieren. Da war das gleiche Geräusch, das sie am Bach gehört hatte. Ein so leises Rascheln, dass kein Tier der Urheber dafür sein könnte, aber doch laut genug, das man es nicht dem Wind zuschreiben konnte. Voller Angst wirbelte sie herum, zog zitternd ihre Waffe und machte sich darauf gefasst sich zu verteidigen. Dieser verräterische kleine Laut war keine Einbildung. Er stand wie ein Geist hinter ihr. Die gleiche Präsenz, die sie auch schon vor ein paar Stunden gespürt hatte. Genau wie der Bogenschütze trug er volle Rüstung und Kleidung, die sie auf Abbildungen in einem uralten Buch der Nara-Bibliothek gesehen zu haben glaubte. Der Brustharnisch und die Schienen an Unterarmen und -schenkeln bestanden aus einem dunkelroten Material, das sie nicht identifizieren konnte, größtenteils durch einen Umhang verdeckt. Er hatte dunkles, fast schwarzes Haar, das er zusammengeknotet hatte, und blasse, aristokratische Züge. Er machte eine winzige Bewegung und legte die Hand um das Heft eines silbernen Schwertes, dessen Griff über seine Schulter ragte. Doch das Merkwürdigste war, dass ein weißes Tuch seine Augen verdeckte. Wie konnte er so überhaupt sehen? Tenten trat einen Schritt zur Seite, ein Zweig brach unter ihrem Fuß und der Mann wandte ihr fast augenblicklich den Kopf zu. Sie spürte wie die Angst sich abermals ihrer bemächtigte, doch diesmal kämpfte sie sie mit ihrem Willen nieder, zwang sich ihren Körper zu straffen und nicht vor ihm zurück zu weichen. Eine Sekunde schien er irritiert. Vielleicht, weil sich ihm eine Frau in den Weg stellte. Dann entspannte er sich und wich langsam zurück. Tenten beobachtete jeden seiner Schritte und senkte ebenso langsam ihren Dolch, wie er sich wieder entfernte. „Nenn mir einen Grund, warum ich dir glauben sollte! Das hier sind die Wälder der Zwielichtberge. Niemand kommt hierher.“, hörte sie den Bogenschützen zu Shikamaru sagen, „Seid Ihr ein paar seiner Spitzel!?“ „Kiba, sie sind ungefährlich.“ Der lautlose Krieger erhob zum ersten Mal die Stimme und sie schnitt durch sie hindurch wie Eis. Er musste nicht laut werden, er strahlte beinahe eine solche Autorität aus wie Minato! Der Mann namens Kiba sah ihn an, richtete aber weiterhin die Waffe auf ihre Verbündeten. „Bist du dir sicher?“, hakte er nach. „Ja. Du hast sie nur überrascht.“ Langsam ließ Kiba den Bogen sinken. Er sah noch einmal misstrauisch zu Suigetsu und Kankuro, die sich langsam entspannten, und neigte dann leicht den Kopf. „Verzeiht“, sagte er, „ich hielt euch für jemand anderen.“ Seine Höflichkeit verblüffte und überraschte Tenten. Von einem Moment zum anderen hatte er sich vollkommen unter Kontrolle und war bereits auf die neue Situation eingestellt. Ein eiskalter Gedanke durchfuhr sie. Hatte er das alles geplant? Hatte er den ersten Pfeil bewusst daneben geschossen um die Oberhand über die Situation zu haben? Oder war er einfach nur ganz und gar unberechenbar? Hatte Shikamaru ihn durchschaut und gewusst, dass sie nicht ernsthaft in Gefahr waren? Kiba befestigte den weißen Bogen wieder an seinem Rücken und steckte den unbenutzten Pfeil in den Köcher zurück. „Lass uns weiter, Neji“, forderte er seinen lautlosen Begleiter auf. Fast rechnete Tenten damit, dass sie nun genauso schnell wieder verschwinden würden, wie sie gekommen waren, aber sie irrte sich. „Warte“, bemerkte Neji, „vielleicht könnten sie uns Informationen geben.“ Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, hatte Shikamaru das Wort ergriffen. „Ihr könnt mit uns essen. Eine größere Anzahl mindert die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs.“ „Shikamaru!-“, unterbrach Kankuro, doch der gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen. „Es wäre uns eine Ehre“, erklärte Neji. Kiba zuckte mit den Schultern. „Ich hole die Pferde“, sagte er, „Komm, Akamaru.“ Er verschwand zwischen den Bäumen und das Tier lief ihm schwanzwedelnd nach. Schweigen legte sich über die kleine Gruppe und Tenten sah wie ihre Gefährten Neji musterten. Doch der schien es nicht mitzubekommen oder zu ignorieren. „Wir sind vorhin an einer Lichtung vorbei gekommen. Dort könnten wir rasten.“, schlug er vor. Shikamaru nickte, während Kankuro und Suigetsu widerwillig ihre Zustimmung kundtaten. Tenten warf einen nachdenklichen Blick hinter dem Davongehenden her. Es war ganz sicher kein Zufall, dass Kiba den Namen des Helden mit dem Hund trug, stellte sie belustigt fest. Vielleicht nicht einmal, dass Neji anscheinend ein Schwert als Hauptwaffe trug – obwohl sie bezweifelte, dass er die Wahl der Waffe davon abhängig gemacht hatte, welchen Namen seine Eltern ihm gegeben hatten. Viele Leute aus dem Volk gaben ihren Kindern die Namen der Fünf Helden der Totenkriege, in der Hoffnung, dass sie Glück und Erfolg bringen würden. Die Adligen verzichteten meist darauf – wer mochte schon mit einem Namen, der bereits für Heldentaten bekannt war, weitere vollbringen? – doch das änderte nichts daran, dass es unter einem Haufen befreundeter Kinder immer mindestens einen gab, der Neji oder Kiba, Hinata oder Konan hieß. Einzig ‚Pein‘ war nicht so beliebt, aber das lag daran, dass dies kein geeigneter Name für jemanden war. Wer wollte sein Kind schon nach dem Schmerz benennen? Das sich hier zwei gefunden hatten, die zufällig beide einen solchen Namen trugen, kam recht häufig vor. Ein Rascheln kündigte Kibas Rückkehr an und, kaum dass Tenten sich umgedreht hatte, kam er nicht nur mit zwei Pferden, sondern auch mit einem schwer beladenen Packesel durchs Unterholz. Es waren prachtvolle, wenn auch kleine Tiere, eine Schimmelstute und eine braunweiße Scheckstute, die sie mit intelligenten Augen ansahen. Die Sattel und das Zaumzeug waren aus feinstem Leder und daran war eine solche Anzahl Waffen festgemacht, dass Tenten frösteln musste. Da waren Schwerter, Sperre, Lanzen, Messer, Dolche und sogar eine riesige Streitaxt. Und sie hatte die Waffen, die Kiba und Neji am Körper trugen, nicht einmal mitgerechnet. Konnten sie etwa mit allen umgehen? Kiba drückte Neji das Halfter der Schimmelstute in die Hand. Dann hielt er grinsend zwei Hasen hoch, in deren Fleisch noch jeweils ein Pfeil steckte. „Ich denke das Abendessen ist gerettet“, erklärte er. Tenten tauschte einen wachsamen Blick mit Shikamaru. Eine halbe Stunde später hatten sie ein notdürftiges Lager aufgeschlagen. Doch noch immer lag eine gewisse Anspannung in der Luft. Es war offensichtlich, dass Suigetsu und Kankuro Kiba misstrauisch beäugten, was nach dessen Angriff aber nicht weiter verwunderlich war. Einzig Neji und Shikamaru schienen sich ein wenig arrangiert zu haben und trafen rasch ein paar Entscheidungen. Nachdem die üblichen Floskeln ausgetauscht waren, hatten sie die Arbeit eingeteilt. Kankuro und Kiba waren Feuerholz suchen gegangen, Suigetsu bereitete gemeinsam mit Shikamaru das Lager vor und Neji kümmerte sich um die Tiere. Sie hingegen hatte den undankbarsten Job und es wurmte sie, dass es mal wieder an ihr hängen blieb. Tenten starrte missmutig auf ihre Vorräte. Sie hatten noch drei Brotlaibe, ein bisschen Trockenfleisch, ein paar Äpfel, Käse, Wurst und die Kräuter und Gewürze, die sie vorsorglich eingepackt hatte. Und natürlich die Hasen, die Kiba geschossen hatte. Sie zog den ersten Pfeil aus dem Fleisch und krempelte sich die Ärmel hoch. Das Ausnehmen von Tieren hatte sie schon immer verabscheut, aber es war nun mal notwendig und irgendwie bekam sie bei der Aufgabenverteilung immer das Kochen zugewiesen. Tenten warf einen wütenden Blick auf Shikamaru, ehe sie damit anfing das Brot in Scheiben zu schneiden. „Darf ich dir meine Hilfe anbieten, Tenten-san?“ Tenten zuckte zusammen und blickte sich dann um. Neji stand hinter ihr. Natürlich… Misstrauisch betrachtete sie ihn. Er sah nicht nach jemandem aus, der sich mit Kochen auskannte. Und … hatte er sie gerade mit einem der altmodischen Suffixe angesprochen? Warum das? Wollte er übermäßig höflich sein? Aber dann hätte er sie sicher nicht geduzt… Bevor sie näher darüber nachdenken konnte, verzog er den Mund zu einem schiefen Lächeln und nahm ihr dann das Messer aus der Hand. „Ich kenne mich damit aus“, versicherte er ihr, setzte die Klinge am Bauch des Hasen an und schlitze ihn geschickt auf. Die Gedärme quollen heraus und Tenten richtete den Blick schnell wieder auf das Brot damit ihr nicht übel wurde. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee ihm diese Arbeit zu überlassen. Sie teilte das Brot in sechs gerechte Portionen auf und belegte sie mit etwas Käse und Schnittlauch. „Ich habe Euch ein paar unserer Vorräte mitgebracht.“ Er deutete auf einen Beutel neben sich. „Danke.“, erwiderte sie misstrauisch. Neji seufzte während er den Hasen häutete. „Ihr traut uns nicht“, stellte er dann fest und schloss dabei auch ihre Gefährten ein. Tenten kniff die Lippen zusammen und arbeitete stur weiter. Neji nahm ihr Schweigen wortlos zur Kenntnis und arbeitete seinerseits stumm neben ihr weiter. Eine ganze Weile war nur das Geklapper der Messer und Schüsseln zu hören. Tenten schielte zu ihm herüber. Er wirkte konzentriert und seine Bewegungen waren fließend, trotz der Augenbinde, die seine Sicht extrem einschränken musste. Warum trug er sie überhaupt? Hatte er vielleicht eine Augenkrankheit, so dass er sie brauchte, oder…? „Es tut mir leid, dass ich dir am Bach einen solchen Schrecken eingejagt habe“, sagte Neji und riss sie damit aus den Gedanken. „Du bist sehr aufmerksam“, bemerkte er dann, „normalerweise nehmen die Menschen meine Anwesenheit nicht wahr.“ „Du hast mir Todesangst eingejagt“, sagte Tenten grimmig. „Das war nicht meine Absicht“, erklärte er sanft. Sie wollte noch etwas sagen, doch ein lautes Bellen unterbrach sie. Kiba und Kankuro kehrten zurück. Zuerst schoss Akamaru zwischen den Bäumen hervor. Ihm folgten sein Herr und Kankuro, die beide schwer beladen mit Feuerholz waren. Kankuro warf einen Blick über das Lager und erstarrte dann, als er Neji neben Tenten entdeckte. Er ließ das Holz fallen und warf ihrem Helfer einen so tödlichen Blick zu, dass sie unwillkürlich zusammen zuckte. Neji dagegen schien es überhaupt nicht zu kümmern. Shikamaru ging wortlos auf Kankuro zu, sammelte das Holz auf, legte eine Hand auf seine Schulter und redete kurz auf ihn ein. Dann begannen sie ein Lagerfeuer aufzubauen, das binnen zwanzig Minuten erfolgreich und heiß genug zum Kochen brannte. Schließlich fanden sie sich rund um das Feuer ein und Tenten reichte jedem sein Abendessen, während Neji die Hasen über dem Feuer briet. „Nun“, begann Kiba, „wer seid ihr? Hier ist es viel zu gefährlich.“ „Reisende“, erwiderte Tenten, „hier ist es nicht gefährlicher als anderswo auch.“ Kiba stieß ein bellendes Lachen aus. „Ja, das sagen sie alle und dann springt ihnen die Gefahr ins Gesicht und erst dann merken sie, dass sie besser daran getan hätten, ihr aus dem Weg zu gehen! Hab’ ich nicht recht, Akamaru?“ Der Hund hob kurz den Kopf und ließ ihn dann wieder auf seine Vorderbeine sinken. Er löste den Blick kaum von den Hasen über dem Feuer, auch wenn er davon nicht viel abbekommen würde. „Vielleicht lohnt sich die Gefahr ja!“, fauchte Tenten. Kiba warf ihr einen sehr nachdenklichen Blick zu. „So denken nur Frauen und Träumer. Oder jemand, der nichts mehr zu verlieren hat.“ Sie senkte den Blick. „Lass sie in Ruhe“, knurrte Kankuro, „du hast kein Recht über sie zu urteilen. Außerdem wissen wir ebenso wenig, wieso ihr hier seid.“ Kiba warf Neji einen schnellen Blick zu. Der reagierte nicht. „Spuck’s aus!“, rief Suigetsu dazwischen, „oder habt ihr etwas zu verbergen? Wir könnten euch auch gleich hier abstechen, wenn ihr-“ „Suigetsu“, fuhr Shikamaru warnend dazwischen. „Ach, du denkst doch dasselbe!“, erwiderte er bissig, „in Wahrheit sind sie doch nichts weiter als ein paar Feiglinge oder Verräter, die sich im Wald verstecken. Und er“, er deutete auf Neji, „ hat nicht mal den Mumm einem in die Augen zu sehen!“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da wusste Tenten, dass er einen Schritt zu weit gegangen war. Die betretene Stille, die plötzlich eintrat, lag schwer in der Luft. Tenten sah, dass Shikamaru Suigetsu einen ärgerlichen Blick zuwarf, sah wie Kankuro von seinem Essen nahm, nur um etwas zu tun zu haben. Kiba schien nicht im Mindesten beeindruckt. Vielleicht waren ihm solche Situationen nur zu gewohnt oder eine Aussage wie Suigetsus konnte ihn nicht wirklich treffen. Fast ängstlich huschte ihr Blick zu Neji, in dessen Mimik sich nicht das Geringste geregt zu haben schien. „Ich habe keine Angst andere anzusehen“, stellte er dann nüchtern klar, griff sich an den Hinterkopf und löste langsam die Augenbinde. Der Stoff fiel auf den Boden. „Nein“, sagte er noch mal, „ich habe keine Angst, aber meistens können die Menschen meinen Blick nicht ertragen.“ Das erste, das sie sah, waren die Tätowierungen an seinen Schläfen. Schmale, verschlungene Muster, die sich bis zu seinen Augen hochzogen und sich auf seiner hellen Haut unnatürlich stark abhoben. Erst als Tenten genauer hinsah, erkannte sie was sie darstellen sollte. Da war ein Flügel, winzige Federn… Stilisierte Schwingen, wie Tenten noch nie einen gesehen hatte. Sie war so in dieser kunstfertigen Arbeit auf seinem Gesicht gefangen, dass sie gar nicht auf seine Augen geachtet hatte. Erst ein scharfes Einatmen von Suigetsu lenkte ihren Blick darauf. Tenten starrte Neji in die Augen und er sah mit totem Blick zurück. Nie in ihrem ganzen Leben hatte sie solche Augen gesehen. Es erschreckte und faszinierte sie zugleich. Die Augen des Blinden waren schneeweiß, durchdringend wie Eis und härter als Stahl. Als sie sich für eine Sekunde unabhängig voneinander bewegten, lief Tenten ein Schauer über den Rücken. Jetzt verstand sie, warum er lieber eine Augenbinde trug. Solche Augen fielen auf. Solch ein Blick verursachte eine Angst, die vielen Grund genug sein konnte um ihm Unheil zu wollen. Ein Glucksen holte sie in die Gegenwart zurück. Tenten brauchte einen Moment um zu begreifen, dass es Kiba war, der diese Laute von sich gab. „Es ist jedes Mal das gleiche“, erklärte er amüsiert, „erst haben sie einen große Klappe und dann zittern sie vor Angst.“ Damit brach er in Gelächter aus. Tenten warf einen Blick auf ihre Gefährten. Kankuro und Suigetsu wirkten erschrocken, nur Shikamaru schaffte es, eine einigermaßen neutrale Miene aufzusetzen. Kiba lachte immer noch und warf jedem von ihnen ab und an einen herausfordernden Blick zu. „Lass gut sein, Kiba“, sagte Neji irgendwann. Er nahm sich etwas Fleisch und Kiba zuckte mit den Achseln. Langsam lockerte sich die Stimmung wieder ein wenig. Die Tatsache, dass Neji so natürlich mit seiner Blindheit umging, löste ein wenig Tentens Anspannung, aber gleichzeitig dachte sie mit ein wenig Beklemmung daran, dass keine seiner Bewegungen ihr Ziel verfehlte. Er bewegte sich wie ein völlig normaler Mensch, schien sich seiner Umgebung trotz allem immer bewusst zu sein und er hatte ihr mit dem Essen geholfen ohne auch nur einmal daneben zu greifen! Wie machte er das nur? „Nun, was bringt euch in diese Gegend?“, durchbrach Shikamaru die Stille. Es war mittlerweile dunkel geworden, das gemeinsame Abendessen war verzehrt und nun saßen sie alle nur still um das knisternde Feuer herum. Kiba sah Shikamaru an und grinste. „Wir sind Reisende.“ Shikamaru ließ sich nicht darauf ein. „Reisende“, wiederholte er ungerührt, „wohin seid ihr dann unterwegs?“ Zum ersten Mal schien Kiba erschrocken. Er sah zu Neji, der dessen Blick natürlich nicht wahrnehmen konnte. Doch trotz allem schien er etwas bemerkt zu haben. „Wir suchen jemanden“, sagte Neji an Kibas Stelle. „Und wer das ist und wieso geht euch nichts an“, fiel Kiba ihm schneidend ins Wort. „Dann sehe ich keinen Grund einander mehr als das anzuvertrauen. Wir sind uns zufällig im Wald begegnet, haben festgestellt, dass von den jeweils anderen keine Gefahr ausgeht und haben zusammen zu Abend gegessen. Wir müssen nicht wissen, wohin oder weshalb ihr unterwegs seid. Morgen gehen wir wieder getrennte Wege“, fasste Shikamaru zusammen. Kiba nickte bestätigend und schien mit dieser Lösung zufrieden. Auch Neji entspannte sich ein wenig. Suigetsu und Kankuro zuckten gleichgültig mit den Schultern. War sie denn die einzige, die Neugier auf die Fremden verspürte? Sahen ihre Gefährten denn nicht, dass Neji und Kiba alles andere als gewöhnlich waren? Tenten spürte, dass ihre Begegnung einen Wert hatte, den sie nicht wirklich begreifen konnte. Da war etwas. Etwas unglaublich Wichtiges, dass diese Fremden umgab. Auf einmal hörte sie Zweige knacken, der Hund hob seinen Kopf und knurrte bedrohlich. Sein Herr warf ihm einen aufmerksamen Blick zu und seine Hand glitt zu dem weißen Bogen, den er noch immer bei sich trug. Tenten spürte, wie sich die Angst abermals in ihr einnistete, doch diesmal schien ihr die Gefahr viel näher, viel allgegenwärtiger als nur einfach das Gefühl beobachtet zu werden. Shikamaru, Suigetsu und Kankuro hatten allesamt ihre Schwerter gezogen und Tenten beeilte sich es ihnen nach zu tun. Der Dolch lag schwer in ihrer Hand, aber sie wusste auch, dass ein möglicher Angriff sich zu allererst auf die Männer konzentrieren würde, nicht auf eine einzelne Frau. Dabei blieb ihr der Überraschungsmoment, wenn sie sich ihrer Haut erwehren musste. „Wie viele?“, wandte sich Kiba an Neji, der als einziger seine Waffen nicht angerührt hatte und konzentriert zu lauschen schien. Der Blinde neigte lauschend den Kopf und wartete noch einen weiteren Moment. „Mindestens zwanzig“, sagte er dann, „es scheint eine Truppe Soldaten zu sein.“ Kaum hatte er das gesagt, nahm auch Tenten die Geräusche des Waldes deutlicher wahr. Die Nacht war nicht länger still, es herrschte Unruhe. Irgendwo ein paar hundert Meter entfernt bahnten sich Männer einen Weg durchs Unterholz, die vielleicht auf ihr Lagerfeuer aufmerksam geworden waren. „Was machen wir jetzt?“, fragte Kankuro. Er wirkte gefasst, aber es war die Selbstbeherrschung eines Mannes, der darauf gefasst war zu kämpfen, und Tenten konnte sich nur allzu gut vorstellen, was für Gedanken ihm durch den Kopf gingen. Wenn, wer immer da auch kam ihnen feindlich gesinnt war, hier ankam und herausfand, dass sie Rebellen waren… Tenten wollte nicht weiter darüber nachdenken. „Bleibt ruhig’“, befahl Shikamaru und zum ersten Mal nahm Tenten seine Autorität wahr. Der Adlige analysierte bereits die Situation und wog mögliche Auswege gegeneinander ab. „Wir können nicht mehr weg, sie wissen bereits, dass wir hier sind und eine Flucht käme einem Schuldbekenntnis gleich.“ Wieder schwiegen sie und warteten ab, was auch immer kommen mochte. Dann hörte sie die Schritte. Schwere Schritte, die laut zu hören waren, und darauf schließen ließen, dass die Soldaten – wenn es denn welche waren – Rüstungen trugen. Ängstlich umklammerte Tenten ihre Waffe. Was, wenn es wirklich so viele waren, wie Neji gesagt hatte? Sie konnten vielleicht mit ein paar fertig werden, aber doch nicht mit zwanzig! Selbst, wenn sie Neji und Kiba dazurechnete, waren sie erst zu sechst. Als hätte er ihre Unruhe gespürt, sagte Neji plötzlich: „Beruhig dich, es gibt keinen Grund sie zu fürchten.“ Hätte er das ein wenig früher gesagt, hätte sie es vielleicht geglaubt, aber in genau diesem Moment brachen die Soldaten durch den Wald und traten auf die Lichtung. Ihr kleines Herz pochte plötzlich rasend schnell in ihrer Brust. Die Fremden trugen die Uniform der Goldenen Kaiser. „Na, wen haben wir denn hier?“, fragte ein Soldat, der mehrere Abzeichen auf der Brust trug und ganz offensichtlich der Hauptmann war. Sein Blick wanderte über die Männer, die Kampfstellung eingenommen hatten. „Im Namen des Goldenen Kaisers, seiner Majestät Malao dem Fünften, gebt euch zu erkennen!“, forderte er wichtigtuerisch. „Wir sind Reisende auf dem Weg nach Phaena“, sprach Shikamaru. Tenten sah ängstlich von ihm zu dem Hauptmann. Doch Shikamaru blieb erstaunlich ruhig und war ganz offensichtlich in die Rolle des Diplomaten geschlüpft. „Und was wollt ihr dort?“, hakte der Hauptmann nach, „ihr seht mir nicht wie Kaufleute aus.“ „Wir besuchen Verwandte und Freunde von uns.“ „Oh, Freunde und Verwandte?“ Er hob eine Augenbraue. „Weißt du, wie oft wir das hören?“ Shikamaru verzog keine Miene. Der Hauptmann stieß ihm den Zeigefinger in die Brust. „Dieser Wald“, sagte er und betonte dabei jedes Wort, „ist seit jüngster Zeit Treffpunkt von Dieben und Schmugglern. Oder schlimmstenfalls Rebellen.“ Das Wort schwebte in der Luft und Tenten lief es eiskalt den Rücken herunter. Sie erhaschte einen Blick auf Kankuro, der ebenfalls blass geworden war, aber versuchte es so gut es ging zu verbergen. „Um diesen Verdacht aus der Welt zu räumen“, schnarrte der Hauptmann, „muss ich euer Gepäck leider durchsuchen.“ Ein dreckiges Grinsen breitete sich auf seinem kantigen Gesicht aus, was Tenten dazu brachte ihn noch mehr zu verabscheuen. Die Soldaten im Hintergrund tauschten hämische Blicke aus. Ihr fiel auf, dass alle trotz der Reise durch den Wald gut genährt aussahen. Voller Wut betrachtete Tenten ihre Peiniger, als ihr aufging, dass es sich bei ihren Vorsichtsmaßnahmen lediglich um das Ausnehmen von Reisenden handelte. Wahrscheinlich nahmen sie ab und an jemand Unschuldigen mit, den sie den Uchiha kurzerhand als Rebell verkauften und hängen ließen. Dass sie jetzt auf wirkliche Rebellen gestoßen waren, war vermutlich reiner Zufall. „Natürlich, wir haben nichts zu verbergen. Seht nur nach.“, erklärte Shikamaru zu ihrer Überraschung. Der Hauptmann schien ebenfalls verblüfft, doch ihr Gefährte blickte weiterhin gelassen drein. Tenten starrte ihn an, aber Shikamaru sah sie nicht an. Sie kannte dieses Verhalten von ihm. Diese ruhige Art… das war nichts als Fassade! Shikamaru hatte gerade alles auf eine Karte gesetzt. Oder hatte er doch einen Plan? „Nun…“ Der Hauptmann winkte zwei seiner Soldaten heran, die sich sogleich an ihren Sachen zu schaffen machten. Tenten warf einen Blick auf die übrigen Rebellen. Kankuro hatte die Lippen fest aufeinander gepresst, doch Suigetsu sah so aus, als würde er jeden Moment in die Luft gehen. Tenten wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Soldaten zu – und stutzte. Für einen Augenblick hatte sie geglaubt ihre Konturen seien verschwommen. Bei genauerem Hinsehen, erkannte sie, dass es leicht neblig geworden war. Nur der Mond stand hoch am Himmel und erleuchtete die ansonsten sternenklare Nacht. Irgendwie war das unheimlich. Der aufziehende Nebel, noch dazu das Mondlicht, das die ganze Szenerie in einen schaurigen Glanz hüllte… „Hier sind ein paar Vorräte und Kleidung, Herr!“, rief einer der Soldaten seinem Hauptmann zu und riss Tenten damit aus ihren Überlegungen. „Weitersuchen“, befahl dieser und funkelte Shikamaru wütend an. „Ich sagte bereits, wir sind Reisende-“ Shikamaru wurde von einem lauten Knurren unterbrochen. Akamaru, Kibas gigantischer Hund, hatte die Ohren angelegt und fletschte die Zähne. Der Soldat, der soeben Kibas Gepäck durchsuchen wollte, wich erschrocken zurück. „Ihr habt nichts zu verbergen, ja?“, fauchte der Hauptmann Shikamaru an, der Kiba einen schnellen Blick zu warf. „Akamaru verteidigt das Eigentum seines Herren, das ist nur natürlich“, mischte sich überraschend Kiba ein. „Dann ruf’ das Biest zurück!“ „Oh, das ist nicht so leicht“, entgegnete dieser, „Akamaru hatte schon immer seinen eigenen Kopf.“ „Ruf’ das Tier zurück!“, bellte der Hauptmann. Akamaru stieß ein wütendes Bellen aus. Als Kiba immer noch nicht reagierte, zog dieser kommentarlos sein Schwert, das schon einige Scharten aufwies, und marschierte auf den Hund zu. Er hatte noch nicht mal ein paar Meter zurückgelegt, als Kiba ihm in den Weg trat. Auch er sah mittlerweile wütend aus und er funkelte den Hauptmann zornig an. „Aus dem Weg“, knurrte dieser, doch Kiba wich keinen Millimeter zurück. „Was, wenn nicht“, fragte er sehr leise, „willst du mich dann auch töten?“ Es schien als kämen seine Worte aus weiter Ferne. Als würde sie irgendetwas dämpfen. Tenten konnte sich nicht rühren. Irgendwas ging hier vor, doch sie konnte nicht sagen, was es war. Das war eine andere Art von Gefahr. Eine Gefahr, die sie noch nicht mal begreifen konnte. Bildete sie sich das ein oder hüllte der Nebel die Lichtung viel zu schnell ein… „Dann stirb’, du Narr!“ Der Hauptmann wirbelte das Schwert über seinen Kopf und zielte auf Kiba. Tenten stieß ein verängstigtes Wimmern aus und ihr wurde speiübel. Gleich war sein Kopf ab! Ein dumpfes Geräusch zwang sie ihren Blick wieder dem ungleichen Kampf zuzuwenden. Kiba war behände ausgewichen, die Klinge hatte sich in die Erde gebohrt und der Hauptmann zog sie wütend heraus. „Warum so langsam?“ Ein überlegenes Grinsen zog sich über Kibas Gesicht. Und wieder war da diese ungezähmte Wildheit in seiner Haltung. Den Hauptmann machte es rasend. Immer und immer wieder hieb er nach ihm, doch Kiba wich ihm jedes Mal aus. Er… er spielte nur mit ihm, wurde Tenten mit einem Mal klar. „Du kleine Made!“, brüllte der Offizier und gab ein paar seiner Untergebenen ein Zeichen, sodass diese sich ebenfalls auf Kiba stürzten. Doch noch bevor der Erste ihn auch nur erreichen konnten, hatte ihn der gigantische Hund umgeworfen und ihm die fast fingerlangen Zähne in die Seite geschlagen. Dieser heulte auf und versuchte sich zu befreien, doch Akamaru ließ erst locker, als er sich auf den nächsten stürzte. Suigetsu, Kankuro und Shikamaru hatten jetzt ebenfalls allesamt ihre Waffen gezogen und erwehrten sich nun der Überzahl der Feinde, die sie auf Korn nahmen. Nur Neji hatte sich nicht gerührt. Scheinbar nahmen ihn die Soldaten seiner Blindheit wegen nicht ernst. Wenn Shikamaru einen Plan gehabt hatte, war der spätestens jetzt gescheitert. Tenten biss sich auf die Lippen, nahm ihren ganzen Mut zusammen und trat dem Feind mit gezogenem Dolch entgegen. Einer der Soldaten bemerkte sie, kam auf sie zu und setzte ein aufdringliches Lächeln auf. „Wir müssen uns das nicht antun, Schätzchen“, flötete er lüstern, „ich kann mir einen schöneren Zeitvertreib vorstellen, als kleine Mädchen zu verhauen.“ Zur Antwort versuchte Tenten ihm die Augen auszustechen. „Na, na!“, rügte der Mann und schlug Tenten mit einer schnellen Bewegung den leichten Dolch aus der Hand. Tenten erstarrte, konnte dem nächsten Schritt nur noch ausweichen, indem sie sich zu Boden warf und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass noch ein Soldat auf sie aufmerksam geworden war. All die Vorbereitung, all das Training! Für nichts und wieder nichts! „Tenten!“ Kankuro musste ihr Dilemma bemerkt haben, doch er war zu weit weg und hatte außerdem selbst Feinde, um die er sich kümmern musste. Tenten wich zurück, warf einen Blick auf ihre Waffe, doch der zweite Soldat kickte sie außer Reichweite. „Zurück!“, brachte Tenten mit einem Zittern in der Stimme heraus. Sie lachten bloß. Und dann wurde es ihr klar: Ihre Situation war aussichtslos. Sie war ihren Feinden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Tenten nahm jeden ihrer Herzschläge zehnmal so laut wahr als es normal gewesen wäre. Ihr kleines Herz pumpte Blut durch die Venen und schickte Adrenalin durch ihren Körper. Nur am Rande bekam sie mit, dass sich ihr Körper darauf vorbereitete zu kämpfen oder zu fliehen. Dabei hatte sie zu beidem nicht die Möglichkeit. „Zurück“, befahl Tenten noch mal. Wie dünn ihre Stimme klang! „Lauf’ doch nicht weg!“, bat der kleinere ihrer Peiniger. Tenten merkte nicht mal wie sie zu zittern begann, erst als sie strauchelte und rückwärts hinfiel, wurde sie sich wieder halbwegs ihrer Umgebung bewusst. Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben. Tenten hatte keine Ahnung, warum ihr das jetzt auffiel, doch das ungute Gefühl von eben kehrte zurück. Es war beinahe so, als krochen die Schatten auf sie zu und – bei den Göttern! – wieso umhüllte der Nebel bereits ihre Knöchel?! Ein Schrei riss sie aus ihrer plötzlichen Trance und Tenten stellte verblüfft fest, dass einer ihrer Angreifer in der Dunkelheit verschwunden war. Sein Kamerad, jetzt nicht mehr so wütend, rief nach ihm, erhielt jedoch keine Antwort. In diesem Moment brach der Mond durch die Wolkendecke. Zuerst sah Tenten den Leichnam. Der Mann lag bäuchlings auf den Boden und aus seinem Rücken ragte eine alte, rostige Klinge. Doch was sie dann sah, ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Aus dem Boden der Lichtung streckte sich eine weiße Knochenhand der Nacht entgegen. ~ [ ♣ ] ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)