Nectarine Sunsets von Kendrix (UlquiHime Shortstories) ================================================================================ Kapitel 5: Lächeln ------------------ Orihime war es stets gewohnt gewesen, andere um sich zu haben: Zuerst war es ihr Bruder gewesen, dann Tatsuki und ihre anderen Freunde, und schließlich auch Kurosaki und ihre anderen Freunde. Jeden Tag lief sie zusammen mit ihren Freundinnen in eine Schule, in der es vor bekannten Gesichtern nur so wimmelte. Jetzt natürlich nicht mehr. Jetzt, wo sie Welten von der Schule, ihren Freunden und überhaupt von allen anderen lebenden Kreaturen des Universums trennten, war das einzige besagte Gesicht, das sie hin und wieder zu sehen bekam, das von Ulquiorra Schiffer. Der Espada Nr.4 brachte ihr dreimal täglich eine Mahlzeit, brachte sie noch in den Morgenstunden - zumindest glaubte sie, das es die Morgenstunden waren - an einen Ort, wo sie sich Baden konnte, erstattete ihr Bericht über alles, was mit ihren Freunden geschah, und mittlerweile hatte sie auch erfahren, das er Nachts in ihr Zimmer kam, um sicher zu gehen, das sie auch schlief. Er war es auch, der sie holen kam, wenn Aizen nach ihr verlangte, doch das geschah nicht oft. Wie bereits gesagt: Das einzige bekannte Gesicht, das sie an diesem Ort zu sehen bekam, war Ulquiorras. Etwa bis zu den unteren Wangenknochen reichendes, tintenschwarzes Haar, von denen einige Strähnen in sein Gesicht hingen, auf der rechten Seite eingerahmt von einer Art halben Helm mit einer hornähnlichen Verzierung - der Rest seiner einstigen Hollowmaske; Elfenbeinfarbene Haut, eher zierliche Gesichtszüge, schwarze Lippen, große Augen mit schlitzförmigen Pupillen, grün wie Chlorophyll. Eine der intensivsten Farben die sie je gesehen hatte, obwohl es nicht an das Haar von Ichigo Kurosaki herankam - ein aufgedrehter Karottenkopf, dessen Haarpracht eigentlich schon als ‘orange’ bezeichnet werden musste. Aber da war noch mehr: Die dünnen, schmalen Linien, die das weiß seines Gesichtes gnadenlos durchbrachen. Bei genauerer Betrachtung war sie zu dem Ergebnis gekommen, das sie nicht schwarz, sondern dunkelgrün waren. Irgendwann einmal war sie darauf gekommen, dass sie wie Tränen aussahen. Doch diese Streifen waren nicht die einzigen Geheimnisse, die sein Gesicht barg - eigentlich verbarg es sogar ziemlich alles und gab nichts preis. Schon bei ihrer ersten Begegnung wirkte er kalt auf sie, aber sie hatte weiß Gott besseres zu tun gehabt, als über seinen Gesichtsausdruck nachzugrübeln. Er blickte finster drein, na und? Das gehörte sich für Fieslinge. Für ihn war sie damals irrelevant gewesen, und für sie war er eine Bedrohung führ ihre Freunde, nichts als ein ‘aufgemotzter’ Hollow. Er hatte alles und jeden - auch sie selbst - als ‘Abfall’ bezeichnet, und hatte auch für seinen eigenen Kollegen nicht viel übrig. Wahrscheinlich war er arrogant, diese Eigenschaft schien unter Arrancar ja hoch geschätzt zu sein… Doch als er sie entführt hatte, und ihr mit diesen kalten, unerbitterlichen Worten ohne die geringste Regung direkt und ohne Umschweife klar gemacht hatte, das all ihre schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren, hatte sie das Gefühl, mit einer Maschine zu reden. Das war keine Arroganz - das war berechnende Logik und Planung, in die er -zurecht - vertraute. Was für einen hübschen analytischen Verstand er hatte, rational und unpersönlich, man könnte meinen, er denke komplett in Zahlen. Das war auch kein finsterer Blick - das war das völlige Fehlen jeder Emotion. Er zeigte kein Verständnis, keine Gnade, nicht mal Schadenfreude. Da war überhaupt keine Gefühlsregung in seinem Gesicht - alles was er tat, er tat es so …mechanisch. Eisig kalt. Er war ein Ding. Ein verdammtes Ding. Während ihrer Zeit in las Noches spielte sie meistens lieb mit - teils aus Angst, teils, weil sie nicht glaubte, viel tun zu können. Sie hatte hier so viel schreckliches sehen müssen - erneut schoss es ihr durch den Kopf, wie Grimmjow dieses kleine Mädchen (?) unbarmherzig zerrissen hatte - ihr Nervenkostüm erlaubte ihr einfach keinen Widerstand. Der einzige, den sie hin und wieder ihre Ablehnung spüren ließ, war Ulquiorra. Doch er führte nur weiterhin seine Befehle aus, er funktionierte, wie er sollte. Sie dachte nie darüber nach, ob er sich vielleicht nur verstellte, und er in Wahrheit gar nicht so kalt war - wenn die Oberfläche alles war, was vorhanden war, war das nicht die exakte Definition von ‘Hollow’? Und dann, eines Tages, stand statt Ulquiorra eine dunkelhäutige, blonde Frau in einem recht freizügigen Aufzug vor der Tür, stellte sich als ‘Halibel’ vor, und sagte, das sie Ulquiorra Vertreten solle - er selbst war auf Mission. Nach dem sie die ehre mit Grimmjow, Szayel-Aporro und diesem schlaksigen Mann mit dem löffelähnlichen Kragen gehabt hatte, war sie eigentlich nicht so scharf darauf, die Bekanntschaft weiterer Arrancar zu machen, doch diese Blondine schien ganz in Ordnung zu sein. Sie stand mit gekreuzten Armen neben der Tür, und sah zu, wie Orihime ihre Mahlzeit einnahm. Und ehe das rothaarige Mädchen es recht realisierte, hatte sie die Blonde gefragt, wo Ulquiorra denn sei. Die Antwort hatte schlicht ‘Informationsbeschaffung’ gelautet. Bald darauf war Orihime fertig gewesen, und Halibel hatte den Raum verlassen. Offenbar war sie vor der Tür bereits von drei jungen Arrancarmädchen erwartet worden. Mittags bekam sie es mit einem unrasierten Arrancar-Mann zu tun, der ein knapp bekleidetes, kleines Mädchen dabei hatte und sie anwies, sich zu beeilen, da er zurück in sein Bett wolle. Vorgestellt hatte er sich nicht, sie glaubte jedoch, das seine Gehilfin ihn ‘Stark’ genannt hatte. Diese Drei hatten an sich einen ganz netten Eindruck gemacht - nicht so sehr von Geltungsdrang und Arroganz besessen wie etliche ihrer Mit-Arrancar. Alle außer ihnen hätten ihre Befehle sicherlich schon nach fünf Minuten vergessen und die ungeheuerlichsten Dinge mit ihr angestellt. - Alle außer ihnen und Ulquiorra. Langsam begann sie sich zu fragen, was das denn für eine Mission war, auf die er geschickt worden war - ob das wohl gefährlich war? - Natürlich war es gefährlich, sonst würde Aizen keinen Espada hinschicken… Halt, fing sie an, sich sorgen um Ulquiorra zu machen? Klar, der Schwarzhaarige würde sie nie auch nur schräg angucken - aber nur, weil er seine Befehle stets Wort für Wort ausführte, mit ihr hatte das wenig zu tun… oder? Wenn Aizen es ihm befehlen würde, würde er sie doch ohne weiteres umbringen. Wenn Aizen es ihm befehlen würde, würde er sich selbst ohne weiteres umbringen. Natürlich nicht ohne seinen üblichen Gesichtsausdruck. Er würde sicher weiter so dreinschauen, wenn die Welt sich vor seinen Augen in Luft auf lösen würde. Er würde weiter so drein schauen, wenn er selbst sich in Luft auflösen würde… Und dann, am Abend, tauchte der 4. Espada persönlich bei ihr auf. Sein rechtes Auge nicht. Es war wohl leicht zu erahnen, das Orihime zunächst einen spitzen Schreckenslaut ausstieß, als sie ihn zu sehen bekam. Er hob nur kurz eine Augenbraue, und betrat dann mit seinem übrigen, desinteressierten Ausdruck den Raum, dich gefolgt von einem niederrangigen Arrancar, der die Mahlzeit für die Gefangene reinkutschierte und darauf wieder verschwand. Ungeachtet der dunkelroten Rinnsale, die sich langsam über sein Gesicht ausbreiteten, ließ er sein übliches “Iss, Frau” vernehmen. Und auch, wenn ihr nach seinem Anblick der ohnehin kaum noch vorhandene Appetit vergangen war, wagte sie es nicht, ihm zu widersprechen. Ob sie sich vor ihm fürchtete, oder seinen Tag heute einfach nicht noch mehr vermiesen wollte, hätte sie nicht benennen können. Rasch verschlang sie den unidentifizierbaren Matsch, den man ihr vorgesetzt hatte, und versuchte krampfhaft, ihn nicht anzusehen. Ob das bei seiner Mission passiert war…? Und warum in aller Welt schickte ihn Aizen so zu ihr, ohne ihm wenigsten einen Verband oder so etwas zu verpassen…? In der Tat hatte die… Verletzung ziemlich frisch gewirkt, vielleicht war Aizen auch einfach nur mit seinem Handlanger unzufrieden gewesen - zutrauen würde sie’s ihm. Und während sie so nachdachte, hatte sie ihren Teller geleert, bevor sie es wirklich realisiert hatte. “Ich komme in zwei Stunden.” kündigte er monoton an, wie er es jeden Tag tat. “…du solltest bis dahin schlafen.” Er wollte sich wahrscheinlich umdrehen und für den Abtransport ihres Geschirrs sorgen, doch als sie ihm ein “Halt!” hinterher rief, blieb er stehen und fixierte sie mit seinem verbliebenen Auge. “Was… was ist passiert…?” fragte sie ihn zögerlich. Er blickte sie direkt an, mit diesem Gesichtsausdruck, der sich nicht mal ändern würde, wenn die Apokalypse innerhalb der nächsten fünf Sekunden hereinbrechen würde. Der Raum zwischen ihnen beiden war erfüllt mit Stille. “Oh. Das meinst du.” kam es völlig überraschend von ihrem Wächter. Sie hätte nicht geglaubt, das er jemand sei, der solche Worte verwenden würde. Sein Tonfall war nicht anders als sonst, aber sie hätte schwören können, eine Spur von Verwunderung in seinem noch intakten Seelenfenster erkannt zu haben. “Ich habe Aizen-sama Bericht erstattet.” Er blieb so stehen, wie er war, und machte keine Anstallten, den Raum zu verlassen, so als erwarte er irgendeine Reaktion von ihr. Sie kapierte nicht ganz, was das Berichterstatten mit dem Loch in seinem Gesicht zutun hatte, aber obwohl sie es ihr noch nicht ganz bewusst war, hatte irgend ein Teil von ihr realisiert, das er gerade dabei war, ein persönliches Gespräch mit ihr zu führen. Und eben dieser Teil von ihr verzehrte sich nach irgendwelche Gesprächen, nach irgendetwas, das die Leere von las Noches kurzerhand verschwinden lassen würde. In dieser Sekunde beschloss ihr Unterbewusstsein, das klar sichtbare Loch in seiner Brust für kurze Zeit zu verdrängen, während ihr Verstand sich darüber Gedanken machte, was sie ihm jetzt entgegnen sollte - vielleicht sollte sie mit seiner Mission anfangen. “….Du… du warst… Informationen beschaffen, nicht?” “Das ist korrekt.” “Musst du… so was öfter machen? Ich… ich meine, du… du warst ja auch damals in… in unserer Welt…” “Ich verfüge über gewisse Fähigkeiten, die das leichter machen. Solche Missionen sind gefährlich und erfordern aufgrund ihrer strategischen Wichtigkeit, dass man sie zuverlässig und genau den Befehlen entsprechend ausführt - dazu ist auch ein gewisses Maß an Stärke von Nöten. Stark, Halibel und Barragan braucht er als seine persönliche Sturmtruppe, also-” “…Also lässt er dich die Drecksarbeit machen, weil du entbehrlich bist?” “Korrekt.” Sie hätte erwartet, das er jetzt die Intentionen seines ’Chefs’ verteidigen würde, aber statt dessen schien er gar keine Probleme damit zu haben, nichts als Aizens Schachfigur zu sein… Jetzt, wo er sich richtig mit ihr unterhielt, schien er ihr noch ein gutes Stück unheimlicher geworden zu sein… weil sie nicht einschätzen konnte, in wie weit er sich wie ein gewöhnlicher Gesprächspartner, und wie weit er sich wie das ‘Ding’ verhalten würde, als das er irgendwo in ihrem Kopf immer noch verankert war. Er schien sie gleichzeitig zu interessieren und abzustoßen, und weil sie ihn nicht einschätzen konnte, fürchtete sie ihn - und das war letzten Endes die genaue Definition von ‘Unheimlich’. Doch nach all der Einsamkeit konnte sie sich nicht mehr dazu durchringen, den Mund zu halten bis er den Raum verlassen haben würde. “…Und das… ist für dich Okay…?” “Wir Arrancar sind alle entbehrlich. Aizen-sama zu dienen ist meine einzige Daseinsberechtigung. “ “Und was- was machst du, wenn Aizen irgendwann mal keine Verwendung mehr für dich hat?” “Dann werde ich mich meinem Schicksal widerstandslos ausliefern. Was keinen Zweck mehr erfüllt, ist Abfall, und Abfall wirft man weg.” Irgendwie konnte sie den Stoß von Traurigkeit, den diese Worte in ihr auslösten, nicht ignorieren. Sie wollte nicht, das er so traurige Sachen sagte. Sie wollte es einfach nicht. Sie wollte es nicht und war in diesem Moment bereit, einiges dafür zu tun. “Uhm… das… das wird sicher nicht passieren ich… ich glaube, das du sehr nützlich für Aizen bist! Ich meine du… du hast mich entführt, und du bewachst mich, und du machst ja die Informationsbeschaffung… ei… eigentlich bist du der einzige hier, der irgendwelche Arbeit erledigt bekommt, du… du bist sicher sehr nützlich!” “…Was bezweckst du mit diesen Worten…?” erkundigte er sich in seinem üblichen Tonfall. “Ich… ich wollte nur… nur… Ähm… Wenn ich Aizen wäre, würde ich dich nicht die Drecksarbeit machen lassen! Ich denke, Grimmjow-san würde das eh viel.. Äh… lieber machen…” “Dir fehlt auch Aizen-samas Weitblick. Man kann strategisch wichtige Aufgaben nicht irgendwelchem Abfall überlassen, der seine Befehle des Öfteren zu Gunsten des eigenen Geltungsdrang vergisst, wie es gerade die Nummer 6 gerne zu tun pflegt…” “Du… verstehst dich nicht gut… mit Grimmjow?” “Ich denke nicht, das ‘sich nicht gut verstehen’ der richtige Ausdruck ist, aber von seiner Seite aus könnte man es wohl so beschreiben. Ähnliches trifft vermutlich auch auf die Nummer fünf zu. Seine Äußerungen mir gegenüber sind bisweilen… etwas abstoßend.” “Oh… und… und die anderen?” “Ich habe nicht viel mit ihnen zu tun. Vielleicht denken sie, das ich sie nicht mag.” Das klang nicht wesentlich gefühlvoller, als alles, was er bis jetzt gesagt hatte, aber doch irgendwie… unbeholfen. “Wie… kommst du den darauf?” “Gin-sama hat einmal etwas in dieser Richtung erwähnt. Wenn ich ihn recht verstanden habe, hat es damit zu tun, das ich nicht viel mit ihm spreche.” “Stimmt das denn…?” hakte sie direkt nach. “Er ist einer meiner Vorgesetzten. Ich habe eigentlich keine bestimmte Meinung zu ihm. Ich spreche nicht so oft mit ihm weil… weil ich selten einen Grund dazu habe… Niemand hat es mir befohlen.” Orihime wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. “Ähm… das… das da… “ Sie deutete erst nach einigem Zögern auf sein nichtexistentes Auge. “Tut das nicht weh…?” “Wenn man sich daran gewöhnt hat, nicht mehr.” “Solltest du nicht vielleicht… einen Verband drauf machen oder so etwas?” “Das wäre eine Verschwendung von Ressourcen… es wird sich auch so in ein paar Stunden wieder regeneriert haben…” “Ach… wirklich?” “Ja. Wie dem auch sei, muss jetzt gehen, ich habe noch etwas zu erledigen. ” “Uhm… bis dann. Es… es war wirklich gut das du… mit mir über das alles geredet hast…” Sie glaubte bemerkt zu haben, wie seine Augen sich ein wenig weiteten. Offenbar war ihm bis jetzt nicht wirklich klar gewesen, das sie ihn in ein Gespräch verwickelt hatte. Ob er sich wohl fragte, warum er ihr das alles erzählt hatte? Der Espada Nr.4 verließ den Raum und ließ sie mit ihren Gedanken allein. Sie starrte auf die Tür. Sie war kalkweiß, genau wie seine Uniform. Und zum ersten Mal fragte sie sich, ob er das mochte. Konnte er etwas mögen…? Sie hätte sich selbst für diesen Gedanken ohrfeigen können. Natürlich konnte er das- genau wie die anderen Arrancar auch. Sie musste noch einmal an alles denken, was er ihr eben erzählt hatte - viele Dinge, die in ihrer Ohren furchtbar traurig klangen, obwohl er es in seinem üblichen, Tonfall gesagt hatte, mit seinem üblichen, kalten Gesichtsausdruck. Wobei sie sich nicht mehr sicher war, ob ‘kalt’ überhaupt das richtige Wort war. Vielleicht mehr… ‘unterkühlt’. Distanziert. Unbeteiligt. Apathisch, nicht würde es ihn nicht interessieren, was um ihn herum geschah, sondern mehr, als würde es ihn nicht richtig erreichen. Als sei alles weit weg von ihm. Doch obwohl sie selbst es noch vor kurzem für unmöglich erklärt hatte, glaubte sie, hin und wieder etwas dahinter hervorschimmern zu sehen. Halt, woher dieser Wandel…? Begann sie jetzt, in ihrer Einsamkeit Dinge in ihn und seinen unergründlichen Gesichtsaudruck hineinzuinterpretieren…? Sie wollte es genau wissen. Sie wollte wissen, ob da irgendwas war, ob sie ihm vielleicht die ganze Zeit unrecht getan hatte - oder, ob sie mittlerweile dabei war, durchzudrehen. Also begann sie, das einzige vertraue Gesicht, das sie in diesen Mauern zu sehen bekam, genaustens zu beobachten. Es blieb nicht immer gleich, das war weit weg von der Wahrheit… Wenn er sie aus dem Augenwinkel heraus ansah, war er vermutlich sauer… er tat das immer, wenn er mal zu längeren Reden über ihre Unlogik ansetzte. Ein Blick tendierte zu diesen Momenten auch etwas finsterer zu werden. Oder war es letzten Endes etwas ganz anderes, wohlmöglich… Unverständnis? Oder Verwirrung…? Wenn er seine Augen etwas weiter aufriss als sonst, so das sie fast… normal aussahen, war er vermutlich entsetzt oder erstaunt… nein, für so etwas war er zu distanziert. Vermutlich tat er dies, wenn irgendetwas anders verlief, als er es erwartet hatte. Da gehörte auch eine bestimmte Haltung dazu, etwas ‘hängender’ als sein übliche, aber nicht viel anders. Er war ziemlich dürr, und auch nicht wirklich groß, wie ihr jetzt auffiel. Wenn sie raten müsste, würde sie ihn auf ihr Alter schätzen… wobei sein äußeres wohl mehr über den Zeitpunkt seines Tods aussagte als über sein tatsächliches Alter… er könnte schon seid Jahrhunderten ein Hollow sein. Ein besonders …kühl wirkender Blick bedeutete, das er sich auf seine ‘Arbeit’ konzentrierte oder nachdachte. Sie konnte sich nicht mehr genau erinnern, wie er dreingeblickt hatte, als er damals zusammen mit Yammy auf der erde gewesen war, aber sie dachte, das da irgendwo sein ’genervter’ Ausdruck zu sehen gewesen war. Etwas, das sie nicht ganz deuten konnte, war dieser Ausdruck, den er gehabt hatte, als er sie entführt hatte. Als er diesen einen Satz gesagt hatte, der immer wieder in ihrem Kopf widerhallte. “Komm mit mir mit, Frau.” Das hatte besonders… abwesend? Mechanisch? Gewirkt. Vielleicht eine Variante seines ‘konzentrierten’ Ausdrucks. Und dann waren da och andere, kleine Sachen. Wie er seine Hände immer in die Hosentaschen stopfte. Wie er andere - wie sie zum Beispiel - ohne es recht zu merken vor den Kopf stieß… Wäre er etwas fröhlicher gewesen, hätte er einen passablen Freak abgegeben. Vielleicht nicht viel anders als sie selbst. Andere Details. Sein… sein Outfit. Von der gesamten Espada war er derjenige, der das ‘Standartoutfit’ ohne größere Modifikationen trug. Vielleicht waren diese… Dinger da an seiner Jacke etwas länger. Überhaupt, seine Jacke… Er hatte seinen Kragen manchmal auf- und manchmal zu geknöpft. Sie wusste nicht, was sie am wenigsten mochte. Er schien ihn im Kampf öfter aufgeknöpft zu haben als nicht, wogegen er das Ding in ihrer Nähe immer häufiger komplett zuzumachen zu pflegte. Ob das wohl einen bestimmten Grund hatte? Sie hatte zuerst gedacht, das er so etwas wie eine Persönlichkeit einfach nicht besaß, das er nichts Eigenes an sich hatte und nur für Aizens Interessen lebte Aber bei genauerem hinsehen musste sie zugeben, noch nie eine Person mit mehr Eigenheiten erlebt hatte - und seine ‘kalte’ Art gehörte dazu. Doch auch, wenn er doch einige Regungen zeigte… all das konnte man ihm aber größtenteils nur an den Augen ansehen, der Rest seines Gesichtes änderte sich kaum. Sie wurde einfach nicht schlau daraus… Sein üblicher Gesichtsausdruck. Immer so… abwesend. Nein, nein, das war es auch nicht. Die Stellung seiner dunklen Augenbrauen, die sich sehr von seiner Haut abhoben, die art, wie seine Mundwinkel stets leicht zu ‘hängen’ schienen… Er sah sogar ein wenig… betrübt aus. Melancholisch. Bitterlich unglücklich. Es passte gar nicht zu seinem üblichen Tonfall… Warum zum Teufel fiel ihr das erst jetzt auf? Sie hatte noch nie jemanden gesehen, der unglücklicher in die Welt hinaus blickte. Noch nie. Und die Striche auf seinen Wangen machten es nicht besser. Wenn man alle Verzweiflung des Universums in ihrer reinsten Form zusammenpressen würde, würde sie wohl nicht viel anders aussehen… Während Orihime so auf ihrem Sofa saß, die Füße baumeln ließ und nachdenklich die Decke betrachtete, merkte sie nicht, das es mittlerweile schon Schlafenszeit war - das es Nacht geworden war, konnte man nicht wirklich sagen, denn hier war es immer Nacht. Erst, als sich die Tür quietschend öffnete und sie dahinter mal wieder einen gewissen Arrancar erspähte, wurde ihr schlagartig klar, wie lange sie schon über ihn und seinen verdammten Gesichtsausdruck nachgegrübelt hatte - egal, was er zu bedeuten hatte, sie würde ihn viel lieber mit einem irgendeinem anderen Ausdruck sehen. Doch leider wurde ihr dieser Wunsch nicht erfüllt. Als sie zu ihm hin schaute, blickte er so drein wie sonst auch. “Du solltest längst schlafen, Frau.” meinte er. “Leg dich hin.” “J-ja!” entgegnete sie rasch und begann, ihre Stiefel abzustreifen, um sich danach hinzulegen. Er beobachtete sie dabei genau - offenbar hatte er nicht vor, den Raum zu verlassen, bevor sie im Bett lag. “Sag mal… Ulquiorra…” fragte sie, während sie einen der Stiefel abstellte und sich am nächsten zu schaffen machte. “Wieso bist du immer so-” “Ich habe jetzt im Moment keine Zeit dafür, deine Fragen zu beantworten.” “Es- es ist nur eine!” “Und die lautet…?” Da ihre Schuhe nun ordentlich aufgereiht waren, konnte sie sich von diesen abwenden und zu ihm aufschauen - vorzugsweise direkt in seine unergründlichen, chlorophyllgrünen Augen. Eigentlich wollte sie ihn fragen, warum er immer so unglücklich war… aber konnte sie sich da überhaupt sicher sein? Statt dessen fragte sie zaghaft: “…Machst… machst du diese Aufgabe eigentlich gerne…? Ich meine… auf mich aufpassen. Nervt dich das nicht?” “Aizen-sama hat mir befohlen, für dich Sorge zu tragen. Ob es mich ‘nervt’ ist vollkommen irrelevant.” “Ja, aber… ich meine, wenn Aizen es dir nicht befohlen hätte… würdest du es dann tun?” “Wieso sollte ich jemanden hier festhalten, der nicht gebraucht wird? Das wäre völlig sinnlos.” “Ja schon… was ich wissen wollte ist… ob du es gern machst…” “Ich sagte bereits, das ist irr-” “Für mich nicht!” Das schien irgendetwas in ihm ausgelöst zu haben, auch wenn man seinem Ausdruck nicht entnehmen konnte, was. Sie glaubte fast, seine Blicke spüren zu können, als er sie von unten bis oben musterte. Wie sie wohl für ihn aussehen musste? Als er wieder bei ihren Augen angekommen war, ergriff er das Wort. “Du entziehst dich jeglicher Logik. Wieso ist das für dich wichtig…?” “Ich… ich will es einfach wissen. Einfach so. Aus Neugier.” “Ich persönlich finde diese Aufgabe sehr…” er hielt kurz inne, als würde er nachdenken oder ein passendes Wort suchen. Orihime schluckte. War sie bereit dafür, dass jetzt die Wörter ‘Nervig’, ‘sinnlos’ oder ‘Abfall’ fallen könnten…? “…interessant. Ich denke ‘interessant‘ oder ‘faszinierend‘ wären die richtigen Ausdrücke.” Orihime hätte beim besten Willen nicht sagen können, wieso sie jetzt spürte, wie ihr Gesicht warm wurde und sich rötete, aber es war so, und er schien es zu bemerken. “Frau…? Was-” “Du machst es also gerne, nicht…? Wenn du… wenn du etwas gerne machst, dann… dann solltest du aber nicht so traurig gucken… Und auch nicht so traurige Sachen sagen… Sag nicht, das du entbehrlich bist...” “Traurig…?” Er schien nicht zu wissen, was sie meinte. Er hob die Hände aus den Hosentaschen, hielt sie an aber einfach so in der Luft, als wisse er nicht, was er damit eigentlich tun wollte. “Wenn du etwas machst, was dich freut, dann solltest du doch lächeln!” Ein paar Sekunden lang blickte er sie mit großen Augen an. Und dann, dann legte er seinen Kopf etwas schief und tat etwas, von dem sie nie gedacht hätte, das er es überhaupt konnte: Er formte seine Lippen zu einem dünnen Lächeln. Etwas gekünstelt und verspannt wirkte es schon, aber der zarteste aller Rosaschimmer, der auf seinen kalkweißen Wangen trotzdem auffiel wie eine Oase in der Sahara, bewies, dass es ehrlich gemeint war - er schien nur nicht mehr ganz zu wissen, wie es geht. “Du… scheinst dich ebenfalls zu freuen…” merkte er darauf an. Und tatsächlich. Erst jetzt realisierte Orihime, das sie sein Lächeln erwidert hatte. Seine Züge kehrten wieder in ihren Normalzustand zurück, es blieb höchstens eine Spur von Nachdenklichkeit zurück. “Das hast du nicht mehr getan, seid du in Hueco Mundo bist… das ist ein ziemlicher Zufall…” “Hm…?” “Bei mir ist es das gleiche.” Nur das er vermutlich schon seid Ewigkeiten hier war… “Schlaf jetzt. Aizen-sama kann keine unausgeschlafenen Untergebenen brauchen.” Und dann drehte er sich um und ging. Das Mädchen ließ sich widerstandslos aufs Bett sinken. Irgendwie war es nicht mehr so schlimm, das einzige lebende Wesen in dieser Welt zu sein… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)