Kreuzfeuer von kaprikorn (besser du rennst) ================================================================================ Kapitel 1: Völlig normal ------------------------ VORWORT: Kann man vor der Dunkelheit fliehen, sie ignorieren und auf den Trümmern seiner Existenz etwas neues aufbauen? So leicht ist es nicht. Achtung: Geht ein wenig in Richtung Drama / Darkfic. Pairing: KenxMiyako DISCLAIMER: MIR GEHÖRT NICHTS! KAPITEL 1: VÖLLIG NORMAL Der Regen prasselte jetzt schon eine geraume Weile an die hohen Fenster an meiner Seite und lenkten mich stetig vom Unterricht ab. Irgendwie waren die draußen herrschende Dunkelheit, der Wind, der die Bäume in die Knie zwang und das Flimmern des fallenden Wassers interessanter, als das Thema des Lehrers, der sich offensichtlich alle Mühe dabei gab, sein Wissen an uns weiterzugeben. Ich hörte seine Stimme nur im Hintergrund meiner Gedanken. Es war nicht mehr als ein Rauschen, so als wäre der Empfang eines Radiosenders zu schlecht für seine Umgebung. Ab und zu schenkte ich der Tafel einen müden Lidaufschlag. Ja, ich war gelangweilt. Nicht, weil ich Physik nicht mochte. Es bestand für mich nicht einmal eine Schwierigkeit darin, die Zusammenhänge zu verstehen. Aber in letzter Zeit ließ ich in der Schule deutlich an Aufmerksamkeit nach. Und die Erklärung dafür war gar nicht mal so schwer: Ich hatte andere Probleme. Ich war ein Teenager. Für mein Alter war das vollkommen normal Interessen zu entwickeln, die sich nicht nur auf das Lernen fixierten. Und weil es meinen Noten keinen Abbruch tat, ob ich im Klassenraum anwesend war, oder nicht, war es dem Lehrer einerlei, ob ich Mitarbeit zeigte. In meinem Leben hatte sich einiges verändert, seit wir, meine Freunde und ich, die Katastrophe über Japan abwenden konnten. Wenn ich mir die einzelnen Bausteine der Vergangenheit so zu recht legte, hätte uns jeder gesunde Arzt sicherlich in irgendeine Klinik einliefern lassen, hätten wir laut und in aller Öffentlichkeit darüber gesprochen und wären da nicht einschlägige Ereignisse gewesen, die die Existenz andere Welten bestätigten. Zwar war ich weniger ein Held, ich sah mich nicht als solcher, trotzdem traten Personen in meinen Alltag, zu denen ich mich schon bald sehr hingezogen fühlte und deren Nähe ich genoss, so oft es mir möglich war. Dass wir in unterschiedlichen Stadtvierteln wohnten, tat dem Ganzen kein Abbruch. Ich fühlte, wie die Wunden meines Herzens langsam heilten. Und ich passte meine Prioritäten diesem Gefühl an. Ja, meine erste Priorität waren meine Freunde. „Eure Tabelle wird euch bei der Lösung der Aufgabe eine große Hilfe sein. Damit wären wir für heute fertig“, beendete der Lehrer die Stunde, ehe ich realisierte, dass ich die zu lösende Aufgabe versäumt hatte mitzuschreiben. Blinzelnd, sah ich mich in dem durch Neonröhren erhellten Klassenzimmer um, um einen meiner Sitznachbarn anzusprechen, bevor er seine Utensilien in seine Schultasche packen konnte. „Darf ich?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, zog ich sein Heft zu mir heran und schrieb fahrig die Kürzel ab, die für ungeschulte Augen wie dumme Hieroglyphen aussehen mussten, für mich aber bereits mit einem Lidaufschlag einen ungefähren Sinn ergaben. „Hast du schon eine Ahnung, was herauskommen könnte?“ Die Stirn in sanfte Fältchen legend, schenkte ich dem etwas kräftigeren Jungen vor mir einen knappen Blick. Etwas in meinem Kopf begann zu arbeiten und ich konnte spüren, wie sich allmählich etwas Greifbares darin formte. Ich nickte zögerlich. „Ja, so in Etwa. Aber ich will dich nicht verunsichern. Ich bin mir selbst nicht wirklich sicher und muss mir das ganze erst in Ruhe zu Gemüte führen. Wir können unsere Ergebnisse ja dann am Montag miteinander vergleichen.“ Ich schloss unsere Hefte und gab ihm seines zurück, während ich meine Tasche fertig machte und mich erhob. Er wartete auf mich, sichtlich angetan davon, sich mit mir unterhalten zu können. In der Vergangenheit war ich ständig darauf bedacht, mit niemandem zu viele Worte zu wechseln. Das gab mir schnell das Bild des Einzelgängers, der seine Ruhe haben wollte – und dementsprechend aggressiv reagierte, wenn man ihn in dieser Hinsicht störte. Mittlerweile hat sich das einigermaßen gelegt und meine Klassenkameraden kamen nun öfters auf mich zu, um mich in Gespräche zu verwickeln. Und ich war dankbar darum, denn hatte ich zu keinem von ihnen eine wirklich enge Beziehung. Ich kannte sie kaum und irgendwie fand ich das schade. Das Individuum, das mir jetzt Gesellschaft leisten wollte, hieß Hiroki und machte seinem Namen alle Ehre. Für sein Alter war er nicht nur groß, sondern auch sehr stämmig. Ich wäre vorsichtig damit gewesen, ihn zu provozieren, wäre ihm in einem Kräftemessen haushoch unterlegen gewesen. Aber soweit ich ihn einschätzen konnte, würde Hiroki keiner Fliege etwas zu Leide tun, wenn es nicht notwendig gewesen wäre. Es war amüsant, dass es Menschen gab, die trotz ihres auffälligen Äußeren einen sympathischen und freundlichen Kern in sich trugen. Wir schlossen uns dem Strom der in Uniformen gekleideten Schüler an, die ihre Klassenzimmer verließen und ins Wochenende starteten. Für eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her, ehe mein Begleiter den Mut fasste, etwas zu sagen. Warum hatten manche immer noch solche Bedenken, mich anzusprechen? Der Hauch einer Depression erreichte mich, ich schob sie beiseite. „Und was hast du die nächsten Tage vor? Sollte eure Mannschaft morgen nicht gegen einen Auswärtsclub spielen?“ Fußball… natürlich. Die meisten interessierten sich in meiner Gegenwart nur für Sport. Was würde ich dieses Wochenende tun? Ich wusste es und konnte kaum verhindern, ein wenig bei dem Gedanken zu erröten. Ein schwaches Seufzen entrang sich meinen Lippen, die ich abrupt aufeinander presste. Ich sah zu dem Braunhaarigen auf. „Der Club hat abgesagt, drei Spieler sind verhindert und dem Trainer war es zu gefährlich, Ersatzspieler gegen uns zu schicken. Vor allem, weil es einen ihrer Stürmer betrifft.“ Eine Hand sank in meine Hosentasche und ich ließ mir mit meiner zweiten Aussage etwas Zeit. „Deshalb habe ich dieses Wochenende eigentlich freie Bahn. Und ich weiß nicht… vielleicht treffe ich mich mit meinen Freunden.“ Weder Hiroki, noch andere Klassenkameraden kannten die Leute, mit denen ich meine freie Zeit verbrachte. Das machte sie oftmals etwas stutzig, denn erweckte es wohl den Anschein, dass sie mir nicht gut genug waren. Der Grund war selbstverständlich ein anderer. Die Odaibas und mich verband die Tatsache, Auserwählte zu sein. Wir waren Kämpfer der Digitalen Welt - Digiritter. Nichts, was die Leute aus meiner Klasse verstehen würden. Der Stämmige gab sich mit meiner Antwort zufrieden und stockte jäh in seinem Schritt, was auch mich dazu veranlasste, stehen zu bleiben. Eine Gruppe Mädchen streifte unseren Weg und ich sah den plötzlich überraschten Augenaufschlag meines Begleiters. Mädchen waren an unserer Schule nichts seltenes, so konnte ich seine Reaktion im ersten Augenblick nicht nachvollziehen. Dann dämmerte es mir ein wenig. War dort eine unter ihnen, die er möglicherweise mochte? „Hast du eine Freundin, Ken?“ Überrascht und überrumpelt von der Direktheit des Anderen, hätte ich beinahe im nächsten Schritt meine eigenen Füße übersehen. Hitze stieg in meinem Körper empor und mein Hals begann spürbar zu kratzen. Dennoch entrang ich mir ein „Nein.“ Die steingrauen Augen Hirokis bohrten sich in meine Blauen, was mich unweigerlich ein wenig einschüchterte. Er nickte der Mädchenschar hinterher. „Kennst du Yukiko?“ Ich folgte seinem Blick und als er bemerkte, dass ich offensichtlich nicht wusste, wer Yukiko war, fügte er hinzu: „Das blonde Mädchen.“ Ich nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Nein, sie ist mir bisher nicht aufgefallen. Ahm… sollte ich?“ Der Hüne beugte sich drohend in meine Richtung und ich wich automatisch etwas zurück. Es war ihm sichtbar peinlich, weiter zu sprechen. Sein Kopf hatte die Farbe einer gut gereiften Tomate angenommen. Dann seufzte er, so als hätte er einen innerlichen Kampf gegen sich selbst verloren. „Weißt du, wie das ist, wenn du in etwas so Schönes verliebt bist und sie es einfach nicht bemerkt, dich nicht beachtet?“ Meine Miene versteinerte sich etwas, ich räusperte mich, antwortete aber nichts darauf. Ich wusste es sehr wohl, ich war in einer ähnlichen Situation, wie ich glaubte. Es war schwer, mit seinen Gefühlen zu recht zu kommen. Ich für meinen Teil ging ihr lieber aus dem Weg, weil ich der Ansicht war, mich in ihrer Gegenwart ständig wie ein Idiot aufzuführen. Und einen Narren hatte sie nicht verdient. „Sprich sie doch einfach mal an“, entkam es mir pauschal, dass ich mir ein Beispiel an mir selbst nehmen konnte. Warum war es nur so einfach, gute Ratschläge zu erteilen, aber so schwer, sich auch an sie zu halten? Hiroki schien diese Tatsache allerdings ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dann stimmte er mir langsam zu: „Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?“ Ich unterdrückte ein Seufzen. Ja, warum? Weil es das Einfachste schien, aber Selbstvertrauen und Mut voraussetzte. Zu meiner Überraschung verabschiedete sich der Braunhaarige dann plötzlich, ließ mich stehen und steuerte direkt auf die Gruppe von Mädchen zu. Mir war schon öfters aufgefallen, dass das weibliche Geschlecht generell in Paaren anzutreffen war. Ein Mädchen allein zu erwischen war äußerst schwierig, beinahe unmöglich. Mädchen teilten alles miteinander. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie jeden potenziellen Freund insgeheim auseinander nahmen, analysierten und dann zusammen entschieden, ob er es wert war, oder nicht. Mädchen waren demnach unberechenbar und gemein und das ließ mich daran zweifeln, ob ich jemals an mein erhofftes Ziel gelangen würde. Ich führte mich nicht auf, wie ein liebestoller Höhenflieger, wie es Daisuke gerne tat. Aber ich kam nicht umhin, ständig an Sie zu denken. Sie raubte mir allmählich den Verstand und das machte mich krank und in Gegenwart meiner Freunde verschlossen. Ich hatte die dumpfe Annahme, dass es einfacher war, die Welt zu retten, als ein weibliches Wesen danach zu fragen, ob es mit mir ausgehen wollte. Der Griff um meine Tasche versteifte sich und ich beobachtete Hiroki, wie er sich gegen das Kichern wappnete, das ihn erreichte. Sollte ich ihm zur Hilfe eilen? Nein. Da musste er ohne mich durch. Jeder war in dieser Situation auf sich allein gestellt. Sobald man sich einmischte, machte man es nur schlimmer. So wandte ich mich ab und suchte den Ausgang. Ich hatte schon immer ein Talent dafür, mich unsichtbar zu machen, wenn ich es wollte und jetzt kam mir das ganz gelegen. Der Regen raubte mir auf Anhieb die Sicht und in Kürze spürte ich die Nässe durch meine Schuluniform. Natürlich hatte ich nicht daran gedacht, mir einen Regenschirm mit zu nehmen. Amüsant, wie schnell man so Kleinigkeiten vergessen konnte. Das erinnerte mich an das Sprichwort mit den Elefanten, dass sie nie vergaßen. Musste man demnach ein Elefant sein, um bei einem Regenwetter wie heute an seinen Schirm zu denken? Ein schwaches Grinsen umschmeichelte meine Lippen. Offenbar ja. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)