Mad Girl and Sociopath's Meeting von MadameFleurie (Harley x Mr. J) ================================================================================ Prolog: They're bumping him off. -------------------------------- Der Joker und Harley Quinn. Er und ich. Ein Jahr lang waren wir das moderne Bonny und Clyde. Unzerstörbar. Unzertrennlich. Das GPD hatte keine Chance gegen uns. Dachte ich. Rücksitzbank eines Chevrolets. Jeffrey, einer der Handlanger meines Puddins, fährt. Er fährt schnell, halsbrecherisch. Dennoch bin ich nicht angeschnallt. Wir haben keinerlei Zeit zu verlieren. Nicht jetzt. Es war ein Coup. Nichts finanzielles, dennoch ein großes Ding, gut organisiert, wie schon so oft. Routine. Und trotzdem, trotz all der Energie, die wir investierten, trotz der Erfahrung, der Planung, trotz allem ging schief, was nur schiefgehen kann. Innerhalb weniger Minuten stand die Polizei vor der Tür. Innerhalb von verdammten drei Minuten. Mister J wusste natürlich, was wir tun mussten - er weiß es immer. Er meinte, wir hätten einen Maulwurf unter uns und erschoss mit seiner Thompson jeden, der neu zu uns gestoßen war. Jeffrey blieb übrig. Mike und ich. Diejenigen, die er kennt und von denen er weiß, dass er ihnen vertrauen kann. Dann suchten wir das Weite, und übersahen in der ganzen Hektik die Scharfschützen auf dem Dach. Dieses Mal war es dem GPD ernst. Dieses Mal wollten sie uns nicht wieder im Untergrund verlieren. Sie wollten uns, so oder schwer verletzt. So lange waren wir ihnen voraus, so lange hatten sie keine Chance, an uns heran zu kommen, dass sie nun bereit sind, Grenzen zu übertreten, vor denen sie eigentlich zurückschrecken. Wir erreichten den Fluchtwagen, wenn auch verletzt. Schwer verletzt. Seitdem sind zehn Minuten vergangen. Zehn schreckliche, furchtbar lange Minuten. Ich reiße mir die Harlekinkappe vom Kopf, die Maske von der Nase. Mein blondes Haar fällt mir über die Schultern, Tränen rinnen über meine Wangen und hinterlassen helle Spuren auf der weißen Schminke. Die Handschuhe folgen, die Rüschen. Mister J befindet sich neben mir, ich kann spüren, wie seine Augen auf mir ruhen, doch der starre Glanz seiner Pupillen verrät mir, dass er das Geschehen um sich herum nur noch verschwommen wahrnimmt. Er hat die rechte Hand auf seinen Hals gepresst, überall ist Blut. Sie haben ihn getroffen. Diese Schweine haben ihn tatsächlich getroffen. “Halt still, Puddin.” Ich beuge mich nach vorne, klettere über die Sitze und zwinge ihn, den Arm sinken zu lassen. Es ist so furchtbar einfach, ich stoße kaum auf Widerstand. Anschließend werfe ich einen Blick auf die Wunde, spüre, wie mir Angst und Adrenalin die Kehle zuschnüren. Von ihm ertönt ein leises Lachen. “Ganz die Ärztin, was, Pumpkinpie?” Ein erneuter Blutstrom kommt mir entgegen, verdeckt die Wunde. Mit der Hand wische ich es weg, registriere, dass ich gegen die aufkommenden Massen keine Chance habe und presse meine Handfläche auf den Streifschuss an seinem Hals. “Sie haben eine Arterie getroffen”, murmele ich und wische mir mit dem Ellenbogen über das Gesicht. Tränen. Unaufhaltsam schießen sie mir in die Augen und machen das Arbeiten unmöglich. Mike, der sich auf einem der Vordersitze befindet, dreht sich zu mir um. Er ist genau so bleich wie ich. Der Schreck steckt uns allen tief in den Knochen. “Was ist los?”, knurrt er, erstarrt jedoch augenblicklich, als er erkennt, worum es geht. “Sie haben eine Arterie getroffen”, würge ich hervor und werfe ihm einen flüchtigen Blick zu, ehe ich zurück zu Puddin drehe. Seine Stirn ist feucht, er bewegt sich kaum mehr. Hektisch schiebe ich seinen Hemdärmel nach oben, taste nach seinem Puls und finde ihn. Schnelle Schläge, kaum zu spüren. “Ich... er hat einen Schock, denke ich. Er verliert viel zu viel Blut.” Mike wirft mir einen Blick zu, der mir mitteilt, wie ratlos er ist. Das hier war präzise etwas, mit dem wir nicht gerechnet hatten, als wir diese Nummer angingen. Aber Mike und Jeffrey - was sollen sie groß machen? Sie sind Handlanger, nichts weiter. Sie gingen einfachen Berufen nach, bevor sie zu Mister J kamen, nichts besonderes. Ich war Ärztin. Ich verstehe was hier passiert. Und es nimmt mir jede Luft zum Atmen. “Mike, er verblutet uns. Er stirbt. Scheiße. Puddin, bitte!” Ich kann fühlen, wie Mister J nach meinem Unterarm greift, doch der Griff bleibt schwach. Kaum zu spüren, federnd. Ich schluchze. Gott, das kann alles nicht wahr sein. Nicht jetzt, nicht so. Ich greife nach seiner Hand, drücke sie und zucke unwillkürlich zusammen. Sie ist kalt. Eiskalt. Seine Stirn glänzt feucht, der Mund steht etwas offen. Vor nicht einmal fünf Minuten fragte er mich, was wir hier täten. Wie wir hierhin kämen. Wer die zwei Männer da vorne seien. Er verlor zusehends seinen Verstand, wenn er das nicht schon vor Jahren hatte, und ich saß neben ihm und konnte nichts ausrichten. Wieder wische ich mir die Tränen von den Wangen, beuge mich über ihn und blicke in ein Paar geschlossener Augen. Keine Spur mehr von Bewusstsein. Ich zucke zusammen, quetsche seine Hand und greife nach seinen Schultern. Schüttele ihn. “Puddin?”, flüstere ich, auf eine Reaktion hoffend, die nicht erfolgt. “Mister J?” Meine Fingerspitzen suchen erneut seinen Puls. Diesmal finden sie keinen. “Puddin!” ++++++++++++++++++ Prolog Ende. Ich schreibe nicht gerne Prologe... So viel Information in wenig Wörter packen, und das ganze auch noch so arrangieren, dass sich das Lesen lohnt. Nun - wenn ihr das hier lest, habt ihr es wohl ausgehalten. Ein gutes Zeichen. Hat es gefallen? Wenn ja - ich freue mich jederzeit über Comments. Wenn nein - dann auch. Meine Wenigkeit wünscht einen schönen Resttag - und erhofft ein baldiges Wiedersehen ;] Meine Karte, - J. PS: Für alle, die's nicht wussten - schließt mich bis vor zehn Minuten ebenfalls mit ein - der Titel des Kapitels lautet "Sie bringen ihn um die Ecke". Sehr... naheliegend. Kapitel 1: Arkham ----------------- Mein Name ist Harleen Quinzel. Ich bin Ärztin. Fachrichtung Psychiatrie. Es ist nicht leicht, sein Fachgebiet zu finden. In der Regel wälzt man, mehr oder weniger zerrissen zwischen dem einen Thema und einem anderen, Bücher, schlägt Informationen nach, die einem ohnehin schon grob bekannt sind und entscheidet sich, mehr oder weniger nach Zufallsprinzip, in welche Richtung es einen in Zukunft verschlägt. Bei mir war das anders. Private Ereignisse und daraus resultierende Erkenntnisse, auf die ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen werde, nahmen mir die Entscheidung weitestgehend ab. Jetzt bin ich hier. Arkham Asylum, Residenz der wirklich Irren, jener, die es vorgeben zu sein und denen, die versuchen, Ordnung in diesen Eimer voll wirrer Gedanken zu bringen. Eigentümer ist Jeremia Arkham, ein, wie es mir scheint, recht verwunderlicher Arzt mittleren Alters, der zeitweise nicht zu wissen scheint, ob er sich in diese Abgründe verlieren oder bei Verstand bleiben soll. Bei meinem Einstellungsgespräch hat er sich beinahe überschlagen, als er meine Noten sah, und jetzt - nun ja - jetzt gehöre ich zum Team der behandelnden Ärzte. Also, genau genommen, noch nicht so richtig. Heute ist mein erster Tag. Und so kommt es, dass ich morgens um zehn mit wackeligen Knien an der Rezeption stehe, rüde von einer etwas beleibteren Angestellten angewiesen werde, doch zu warten, bis Dr. Swimmer sich meiner annimmt und mich in den Ablauf dieser Klinik einweist. Ich nicke, bedanke mich mit einer Stimme, die leiser klingt, als eigentlich beabsichtigt und sinke, nach wie vor nervös, in einen der gepolsterten Klinikstühle, wie man sie in Wartezimmern jeder Art vorfindet. Es ist relativ ruhig hier, Popmusik in mäßiger Lautstärke dringt aus einem kleinen Radio, welches sich auf der Rezeptionstheke befindet. Wahrscheinlich soll es Angehörige, die das zweifelhafte Vergnügen haben, einen ihrer nächsten Verwandten an diesem Ort besuchen zu dürfen, beruhigen, aber ich persönlich zweifele an der Wirksamkeit dieser Methode. Schweigend sehe ich an mir herunter. Absatzschuhe, Seidenstrümpfe, Laufmasche. Mein Herz sinkt mir buchstäblich in den Magen, während ich verzweifelt versuche, das Loch mit meinem Rock zu verdecken. Der Erfolg ist mäßig. Meine Hand gleitet zu dem Dutt hoch, den ich mir heute morgen gemacht habe, und vergewissert sich der aktuellen Lage. Harleen Quinzel. Arkham, keinerlei Wind, die Frisur sitzt. Erleichtert atme ich auf - es gibt nichts schlimmeres an einem ersten Tag als ein falscher Eindruck - und rücke mir die Brille, die ich eigentlich nicht brauche, jedoch benutze, um meinem Aussehen etwas mehr autoritäres zu geben, zurecht. Ein paar Meter neben mir sitzt eine recht junge Frau. Sie ist blond, hat die Haare zu einem Zopf gebunden, scheint jedoch nicht zu merken, dass diverse Strähnen kreuz und quer heraus stehen. Sie macht einen müden Eindruck, ist mager, die Kleidung ist abgetragen und verschlissen. Ein sehr blasses, vielleicht zwei Jahre altes Kind sitzt auf ihrem Schoß, hat den Daumen im Mund und schaut mich mit großen, fragenden Augen an. Ich weiß nicht, zu wem sie gehören, jedoch ist die Absicht ihres Aufenthaltes hier, mehr als offensichtlich. Vielleicht ist ihr Mann hier, vielleicht ist das Kind sogar von ihm. Vielleicht besucht sie ihre Schwester. Es wird keine Freundin sein, die sie hierher treibt. Patienten in Arkham haben keine Freunde mehr. Außer ihrem Wahn haben sie in der Regel gar nichts mehr. Eine der Glastüren, welche die Lobby mit dem Rest der Psychiatrieflure verbinden, wird aufgeschoben und eine farbige Ärztin mittleren Alters betritt den Raum. Sie ist wohl ein paar Zentimeter größer als ich, die Haare reichen ihr nicht einmal bis zur Schulter. Sie trägt einen weißen Kittel und hat eine Akte unter dem Arm, und auch, wenn sie sich ein wenig verunsichert umsieht, als würde sie jemanden suchen, so strahlt ihre Erscheinung etwas sehr autoritäres aus. Mit dieser Frau ist nicht zu spaßen. Als sie mich sieht, kommt sie auf mich zu. “Entschuldigung, kann ich Ihnen helfen?” Unwillkürlich muss ich lächeln, klingt ihre Stimme doch um einiges weicher, als ich zuerst annahm. Ich nicke, stehe auf und streiche mir mit dem Zeigefinger eine blonde Strähne, die sich aus der Frisur löste, hinter das Ohr. “Harleen Quinzel. Ich arbeite ab heute hier. Man sagte mir, ich solle auf einen Dr. Simmer warten.” “Der bin ich”, antwortet sie und reicht mir die Hand. Ich ergreife sie, ein wenig überrascht, da ich dem Namen nach mit einem Mann gerechnet hatte, und schüttele sie schweigend. Ein verschmitztes Lachen. “Oh nein, bitte entschuldigen Sie. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie-“ “Das ich ein Mann bin?” “Ja.” “Das tun die meisten. Kommen Sie mit mir.” Sie deutet auf die Tür hinter sich, dreht sich auf dem Absatz um marschiert los. “An diesem Ort erwarten die meisten Menschen kein weibliches Personal. Scheint ihnen wohl zu gefährlich für eine Frau. Wie dem auch sei, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ihnen das gleiche zum ersten Mal passiert. Dann verfällt sie in Schweigen, passiert mit mir eine Tür, auf der in großen, schwarzen Lettern ‘Staff Only’ notiert ist und vergräbt sich, kaum hat sie diese hinter sich geschlossen, in einen großen Stapel schwarzer Kartons am Ende des Raumes. “Was für eine Kleidergröße haben Sie?”, fragt sie, ohne mich anzusehen. Ich nenne sie ihr, und ein wenig später kommt sie mit einem sogar noch eingeschweißten, weißen Kittel auf mich zu. “Für Sie. Probieren Sie ihn an.” Ich nicke schwach, öffne die Verpackung, während ich aus den Augenwinkeln registriere, dass sich Dr. Simmer an einem kleinen Safe zu schaffen macht. Es dauert eine gute Minute, bis ich das Klicken der sich öffnenden Safetür vernehmen kann, dann folgt ein leises Rascheln. Dann, gerade als ich an mir, im Kittel, herunterblicke und feststelle, dass er passt, als sei er für mich gemacht, fällt mein Blick auf eine kleine Plastikkarte in Dr. Simmers Hand. Ein Strichcode ist darauf abgebildet, mein Foto. In stiller Faszination nehme ich ihr den Ausweis ab, bemerke, dass neben meinem Namen auch mein Geburtstag und Beruf angegeben sind, und befestige ihn am Kittel. So weit, so gut. Anschließend folgt die obligatorische Einführung in die Organisation eines Klinikalltages in Arkham. Sie führt mich durch Empfang, Aufenthaltsräume des Personals, Ambulanz, die offene Station, zeigt mir den Ort, an dem die Medikamente gelagert werden und diverse Einzelzellen für eventuelle Notfallpatienten. Das alles geht in einem unheimlich rasenden Tempo von sich, und während ich versuche, mit ihr schritt zu halten, und all die Instruktionen, die sie währenddessen von einem unsichtbaren Tonband, welches sich offensichtlich in ihrem Hirn befinden muss, abspult, in mich aufzunehmen, löchert sie mich mit Fragen jeder Art. Warum ich mich mit meinen Noten ausgerechnet hier beworben habe, fragt sie. Ob es irgendwelchen tiefgreifenden persönlichen Gründe habe, dass ich diesen Beruf ergriffen habe. Ob ich aus Gotham sei, und, ganz wichtig, mir der permanenten Gefahr, die von dieser Institution ausgeht, bewusst. Ich nicke, antworte höflich, lächelnd, und hoffe innigst, dass wir dieses Kapitel möglichst schnell hinter uns bringen. Dann, ehe ich mich versehe, bleibt Dr. Simmer vor einer großen, durch technische Einheiten und Security gesicherten Stahltür stehen. Ein kleines Schild an der Wand verrät, was sich hinter all diesem Aufwand verbirgt. “locked ward - admission for privileged staff only” Die geschlossene Abteilung. Mein Herz macht einen Hüpfer und schlägt anschließend mit doppelter Geschwindigkeit weiter. Hier befinden sich jene, die nicht in das Raster einer regulären Sicherheitsverwahrung passen. Notorische Straftäter mit schizophrenem Hirn, paranoide Brandstifter, Serientäter, Soziopathen, Psychopathen. Menschen, deren Lebensführung so sehr von unserer Abweicht, dass wir sie als ‘krank’ und ‘unzurechnungsfähig’ einstufen. Sicherlich wäre anhand ihrer Lebensmodelle kein Leben in einer geregelten Gesellschaft möglich. Dennoch glaube ich, dass wir, die wir normal sind, uns einige ihrer Verhaltensweisen durchaus zunutze machen könnten. Es kommt immer darauf an, von welcher Seite man den Würfel betrachtet. “Dr. Arkham teilte mir mit, dass unsere geschlossene ein sehr ausschlaggebender Grund für Ihre Bewerbung bei uns war?” Dr. Simmerss wirft mir einen Blick zu, der verrät, dass sie genau diese Station hier mehr als notwendiges Übel betrachtet. “Solche extremen Persönlichkeiten sind tiefer. Ich denke, gerade diese Persönlichkeiten hier sind eine Fundgrube für jeden Forscher.” Ich lache kurz und meine, für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln auf Dr. Simmerss Lippen zu sehen. Sie geht jedoch nicht weiter auf meine Äußerung ein, sondern deutet mir, ihr zur Wand zu folgen. Schweigend komme ich dieser stillen Aufforderung nach. An der Wand befindet sich ein kleiner Kasten, der jenen Alarmanlagen ähnelt, die man in nahezu jeden amerikanischen Haushalt antreffen kann. “Ohne Code kein Zutritt”, murmelt Simmerss. “Außerdem erhält die Security eine Benachrichtigung. Seien Sie also so gut und verbummeln Sie ihn nicht.” Sie tippt, ich schaue zu, notiere mir die Ziffern gedanklich. Welch ein Aufwand betrieben wurde, um diese Menschen endgültig von der Außenwelt abzuschnüren. Es jagt mir einen Schauer über den Rücken, denke ich daran, in der gleichen Situation zu sein. Allein, unverstanden, ignoriert. Ich habe Glück, dass mir so etwas niemals geschehen wird. Ich bin auf der anderen Seite des Wahnsinns. Mit einem lauten Ächzen öffnet sich die Tür. Drinnen das gleiche Szenario. Wachmänner, Kameras. Überall. Staunend folge ich Simmerss durch den Eingang, dann fällt die Tür hinter uns zurück ins Schloss. Ein metallisches Surren verkündet, dass wir nun mit Personen eingeschlossen sind, die man seinem schlimmsten Feind nicht wünschen würde. “Lassen Sie sich nicht in Gespräche verwickeln, die Sie nicht angefangen haben.” Simmerss, nach wie vor neben mir hergehend, wirft einen Blick in die Akte, welche sie schon die ganze Zeit mir sich herumschleppt. Ich kann nicht sehen, was darin steht, aber sie ist ungewöhnlich dick. “Diese Menschen hier verspeisen Frischfleisch wie Sie zum Frühstück.” Frischfleisch wie mich, pah! Mein Blick verdunkelt sich für einen Moment, ein schweres Gefühl macht sich in meinem Brustkorb breit - und verschwindet wieder. Statt dessen Lächele ich. “Natürlich. Ich werde Acht geben.” Etwas langsamer gehen wir den Gang entlang. Wände, mit Backstein verstärkt, eingeteilt in Zellen von gut drei mal drei Metern Größe. Es gibt keine Gitterstäbe, welche die Patienten von der Außenwelt trennen, statt dessen ist die Front komplett mit Glas ausgekleidet. Dahinter befinden sich Menschen jeden Alters, Geschlechts, Hautfarbe. Alle tragen sie einen grauen Krankenhauspyjama mit Gummizügen und kurzen Armen. Ich räuspere mich, bleibe dicht hinter Simmerss. Es ist die Luft, die, eingeschleust durch diverse Lüftungssysteme, jede Feuchtigkeit verloren hat und die Kehle austrocknet. Dennoch ist es stickig, der modrige Mief eines alten Hauses vermischt mit dem charakteristischen Geruch eines durch Desinfektionsmittel verseuchten Krankenhauses. Der ganze Ort macht, trotz des hochtechnologischen Aufbaus, dem er unterliegt, einen trostlosen Eindruck. Da ist diese Frau rechts von mir, die direkt vor ihrer Glasscheibe sitzt und einen Rosenkranz in der Hand hält. Ich kenne sie aus Fachzeitschriften, es ist Martha Stone, eine christliche Fundamentalistin, die sich vom Teufel besessen glaubte und diverse Kirchen anzündete. So weit mag zwar gegen brennendes Holz nichts einzuwenden sein, jedoch sieht die Sache ein wenig anders aus, wenn sich währenddessen ein Gottesdienst innerhalb abspielt. Nach sechsunddreißig Brandopfern, die ihretwegen in einem Zeitraum von zehn Jahren zu beklagen waren, landete sie dann hier. Und wird hier wohl vorerst auch bleiben. Ich starre sie an, während ich an ihr vorbeigehe. Als sie jedoch ihren Kopf hebt und zurück starrt, gleitet mein Blick zurück zu Simmers, die wieder in der Akte blättert. “Wir erhielten heute einen Neuzugang”, murmelt sie, als sie meinen recht neugierigen Blick bemerkt. “Ist ein Stammgast hier, er dürfte Ihnen bekannt sein. Falls Sie wirklich eine Fundgrube für neue psychiatrische Erkenntnisse suchen, versuchen Sie sich hier. Obwohl’s mich wundern würde, wenn Sie zu ihm durchdrängen - Sie wären die erste. Das restliche Kollegium hat sich hier schon die Zähne ausgebissen.” Meine Augenbrauen schießen nach oben. Nun, mir war stets bewusst, dass es hier den ein oder anderen sehr, wirklich sehr schweren Fall gibt, doch dass einer so geistesgegenwärtig war, sämtliche Ärzte hier an der Nase herum zu führen? Ein schwaches Schmunzeln, erfüllt von Genugtuung erscheint auf meinen Lippen, während ich Dr. Simmers zum Ende des Raumes folge. Die frage, wer sich in dieser Zelle aufhalten wird, hat sich unbarmherzig in meinen Kopf gebohrt und lässt nun nicht mehr von mir ab. Wieder schießt Adrenalin in meinen Blutkreislauf, wieder werden meine Knie butterweich. Darf ich wagen, zu hoffen, dass der Mensch, der mich dazu brachte, Psychiaterin zu werden, direkt vor mir steht? Derjenige, der lange Jahre vor mir verstand, dass Chaos die einzig wirksame Form des Seins ist? Der Mensch kann nichts planen, dass ist etwas, was mir vor Jahren auf äußerst schmerzhafte Art und Weise bewusst geworden ist. Langsam betrete ich die Fläche hinter der Glasscheibe, die mich von all den ausgestoßenen um mich herum abgrenzt und werfe einen nahezu schüchternen Blick in die Zelle. Wirkt sie auf den ersten Blick leer, so fällt mir auf den zweiten ein hagerer, sehr großer Mann auf, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnt. Er ist sehr blass, sein Haar mehrmals gebleicht und anschließend grün getönt. Als er mich bemerkt, wie ich, mit offenem Mund, vor der Glasscheibe stehe, und nicht fassen kann, was gerade um mich herum geschieht, lächelt er mich an. Und zwinkert. Mein Herz setzt aus. Joker. ---------- Das wars. Für dieses Kapitel. Harley Quinn scheint es ja fast von den Socken gehauen zu haben ;] Ich hoffe.... es hat einigermaßen gefallen und man hört von euch :> -J. Kapitel 2: Das Mädchen und der Tod ---------------------------------- Es gibt keine Fenster in Arkham. Nicht für Menschen wie mich. Sie wollen nicht, dass man weiß, sie spät es ist. Ob Tag oder Nacht. Ob es regnet oder schneit. So, wie sie einen vergessen wollen, verlangen sie, dass wir vergessen, wie sich die Realität zusammen fügt. Dass wir vergessen, dass es ein Leben außerhalb dieser dicken Mauern gibt. Die einzigen, hier verfügbaren, ganz und gar nicht fensterähnlichen Glasscheiben erfüllen lediglich einen spezifischen Zweck: Sie halten uns von der Gesellschaft fern. Von einer Gesellschaft, die uns als Bedrohung empfindet, weil unser Handeln und Menschenbild von dem der Norm abweicht. Sie haben Angst vor uns. Und das vollkommen zurecht. Nun begab es sich, aufgrund einiger, unglücklicher Fügungen und der tatkräftigen Hilfe eines Mannes, der sich nur dann wirklich in seiner Haut wohl fühlt, wenn sie aus Latex und einer Fledermaus ähnlich ist, dass ich, nach einiger Zeit der Abstinenz, meinem unfreiwillig gewählten Zweitwohnsitz einen erneuten Besuch abstattete. Sie behielten mich einige Tage in einer Sammelzelle des Gotham City Police Departments, zerrten mich dann vor einen der Haftrichter und brachten mich, wie schon so oft, heute morgen zurück nach Arkham. Natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich hier wieder weg bin. Deswegen der innere Aufruhr, den dieser Aufenthalt in mir verursacht, nur von geringfügiger Natur. Ich befand mich ein paar Stunden in meiner Zelle, als ich eine vertraute Stimme auf dem Flur vernahm. Dr. Simmers, eine, für ihren Kaliber wohl recht kompetente Ärztin. Sie ist aufdringlich, neugierig und hört nicht auf zu bohren, bis sie die gewünschte Antwort erhalten hat. Der perfekte Psychiater. Hat sich auch einige Zeit lang an mir versucht, bis sie einsehen musste, dass man einen Patienten nicht therapieren kann, wenn er keinerlei Interesse an einer Therapie hat und der festen Überzeugung ist, geistig gesund zu sein. Weitestgehend. Ich bin nicht verrückt. Nein, bin ich nicht. Schweigend verschränke ich die Arme vor der Brust, warte, stehend an die Wand gelehnt, darauf, dass Simmers sich endlich vor meiner Zelle aufbaut. Sie hat die Angewohnheit, meine Einweisung, sollte sie mal wieder anstehen, zu überwachen wie ein frustrierter kleiner Pinscher. Offensichtlich versucht sie damit ihr Scheitern an mir zu kompensieren. Für gewöhnlich taucht sie an meinem ersten Tag hier auf, überprüft, ob sich alles mit rechten Dingen zugetragen hat, und geht dann, wie sonst auch, ihres Weges. Eine schlichte Geste, die mir recht gleich ist, ihr aber viel zu bedeuten scheint. Die Schritte auf dem Gang werden lauter. Simmers redet ununterbrochen mit jemanden, der leise, recht kurze Antworten zu geben scheint. Ich hebe die Augenbrauen und spitze die Ohren. Diese Stimme kenne ich noch nicht. Sie ist weiblich, klingt unsicher. Offensichtlich scheint sie jemandem zu gehören, der sich noch nicht oft hier aufgehalten hat und nun von den Eindrücken, die über ihm zusammenbrechen, schier erschlagen wird. Sie wäre nicht die erste, der es so ergehen würde. Arkham ist doch ein recht eigener Ort, an dem eigene Spielregeln gelten. Wer diese nicht versteht, oder sich gar in den Kopf setzt, diese nicht zu befolgen, der findet sich recht schnell auf der anderen Seite der Tür wieder. Auf der Seite ohne Knauf. Simmers spaziert, mit der Spur Selbstgefälligkeit, die ihr seit jeher innewohnt, unbeeindruckt von all dem, was sich um sie herum abspielt, vor die Glasscheibe, die mich hält, wo ich bin. Sie trägt, wohl, um einen Kontrast zu ihrer dunklen Hautfarbe zu bilden, sehr helle Kleidung, was sie, in meinen Augen, eher wie eine Immobilienmaklerin, denn als eine Psychiaterin erscheinen lässt. Sie blättert in einem beigen Ordner von ungewöhnlicher Dicke herum - wird wohl meiner sein - dreht sich dann um und erzählt jemandem etwas, den ich von hier aus nicht sehen kann. Es erfolgt keine Antwort, wenige Sekunden später dann jedoch, betritt eine junge, zierliche Frau das Bild. Sie ist blutjung, wohl frisch von der Universität. Oder von ihrer Prüfung zum Facharzt. Blondes Haar, zum Knoten gebunden, blaue Augen, Bluse, Kittel, zu kurzer Rock, zu hohe Schuhe. Offensichtlich hat sie noch keine Erfahrung mit aufdringlichen und zum grabschen neigenden Patienten. Nicht jeder hier hat sich unter Kontrolle. Sie sieht gut aus, macht jedoch gleichzeitig einen stark manipulierbaren Eindruck, wie er jenen anhaftet, die noch nicht lange im Job sind. Natürlich versucht sie dies zu verstecken, hinter dieser großen, scheußlichen Brille, die wahrscheinlich mehr Zierde als Notwendigkeit ist, hinter ihrem distanzierten Blick und der etwas zu hoch getragenen Nase. Der klägliche Versuch eines Neulings, die Grenze zwischen Arzt und Patienten zu manifestieren. Meiner Meinung nach ist dieser Versuch von Grund auf zum Scheitern verurteilt. Aber mich fragt ja keiner. Wieder redet Simmers auf ihren Schützling ein, zeigt dabei ein oder zwei Mal mit dem Finger auf mich. Sie redet sehr leise, deswegen kann ich sie nicht verstehen, deutet dann auf Ordner und die Security, welche ein Büro am Ende des Ganges hat und entfernt sich aus dem Bild. Höchstwahrscheinlich gibt es noch einige Formalitäten bezüglich meiner Ankunft an diesem so negativ behafteten Ort zu erledigen, die Simmers davon abhält, der jungen Frau an ihrer Seite weiterhin die Hand zu halten. Diese hat derweil registriert, dass sich jemand in der Zelle befindet, blickt zu mir herüber und mustert mich auf eine unbeholfene Art und Weise, wie sie mir zeitlebens noch nicht untergekommen ist. Es treibt mir ein breites Schmunzeln auf die Lippen, wie sie dort steht, neu und frisch in Arkham eingetroffen, allein gelassen vom Mentor mit dem allseits bekannten Joker. Ich nicke ihr zu, zwinkere. Sie scheint endlich zu erkennen, wen sie vor sich hat, denn ihre Augen werden groß und glasig, ihr Mund öffnet sich vor Überraschung um wenige Zentimeter. Als könnte sie nicht glauben, wen sie vor sich hat, gleitet ihre Hand hoch zu ihrem Hals. Dann erstarrt sie, wie ein Reh, dass fasziniert in das Licht eines Busses starrt, der geradewegs auf es zufährt. Als meine Augen ihren Blick treffen, bricht er weg, ein schwacher, rosa Schimmer erscheint auf ihren Wangen, hält sich jedoch nicht lang. Als sie sich wieder gefasst hat, hebt sie den Kopf und sieht mich an. Schweigend. Ohne sich zu bewegen, aber nicht so verkrampft wie vorher. Das Schmunzeln verschwindet augenblicklich aus meinem Gesicht, die Augenbrauen schnellen in die Höhe. So ein ungewöhnliches Verhalten ist mir zeitlebens noch nicht untergekommen. Ich kenne Therapeuten, weiß, wie sie gestrickt sind - in den meisten Fällen recht einfach. Ich kenne ihre Blicke, wenn sie mich zum ersten Mal sehen, abschätzen, wie man die angebliche Schale, die mich umgibt, am besten knackt, um den so ‘kranken’ Kern zu erreichen und analysieren zu können. Interesse an meiner so genannten ‘Heilung’ hat meines Erachtens ohnehin keiner. Und dementsprechend betrachten sie mich auch. Es ist eine recht eigene Art des Abscheus, der sich in ihren Blicken manifestiert, ein Abscheu, der mir sagt, dass ich für sie nicht mehr als ein Tier bin, dass man eingehend studiert und anschließend nicht weiter beachtet. Eine Art von kalter Wut, die ich in den Augen jener gesehen habe, deren Freunde und Verwandten durch mein Messer das zeitliche segneten. Eine Art, die versucht, mir das Menschsein abzusprechen. Natürlich schaffen sie es nicht. Und ich schmunzele nur zur gerne über ihren kläglichen Versuch. Aber diese Frau - ich finde nichts von dem in ihrem Blick. Wie sie dort steht, losgelöst, beinahe nachdenklich. Sie wirkt nicht wie jemand, der hier arbeitet. Sie wirkt ganz und gar nicht wie ein Therapeut, so, wie sie mich ansieht, wirkt sie mehr wie jemand, der längst auf meiner Seite steht. Schweigend löse ich mich von der Wand, lasse die Arme sinken und bleibe, nachdem ich den Raum durchquert habe, vor dem Panzerglas stehen. Ich kann sehen, wie die Scheibe durch meinen Atem beschlägt, schenke dem jedoch keine weitere Beachtung. “Komm her”, murmele ich und kann anhand ihres Gesichtes sehen, dass der elektronische Transmitter, der eine Kommunikation zwischen diesen zwei abgeriegelten Räumen erst ermöglicht, tadellos funktioniert. Wieder ziert ein breites Schmunzeln mein Gesicht, ich kann die Augen nicht von ihr nehmen. Eine doch recht unerwartete Gegebenheit in Arkham, das alles hier, und sie macht mir Spaß. Dennoch rührt sie sich nicht vom Fleck. Ich wiederhole meine ‘Bitte’ und kann sehen, wie ihre anfängliche Unsicherheit, der schwache Widerstand, den ihre Wachsamkeit ihr einflößte, zerbricht. Sie wirft Simmers, die sich längst mit der Security am anderen Ende des Ganges unterhält, einen kurzen Blick zu, dann löst sie sich endlich aus ihrer Starre, kommt erst langsam, dann etwas schneller auf mich zu und bleibt dicht vor mir stehen. Ich kann sehen, dass sich eine ihrer blonden Haarsträhnen aus ihrer Frisur gelöst hat und anschließend hinter ihr Ohr geschoben wurde. Ich kann auch sehen, dass sie einen recht blassen Lippenstift trägt, aber keinen Lidschatten hinter ihrer großen Brille. Ihre blauen Augen ruhen auf mir. Sie scheint ganz offensichtlich auf eine Reaktion von mir zu warten. “So, Frischfleisch in Arkham?” Ein breites Grinsen erscheint auf meinen Lippen, entblößt meine Zähne und muss die Narben, die seit Jahren mein Gesicht verzerren, noch größer erscheinen lassen. Ihr Gesicht zeigt keine Reaktion, nur ihr Blick kühlt ab. Sie verschränkt die Arme, schaut kurz zu Boden. “Kann gut sein.” Sie spricht laut, klar. Aber ihre Stimme zittert, ein wenig. Sie ist unsicher, aufgeregt. Ich mustere sie von oben bis unten, überfliege das Namensschild, das sie an der Brusttasche ihres Kittels befestigt hat. Es ist das Ticket zu den wirklich harten Fällen. “Harleen Quinzel, wäre Harley Quinn nicht viel passender?”, murmele ich und breche unweigerlich ein schallendes Gelächter aus. Ein Gelächter, dass einem die Luft zum Atmen nimmt, einen schüttelt, Tränen in die Augen treibt und die Muskulatur verkrampfen lässt. Auch, wenn ich sie nicht sehen kann, da meine Augen in diesem Anflug reiner Extase geschlossen bleiben, so weiß ich doch, dass ihr Blick weiterhin auf meinen Schultern ruht. Langsam beruhige ich mich, nach Luft schnappend lehne ich mich gegen die Plexiglasscheibe, mustere, als ich meine Augen letztendlich wieder öffne, Harleen Quinzels Gesicht. Jede Pore wird wahrgenommen, abgespeichert. Die Tatsache, dass sie sich anders verhält, als der triviale Therapeut es tun würde, macht sie für mich nahezu faszinierend. Doch ihre Miene bleibt hart. Die Pointe scheint sie in jeder Hinsicht verfehlt zu haben. Mein Schmunzeln verpufft, die Belustigung verwandelt sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in kalte Wut. Auf absolute Selbstbeherrschung konzentriert, atme ich tief ein, registriere, wie ihre Augen angesichts dieser doch recht schnell von statten gehenden Verwandlung meiner Person, beunruhigte Überraschung ausstrahlen, und lecke mir, nachdem ich mich leise geräuspert habe, mit der Zungenspitze über die Unterlippe. “Sie hören das wohl nicht zum ersten Mal?”, frage ich und bemerke, dass meine Stimme kälter und schneidender klingt, als es zu Ursprung beabsichtigt war. Harleen schiebt sich die Brille hoch, verschränkt dann jedoch die Arme. “Aus Ihrem Mund zum ersten Mal. Ansonsten - das in dem Namen verborgene Potenzial ist doch recht offensichtlich, oder?” Sie gibt sich so unnahbar, und doch - ein schwaches Schmunzeln blitzt durch ihre Augen zu mir herüber. War sie eben noch nervös und unsicher, so scheint sie sich endlich zu fangen. Ein leises Lachen entweicht meiner Lunge. Flirtet sie etwa mit mir? Nein. Ausgeschlossen. So lächerlich leichtsinnig kann kein Mensch auf dieser Erde sein. Definitiv nicht. Wie sie verschränke nun auch ich die Arme vor der Brust, lehne mich seitlich gegen die Scheibe. Ich kann die Kälte spüren, die , unterhalb des grauen Pyjamaärmels, in meine nahezu weiße Haut schneidet. Kälte, die sich unweigerlich in mir verliert. “Sie nehmen sich recht viel heraus, dafür, dass ich Sie hier heute zum ersten Mal sehe, Harley Quinn”, murmele ich, sie nicht aus den Augen lassend. “Versuchen Sie damit, Ihre Unsicherheit in Arkham zu kompensieren, oder ist dies Ihre generelle Art und Weise, mit Menschen umzugehen?” Ihre Lippen verziehen sich zu einem schmalen Strich, das Rot verschwindet aus den Wangen. Krampfhaft presst sie das Klemmbrett, auf dem sie sich scheinbar einige Notizen gemacht hat, gegen ihre Brust. Ich lache. “Schauen Sie nicht so düster, Harley Quinn, anfänglich hat wohl jeder Mensch mit sich selbst zu kämpfen. Das Wissen, allein in einer vollkommen fremden Umgebung zu sein, setzt den meisten zu.” Sie lächelt schwach. Das Rot kehrt zurück. “Ihnen auch, Mister J?” Belustigt ziehe ich die Augenbrauen nach oben. Werfe ihr einen Blick zu, der deutlich macht, dass sie mit dieser Bemerkung gerade gescheitert ist, und lasse mich zu einer Antwort herab "Sie sind zu direkt. Sie können von einem Patienten, mit dem Sie zum ersten Mal reden, nicht gleich ein Gespräch erwarten, dass Aufschluss über seine 'tiefsten, seelischen Zustände' - oder wie auch immer Sie das nennen mögen - gibt." Ich verschränke die Arme, lehne mich, mehr oder minder betont lässig, gegen die Betonwand. Spannung liegt in der Luft, wie es meistens der Fall ist, hält man sich in Arkham auf, in der Regel durch und durch negativ, von inneren Konflikten und der niedergedrückten Grundstimmung der hier arbeitenden Ärzte geprägt. Dieses starke Interesse, welches von Harley Quinn auszugehen scheint, lockert diese Stimmung auf eine morbide, unwahrscheinlich surreale Art und Weise. Meine Äußerung scheint sie aus der Fassung gebacht zu haben, während ihr Blick unruhig durch die Hallen Arkhams huscht, wird ihr Gesicht steif. Niemals zuvor ist mir ein Therapeut untergekommen, der so leicht zu durchschauen ist. Von plötzlicher Belustigung ergriffen breche ich in lautes Lachen aus. Harley verschränkt die Arme und starrt mich an. "Bislang ist kein Meister vom Himmel gefallen", erwiedert sie und ihre Augen starren mich durch ihre zu große Brille an, als seien sie aus Eis. Ein schwaches Schmunzeln verweilt auf meinen Lippen, dann kehrt Schweigen ein. Wie das so ist bei ersten Begegnungen kehrt nach einigen wenigen Minuten bereits ein Zustand ein, in dem keiner der beiden Beteiligten sicher weiß, wie er sich weiter zu verhalten hat. Erste Gemeinamkeiten wurden ausgetauscht, man hat sich oberflächlich beschnuppert, ein Mörder weiß nun, ob das Opfer lohnenswert ist, oder ob er besser weiterzieht. Dann braucht der Mensch einiges an Zeit für sich. Dort reflektiert er voran gegangenes, und kommt er zu einem positiven Resumée, entwickelt sich gegebenenfalls eine Bindung von kurzer oder langer Dauer. Ich persönlich habe so etwas immer mit Skepsis betrachtet. Es erscheint mir paradox, warum Menschen sich verletzlich machen, obwohl sie allein eine bessere Chance haben, durchs Leben zu gehen. Ich vermisse keine menschliche Nähe, sehe keinerlei Abnormalität darin, auch, wenn der sogenannte "Durchschnittsmensch" der Wissenschaft erfolgreich vermittelt hat, dass solch Wahrnehmungen pathologisch sind und somit behandelt gehören. Am Ende des Ganges ruft jemand Harleys Namen, doch sie reagiert nicht. Ich hebe den Kopf und blicke hinüber, auch, wenn ich außer der gegenüberliegenden Zelle nicht sonderlich viel erkennen kann. Erneut schallt Harleys Name durch die steril wirkende Halle. Keine Reaktion. Schweigend streckt sie den rechten Arm aus, bis ihre Fingerspitzen die Glasscheibe, die uns beide trennt und somit höchstwahrscheinlich ihr winziges, unwichtiges Leben rettet, berühren. Um der warmen Haut herum beschlägt das Glas. Zum Teufel. So naiv kann einfach kein Mensch sein. Sie hält mich zum Narren, ein Trick von Jeremiah Arkham, selbst seit Jahren zu feige, sich jenseits meiner Einlieferung an meiner Zelle zu zeigen. Ich presse die Arme, welche verschränkt vor meiner Brust ruhen, enger an meinen Körper und räuspere mich laut und deutlich. Augenblicklich huscht ihre Hand zurück unter den Kittel, ihre Augen starren mich an, wie ein Objekt, nach dem sie lange suchte und von dem sie noch immer nicht begreifen kann, dass sie es nun endlich gefunden hat. "Man ruft nach Ihnen, Quinn", schmunzele ich und nicke hinüber zum Eingang, der mir verborgen bleibt. Nahezu erschrocken dreht sie sich um, wirft der Ärztin, mit der sie hier aufkreutzte, einen kurzen Blick zu und schiebt sich schnell mit den Fingern der linken Hand die losen Strähnen hinters Ohr. "Ja, ich-" Sie blickt erneut nach hinten, offensichtlich besorgt darüber, dass man sie, vertieft in eine Konversation mit dem Joker, sehen könnte. Dann endlich nimmt sie sich zusammen, schiebt einen Hand in ihren weißen Kittel, klemmt ihr Klemmbrett resolut unter den anderen und blickt mich mit dem nüchtern-neutralen Blick eines Arztes an. "Auf Wiedersehen, Mister J", verabschiedet sie sich mit einem Tonfall, der verkündet, dass sie sich nun endlich eingestimmt hat, wirft mir ein kurzes Lächeln zu und geht, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Als sie auf Doc Simmers trifft, kann ich sie plaudern und scherzen hören, von der Sicherheitstür ertönt das charakteristische Summen, ehe sie sich mit einem lauten Rattern öffnet. Das Klackern von Absätzen verhallt, die Tür schließt. Dann wird es wieder ruhig, was verbleibt, ist das wahnsinnige brabbeln meiner Zellengenossen. Schweigend schaue ich ihr nach und murmele, nachdenklich, ihren Namen. "Harleeyn Quinzel. Harley Quinn." Eine Person, die undurchschaubar ist, aufgrund der Tatsache, dass sie in sich selbst zerrissen bleibt. Verständlich. Sobald sie sich gefangen hat, wird sie leichter zu verformen sein als ein weiches Stück Wachs. Ein breites Grinsen schiebt sich auf meine Lippen, dass verblasst, sobald Spannungen innerhalb meiner Haut verdeutlichen, wo die Narben mein Gesicht zu einer Maske verziehen. Ich hebe die Hand, meine Finerspitzen fahren über die raue, wulstige Haut. Die Schminke haben sie mir abgenommen, als sie mich damals in Gotham verhafteten, seitdem gehe ich Spiegeln aus dem Weg. Diese Fratze, blicke hinüber in die gespiegelte Oberfläche, die man über meinem Waschbecken befestigt hat, und schlage meinem entstellten Antagonisten ins Gesicht. Das Glas splittert, zerfetzt die Haut meiner Fingerknöchel. Leise knurrend wende ich mich ab und betrachte emotionslos das kleine, rote Rinnsal, dass sich langsam, aber sicher, meinen Handrücken hinunterschlängelt. Mein Blick wandert erneut hinüber zu der dicken Glasscheibe, welche mich vom Rest der Bevölkerung trennt. Es gibt keine Fenster in Arkham. Nicht für Menschen wie mich. ...... Hello Ladies and Gentlemen.... we're tonights entertainment! Okay. Das Kapitel hat mir einiges Abverlangt. Zwei Personen, merkwürdige Umgebung, eine zentimeterdicke Plexiglasscheibe trennt die beiden. Interaktionen finden nur bedingt statt, und wenn, dann muss man umdenken. Offen gesprochen glaube ich jedoch, dass mir dies doch recht gut gelungen ist :] ....ich hoffe jedenfalls, dass - falls ihr es bis hierhin geschafft habt - euch das Kapitel weitestgehend gefällt und ihr diese Geschichte zweier seelisch zerbrochener weiterhin verfolgen werdet :] Mit freundlichen~ Grüßen, -J. Ps: Comments und Kritik sind natürlich allzeit willkommen! Kapitel 3: Auf Augenhöhe ------------------------ Hatte ich zu Beginn meiner Tätigkeit in Arkham noch Bedenken, ob ich überhaupt in der Lage sein würde, den Druck, den ich mir damit selbst auferlegte, stand zu halten, so sind inzwischen vier Monate ins Land gegangen, ohne, dass etwas geschehen wäre, dass das Gegenteil bewiese. Ich war in der Lage, mein bisheriges Leben hinter mir zu lassen, verabschiedete mich vollends von dem Gedanken, dass das Leben planbar sei, und fügte mich in meine neue Rolle als Psychiaterin in einer der berüchtigtsten Psychiatrien des Landes. Bislang verlief alles reibungslos, ich habe einige feste Patienten, ein paar stationäre, ein paar ambulante, jedoch keinen aus dem Hochsicherheitstrakt. Es sind Patienten, die zwar in ihrer Welt gefangen sind, mich mit ihren Aussagen über jedes noch so kleine Problem jedoch zu Tode langweilen. Da wäre dieser Fundamentalist, der von nichts anderem redet, als von Erscheinungen der heiligen Jungfrau Maria, die ihm erscheinen, wenn er nahezu ahnungslos auf der Toilette sitzt, und Mister Walkers, der seit vier Jahren felsenfest davon überzeugt ist, die Reinkarnation Napoleon Bonapartes zu sein. Man sieht ihn öfter mit der Biographie seines Idols in der Hand durch die Gänge schleichen, während er leise wirres Zeug in seinen langen, weißen Bart murmelt. Er ist ein Patient. Mehr nicht. Und sobald ich sein Behandlungszimmer verlassen habe, ist er aus meinen Gedanken verschwunden. Genau wie Waterloo messe ich ihm keine sonderlich hohe Priorität zu. Die meiste Zeit auf Station verbringe ich allein. Die Gesellschaft meiner Kollegen ist mir absolut zuwider. Es ist offensichtlich, dass ein Großteil der hier arbeitenden Ärzte bereits längst an ihrem Beruf zerbrochen ist. Sie sind abgestumpft, nicht mehr zugänglich für die Impressionen und inneren Konflikte ihrer Patienten, schleichen gelangweilt durch die mental ergiebige Welt Arkhams und wirken genau so alt und leblos wie ein Großteil des hier verwendeten Inventars. Es ist kein Wunder, dass die Insassen des Hochsicherheitstraktes keine Fortschritte machen, wenn die Ignoranz der behandelnden Ärzte keinen zulässt. Ständig konfrontiert mit diesen negativen Beispielen psychiatrischen Daseins, kann ich froh sein, jung und frisch wie ich bin, alles daran zu setzen, um niemals so zu enden wie sie. Ich kann von mir sagen, dass ich mit den Patienten, die der Staat mir anvertraut, auf einer Wellenlänge bin. Ich bin in der Lage, durch ihre Masken, die sie Tag für Tag tragen, zu dringen, und verstehe, dass sie ein Opfer der Gesellschaft sind. Sie sind nicht so geboren worden. Sie wurden zu dem gemacht, was sie sind. Von Menschen, die hart und kalt sind, Menschen, die in erster Linie an sich selbst denken und dann an ihre Mitbürger, Menschen, die Gefallen daran finden, andere Menschen zu Grunde zu richten. Der Joker ist das beste Beispiel für diese niederdrückende gesellschaftliche Grausamkeit. Niemand war bisher in der Lage, den gezeichneten Menschen hinter der entstellten Fassade zu erkennen. Niemand außer mir. Ich habe gesehen, dass auch er nur jemand ist, der sich in seinem Inneren nach Liebe sehnt, habe die Ahnung, dass diverse traumatische Einwirkungen auf seine Jugend den Hass in ihm hervor gerufen haben, der ihn durchs Leben treibt. Traumata, die in ihm den Selbsthass weckten, der ihn nun Tag für Tag dazu bringt, seine Narben hinter einer dicken Schicht Theaterschminke zu verstecken und andere das fühlen zu lassen, was man ihm in frühster Jugend zugefügt haben muss. Natürlich war ich selbst überrascht. Ich ging durchs Leben, vollgestopft mit Vorurteilen und Stereotypen, so, wie viele andere US-Bürger in meinem Alter auch. Mörder waren große, breitschultrige Halunken, Serienmörder durchtrieben, sehnig und auf eine schmierige Art und Weise charmant. Ich hatte schon früher von dem Joker gehört – und nach dem Tod meines Lebensgefährten wurde mir klar, dass er die Prinzipien des Lebens verstanden hatte. Ich verstand, dass nichts planbar ist, dass alles ohnehin anders kommt, als es einem beliebt. Einer der Hauptgründe, warum ich mich bei Arkham bewarb, war der Joker. Alles in mir trieb mich, zu überprüfen, ob meine Annahme der Wirklichkeit entsprach. Und verdammt nochmal, ich wurde nicht enttäuscht. Er ist ein interessanter Charakter, komplexer und tiefer als all meine anderen Patienten. Ich verbringe jede freie Minute an seiner Zelle, um mich näher mit ihm zu befassen, und es scheint, als würde ihm meine Anwesenheit nicht missfallen. Unterhielten wir uns anfangs noch einseitig – ich klapperte die übliche psychiatrische Liste an Fragen ab, die man einem Patienten stellt, so wendete sich das Blatt mit der Zeit. War ich es zu Beginn, die Informationen aus ihm herausquetschte, begann er nach einiger Zeit, mir Fragen zu stellen. Ich blockte ab, denn dies war etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, ob es überhaupt richtig war, zu antworten. Aber er blieb hartnäckig, und so hatte ich eines Tages einen Punkt erreicht, an dem ich mir sicher war, dass es nicht schaden könnte, auch ein wenig von mir preiszugeben. Er reagierte anders, als zuerst von mir erwartet. Mit Feingefühl und Takt, auf seine angeschlagene und morbide Art. Und er war der erste, der es, nach so langer Zeit, endlich wieder schaffte, mich zum Lachen zu bringen. Von seiner Vergangenheit jedoch erzählte er mir nur sehr wenig. Wenn ich mehr wissen wolle, müsste ich ihn schon in den Therapieraum einladen – etwas vollkommen ausgeschlossenes, brauchte man für eine Therapie mit jemandem aus dem Trakt langjährige Berufserfahrung, Empfehlungsschreiben und diverse Genehmigungen. Doch ich wusste, eines Tages würde es so weit sein. Dann würde ich den Joker therapieren, und mit ihm in seinen wirren Gehirnwindungen herumstochern. Endlich, nach Ewigkeiten von Einsamkeit und Isolation war da wieder jemand, der mich verstand. Wenige Monate später dann erwartete er mich breit schmunzelnd an der Panzerglasscheibe seiner Zelle. Ich war irritiert, hatte ihn schon länger nicht mehr so gut gelaunt gesehen. Er wandte sich von mir ab, kramte in einer seiner Schubladen herum und presste anschließend ein Schreiben seines Anwaltes gegen die Scheibe. Die Klinikleitung unter Jeremiah Arkham, hieß es da, habe sich beschlossen, ihn erneut zu Forschungszwecken einem Psychiater zu unterstellen. Wer, sei noch offen, scheinbar rissen sich nicht viele um ein Stelldichein mit dem Clownprince of Crime. Ob das nicht die perfekte Möglichkeit für mich wäre, fragte er mich breit grinsend, und nannte mich dabei mit dem Spitznamen, den er mir bereits bei unserer ersten Begegnung verpasst hatte – Harley Quinn. Ich musste lachen, ging ich nicht davon aus, auch nur die geringste Chance zu haben, diesen einmaligen Therapieplatz selbst zu ergattern. Am selben Abend dann erfuhr ich, dass man mich vorgeschlagen hatte. Ich fiel aus allen Wolken. Scheinbar hatte das Wachpersonal, welches mein tägliches Kommen und Gehen stets beobachtete, meine ständigen Konversationen mit dem Joker als gutes Zeichen bewertet und eine meiner Vorgesetzten darauf aufmerksam gemacht. Sie fing mich ab, als ich die Klinik nach Schichtende verlassen wollte, und fragte, ob ich Interesse hätte. Ich bejahte dies natürlich. Was auch sonst. Mit dem Joker auf Augenhöhe, noch dazu in einem Raum – was wollte ich mehr? Und so landete meine Akte mal wieder auf Jeremiah Arkhams Schreibtisch. Samt Empfehlungsschreiben. Meine Vorgesetzte schrieb ihm, dass ich einen überdurchschnittlich guten Draht zu ihm hätte, eine „Art von Verbundenheit, die man beim Joker in all seinen Aufenthalten in Arkham noch nicht hätte ausmachen können“. Dass sie dies selbst nur durch Hörensagen in Erfahrung gebracht hatte, lies sie großzügiger weise aus. Mein Antrag wurde angenommen, man gestatte es mir tatsächlich, mich näher und noch dazu bezahlt mit dem Joker zu befassen. Ich weiß noch, dass mir mein Herz beinahe aus der Brust sprang, als man mir das Schreiben mit der normalen Morgenpost aushändigte. Direkt bin ich in den Trakt, und habe es dem Joker unter die Nase gehalten – er hat sich gefreut. Da bin ich mir sicher. Seitdem sind zwei Wochen vorüber gegangen. Man hatte mir Datum und Uhrzeit mitgeteilt. Dann war es endlich so weit gewesen. Ich meldete mich bei der Rezeption und ließ mich von dort in einen der Vorräume bringen. Dort wurde ich von zwei Männern in schwarz begrüßt. Ja. Und jetzt …. Bin ich hier. Ich, in der Mitte von diesen zwei Schränken in zu engen schwarzen Anzügen, geschmückt mit Sonnenbrillen und Funkgeräten. Sie eskortieren mich, oder viel mehr achten sie darauf, dass ich keine Dummheiten mache. Man gab mir ein Mikrophon, das ich an meinem Kittel befestigen sollte, natürlich nur für den Fall, dass der Joker gewalttätig wurde. Des Weiteren erhielt ich, zum ersten Mal in meinem Leben, die Akten von ihm. Genau genommen war es lediglich die aktuellste, sein Bestand füllt mittlerweile einen ganzen Aktenschrank. Schweigend blättere ich darin herum, lese Diagnosen, die verworfen Wurden, Mutmaßungen, Notizen, Fehler. Ein paar Fotos befinden sich darin. Ich nehme eines heraus und halte es in der Hand. Als die Security nicht genau hinsieht, rutscht es – ganz versehentlich natürlich – in eine Tasche meines Kittels. Die Gänge, die wir passieren, sind steril und kalt. Man hat die Wände nur notdürftig verkleidet, hier und da blinkt Aluminium, die Klimaanlage ist eingeschaltet. Die Luft trocken, die Räume eng. An jeder Tür, die wir passieren, müssen wir uns ausweisen. Das ist also das Innenleben des Hochsicherheitstraktes. Das sind die Räume, die der Joker sieht, wenn man ihn hier einliefert. In mir zieht sich alles zusammen. Zustände sind das, aber keine menschenwürdigen Unterbringungsmethoden! Ich lass mir von meiner Wut nichts anmerken. Viel mehr folge ich meinen Begleitern schweigend und mit einem flauen Gefühl im Magen. Viel zu lange musste ich auf diesen Moment warten. Meine Begleiter sprechen kein Wort mit mir. Irgendwann dann – es scheint mir, als seien wir Ewigkeiten durch die schmalen Gänge und Gassen geirrt – betreten wir einen kleinen, stickigen Raum. Ich kann ein paar Polizisten ausmachen, hinter einem Fenster befindet sich ein weiterer Pförtner. Direkt vor mir, zwei oder drei Meter von mir entfernt, eine große Tür aus Metall. Es scheint, als würde sie elektronisch geöffnet und geschlossen werden. Einer meiner Begleiter schlendert zu dem Pförtner und deutet mir, ihm zu folgen. Dort angekommen, tippt er gegen die Scheibe. Sie wird aufgeschoben. „Harleen Quinzel“, stellt dieser mich, mit einer tiefen und sonoren Stimme, vor. „Sektor 7G. Hat heute ein kleines Date mit dem Joker.“ Die Zynik in seiner Stimme entgeht mir nicht. „Wann?“ Der Pförtner, weiß, ende vierzig, sieht ihm nicht einmal ins Gesicht, bevor er in den Akten blättert und überprüft, dass ich auch angemeldet bin. Schweigend tippt er etwas in seinen Computer. Er verlangt nach meinem Ausweis, den ich ihm, wenn auch widerwillig, überreiche. Im Austausch übergibt er mir eine in Folie eingeschweißte ID-Karte. „Melden Sie sich nach der Therapiestunde hier, dann erhalten Sie ihre Papiere zurück. Passieren Sie den Eingang – der Joker wartet in Raum drei auf Sie.“ Ich nicke, dann öffnet sich die Tür mit einem leisen Surren. Ich gehe hindurch, meine beiden Bewacher folgen mir auf Schritt und Tritt. Ich finde mich in einem winzigen Flur wieder, von dem aus man diverse Behandlungsräume betreten kann. Es ist totenstill hier drin. Neben den Türen befindet sich eine Eingabevorrichtung. Ich platziere mich vor der richtigen Tür, und öffne sie mit meiner ID-Karte. Automatisch wird sie geöffnet, ich trete ein. Allein. Dann wird sie hinter mir geschlossen. Anschließend befinde ich mich in einem Raum von weniger als zehn Quadratmetern. Die Wände sind mit Metall verkleidet, in der Mitte befinden sich ein kleiner Tisch und zwei Hocker mit abgerundeten Ecken. Beide sind im Boden verankert. Die Atmosphäre ist kühl, alles wirkt sehr steril und wenig auf die Bedürfnisse der Patienten ausgerichtet. Langsam wende ich mich um, damit ich jeden Winkel des Raumes erfassen kann. Schräg hinter mir befindet sich eine Überwachungskamera – sie dient dazu, jede Bewegung des Jokers aufzuzeichnen, von mir wird man lediglich den Rücken sehen können. Aber von ihm selbst – keine Spur. Die Nervosität kriecht mir in die Brust, als habe sie nur darauf gewartet, dass man mich allein in einem reizarmen Zimmer zurücklässt. Noch immer habe ich nicht wirklich realisiert, dass ich gleich auf den Joker treffen werde, und dass sich, entgegen der sonstigen Gewohnheit, keine Glasscheibe zwischen uns befinden wird. Ich könnte ihn berühren, wenn ich nur wollte – natürlich werde ich es nicht tun. Was soll man von mir denken? Stattdessen zupfe ich das kleine Mikrophon, welches ich mir noch vor wenigen Minuten an den Kittel heftete, ab, und lasse es in eine der unzähligen Kitteltaschen fallen. Beinahe ängstlich, wartend, bleibe ich vor der Tür stehen. Ich könnte mich hinsetzen, die Akten noch einmal durchsehen und mein Arbeitsmaterial zurechtlegen, doch ich kann mich nicht von der Stelle rühren. Nicht, bevor er endlich den Raum betreten hat. Mein Körper steht unter Strom, ich weiß, dass Adrenalin dafür sorgt, dass mein Herz ein wenig schneller schlägt. Ganz ruhig, Harley, schießt es mir durch den Kopf. Wenn er erst einmal da ist, wird die Aufregung wie weggeblasen sein. Minuten vergehen. Nichts rührt sich. Der Adrenalinanteil in meinem Blut erhöht sich nach und nach, klares Denken ist nahezu unmöglich geworden. Mit zitternden Fingern greife ich in die Jackentasche meines Kittels und ziehe vorsichtig das Foto hervor. Es ist ein Schnappschuss des Gotham City Police Departments, und zeigt einen vollkommen heruntergekommenen Joker. Er trägt orangene Gefängniskleidung, die Hände hat man ihm gefesselt, er scheint grob abgeschminkt worden zu sein. Grün getöntes Haar, das die ursprüngliche Farbe nur schwach überdecken kann, fällt ihm strähnig und lockig ins Gesicht, welches seitlich abgewandt ist. Scheinbar hat er sich geweigert, in die Kamera zu schauen, der Blick ist grimmig auf etwas geheftet, dass sich unweigerlich außerhalb des Fotos befindet. Er sieht zerbrechlich aus, mein Mister J, gebrochen. Jemand, der nur schwer die Schmach der Niederlage ertragen kann. Vor seiner Brust befindet sich die Häftlingsnummer. Ein schwaches Lächeln huscht über meine Lippen, und ich fahre mit den Fingerspitzen langsam über die glatte Oberfläche des Fotopapiers. Als ich Stimmen auf dem Gang höre, stopfe ich es zurück in die Tasche und presse die Akten schutzsuchend vor meine Brust. Es sind rüde Worte, die draußen gesprochen werden, und auch, wenn ich nicht verstehen kann, was genau sie sagen, so kann ich die Botschaft doch verstehen. Das ist Hass. Geballter Hass. Es läuft mir kalt den Rücken herunter, als das Summen der Tür erklingt, und meine zwei ehemaligen Begleiter in schwarz den Mann herein bringen, auf den ich die ganze Zeit sehnlichst gewartet habe. Ruhig, auf den richtigen Moment wartend, schleicht der Joker in den kleinen, kalten Raum. Mein Herz macht einen Hüpfer, nur, um sich anschließend schmerzlich zusammen zu ziehen. Er steckt, wie immer, in dieser schrecklichen grauen Anstaltskleidung, die ihn noch blasser macht, als er ohnehin schon ist. Die Hände hat man ihm mit Handschellen auf den Rücken geknebelt. Meine Begleiter halten ihn an den Oberarmen fest, ihr Griff schneidet ihm, dass sehe ich von hier, ins Fleisch. Sie wollen nicht, dass er sich auch nur um einen Zentimeter mehr bewegen kann, als sie es für richtig halten. Er geht ein wenig gebeugt, sein Haar verdeckt Stirn und Augen, doch ich weiß, dass sein Blick auf mir ruht. Er ist ungeschminkt – was hatte ich auch anderes erwartet. Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen. Unter solchen Umständen bleibt von seinem Charme und seiner Selbstsicherheit nichts übrig. Es ist zu bitter. Unsicher räuspere ich mich. Mein Herz hämmert gegen die Brust, Schweiß tritt auf meine Stirn und mein Mund wird staubtrocken. Ich muss die Fassung bewahren, also krallen sich meine Fingernägel in die hellbraune Pappe des Aktenordners. Noch immer dicht am Ausgang, beobachte ich schweigend, was dort vor sich geht. Die Männer in schwarz setzen ihn auf den Metallhocker, der seinem Ausgang am nächsten ist, und nehmen ihm dort die Handfesseln ab. Die Fußfesseln verbleiben. Auch, wenn ich darum gebeten habe, dass er während unserer Sitzung vollkommen uneingeschränkt ist, was seine Bewegungsfreiheit angeht, so ist ihnen meine Sicherheit in dieser Situation wohl wichtiger. Nun ja. Die Klinik fürchtet sich wohl eher vor einer Klage meinerseits. Verärgert beiße ich mir auf die Unterlippe. Vielleicht nehmen sie ihm die ja doch noch ab, wenn die ersten Therapiesitzungen erst einmal ruhig verlaufen sind. Die Herren, die nun mit der „Entfesselung des Jokers“ ihre Arbeit getan sehen, nicken mir zu, dann verlassen sie den Raum. Mit leisem Zischen schließt die Tür. Wir sind allein. Joker reibt sich die Handgelenke, die eine leuchtende, rote Linie aufweisen. Scheinbar waren die Fesseln um einiges zu eng. Er reckt sich, streckt sich, lockert die Arme und verschränkt sie dann auf dem Tisch, während seine Augen ruhelos durch den Raum huschen. Mit Sicherheit ist er nicht zum ersten Mal hier. Sein Blick bleibt an der Kamera hängen und zaubert ihm ein Lächeln auf die Lippen, dann schaut er hinüber zu mir. Innerlich zucke ich zusammen, spüre, wie Blut in meine Wangen schießt. Ich bin nicht fähig, mich zu bewegen, und wenn ich es genau betrachte, so bin ich mir sicher, dass mein Herz gerade stehen geblieben ist. Mister J bemerkt diese Unfähigkeit, und sein Lächeln verwandelt sich in ein breites Grinsen. Die Fingerspitzen seiner rechten Hand fahren über die zerkratzte Oberfläche des Tisches, doch seine Augen ruhen auf mir. Er sieht aus wie ein Raubtier, dass geduldig seine Beute beobachtet und in ihr, trotz allem inneren Widerstandes, eine Gefährtin sieht. „Harley Quinn“, schmunzelt er mit seiner tiefen, sonoren Stimme und sofort fällt jede Anspannung von mir ab. „Verbringen wir unsere kleine Therapiestunde im Stehen oder lässt du dich endlich dazu herab, dich zu mir zu setzen?“ Ein Lächeln wandert über mein Gesicht. Oh Mister J. +++++++++++++++++ In wenigen Tagen folgt das nächste Kapitel - die beiden gehören absolut zusammen! Wenn ihr es bis hier hin geschafft hab - vielen Dank fürs Lesen und ich hoffe, ihr hattet so viel Spaß dabei wie ich beim Schreiben. Kommentare sind natürlich immer erwünscht :] -J. Kapitel 4: Das Spiel mit dem Feuer ---------------------------------- Schon vor vier Monaten, als sie das erste Mal vor meiner Zelle stand und mich musterte, als hätte sie lange auf diesen Augenblick gewartet, war mir klar, dass sie Ärger bedeutete. Harleen Quinzel, Harley Quinn, die neue Ärztin ohne jedes ersichtliche Zeichen einer Vergangenheit, die sie zu dem machte, was sie heute ist. Meine Stalkerin. In Anbetracht der Tatsache, dass ich mein Leben seit Menschengedenken bevorzugt allein verbringe, primär, weil mich die Gesellschaft menschlichen Abschaums anwidert, sekundär, weil Normalsterbliche in der Regel wenig Drang verspüren, sich mit einem verurteilten Mörder anzufreunden, war Harleys ständige Anwesenheit etwas, an das ich mich gewöhnen musste. Sie stellte eine Belastung dar, ein Hindernis, für einen, sagen wir, vielbeschäftigten Mann wie mich. Wer denkt, dass die eigenen Geschäfte in Arkham zum Erliegen kommen, der irrt. Ein Ausbruch gehört geplant. Hat man Glück, trifft man in Freiheit auf ein Bündel treuer Handlanger, die Stellung gehalten haben, während man vorrübergehend aus dem Spiel ausschied. Dann kann man weitermachen, als sei niemals etwas dazwischen gekommen. Hat man Pech – und das ist um einiges wahrscheinlicher – steht man absolut mittellos dar. Dann gilt es, Versager anzuheuern, die bereit sind, gegen einen mickrigen Lohn die nächstbeste Bank zu stürmen, die skrupellos sind, berechnend, aber dennoch so dumm, dass sie meine Anweisungen nicht hinterfragen. Anschließend muss man sich die Bezirke der Stadt, die früher einmal unter den eigenen Händen zusammenliefen, zurück erobern. Ich gehe in Arkham ein und aus, solche Aktionen haben mir nie Probleme bereitet. Niemand erhebt das Wort gegen den Joker. Niemand. Hahaha. Da stand sie also. Harley Quinn. Blond, naiv, Ärztin. Die erste Person seit langem, die mich nicht behandelte, als sei ich eine Kuriosität, die es zu begaffen gilt. Man sah ihr an, dass sie diesen Beruf noch nicht lange ausübt, frisch, wie ein unbeschriebenes Blatt Papier und auf eine unbeholfene Art und Weise durchschaubar. Gerade, als ich dachte, sie würde, mitsamt Simmers, endlich das Weite suchen, ließ sie sich auf eine Konversation mit mir ein. So, so, dachte ich. Die Kleine spielt gerne mit Feuer. Fasziniert von diesem, eher von der Norm abweichendem Verhalten, stieg ich in ihr Spiel ein, antwortete auf ihre Fragen und hielt sie hin. Mit der Zeit taute sie auf. Arbeitete sich ein. Irgendwann dann hatte sie die psychische Mauer um sich errichtet, die ein jeder Psychiater mit sich herumzutragen pflegt. Wie sonst will man in Arkham überleben, wenn man die Distanz nicht wahren kann? Und dennoch kam sie weiterhin jeden Tag an meine Zelle, brachte einen Stuhl mit und durchbohrte mich mit Fragen. Die Augen konnte sie dabei nicht von mir lassen. In jeder freien Minute war sie hier, selbst ihren Lunch nahm sie hier ein. Das war ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Es schien, als würde sie, wenn auch gegen ihren Willen, Vertrauen zu mir fassen. Und so brachte es diese Frau, die mich zu Anfang an herausgefordert hatte, fertig, mein Interesse zu entfachen. Ehrliches, wenn auch eisiges Interesse. Ich sagte mir, dass ich meinen nächsten Ausbruch auch nach Ende ihrer Schicht weiter organisieren konnte, und ließ sie gewähren. Als ich zu der Ansicht kam, sie habe nun genug über mich erfahren - ungeachtet der Tatsache, dass jener Gegenstand, den ich als Vergangenheit empfinde, derart unbeständig ist, dass ich nicht fähig bin, mit Sicherheit zu sagen, ob er sich wirklich so zugetragen hat – war ich es, der begann, die Fragen zu stellen. Sie zierte sich, ganz, wie ich es erwartet hatte. Sie kämpfte mit sich, Vernunft gegen Gefühl, wollte sie doch antworten. Ihr Selbstschutz bröckelte. Vor meinen Augen. Schmunzelnd nahm ich die Befriedigung, die von der Manipulation ihrer Person ausging, in mich auf und grinste sie breit an, als sie sich endlich dazu durchrang, auf meine Fragen zu antworten. Nicht, dass die Antworten überdurchschnittlich interessant gewesen wären. Der langweilige Lebenslauf einer durchschnittlichen Person. Mittelschicht. High School, College, Bachelor, Master, Arkham. Dazwischen ein fester Freund, der sich scheinbar aufgrund ihrer Inkompetenz das Leben nahm. Wohl einer der Höhepunkte in ihrem Leben, ansonsten verlief alles ruhig. Langweilig. Doch die Person an sich ist alles andere als das. Ganz unscheinbar begann es damit, dass ihre Anwesenheit nach und nach ihre Unerträglichkeit einbüßte. Neutralität kam, und wich. Je länger sie vor meiner Glasscheibe saß und vor sich hin plapperte, desto weniger war ich dazu in der Lage, den Blick von ihr zu nehmen. Das man jemanden trifft, der, trotz der Realität, die stets auf ihn einwirkt, seine Naivität und das sogenannten ‚Glauben an das Gute mi Menschen‘ beibehalten hat, kommt nicht oft vor. Als mir bewusst wurde, dass mir ihre Abwesenheit unangenehm war, hatte sich ihre Person bereits in mein Hirn eingebrannt. Ein bitteres Lächeln ziert meine Lippen, ich spüre den schwachen Widerstand, den meine Narben leisten, wenn ich das Gesicht verziehe. Der Joker leistet sich keine Gefühle, nein. Der Joker nicht. Der Joker geht seiner Arbeit nach, ergötzt sich an den überraschten Gesichtern der Opfer, wenn ihnen bewusst wird, dass ihr Tod durch meine Hand nicht bloß Theorie, sondern Fakt ist. Irgendwann dann hielt ich ihr das Schreiben meines Anwalts gegen die Scheibe, und der Funke sprang über. Jetzt soll sie mich therapieren, wenn dies, aufgrund der fehlenden Distanz überhaupt noch möglich ist. Nicht, dass irgendjemand jemals bei dem Versuch Erfolg gehabt hätte. Diese Halbgötter in weiß versagten, ich hingegen hatte meinen Spaß. Harley geht es höchstwahrscheinlich ohnehin lediglich um die Tatsache, dass keine Glasscheibe mehr zwischen uns sein wird. Ich frage mich, wie sie sich dann verhalten wird. Die Hände hat man mir auf den Rücken gebunden, die Füße mit Fußfesseln fixiert. Das Metall der Handschellen schneidet in meine Handgelenke, die Fingerspitzen sind taub. Zwei fremde Hände bohren sich in das Fleisch meiner Oberarme und versuchen, das Risiko eines Fluchtversuches weiter gen Null zu dezimieren. Ein schwaches Schmunzeln auf meinen Lippen. Die Angst der Menschen ist eine Pointe wider Willen. Zwei große, in schwarze, zu enge Anzüge gehüllte Männer eskortieren mich den Gang hinunter, doch ich nehme die Umgebung um mich herum schon gar nicht mehr bewusst war. Viel zu oft haben sie mich durch diese Hallen gezerrt, damit ich irgendwelchen semiprofessionellen Therapeuten mein angeblich so verrottetes Seelenleben offenbaren sollte. Ich schwieg mich aus und hielt sie zum Narren. Nach und nach gaben sie mich alle auf. Und ich hatte meine Ruhe. Hier in Arkham, meinem unfreiwilligen Zweitwohnsitz. Der einzige Ort, an dem ich richtig zur Ruhe kommen kann. Die Schritte hallen, klar und kalt wie Eis, von den Wänden zurück. Nach gut einer Minute biegen wir rechts ab, und finden uns in einem schmalen, mit Metall ausgekleideten Flur wieder. Dumme Kommentare und wüste Beschimpfungen hageln zischend auf mich ein, während ich, breit grinsend, in die Ferne starre, ohne zu fokussieren, was ich sehe. Ich bin der einzig gesunde, hier in Arkham, ein nicht zu verachtender Fakt, der lediglich noch nicht verstanden wurde. Ich bin bodenständig. Weiß, was utopisch und was durchführbar ist. Bin nicht so desillusioniert wie Batman und seine kleinen, desillusionierten Polizistenfreunde, die nach wie vor von einem funktionierenden Staat träumen. Mir ist klar, dass so etwas nicht durchführbar ist. Es engt den eigenen Geist ein. Warum sich also danach richten? Es gibt doch viel zu viel urkomisches Zeug in dieser Welt. Viel zu viel. Der breitschultrige Typ neben mir, dessen Mundwinkel höchstwahrscheinlich in genau dieser Position mit Leim und Metall fixiert wurden, drückt auf einen kleinen roten Knopf neben der Tür und weist sich aus. Mit einem freundlichen „Willkommen Mr. Freeman“, springt die Tür auf und gibt den Blick frei auf ihr jämmerliches Innenleben. Tisch, Stühle, Kamera. Seit meinem letzten Besuch hat sich nichts verändert. Harleen steht in einer Ecke, meine Akte fest umklammert. Sie wirkt aufgewühlt, als versuche sie verzweifelt, die Fassung zu bewahren. Ein absurdes Kichern klettert über meine Lippen, als ich den Kopf sinken lasse. Haare vernebeln mir die Sicht. Man stößt mich nach vorne, drückt mich auf einen der Metallstühle. Viel mehr ist es ein Hocker. Noch immer grinsend beiße ich die Zähne zusammen, wissend, dass ich es sein werde, der diesen Männern für dieses herabsetzende Verhalten eines Tages die Augen aus dem Schädel schneiden und ihnen zum Frühstück servieren wird. Einer der beiden macht sich an meinen Handgelenken zu schaffen, und mit einem leisen Klicken werden mir die Handschellen abgenommen. Beinahe irritiert werfe ich einen kurzen Blick nach hinten, doch die beiden haben sich schon aus dem Raum gestohlen. Surrend fährt die Tür zu, und lässt Harley und mich allein hier zurück. Meine Hände füllen sich mit Blut, und ich lache. Die Taubheit weicht einem kaum zu ertragenen Kribbeln, dennoch verziehe ich keine Miene, verschränke die Arme auf dem Tisch und inspiziere meine Umgebung. Seit meinem letzten Aufenthalt hier haben einige der Metallplatten Rost angesetzt. Die Luft ist kalt, scheinbar haben sie die Klimaanlage eingeschaltet – ich kann nicht sagen, was für ein Wetter es ist in Gotham, habe ich seit gut fünf Monaten kaum echtes Tageslicht zu Gesicht bekommen. Der beißende Gestank ätzender Reinigungsmittel kriecht mir in die Nase. Wunderbar, Harvey, knurrt eine Stimme in meinem Kopf. Hast du mal wieder nicht an dich halten können. Schweigend reibe ich mir die Handgelenke, die von roten Rändern umschlungen sind. Sie schmerzen, wenn auch nicht sonderlich. Dann wandern meine Augen hinüber zu Harley. Mein Puls beschleunigt, wenn auch nur schwach. Ich kann nicht zuordnen, warum, ignoriere es, und mustere sie von oben bis unten, sauge die Informationen gieriger auf, als ich es von mir gewohnt bin. Wie auch sonst trägt sie ihr Haar zu einem festen Knoten hochgesteckt – der Sicherheit wegen, bemerkte sie vor ein paar Wochen – die dicke, schwarze Brille ruht auf ihrer Nase. Schwarze Absatzschuhe, ein kurzer Rock, eine ausgeschnittene Bluse. Eine Frau, die sehr wohl weiß, was sie hat, und sich nicht davor scheut, diese Reize auch zu ihrem Vorteil auszunutzen. Ihre Fingernägel bohren sich in die Pappe meiner Akte, als würde dies Schutz bedeuten. Sie wirkt abwesend, doch als sie meinen Blick bemerkt, läuft sie rot an. Ein breites Grinsen erscheint auf meinem Gesicht, beinahe lache ich los, während ich mit den Fingerspitzen über die raue, angekratzte Oberfläche des Metalltisches fahre. Höchstwahrscheinlich ist dieser Tisch so alt wie das Gebäude selbst. Da Harley keinerlei Anstalten macht, sich aus ihrer Kaninchenstarre zu lösen, ist es an mir, das Schweigen zu brechen. „Harley Quinn“, schmunzele ich, und kann sehen, wie sie erleichtert aufatmet. Mein Schmunzeln wird breiter, entblößt ein paar Zähne. „Verbringen wir unsere kleine Therapiestunde im Stehen oder lässt du dich endlich dazu herab, dich zu mir zu setzen?“ Ich kann sehen, dass ihre Augen einen weichen Schimmer bekommen, die Schultern verlieren ihre Spannung. Langsam lässt Harley die Akte sinken, während ein kokettes, breites Strahlen auf ihrem Gesicht erscheint. Dann schleicht sie sich mit kleinen Schritten an den Tisch heran und legt, mich nach wie vor ansehend, ihre Arbeitsutensilien auf den Tisch. Erst dann nimmt sie Platz. Schlägt alles auf, ordnet die Gegenstände, die sie gleich benötigt, so vor sich an, dass sie jederzeit griffbereit sind. „Wie geht es uns heute, Mister J?“, flötet sie und greift in eine Tasche ihres Kittels. Zum Vorschein kommt ein in Klarsichtfolie eingepacktes Sandwich, dass sie mir, den Kopf, schmunzelnd, auf der linken Handfläche abgestützt, über den Tisch reicht. Positiv überrascht, doch mit steinerner Miene, nehme ich es an und befreie es aus der Verpackung. Ich werde es jetzt essen müssen, die Patienten des Traktes werden zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit nach verbotenen Gegenständen gefilzt. Schweigend blicke ich auf das helle Toastbrot und hebe den Blick. Zufrieden lächelt Harley mich an. „Ein bisschen Proviant für unsere eigene kleine Party, Mister J – ich denke nicht, dass das Krankenhausessen sonderlich schmackhaft ist. Oder irre ich mich etwa?“ „Vergiss die Party, Harley. Das wichtigste hast du vergessen“, erwidere ich trocken, wenn auch Lächeln meine Mundwinkel umspielt, und schiebe mir eine Ecke, die ich zuvor abgebrochen habe, in den Mund. Pute, Salat. Mayonnaise. Die Kleine scheint Haushaltsqualitäten mitzubringen. Ihr Lächeln entgleist etwas, als sie meine Antwort aufgenommen hat. Irritiert hebt sie den Kopf. „Was?“ „Die Partyhüte, Harley.“ Sie kichert, heiter, ein wenig verlegen, beugt sich ein paar Zentimeter nach vorne und sieht mich an. Ihre Miene ist heiter, sie macht den Eindruck, als wäre sie mit der aktuellen Situation mehr als zufrieden. Eine Strähne ist aus ihrer Frisur gerutscht, und wird geschickt mit der Fingerspitze zurück hinter ihr Ohr befördert. Schweigend sieht sie mir einige Sekunden beim Essen zu, ehe sie antwortet. „Partyhüte in einer Psychiatrie würden mich unweigerlich an die verrückte Teegesellschaft von Alice im Wunderland erinnern.“ „Vielleicht bin ich ja der Mad Hatter“, murmele ich schmunzelnd, ehe ich mir über die Unterlippe lecke, und ein leises Räuspern meine Kehle verlässt. Mit den Fingerspitzen löse ich ein weiteres Stück von ihrem Sandwich. Es ist gut. Besser als der Fraß, den sie uns hier vorsetzen. Um Längen besser. Als ich mich selbst als Mad Hatter bezeichne, fangen ihre Augen an zu leuchten. „Und wer soll ich sein, Mister J? Das weiße Kaninchen etwa?“ Schwach schüttele ich den Kopf, leise lachend. Ich schiebe mir den Rest ihres Mitbringsels in den Mund und räuspere mich anschließend, die passende Antwort schon auf den Lippen. Ich schlucke die Masse hinunter und beuge mich ein wenig hinüber zu ihr. Die Fußfesseln schnüren mir die Gelenke ab. Die nach Anerkennung hungernden Packesel des Systems sind so unbeherrscht, so tief in ihrer selbst auferlegten Hierarchie, dass sie nicht davor zurückschrecken, ihre Komplexe auf jemanden zu richten, der vermeintlich den Verstand verloren hat. Ich ziehe die Beine an den Stuhl und platziere die Füße unter dem Tisch. Räuspere mich erneut, und zeuge mit dem Zeigefinger auf sie. „Nein“, bringe ich kehlig hervor, geprägt von einigen unwillkürlichen Glucksen. „Neinneinneinnein, Harley. Du nicht. Wenn es, in diesem netten, kleinen Kinderbuch, das von einem pädophilen Mathematiker geschrieben wurde, eine Person gibt, die man auf dich beziehen könnte, dann Alice. Du bist Alice.“ Harley greift nach ihrem Notizblock und schreibt einige wenige Dinge darauf. Dann hält der Stift inne, und ihr Gesicht befindet sich wieder auf Augenhöhe zu meinem. „Warum Alice?“, fragt sie, lehnt sich ein wenig zurück und zieht die lange Nadel aus ihrem blonden Haar, während sie auf eine Antwort wartet. Der Knoten löst sich, die Strähnen fallen ihr bis über die Schultern. Anschließend nimmt sie ihre Brille ab, die mehr Zierde als Zweck ist, und legt sie neben ihre Schreibutensilien auf den Tisch. Fort ist die Maskerade. Sagt „Hallo“ zu Harley Quinn. Schweigend sauge ich alles in mich auf, lecke mir über die Lippen, öffne und schließe den Mund geräuschvoll. Dann, als ihr Blick dringlicher zu werden scheint, erlaube ich mir eine Antwort. „Da steigt Alice, gefüllt mit den Regeln, Erwartungen und Werten ihrer durchgeplanten Welt ahnungslos durch den Spiegel und was passiert? Alles, was sie in ihrem kurzen und, sagen wir, unbedeutenden Leben gelernt hat, erweist sich als nutzlos. Wunderland braucht keine Tricks. Nein. Nein, nein, nein. Harley, das Wunderland ist Mensch gewordenes Chaos. Selbst wenn es grotesk wirkt, so funktioniert es. Es organisiert sich selbst. Es ist fair. Jemand, der versucht, dieses Leben mit logischem Denken und Prinzipien zu meistern, ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Sieh mich an Harley, sieh mich an. Ich bin kein Mensch, der großartig plant. Wenn du nichts auf die Regeln gibst, und nicht nach ihnen spielst, wird dir niemand etwas tun. Menschen in ihrer Befangenheit sind alles andere als Undurchschaubar.“ Aufmerksam hört sie zu, notiert alles, was ich sage, und das ihr wichtig erscheint, auf dem kleinen Block vor ihr. „Das ist meine erste Sitzung ohne Handschellen“, füge ich hinzu, hebe die linke Augenbraue etwas an und deute mit meinem Blick an, dass es offensichtlich ist, dass sie dort ihre Finger mit im Spiel hat. Harley lächelt, als habe sie nur darauf gewartet, dass ich ihr diese Frage stelle, und streicht sich mit den Fingerspitzen durch das blonde, leicht lockige Haar. „Sagen wir einfach, ich habe Jeremiah Arkham ein wenig um die Finger gewickelt, Mister J. Ich habe ihm gesagt, dass Patienten, die sich nicht inhaftiert fühlen, eher zur Kooperation neigen, als umgekehrt.“ Ich lache. „Wenn jemand im falschen Beruf gelandet ist, dann er.“ Schweigend rutsche ich noch ein wenig weiter nach vorne, mein Gesicht befindet sich nun nahezu in der Mitte der Tischplatte. Ich meine, ihre Körperwärme spüren zu können, weiß jedoch zugleich, dass es sich lediglich um eine Illusion handelt. Dort ist nichts, dass ich wahrnehmen könnte. „Da ist jemand durchtriebener, als ich angenommen habe. Der Raum ist überwacht?“ „Lediglich zu dienstlichen Zwecken. Bei Handgreiflichkeiten gehen die Tapes an die Klinikleitung, ansonsten bleibt alles in meiner Schublade. Ich sagte doch“, und dabei berührt sie versehentlich meine Hand. „Das hier wird unsere eigene kleine Party, Mister J.“ Ein dünnes Schmunzeln erscheint auf meinen Lippen, als ich meine Hand von ihrer zurück ziehe. Ein warmes Kribbeln verbleibt und will nicht gehen. Harley befindet sich längst auf meiner Seite des Glases, auch, wenn sie davon noch nichts weiß. Ihr Verhalten ist dem einer Psychiaterin weit entfernt, und ich bin mir sicher, dass ihr die persönliche Ebene, auf die sie sich mit mir begeben hat, durchaus bewusst ist. Ihr ist klar, was sie tut. Ihr ist klar, dass sie ihre Karriere aufs Spiel setzt, um Zeit – warum auch immer – mit mir zu verbringen. Ich bin mir nicht sicher, was genau sie zu mir treibt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eben dies bald erfahren werde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)