Mad Girl and Sociopath's Meeting von MadameFleurie (Harley x Mr. J) ================================================================================ Kapitel 4: Das Spiel mit dem Feuer ---------------------------------- Schon vor vier Monaten, als sie das erste Mal vor meiner Zelle stand und mich musterte, als hätte sie lange auf diesen Augenblick gewartet, war mir klar, dass sie Ärger bedeutete. Harleen Quinzel, Harley Quinn, die neue Ärztin ohne jedes ersichtliche Zeichen einer Vergangenheit, die sie zu dem machte, was sie heute ist. Meine Stalkerin. In Anbetracht der Tatsache, dass ich mein Leben seit Menschengedenken bevorzugt allein verbringe, primär, weil mich die Gesellschaft menschlichen Abschaums anwidert, sekundär, weil Normalsterbliche in der Regel wenig Drang verspüren, sich mit einem verurteilten Mörder anzufreunden, war Harleys ständige Anwesenheit etwas, an das ich mich gewöhnen musste. Sie stellte eine Belastung dar, ein Hindernis, für einen, sagen wir, vielbeschäftigten Mann wie mich. Wer denkt, dass die eigenen Geschäfte in Arkham zum Erliegen kommen, der irrt. Ein Ausbruch gehört geplant. Hat man Glück, trifft man in Freiheit auf ein Bündel treuer Handlanger, die Stellung gehalten haben, während man vorrübergehend aus dem Spiel ausschied. Dann kann man weitermachen, als sei niemals etwas dazwischen gekommen. Hat man Pech – und das ist um einiges wahrscheinlicher – steht man absolut mittellos dar. Dann gilt es, Versager anzuheuern, die bereit sind, gegen einen mickrigen Lohn die nächstbeste Bank zu stürmen, die skrupellos sind, berechnend, aber dennoch so dumm, dass sie meine Anweisungen nicht hinterfragen. Anschließend muss man sich die Bezirke der Stadt, die früher einmal unter den eigenen Händen zusammenliefen, zurück erobern. Ich gehe in Arkham ein und aus, solche Aktionen haben mir nie Probleme bereitet. Niemand erhebt das Wort gegen den Joker. Niemand. Hahaha. Da stand sie also. Harley Quinn. Blond, naiv, Ärztin. Die erste Person seit langem, die mich nicht behandelte, als sei ich eine Kuriosität, die es zu begaffen gilt. Man sah ihr an, dass sie diesen Beruf noch nicht lange ausübt, frisch, wie ein unbeschriebenes Blatt Papier und auf eine unbeholfene Art und Weise durchschaubar. Gerade, als ich dachte, sie würde, mitsamt Simmers, endlich das Weite suchen, ließ sie sich auf eine Konversation mit mir ein. So, so, dachte ich. Die Kleine spielt gerne mit Feuer. Fasziniert von diesem, eher von der Norm abweichendem Verhalten, stieg ich in ihr Spiel ein, antwortete auf ihre Fragen und hielt sie hin. Mit der Zeit taute sie auf. Arbeitete sich ein. Irgendwann dann hatte sie die psychische Mauer um sich errichtet, die ein jeder Psychiater mit sich herumzutragen pflegt. Wie sonst will man in Arkham überleben, wenn man die Distanz nicht wahren kann? Und dennoch kam sie weiterhin jeden Tag an meine Zelle, brachte einen Stuhl mit und durchbohrte mich mit Fragen. Die Augen konnte sie dabei nicht von mir lassen. In jeder freien Minute war sie hier, selbst ihren Lunch nahm sie hier ein. Das war ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Es schien, als würde sie, wenn auch gegen ihren Willen, Vertrauen zu mir fassen. Und so brachte es diese Frau, die mich zu Anfang an herausgefordert hatte, fertig, mein Interesse zu entfachen. Ehrliches, wenn auch eisiges Interesse. Ich sagte mir, dass ich meinen nächsten Ausbruch auch nach Ende ihrer Schicht weiter organisieren konnte, und ließ sie gewähren. Als ich zu der Ansicht kam, sie habe nun genug über mich erfahren - ungeachtet der Tatsache, dass jener Gegenstand, den ich als Vergangenheit empfinde, derart unbeständig ist, dass ich nicht fähig bin, mit Sicherheit zu sagen, ob er sich wirklich so zugetragen hat – war ich es, der begann, die Fragen zu stellen. Sie zierte sich, ganz, wie ich es erwartet hatte. Sie kämpfte mit sich, Vernunft gegen Gefühl, wollte sie doch antworten. Ihr Selbstschutz bröckelte. Vor meinen Augen. Schmunzelnd nahm ich die Befriedigung, die von der Manipulation ihrer Person ausging, in mich auf und grinste sie breit an, als sie sich endlich dazu durchrang, auf meine Fragen zu antworten. Nicht, dass die Antworten überdurchschnittlich interessant gewesen wären. Der langweilige Lebenslauf einer durchschnittlichen Person. Mittelschicht. High School, College, Bachelor, Master, Arkham. Dazwischen ein fester Freund, der sich scheinbar aufgrund ihrer Inkompetenz das Leben nahm. Wohl einer der Höhepunkte in ihrem Leben, ansonsten verlief alles ruhig. Langweilig. Doch die Person an sich ist alles andere als das. Ganz unscheinbar begann es damit, dass ihre Anwesenheit nach und nach ihre Unerträglichkeit einbüßte. Neutralität kam, und wich. Je länger sie vor meiner Glasscheibe saß und vor sich hin plapperte, desto weniger war ich dazu in der Lage, den Blick von ihr zu nehmen. Das man jemanden trifft, der, trotz der Realität, die stets auf ihn einwirkt, seine Naivität und das sogenannten ‚Glauben an das Gute mi Menschen‘ beibehalten hat, kommt nicht oft vor. Als mir bewusst wurde, dass mir ihre Abwesenheit unangenehm war, hatte sich ihre Person bereits in mein Hirn eingebrannt. Ein bitteres Lächeln ziert meine Lippen, ich spüre den schwachen Widerstand, den meine Narben leisten, wenn ich das Gesicht verziehe. Der Joker leistet sich keine Gefühle, nein. Der Joker nicht. Der Joker geht seiner Arbeit nach, ergötzt sich an den überraschten Gesichtern der Opfer, wenn ihnen bewusst wird, dass ihr Tod durch meine Hand nicht bloß Theorie, sondern Fakt ist. Irgendwann dann hielt ich ihr das Schreiben meines Anwalts gegen die Scheibe, und der Funke sprang über. Jetzt soll sie mich therapieren, wenn dies, aufgrund der fehlenden Distanz überhaupt noch möglich ist. Nicht, dass irgendjemand jemals bei dem Versuch Erfolg gehabt hätte. Diese Halbgötter in weiß versagten, ich hingegen hatte meinen Spaß. Harley geht es höchstwahrscheinlich ohnehin lediglich um die Tatsache, dass keine Glasscheibe mehr zwischen uns sein wird. Ich frage mich, wie sie sich dann verhalten wird. Die Hände hat man mir auf den Rücken gebunden, die Füße mit Fußfesseln fixiert. Das Metall der Handschellen schneidet in meine Handgelenke, die Fingerspitzen sind taub. Zwei fremde Hände bohren sich in das Fleisch meiner Oberarme und versuchen, das Risiko eines Fluchtversuches weiter gen Null zu dezimieren. Ein schwaches Schmunzeln auf meinen Lippen. Die Angst der Menschen ist eine Pointe wider Willen. Zwei große, in schwarze, zu enge Anzüge gehüllte Männer eskortieren mich den Gang hinunter, doch ich nehme die Umgebung um mich herum schon gar nicht mehr bewusst war. Viel zu oft haben sie mich durch diese Hallen gezerrt, damit ich irgendwelchen semiprofessionellen Therapeuten mein angeblich so verrottetes Seelenleben offenbaren sollte. Ich schwieg mich aus und hielt sie zum Narren. Nach und nach gaben sie mich alle auf. Und ich hatte meine Ruhe. Hier in Arkham, meinem unfreiwilligen Zweitwohnsitz. Der einzige Ort, an dem ich richtig zur Ruhe kommen kann. Die Schritte hallen, klar und kalt wie Eis, von den Wänden zurück. Nach gut einer Minute biegen wir rechts ab, und finden uns in einem schmalen, mit Metall ausgekleideten Flur wieder. Dumme Kommentare und wüste Beschimpfungen hageln zischend auf mich ein, während ich, breit grinsend, in die Ferne starre, ohne zu fokussieren, was ich sehe. Ich bin der einzig gesunde, hier in Arkham, ein nicht zu verachtender Fakt, der lediglich noch nicht verstanden wurde. Ich bin bodenständig. Weiß, was utopisch und was durchführbar ist. Bin nicht so desillusioniert wie Batman und seine kleinen, desillusionierten Polizistenfreunde, die nach wie vor von einem funktionierenden Staat träumen. Mir ist klar, dass so etwas nicht durchführbar ist. Es engt den eigenen Geist ein. Warum sich also danach richten? Es gibt doch viel zu viel urkomisches Zeug in dieser Welt. Viel zu viel. Der breitschultrige Typ neben mir, dessen Mundwinkel höchstwahrscheinlich in genau dieser Position mit Leim und Metall fixiert wurden, drückt auf einen kleinen roten Knopf neben der Tür und weist sich aus. Mit einem freundlichen „Willkommen Mr. Freeman“, springt die Tür auf und gibt den Blick frei auf ihr jämmerliches Innenleben. Tisch, Stühle, Kamera. Seit meinem letzten Besuch hat sich nichts verändert. Harleen steht in einer Ecke, meine Akte fest umklammert. Sie wirkt aufgewühlt, als versuche sie verzweifelt, die Fassung zu bewahren. Ein absurdes Kichern klettert über meine Lippen, als ich den Kopf sinken lasse. Haare vernebeln mir die Sicht. Man stößt mich nach vorne, drückt mich auf einen der Metallstühle. Viel mehr ist es ein Hocker. Noch immer grinsend beiße ich die Zähne zusammen, wissend, dass ich es sein werde, der diesen Männern für dieses herabsetzende Verhalten eines Tages die Augen aus dem Schädel schneiden und ihnen zum Frühstück servieren wird. Einer der beiden macht sich an meinen Handgelenken zu schaffen, und mit einem leisen Klicken werden mir die Handschellen abgenommen. Beinahe irritiert werfe ich einen kurzen Blick nach hinten, doch die beiden haben sich schon aus dem Raum gestohlen. Surrend fährt die Tür zu, und lässt Harley und mich allein hier zurück. Meine Hände füllen sich mit Blut, und ich lache. Die Taubheit weicht einem kaum zu ertragenen Kribbeln, dennoch verziehe ich keine Miene, verschränke die Arme auf dem Tisch und inspiziere meine Umgebung. Seit meinem letzten Aufenthalt hier haben einige der Metallplatten Rost angesetzt. Die Luft ist kalt, scheinbar haben sie die Klimaanlage eingeschaltet – ich kann nicht sagen, was für ein Wetter es ist in Gotham, habe ich seit gut fünf Monaten kaum echtes Tageslicht zu Gesicht bekommen. Der beißende Gestank ätzender Reinigungsmittel kriecht mir in die Nase. Wunderbar, Harvey, knurrt eine Stimme in meinem Kopf. Hast du mal wieder nicht an dich halten können. Schweigend reibe ich mir die Handgelenke, die von roten Rändern umschlungen sind. Sie schmerzen, wenn auch nicht sonderlich. Dann wandern meine Augen hinüber zu Harley. Mein Puls beschleunigt, wenn auch nur schwach. Ich kann nicht zuordnen, warum, ignoriere es, und mustere sie von oben bis unten, sauge die Informationen gieriger auf, als ich es von mir gewohnt bin. Wie auch sonst trägt sie ihr Haar zu einem festen Knoten hochgesteckt – der Sicherheit wegen, bemerkte sie vor ein paar Wochen – die dicke, schwarze Brille ruht auf ihrer Nase. Schwarze Absatzschuhe, ein kurzer Rock, eine ausgeschnittene Bluse. Eine Frau, die sehr wohl weiß, was sie hat, und sich nicht davor scheut, diese Reize auch zu ihrem Vorteil auszunutzen. Ihre Fingernägel bohren sich in die Pappe meiner Akte, als würde dies Schutz bedeuten. Sie wirkt abwesend, doch als sie meinen Blick bemerkt, läuft sie rot an. Ein breites Grinsen erscheint auf meinem Gesicht, beinahe lache ich los, während ich mit den Fingerspitzen über die raue, angekratzte Oberfläche des Metalltisches fahre. Höchstwahrscheinlich ist dieser Tisch so alt wie das Gebäude selbst. Da Harley keinerlei Anstalten macht, sich aus ihrer Kaninchenstarre zu lösen, ist es an mir, das Schweigen zu brechen. „Harley Quinn“, schmunzele ich, und kann sehen, wie sie erleichtert aufatmet. Mein Schmunzeln wird breiter, entblößt ein paar Zähne. „Verbringen wir unsere kleine Therapiestunde im Stehen oder lässt du dich endlich dazu herab, dich zu mir zu setzen?“ Ich kann sehen, dass ihre Augen einen weichen Schimmer bekommen, die Schultern verlieren ihre Spannung. Langsam lässt Harley die Akte sinken, während ein kokettes, breites Strahlen auf ihrem Gesicht erscheint. Dann schleicht sie sich mit kleinen Schritten an den Tisch heran und legt, mich nach wie vor ansehend, ihre Arbeitsutensilien auf den Tisch. Erst dann nimmt sie Platz. Schlägt alles auf, ordnet die Gegenstände, die sie gleich benötigt, so vor sich an, dass sie jederzeit griffbereit sind. „Wie geht es uns heute, Mister J?“, flötet sie und greift in eine Tasche ihres Kittels. Zum Vorschein kommt ein in Klarsichtfolie eingepacktes Sandwich, dass sie mir, den Kopf, schmunzelnd, auf der linken Handfläche abgestützt, über den Tisch reicht. Positiv überrascht, doch mit steinerner Miene, nehme ich es an und befreie es aus der Verpackung. Ich werde es jetzt essen müssen, die Patienten des Traktes werden zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit nach verbotenen Gegenständen gefilzt. Schweigend blicke ich auf das helle Toastbrot und hebe den Blick. Zufrieden lächelt Harley mich an. „Ein bisschen Proviant für unsere eigene kleine Party, Mister J – ich denke nicht, dass das Krankenhausessen sonderlich schmackhaft ist. Oder irre ich mich etwa?“ „Vergiss die Party, Harley. Das wichtigste hast du vergessen“, erwidere ich trocken, wenn auch Lächeln meine Mundwinkel umspielt, und schiebe mir eine Ecke, die ich zuvor abgebrochen habe, in den Mund. Pute, Salat. Mayonnaise. Die Kleine scheint Haushaltsqualitäten mitzubringen. Ihr Lächeln entgleist etwas, als sie meine Antwort aufgenommen hat. Irritiert hebt sie den Kopf. „Was?“ „Die Partyhüte, Harley.“ Sie kichert, heiter, ein wenig verlegen, beugt sich ein paar Zentimeter nach vorne und sieht mich an. Ihre Miene ist heiter, sie macht den Eindruck, als wäre sie mit der aktuellen Situation mehr als zufrieden. Eine Strähne ist aus ihrer Frisur gerutscht, und wird geschickt mit der Fingerspitze zurück hinter ihr Ohr befördert. Schweigend sieht sie mir einige Sekunden beim Essen zu, ehe sie antwortet. „Partyhüte in einer Psychiatrie würden mich unweigerlich an die verrückte Teegesellschaft von Alice im Wunderland erinnern.“ „Vielleicht bin ich ja der Mad Hatter“, murmele ich schmunzelnd, ehe ich mir über die Unterlippe lecke, und ein leises Räuspern meine Kehle verlässt. Mit den Fingerspitzen löse ich ein weiteres Stück von ihrem Sandwich. Es ist gut. Besser als der Fraß, den sie uns hier vorsetzen. Um Längen besser. Als ich mich selbst als Mad Hatter bezeichne, fangen ihre Augen an zu leuchten. „Und wer soll ich sein, Mister J? Das weiße Kaninchen etwa?“ Schwach schüttele ich den Kopf, leise lachend. Ich schiebe mir den Rest ihres Mitbringsels in den Mund und räuspere mich anschließend, die passende Antwort schon auf den Lippen. Ich schlucke die Masse hinunter und beuge mich ein wenig hinüber zu ihr. Die Fußfesseln schnüren mir die Gelenke ab. Die nach Anerkennung hungernden Packesel des Systems sind so unbeherrscht, so tief in ihrer selbst auferlegten Hierarchie, dass sie nicht davor zurückschrecken, ihre Komplexe auf jemanden zu richten, der vermeintlich den Verstand verloren hat. Ich ziehe die Beine an den Stuhl und platziere die Füße unter dem Tisch. Räuspere mich erneut, und zeuge mit dem Zeigefinger auf sie. „Nein“, bringe ich kehlig hervor, geprägt von einigen unwillkürlichen Glucksen. „Neinneinneinnein, Harley. Du nicht. Wenn es, in diesem netten, kleinen Kinderbuch, das von einem pädophilen Mathematiker geschrieben wurde, eine Person gibt, die man auf dich beziehen könnte, dann Alice. Du bist Alice.“ Harley greift nach ihrem Notizblock und schreibt einige wenige Dinge darauf. Dann hält der Stift inne, und ihr Gesicht befindet sich wieder auf Augenhöhe zu meinem. „Warum Alice?“, fragt sie, lehnt sich ein wenig zurück und zieht die lange Nadel aus ihrem blonden Haar, während sie auf eine Antwort wartet. Der Knoten löst sich, die Strähnen fallen ihr bis über die Schultern. Anschließend nimmt sie ihre Brille ab, die mehr Zierde als Zweck ist, und legt sie neben ihre Schreibutensilien auf den Tisch. Fort ist die Maskerade. Sagt „Hallo“ zu Harley Quinn. Schweigend sauge ich alles in mich auf, lecke mir über die Lippen, öffne und schließe den Mund geräuschvoll. Dann, als ihr Blick dringlicher zu werden scheint, erlaube ich mir eine Antwort. „Da steigt Alice, gefüllt mit den Regeln, Erwartungen und Werten ihrer durchgeplanten Welt ahnungslos durch den Spiegel und was passiert? Alles, was sie in ihrem kurzen und, sagen wir, unbedeutenden Leben gelernt hat, erweist sich als nutzlos. Wunderland braucht keine Tricks. Nein. Nein, nein, nein. Harley, das Wunderland ist Mensch gewordenes Chaos. Selbst wenn es grotesk wirkt, so funktioniert es. Es organisiert sich selbst. Es ist fair. Jemand, der versucht, dieses Leben mit logischem Denken und Prinzipien zu meistern, ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Sieh mich an Harley, sieh mich an. Ich bin kein Mensch, der großartig plant. Wenn du nichts auf die Regeln gibst, und nicht nach ihnen spielst, wird dir niemand etwas tun. Menschen in ihrer Befangenheit sind alles andere als Undurchschaubar.“ Aufmerksam hört sie zu, notiert alles, was ich sage, und das ihr wichtig erscheint, auf dem kleinen Block vor ihr. „Das ist meine erste Sitzung ohne Handschellen“, füge ich hinzu, hebe die linke Augenbraue etwas an und deute mit meinem Blick an, dass es offensichtlich ist, dass sie dort ihre Finger mit im Spiel hat. Harley lächelt, als habe sie nur darauf gewartet, dass ich ihr diese Frage stelle, und streicht sich mit den Fingerspitzen durch das blonde, leicht lockige Haar. „Sagen wir einfach, ich habe Jeremiah Arkham ein wenig um die Finger gewickelt, Mister J. Ich habe ihm gesagt, dass Patienten, die sich nicht inhaftiert fühlen, eher zur Kooperation neigen, als umgekehrt.“ Ich lache. „Wenn jemand im falschen Beruf gelandet ist, dann er.“ Schweigend rutsche ich noch ein wenig weiter nach vorne, mein Gesicht befindet sich nun nahezu in der Mitte der Tischplatte. Ich meine, ihre Körperwärme spüren zu können, weiß jedoch zugleich, dass es sich lediglich um eine Illusion handelt. Dort ist nichts, dass ich wahrnehmen könnte. „Da ist jemand durchtriebener, als ich angenommen habe. Der Raum ist überwacht?“ „Lediglich zu dienstlichen Zwecken. Bei Handgreiflichkeiten gehen die Tapes an die Klinikleitung, ansonsten bleibt alles in meiner Schublade. Ich sagte doch“, und dabei berührt sie versehentlich meine Hand. „Das hier wird unsere eigene kleine Party, Mister J.“ Ein dünnes Schmunzeln erscheint auf meinen Lippen, als ich meine Hand von ihrer zurück ziehe. Ein warmes Kribbeln verbleibt und will nicht gehen. Harley befindet sich längst auf meiner Seite des Glases, auch, wenn sie davon noch nichts weiß. Ihr Verhalten ist dem einer Psychiaterin weit entfernt, und ich bin mir sicher, dass ihr die persönliche Ebene, auf die sie sich mit mir begeben hat, durchaus bewusst ist. Ihr ist klar, was sie tut. Ihr ist klar, dass sie ihre Karriere aufs Spiel setzt, um Zeit – warum auch immer – mit mir zu verbringen. Ich bin mir nicht sicher, was genau sie zu mir treibt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eben dies bald erfahren werde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)