Via Inquisitoris von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 13: London ------------------ Sarah erwartete Frances vor Morgengrauen am King´s Cross Bahnhof. Als die schottische Vampirin den Nachtzug verließ, sah sie sich kurz um, lächelte dann und kam heran. „Lady Sarah…“ „Frances, ich freue mich, dass Sie kommen konnten.“ „Oh, das klang verlockend, einen neuen Computer kaufen zu dürfen.“ Sie erwähnte wohl besser nichts davon, dass Sir Angus, ihr Meister, zusätzlich gemeint hatte, man solle einer Mitarbeiterin des Inquisitors ruhig einen Gefallen tun. „Ich müsste natürlich wissen, was Sie später damit anfangen wollen – und was Sie bislang für einen Telefonanschluß haben.“ „Das werden Sie wohl mit Thomas besprechen müssen, unserem Butler. Der kümmert sich um alles, was Strom führt. – Kommen Sie.“ „Danke.“ Frances folgte Sarah hinaus zur U-Bahnstation. „Äh….natürlich müssten Sie mir auch in etwa den finanziellen Rahmen sagen.“ Sie wollte schließlich nicht, dass sich ihre englische Artgenossin beleidigt fühlte. „Ich denke, dass das schon reichen wird.“ Frances schwieg dazu, aber sie verstand, als sie das Haus der Buxtons sah. Auch hier war sicher sehr altes Geld mit im Spiel, wie bei ihrem eigenem Meister, Sir Angus. Sarah sah zu ihr: „Darf ich Ihnen Thomas vorstellen? Er ist unser Butler. Thomas, Frances Douglas.“ „Gute Jagd, Miss Douglas. Darf ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen?“ „Gern. – Danach besprechen wir das mit dem Computer, Lady Sarah?“ „Ja. Thomas, Sie sollten dabei sein, wegen der Strom- und Telefonanschlüsse.“ „Sehr wohl, Mylady. – Darf ich, Miss Douglas?“ Frances war ein wenig irritiert, ließ ihn dann aber ihren Koffer tragen. Zuhause war sie für alle Haushaltspflichten zuständig. Sarah sah ihnen kurz nach, wie sie die Treppe empor gingen, ehe sie am Arbeitszimmer des Hausherrn klopfte. „Komm nur herein, mein Kind.“ „Verzeih, wenn ich dich noch störe…“ „Schon gut. Es ist zwar nach Sonnenaufgang, aber so müde bin ich doch noch nicht. Miss Douglas ist eingetroffen?“ Seine Lordschaft würde nie die Höflichkeit gegenüber Besuchern außer Acht lassen: „Ich werde sie dann noch begrüßen.“ Vorsorglich streifte er seinen Hausmantel ab. Er wäre nicht einmal zu seiner Menschenzeit unaufmerksam zu Gästen gewesen. „Ja. Wir werden uns gleich an die Arbeit machen. Ich möchte dich allerdings noch schnell etwas fragen. Was bedeutet der Begriff Jäger der Jäger?“ Er starrte sie an, sagte dann: „Wo hast du denn das her? Nun, es ist ein Ehrentitel des Kadash. Nicht jedes, sondern genauso genommen nur deines direkten Vorgängers. Er wurde ihm vor über dreitausend Jahren durch den Hohen Rat verliehen. Und er ging damit sicher nicht hausieren.“ Da er sie so fragend ansah, meinte sie: „Das fiel in einem Gespräch mit Donna Innana. Die Einsamkeit des Jägers der Jäger…“ „Oh, Donna Innana, ich verstehe. Sie hat ja lange Jahrhunderte mit ihm in einem Haus gelebt. Sie waren bis zu seinem Rückzug sehr eng befreundet, da ja weder sie noch er Schüler angenommen hatten. Vielleicht empfand sie den Begriff der Einsamkeit…als unpassend. Als Vorwurf gegen sich.“ „Das wäre möglich, ja. Sie wirkte doch ein wenig betroffen. Danke, Vater. – Ich denke, Frances kommt bereits wieder die Treppe hinunter.“ Lord John erhob sich: „Dann begrüße ich sie noch, ehe ich mich in mein Zimmer zurückziehe. Geht ihr dann diesen Computer einkaufen?“ „Ja, sobald sie und Thomas wissen, was hier im Haus mit dem Strom ist.“ „Das überlasse ich ganz euch. Du hast ja deine Karte.“ „Ja.“ Sie vermutete, dass er bei diesen Kreditkarten eines der ersten Mitglieder gewesen war. Er meinte, es sei ungemein praktisch, und nach ihren Ausflügen nach Mexiko und Italien musste sie zugeben, dass es das war – zumal das Konto ihres Vaters ihr zur freien Verfügung stand. Sie hatte es noch nie ausgenutzt, aber sie vermutete, dass seine Ersparnisse recht umfangreich waren. So standen drei Vampire nach kurzer Diskussion gleich nach der Öffnung in einem Elektronikladen und Frances suchte unter den Angeboten. Ein junger, männlicher Verkäufer, der die scheinbar nur wenig ältere Dame irrtümlich für eine Anfängerin hielt, wurde rasch eines Besseren belehrt und empfahl merklich höflicher einige Computer. Schließlich fand einer Gnade vor den Augen der Schottin, aber sie wandte sich freundlich um: „Lady Sarah, ich würde Ihnen diesen hier empfehlen. Und natürlich dort an der Theke noch Ihren Internetanschluss zu bestellen. Je schneller, desto besser, für Ihre Zwecke, will mir scheinen.“ „Ja, danke.“ Ihre Zwecke? Aber dann fiel Sarah ein, dass Frances sie ja für eine Mitarbeiterin des Kadash hielt. Umso besser, dann brauchte sie nicht viel erläutern, was sie da eigentlich tat oder tun wollte. „Wie lange dauert es, bis so ein Anschluss installiert wird?“ „Ich fürchte, sicher eine Woche.“ „Dann habe ich Zeit, den Computer kennen zu lernen, von Ihnen zu lernen.“ „Das sicher. – Ich werde ihn zunächst einmal installieren, also, vorbereiten. Dann können wir uns heute Abend an die Arbeit machen.“ „Ja, einverstanden.“ Und da der Verkäufer den Computer hilfsbereit zur Kasse trug, so nicht mehr zuhören konnte: „Nach der Jagd.“ „Das ist nett.“ Frances war nie zuvor in London gewesen und hätte nicht gewusst, wo man unauffällig auf die Jagd gehen konnte. Mit einer einheimischen Vampirin wäre dies einfacher. „Gut. Dann bestellen wir noch diesen Anschluss. – Oh, und ich brauche noch ein Handy.“ „Da kenne ich mich aus, Mylady“, erklärte Thomas sofort: „Aber das können wir gemeinsam mit dem Internetanschluss klären. Da gibt es dann bessere Rabatte, soweit ich weiß.“ Er handelte überaus gern und gut – wie so mancher menschliche Handwerker im Haus der Buxtons in den letzten Jahrhunderten seufzend bestätigt hätte. „Das überlasse ich ganz Ihnen.“ Sie würde nur bezahlen, was die beiden Spezialisten kauften. Zurück im Haus der Buxtons zog sich Sarah auf ihre Zimmer zurück, während Frances bereits begann, den gekauften Computer auszupacken und zu installieren, was auch immer dies im Einzelnen bedeuten mochte. Wozu man wohl diesen Scanner benötigte, der angeblich auch noch ein Drucker war? Seltsamerweise waren die Gedanken der jungen Inquisitorin nicht gerade lange bei dieser wohl recht hilfreichen, Maschine sondern bei einem ganz anderen Punkt. Jäger der Jäger. Ein Ehrentitel ihres Vorgängers. Warum war Donna Innana dann so schockiert gewesen, als sie ihn beiläufig erwähnt hatte? Sie selbst hatte diesen Ausdruck von Maestro Cacau gehört, der auch dazu gemeint hatte, dass dieser einsam sei. Sie hatte das allgemein auf das Amt des Kadash bezogen, aber das war wohl falsch gewesen. Auch Maestro Cacau war im Rat gewesen, wie Donna Innana, beide waren mit ihrem Vorgänger befreundet. Hatte das irgendetwas miteinander zu tun? Innana hatte sogar ja anscheinend Jahrhunderte in seinem Haus gelebt. Mehr als Freundschaft war bei Vampiren auszuschließen – aber da entstand doch sicher eine recht enge Beziehung. Hm. Sie war ihre Ausbilderin gewesen, gemeinsam mit Lord John….hatte sie womöglich sie, Sarah, dem Kadash empfohlen, da sie über diese besonderen Fähigkeiten verfügte? Und war deswegen so peinlich berührt gewesen, weil sie angenommen hatte, sie hätte davon erfahren? Immerhin hatte sich der Vorschlag des damaligen Inquisitors einigen Ratsmitgliedern alles andere als willkommen dargestellt – und wäre dieser von Donna Innana gekommen, wäre es leichter gewesen, ihn abzulehnen. Überdies, wie hatte Vater gesagt: weder Innana noch der ehemalige Inquisitor hätten je Schüler angenommen? Aber warum hatte sich Donna Innana dann bereit erklärt, sie auszubilden? Weil sie Lord John einen Gefallen tun wollte, der ja auch nur Thomas als „Kind“ aufgenommen hatte? Oder wegen dieser Fähigkeiten, die kein anderer Vampir besaß? Ihre eigene unbekannte Vergangenheit würde sie wohl kaum je ganz ruhen lassen, erkannte Sarah seufzend. Und das, wo sie sich doch weitaus wichtigeren Problemen gegenüber sah. Sie setzte sich auf und betrachtete ihr neu erworbenes Handy, ehe sie ihr Notizbuch suchte und eine Nummer wählte. „Inspektor Cuillin, ich bin es, Sarah Buxton. Guten Tag.“ „Ah, Sie haben Ihr neues Handy. Schön. Ich speichere Ihre Nummer. Gut, dass Sie anrufen. Ich bin etwas böse auf Sie.“ „Warum?“ Sie war ehrlich erstaunt. In seiner Stimme lag ungewohnte Schärfe. „Ich habe recherchiert. In der Tat sind in einigen Ländern bereits derartige Sektenmorde vorgekommen. Immer im Namen irgendeines lokalen, manchmal uralten Gottes, der in allen dieser Fälle Blutopfer wollte.“ Er schien Luft zu holen, ehe er deutlich lauter fortfuhr: „Verdammt, Lady Sarah: Was Sie da haben, ist ein Hinweis auf einen Massenmord. Sie können nicht der Polizei Informationen vorenthalten, die Sie wissen.“ „Aber ich weiß doch nichts, Mr. Cuillin“, beteuerte Sarah, der Wahrheit gemäß. „Ich wusste ja nicht einmal, ob meine vage Vermutung den Tatsachen entsprach, dass das schon öfter passiert ist. Ich habe nur diesen einen mit angehörten Halbsatz, den ich Ihnen bereits sagte und wilde Vermutungen, die ich auf dem Rückflug von Mexiko anstellte.“ Sie atmete durch: „Und ich kann Ihnen versprechen, dass ich Ihnen alles sage, was zu einer Verhaftung führen kann. Ich bin wirklich nicht daran interessiert, dass da Verrückte herumlaufen und Menschen erst um ihr Geld und dann ihr Blut bringen.“ „Ich werde Ihnen einmal glauben.“ Er klang beruhigter. „Ich bin immerhin nach Brüssel gekommen…“ wandte sie ein. „Ja, das spricht für Sie. Aber ich muss zugeben, dass mir das Szenario überhaupt nicht passt. Ich werde mit meinem Chef darüber reden. Vielleicht bekomme ich die Erlaubnis, selbst weiter zu recherchieren, vielleicht auch ein Kollege.“ „Sie wären mir lieber“, erklärte Lady Sarah prompt. „Danke“, meinte der Inspektor unwillkürlich: „Sie hören von mir.“ „Danke.“ Sie hätte ihm um ein Haar Gute Jagd gewünscht: „Wenn ich etwas herausfinde, das für Sie für eine Verhaftung nützlich ist, werde ich es Ihnen sagen.“ „Das ist ein Wort. Auf Wiederhören.“ Sarah legte auf. Hu, daran hatte sie zuvor gar nicht gedacht. Aber Kenneth Cuillin war ein fähiger, engagierter Polizist – natürlich würde er bei einer solchen Sache auch selbst ermitteln wollen. Womöglich wäre das gar nicht schlecht. Es würde doch anderes an die Sache herangehen als sie selbst. Und wer wusste schon, ob sich der Vampir, der möglicherweise dahinter steckte, nicht nur gegen den Inquisitor vorgesehen hatte – und nicht mit menschlicher Polizei rechnete? So oder so wäre eine Zusammenarbeit sicher nicht nur möglich sondern äußerst sinnvoll. Als Thomas höflich an Sarahs Tür klopfte, war er ein wenig zerknirscht. Sie merkte es: „Was ist passiert?“ „Ich habe bedauerlicherweise zuviel geredet, Mylady.“ Das konnte sie sich zwar kaum vorstellen, fragte aber: „Nun?“ „Ich hatte nicht angenommen, dass Miss Douglas nicht über die Stellung Eurer Ladyschaft informiert wäre…“ „Und Sie haben ihr gesagt, dass ich der Inquisitor bin?“ „Ja.“ „Schade, aber nicht zu ändern. War sie sehr überrascht?“ „Ja. Und, würde ich sagen, fast erschrocken.“ „Dann werde ich erst noch mit ihr reden, ehe ich mit ihr auf die Jagd gehe. Ist sie noch beim Computer?“ „Ja. Ich werde die Damen dann bei Seiner Lordschaft entschuldigen. – Er wollte heute auch jagen, “ fuhr er erklärend fort. Es geschah durchaus, dass Lord John Tage das Haus nicht verließ. „Danke, Thomas.“ Sarah ging hinunter und ohne anzuklopfen in das Zimmer. Frances fuhr fast erschrocken herum: „Ich...ich bin noch nicht fertig.“ Das klang schon mehr als entschuldigend. Sarah lächelte darum auch: „Natürlich nicht. Sie erwähnten ja, dass das Zeit in Anspruch nimmt. Gehen wir jagen? Danach würde ich gerne anfangen zu lernen.“ Und jetzt der unangenehmere Teil: „Thomas hat Ihnen erzählt, dass ich der Kadash sei?“ Frances zuckte ein wenig zusammen. Diesen alten – und durchaus beängstigenden - Ausdruck verwendete Sir Angus eigentlich nie: „Ja.“ Sie wirkte tatsächlich eingeschüchtert. Etwas zerknirscht meinte Sarah: „Wollen Sie mich etwas dazu fragen?“ „Darf ich? Sie…Sie sehen so jung aus, aber das ist natürlich immer nur das Alter der Verwandlung. In Edinburgh sagten Sie mir jedoch, dass Sie Anfang des 19. Jahrhunderts Mensch gewesen sind. Ich dachte…ich dachte, der Inquisitor sei ein mächtiger Vampir. Ich meine…oh, entschuldigen Sie….“ Frances wäre am liebsten im Erdboden versunken. „Nun, mein Vorgänger war ein sehr alter und mächtiger Vampir, der sich jetzt zurückgezogen hat. Aber ich verfüge über gewisse Fähigkeiten, die…“ Sie brach ab. „Die kein anderer besitzt?“ ergänzte die Schottin nach einer Pause: „Danke. Ich verstehe, dass Sie nicht darüber reden wollen oder auch dürfen, Lady Sarah. Lassen Sie es mich so ausdrücken: ich wäre froh, diese Fähigkeiten nie in Aktion zu sehen.“ „Ja, danke.“ Die Gastgeberin lächelte wieder etwas: „Dann fahren wir ein wenig U-Bahn. Kennen Sie die „London Dungeons“?“ „Ja, das gibt es in Edinburgh auch. Dort werden, sehr realistisch, glaube ich, Pest und Hinrichtungen und so etwas nachgestellt. Für Menschen der heutigen Zeit wohl sehr gruselig und erheiternd. Sie haben das schließlich nie selbst erleben müssen.“ „Ich meinte auch nicht, dass wir in dieses merkwürdige Etablissement gehen“, entschuldigte sich Sarah: „Aber wenn die Menschen dort hinauskommen, achten sie oft nicht mehr auf ihre Umgebung und sind leichte Beute. Überdies: wenn doch jemandem etwas auffällt und er sagt, wo er vorher war, wird ihm niemand glauben. - Aber wir können auch gern woanders hingehen. Wir müssen nur außerhalb der Kameras bleiben.“ „Kameras?“ „Fast ganz London – also, die Innere Stadt - wird zum Schutz gegen Überfälle von Kameras erfasst.“ „Oh. Aber Sie wissen, wo sie sind.“ „Natürlich. Das hat die Jagd ein wenig erschwert, aber man kann ja auch weiter hinaus fahren – oder eben aufpassen.“ „Natürlich. Gut. Dann gehen wir, Inquisitor…“ „Sagen Sie Sarah.“ „Danke.“ Drei Stunden später waren die beiden Vampirinnen zurück – fast gleichzeitig mit Lord John. Dieser nickte: „Gute Jagd, meine Damen. Nun, wie ich sehe, hattet ihr sie bereits.“ „Gute Jagd, Lord John.“ Frances lächelte: „Auch Sie.“ „Dann machen Sie sich nun mit Sarah an diesem Computer an die Arbeit, Miss Douglas?“ „Ja. – In ungefähr sechs Tagen soll der Internetanschluss frei geschaltet werden. Bis dahin werde ich versuchen, Lady Sarah möglichst viel zu erklären.“ „Danke. – Ich bin mir für so etwas zu alt. Meine Lederfolianten haben einen…sagen wir, angenehmeren Geruch. Aber es ist schön, muss ich zugeben, wenn Vampire mit der Zeit gehen.“ Er neigte ein wenig höflich den Kopf, ehe er sich in sein Arbeitszimmer zurückzog. Frances sah zu ihrer Gastgeberin: „Dann kommen Sie.“ „Ja. Ich fürchte, Sie werden bei mir bei Null anfangen dürfen.“ „Das macht ja nichts. Wir haben einige Nächte Zeit. Und außerdem – es ist eigentlich wie eine Bibliothek.“ „Ja, das erwähnten Sie schon in Edinburgh.“ „Gut. Dann zeige ich Ihnen zunächst die Hardware…das ist alles, was man sehen und anfassen kann, ehe wir weitergehen.“ „Danke. Das überlasse ich ganz Ihnen, Frances. Sie sind die Spezialistin.“ Zwei Abende später klingelte es bei den Buxtons. Sarah hörte, wie Thomas höflich die Gäste begrüßte – und sie erkannte zumindest eine Stimme. „Entschuldigen Sie mich bitte, Frances. Wir scheinen hohen Besuch zu haben.“ „Natürlich.“ Während Sarah in die Vorhalle trat, sah sie, dass sie sich nicht getäuscht hatte: Ikol, ein Mitglied des Hohen Rates, und ein weiteres. Kai, hieß er, was in seiner Heimatsprache, dem Keltischen, Metall bedeuten sollte, wenn sie sich recht entsann. „Gute Jagd“, grüsste sie höflich: „ Willkommen in London.“ „Danke, Inquisitor“, erwiderte Kai prompt, während Ikol sagte: „Auch Ihnen gute Jagd, Lady Sarah. Allerdings führt uns unser Weg zu Lord John. – Nichts gegen Sie persönlich, aber es ist keine Angelegenheit für den Kadash sondern für einen Wissenschaftler.“ „Natürlich.“ Sie mochte Ikol nicht sonderlich, aber sie konnte ihm beim schlechtesten Willen keine Unhöflichkeit ihr gegenüber verwerfen – nachdem er akzeptiert hatte, dass sie am Leben bleiben sollte. „Lord Johns umfangreiche Bibliothek…“ ergänzte Kai mit entschuldigendem Lächeln: „Ikol meinte, er könne mir weiterhelfen.“ „Ich hoffe.“ Der Hausherr war in die Halle gekommen, wie immer in schwarzer Hose und weißem Hemd mit Rüschen am Hals, wie es zu Beginn des 19. Jahrhunderts üblich gewesen war: „Gute Jagd den Mitgliedern des Hohen Rates. – Bitte, folgen Sie mir in mein Arbeitszimmer. Ich vermute, Sie kamen heute noch nicht zur Jagd? - Sarah, wärst du als Dame des Hauses so freundlich, unseren Gästen eine Erfrischung zu besorgen?“ Solch hohen und wertgeschätzten Gästen gegenüber wäre es doch fast unhöflich gewesen, das Essen vom Butler servieren zu lassen, die Stellung der Haustochter als Inquisitor hin oder her. „In der Tat, das wäre nett.“ Kai nickte: „Wir sind heute erst aus Deutschland hergeflogen. Dort war eine große Keltenausstellung. Nun ja…“ Er zuckte ein wenig die Schultern: „Aber sie werden immer besser. – Wie Sie wissen, Lord John, bin ich ja Schmied, an allen Waffen interessiert…“ Die drei gingen in das Arbeitszimmer des Hausherrn. Sarah zuckte fast ebenfalls die Schultern. Stimmt, das hatte ihr Donna Innana einmal erzählt Kai war ein Waffennarr. Er sammelte alles, was es in Richtung Dolche, Schwerter und ähnlichem je gegeben hatte – und baute es möglichst originalgetreu nach. So drehte sie sich zum Butler um: „Ich hoffe, wir haben noch Blutvorräte?“ „Ja. Wie Sie wissen, arbeitet ja Belena dort….“ „Ja.“ Sie war eine Vampirin, eine alte Bekannte Lord Johns. Er hatte einmal scherzhaft gemeint, er kannte sie schon, als er noch kein Lord war. Und sie versorgte seit langer Zeit die Vampire Londons mit Blutkonserven – früher in Form von Menschen, heute in Plastiktüten. Sarah gab zu, dass dies wohl auch für die Menschen angenehmer war. Allerdings hatte das der Vampirin den Spitznamen „Blutbank-Belena“ eingetragen. „Dann holen wir etwas für unsere Gäste.“ „Natürlich, Mylady.“ Als Sarah mit dem Tablett, auf dem drei Becher mit Blut standen, wieder in die Halle kam, klingelte es erneut. Sie fuhr fast zusammen. Besucher waren so häufig nicht – und dann gleich zwei an einem Abend? Thomas eilte an ihr vorbei: „Ich öffne schon, Mylady….“ Er tat dies und starrte ein wenig verwundert den großen, eindeutig menschlichen, Mann im Anzug an, der vor der Tür stand, sich nun höflich ein wenig verneigte: „Guten Abend. Mein Name ist Kenneth Cuillin. Ist Lady Sarah zu sprechen?“ ************************* Die oberste Regel ist die der Unauffälligkeit? Und jetzt, Sarah? bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)