Der Weg zum Himmel von Alaiya (空への道 ★ Taichi x Sora x Yamato) ================================================================================ Kapitel 1: Sora e no michi ★ Der Weg zum Himmel ----------------------------------------------- Der Weg zum Himmel Es war ein Sommer, als wir uns trafen, ein warmer, trockener Sommer. Ein Sommer, in dem Staub auf unserem Fußballplatz lag. Es war Sommer, als wir uns trafen. Und es war Sommer, als unser Abenteuer begann. Das Abenteuer jenes Sommers… ♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠ Es war ein Sommer, genau so warm, wie jener Sommer vor acht Jahren. Jener Sommer, der Taichis Leben so verändert hatte. Ein Flugzeug hinterließ einen weißen Kondensstreifen auf dem ansonsten strahlendblauen Himmel, während sich die Sonne auf der weißen Oberfläche des vom Boden aus so kleinen Objektes brach und Taichi blendete. Es war nicht zu warm, obwohl es Anfang Juli war. Momentan waren es vielleicht dreiundzwanzig oder vierundzwanzig Grad Celsius und von der Bucht wehte ein kühler Wind in den Daibapark. Angenehmes Wetter und nichts deutete daraufhin, dass es sich über das Wochenende verändern würde. Das letzte Wochenende – vorerst – das Taichi in Tokyo verbringen würde. „O-nii-san!“, klang die Stimme seiner kleinen Schwester über den Weg, an dessen Seite er im Gras saß und auf die Bucht herübersah. Aus seinen Gedanken aufgeschreckt sah er sich zu ihr um und blickte direkt in die Linse ihrer Kamera. Sie kicherte, als sie zu ihm herüberkam, um ihm das Bild zu zeigen, während Agumon ihr an einem für seine Schnauze viel zu kleinem Eis leckend folgte. „Was träumst du denn am helligten Tag?“, fragte Tailmon, das auf einmal hinter ihm war. „Es ist nichts“, erwiderte er und forschte in Hikaris Gesicht nach einem Anzeichen von Trauer, doch im Moment vermochte er nichts zu finden. Dabei wusste er jedoch, dass es ihr Nahe ging, dass er Tokyo verlassen würde. Jedoch wollte er nicht studieren und irgendwie war es ihm auch zuwider ewig in Tokyo zu bleiben. Was gab es hier schon groß für ihn zu tun, nachdem er nicht einmal mehr Fußball spielte? Vielleicht, so hoffte er, war Hikari bereits über den ersten Schock dieser Nachricht hinweg gekommen. Als er seinen Plan für das nächste Jahr – vielleicht auch die nächsten Jahre – seiner Familie verkündet hatte, hatte seine Schwester drei Tage nicht mehr mit ihm gesprochen und war für diese Zeit, mal wieder, zu Takeru verschwunden. Danach hatte sie das Thema nie wieder angesprochen. „Du träumst schon wieder!“, machte ihn Agumon aufmerksam und gab ihm einen Schlag, der härter ausfiel, als er wohl geplant war, auf die Schulter. „Sorry“, entschuldigte sich der Junge und grinste halbherzig. „Und, wie findest du das Bild?“, fragte seine Schwester erneut. Er sah auf das Foto, das die Digicam auf ihrem kleinen Bildschirm anzeigte und auf dem er recht abwesend aussah. „Hmm…“, kommentierte er daher nur und zog eine Augenbraue leicht hoch. „Hikari-chan!“, erklang eine wohlvertraute Stimme, als Takeru von Patamon gefolgt über die Wiese zwischen den Bäumen des Parks auf sie zugelaufen kam. Er drückte das Mädchen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, als er sie erreichte, ehe er sich Taichi zuwandte. „Sora ist noch nicht da?“, fragte er. Taichi schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr seines Digivices. „Nein, sie hat schon zehn Minuten Verspätung“, stellte er fest, denn mittlerweile war es schon zwanzig vor sechs. Dann sah er wieder zu Takeru. „Und Yamato?“ „Er steckt bei den Wölfen fest“, grinste er verlegen. „Sie haben morgen doch das Konzert und es gibt noch Probleme mit den Anlagen. Ich sollte euch eigentlich ausrichten, dass er so schnell wie möglich nachkommt.“ „Vielleicht ist Sora auch deshalb zu spät“, überlegte Taichi und verzog den Mund. „Wieso ruft mich eigentlich niemand an?“ „Weil Takeru der Bote ist“, meinte Patamon. Da machte sich ein Grinsen auf dem Gesicht des Älteren breit. „Na los, geht schon.“ Er machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand. „Ihr habt ein Date. So spät wird Sora schon nicht sein, also geht.“ Er wollte nicht riskieren, dass die Stimmung wieder sank, nur weil sie hier zusammen warteten. Solange Hikari bei Takeru war, würde sie abgelenkt sein und sich vielleicht nicht so viele Gedanken darüber machen, was wäre, wenn ihr großer Bruder weg war. Außerdem war es ja von Anfang an so geplant gewesen: Hikari und Takeru wollten ins Kino im Aqua-City-Center. Er, Yamato und Sora wollten das letzte Wochenende des ehemaligen Anführers der Digiritter bei einem Imbiss im eigentlichen Einkaufszentrum und dann bei einem Videoabend bei den Takenouchis zu Hause verbringen, da Soras Mutter momentan bei ihrem Vater in Kyoto war und sie daher alle Ruhe der Welt haben würden. Ein Abend zu dritt – beziehungsweise zu sechst, da auch die Digimon dabei sein würden. „Ist das wirklich okay?“, fragte Hikari besorgt. Da legte Tailmon seine Tatze auf ihr Bein. „Mach dir keinen Kopf, Hikari. Du kennst deinen Bruder doch. Wenn er sagt, wir können gehen, wird es schon okay für ihn sein.“ „Genau“, meinte Taichi und zwinkerte ihr zu. „Macht euch einen schönen Abend.“ „Werden wir!“ Takeru hob zum Abschied die linke Hand, während seine rechte bereits die Hand seiner Freundin gefasst hatte. „Komm.“ Etwas unschlüssig wandte Hikari sich schließlich auch zum Gehen. „Bis dann, O-nii-san“, rief sie halblaut, während sie sich entfernten und drehte sich noch zwei Mal zu ihm um, ehe sie schließlich hinter der nächsten Wegesbiegung verschwanden. Taichi legte sich auf den Rücken und sah seufzend zum Himmel. Trotz allem hoffte er, dass Sora bald kommen würde. „Taichi-kun?“ Er blinzelte, als er eine Stimme hörte. „Taichi, wach auf.“ Das war Soras Stimme, erkannte er. Nun schlug er die Augen auf und sah in das Gesicht der Jüngeren, während sie sich eine Strähne ihres rotblonden Haares aus dem Gesicht strich. „Taichi“, maulte nun Agumon und sah ihn mit verschränkten Armen an. „Schlafmütze.“ Sora und Piyomon kicherten, als er sich nun aufrichtete und zum Himmel aufsah, der noch immer blau war. So lange konnte er also nicht geschlafen haben, stellte er fest, ehe er auf sein Digivice sah, um festzustellen, dass es fast sechs Uhr war. „Du bist ganz schön spät dran“, meinte er nun zu Sora. „Entschuldige“, erwiderte sie und hörte auf zu kichern. „Ich war noch bei Yamato, bevor ich hergekommen bin.“ „Ach so…“ Viel mehr wusste er nicht zu sagen, ehe er ganz aufstand, sich einzelne Grashalme von seiner weiten Leinenhose klopfend. Dann herrschte für einen Augenblick leicht betretenes Schweigen, das jedoch nur einen Moment später von Piyomon gebrochen wurde. „Kann ich ein Eis haben, Sora?“, fragte er, da es den Eiswagen am Ende des Weges erspäht hatte. Auch Agumon schien von der Idee begeistert. „Au ja! Ich auch! Taichi, lass uns Eisessen!“ Der Junge seufzte und strich sich durch sein mittlerweile kürzeres Haar, ehe er zu seiner besten Freundin sah und grinste. Dann wandte er sich erneut seinem orangefarbenen Partner zu. „Du hattest doch erst eins.“ „Aber du hattest noch keins“, erwiderte sein Partner. Wieder wanderte Taichis Blick zu Sora, die ihn nur anlächelte. „Komm schon.“ „Okay“, seufzte er. „Ich fürchte, wir haben ohnehin nicht wirklich was zu tun.“ Damit machte er ein paar Schritte in die Richtung des betonierten Platzes direkt an der Bucht, auf dem der kleine Wagen des Eisverkäufers stand, zu und blieb dann stehen, um auf Sora zu warten, während Agumon und Piyomon bereits vorliefen. „Und, wann wird Yamato kommen?“, fragte Taichi. „Er weiß es noch nicht Das Mädchen, das ein hellgelbes Sommerkleid trug, zuckte mit den Schultern. „Er weiß es noch nicht. Sie bauen auch noch die Sachen für morgen auf…“ Ihr Blick wurde ein wenig mitleidig, als Taichi ein Seufzen von sich gab. „Tut mir leid.“ „Du kannst ja nichts dafür“, beruhigte sie Taichi. „Ich meine…“ Noch einmal seufzte er. „Das Konzert ist ja wichtig für ihn.“ Immerhin war es das erste Mal, dass die Teenagewolves nicht nur als Vorband, sondern als Hauptband in einer großen Halle spielten, wenngleich der Weg zum Tokyodom noch weit war. „Aber dieser Abend ist für dich wichtig“, warf Sora ein und sah zu den Inseln in der Bucht. „Ich meine… Ach, er hätte einfach mit mir mitkommen können. Die anderen Jungs hätten es wohl verstanden.“ Daraufhin klopfte ihr Taichi auf den Rücken. „Mach dir keinen Kopf.“ Er lächelte sie an. „Er beeilt sich sicher und dann können wir es uns auch gemütlich machen.“ „Du hast Recht“, erwiderte sie seufzend und ging langsam weiter, während die Digimon bereits am Eisstand standen und dem etwas verwirrten Verkäufer zujubelten, der erfreut schien, die dazugehörigen menschlichen Partner zu sehen, als Sora und Taichi für ihre Digimon bestellten. So ganz hatten sich die Menschen auch in Tokyo noch nicht an die Digimon gewöhnt, von denen immer mehr in der realen Welt lebten. Aber immerhin war ihre Existenz hier mittlerweile anerkannt und schreiend lief selten jemand davon. „Hey“, meinte Taichi, als sie sich nun – jeder von ihnen mit einem Eis – von der Bucht in Richtung des Einkaufszentrums entfernten. „Mach dir keinen Kopf.“ Das Mädchen lächelte halbherzig, so dass Piyomon kurz zu ihm aufsah. „Sora“, zwitscherte es leise, ehe ein Tropfen von seinem Eis auf den Flügel tropfte und es diesen schnell aus seinem Gefieder leckte. Der Himmel war nur noch rot verfärbt, als Taichi und Sora bei dem Meerfamilienhaus ankamen, indem sie und ihre Eltern lebten. Es war mittlerweile halb acht und zuvor hatten sie fast eine Stunde im Einkaufszentrum totgeschlagen, ehe Yamato angerufen hatte, um ihnen mitzuteilen, dass es etwas längern dauern würde. Mittlerweile war auch Taichi nicht mehr so zuversichtlich wie zuvor, dass sein bester Freund noch kommen würde, und so spürte er auch langsam eine Mischung von Wut und Enttäuschung im Bauch. „Wir könnten auch zur Bühne fahren“, schlug Sora vor, während sie die Tür aufschloss. Der Junge zuckte mit den Schultern. „Nein, wir würden wahrscheinlich ohnehin nur im Weg stehen…“ Er sah zum Himmel. „Ach, er kommt sicher noch. Und wenn es neun ist – wir haben immer noch den ganzen Abend.“ „Genau, Sora“, versuchte Piyomon seinen Partner aufzuheitern. „Sei nicht so traurig.“ Daraufhin zwang sich das Mädchen zu einem Lächeln. „Ihr habt Recht“, meinte sie und machte die Tür nun ganz auf, um die drei anderen hinein zu lassen. Kurz warf Taichi ihr einen besorgten Blick zu, bevor er eintrat. Er wusste genau, wie wichtig es ihr war, dass Yamato und er gut auskamen – immerhin war Yamato ihr fester und er ihr bester Freund – und dass sie wahrscheinlich auch sauer war, dass Yamato nicht kam. Ebenso wusste er auch, dass es ihr nicht gefiel, dass er aus Tokyo wegging. Aber davon war keiner seiner Freunde begeistert, denn selbst Agumon fand den Gedanken die Stadt zu verlassen, seltsam. Doch die Dinge würden so oder so nicht ewig so bleiben, wie sie waren… „Ich war ganz schön lange nicht mehr hier“, stellte er fest, als er ins Wohnzimmer der für tokyoter Verhältnisse recht großen Wohnung trat. Sie nickte bloß. „Ja, stimmt.“ Sich weiterhin umsehend seufzte er. „Erinnert mich irgendwie an die Zeit, als du noch im Fußballverein warst“, stellte er dann fest. „Naja, danach warst du schon noch ein paar Mal hier“, meinte sie. Er machte es sich auf dem Sofa bequem, dass mitten in dem rechteckigen und simpel eingerichteten Wohnzimmer gegenüber dem Fernseher stand. „Ja“, murmelte er. „Aber…“ Seine Gedanken schweiften ab, als sich zum Glück Agumon bemerkbar machte. „Hast du etwas zu essen für mich, Sora?“, fragte es. Sie zuckte zusammen, als hätte sie die Anwesenheit der beiden Digimon für einen Moment vergessen. „Oh, sicher… Ich hatte was vorbereitet, wenn ihr wollt…“ „Klingt gut“, erwiderte ihr bester Freund vom Sofa aus und wandte sich ihr zu, um sie anzugrinsen. Sie nickte nur und wandte sich dann um, um in die Küche zu gehen, die im Gegensatz zur Yagami-Wohnung nicht mit dem Wohnzimmer verbunden war, sondern einen einzelnen Raum hatte. Sie öffnete den Kühlschrank, der auf einem Unterschrank in der Küchenzeile stand, und holte einen Teller mit Fleischstückchen heraus, die sie bereits am Mittag in die Soße eingelegt hatte. Eigentlich hatte sie warten wollen, bis Yamato da war, aber wenn die Digimon Hunger hatten und sie selbst nicht wusste, wann ihr Freund nachkam… Da spürte sie, wie Taichi hinter sie trat und ebenfalls in den Kühlschrank lugte. „Was…?“, begann sie, als er ohne ein weiteres Wort zu verlieren eine Dose Bier aus der Kühlschranktür fischte. „Aber Taichi…“ Sie suchte nach Worten. „Das ist von meinem Vater. Du bist noch nicht 21.“ „Ach, wir haben auf Feiern auch schon etwas getrunken“, meinte er. „Du nicht?“ Beklommen sah sie zu Boden. „Sake“, murmelte sie dann. „Aber auf Feiern…“ „Ein Bier wird mich nicht umbringen“, meinte er grinsend. „Und dein Vater wird den Verlust schon verkraften.“ Er öffnete die Dose und schlürfte den herauskommenden Schaum ab, ehe er auf die schon bereitstehende Pfanne sah. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, bot er sich dann an. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, lass nur. Die Küche ist ohnehin zu klein.“ Sein Blick wanderte noch einmal zwischen ihr und der Pfanne hin und her, doch dann seufzte er und ging ins Wohnzimmer zurück. „Sag mir, wenn ich dir doch irgendwie helfen kann.“ „Ja, mach ich.“ Damit wandte sie sich erneut dem Teller mit den panierten Fleischstücken zu und seufzte leise. Irgendwie war ihr nicht ganz wohl, aber warum vermochte sie nicht zu sagen. Es war nur… Es war sehr lange her, dass sie mit Taichi wirklich allein gewesen war. Draußen, ja, öfter, aber nicht allein in einer Wohnung. Auch wenn er ihr bester Freund war. „Sora?“, zwitscherte Piyomon plötzlich neben ihr und ließ sie aus ihren Gedanken hochschrecken. „Warum ist Bier schlimm?“ Sanft lächelnd seufzte das Mädchen noch einmal. „Es ist nicht schlimm… Es kann nur manchmal dafür sorgen, dass man nicht mehr so recht weiß, was man tut.“ Tick, tack, tick, tack… Das Ticken der Uhr, die über der Tür zur Küche hing, war auch neben dem mittlerweile laufendem Fernseher zu hören, wenn man darauf achtete. Sie hatten sich einen Film angesehen und nun lief nur noch irgendeine Comedy-Show auf Fuji TV. Die Uhrzeit, oben in der linken Ecke des Fernsehers, sagte Taichi, dass zehn Uhr bereits rum war und es beinahe schon halb elf war. Und Yamato war immer noch nicht da. Er hatte sich nicht einmal mehr gemeldet. Taichis Blick wanderte auf den Wohnzimmertisch, der mittlerweile ziemlich unordentlich war. Da stand noch der Teller und die Schüssel, auf denen Sora ihnen das Essen, das neben dem Fleisch aus Curryreis und Erbsen bestanden hatte, serviert hatte. Und die Schüsselchen, aus denen sie gegessen hatten. Außerdem lagen dort drei zerknüllte Dosen Bier. Zwei hatte er geleert, eine Sora, die mittlerweile ebenfalls wütend auf ihren Freund war. Sie gab es nicht zu, doch Taichi spürte ihre Anspannung, jedes Mal, wenn ihr Blick zum Flur wanderte. Auf dem Sessel neben dem Sofa saßen ihre beiden Digimon. Agumon schlief schon seit einer halben Stunde, die Klaue auf den vollen Bauch gelegt, und auch Piyomon schien langsam müde zu werden. Und er? Er selbst wusste nicht, was er denken sollte. Das Konzert morgen war für Yamato wichtig, rief er sich immer wieder in Erinnerung. Doch Yamato sollte eigentlich auch wissen, wie wichtig dieser Abend für ihn war. Und der „Abend“ war mittlerweile schon rum. Wieso kam er nicht? Wieso rief er nicht einmal an? Bester Freund? Vielleicht. Er hätte sich melden können. Als der Comedian plötzlich nur noch in Unterhose dastand und eine seltsame Bemerkung darüber machte, griff Sora nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. „Was hast du, Sora?“, fragte Piyomon schläfrig, da es durch ihre plötzliche Bewegung aufgeschreckt worden war. Auch Taichi sah sie verwirrt an. Doch Sora senkte den Blick nur – wollte dem ihres besten Freundes scheinbar ausweichen – und starrte auf die Fernbedienung in ihren Händen. „Es hat doch keinen Sinn“, murmelte sie. „Er wird nicht mehr kommen.“ „Er kommt noch“, erwiderte Taichi überzeugt. Das Mädchen schwieg kurz. „Nur wann…“ Ihre Stimme war bitter und zeugte davon, dass sie wirklich wütend war. „Es ist ihm sicher etwas dazwischen gekommen.“ Warum Taichi seinen besten Freund verteidigte wusste er selbst nicht genau, aber er wollte nicht, das Sora wütend war. Langsam streckte er seine Hand aus, um sie auf ihre zu legen, doch sie stand auf, nahm die Schüssel in der noch Reisreste klebten und ging damit in die Küche. Verwirrt sah er ihr nach. Sein Kopf war nicht ganz klar, aber klar genug, als dass er nun aufstand und ihr nachging. „Sora“, murmelte er. „Es ist schon okay. Ich verstehe…“ „Es ist nicht okay“, rief sie an der Spüle verharrend. „Er hatte es versprochen! Hatte es dir versprochen! Hatte es mir…“ Sie brach ab und sah auf ihre Hände, Taichi immer noch dem Rücken zugewandt. „Er hatte es mir versprochen. Wir wollten noch einmal etwas zu dritt machen…“ Ihre Stimme wurde leiser. „Bevor du gehst.“ Nur ein halber Meter trennte Taichi von ihr, als er auf diese Worte hin stehen blieb und kurz zögerte. „Sora…“ Ohne ihn anzusehen drehte sie sich um und ging ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich auf die Couch fallen ließ, während Piyomon daneben stand und mitleidig zu seiner Partnerin aufsah, wobei es den Kopf schief legte. Und obwohl nur das fahle Licht aus der Küche ins Wohnzimmer drang, als Taichi ihr wieder folgte, sah er bereits als er sich neben die setzte, dass sie weinte. Glitzernde Tropfen liefen ihre Wangen hinunter und fielen dann auf die ihm Schoß gefalteten Hände und das gelbe Kleid. „Sora“, begann er erneut vorsichtig und legte ihr die Hand auf die Schulter. Weswegen weinte sie? Wegen dem Abend? Weil Yamato sein Versprechen gebrochen hatte? Weil sie sauer war? Oder weil er – Taichi – von hier fortging? „Sora“, flüsterte er und rückte näher an sie heran, während Piyomons linker Flügel auf ihrem Knie ruhte. Was sollte er nur sagen? „Wenn ich“, begann er unsicher. „Wenn ich irgendwann an einem Wochenende vorbei komme, können wir den Abend ja nachholen. Es ist nicht so schlimm… Ich meine, ich kann wirklich verstehen, wenn er…“ Doch da unterbrachen ihre leisen Worte ihn. „Es ist nicht fair…“ „Was…“ „Sora…“, flüsterte Piyomon. Da drehte sich das Mädchen zu Taichi um. Noch immer rannen Tränen über ihre Wangen und sie sah ihn mit verzweifeltem Blick an. „Wieso musst du gehen?“ „Aber…“, setzte er an. „Warum gehst du?“ Sie schluchzte und ihre Faust traf halbherzig seine Brust, während er noch immer nach den richtigen Worten suchte. Als er ihr davon erzählt hatte, dass er gehen wollte, hatte sie es so gefasst aufgenommen und nun… „Sora“, murmelte er schon wieder. „Ich kann doch nicht ewig…“ Hier bleiben, wollte er den Satz beenden, wurde aber von ihr unterbrochen. „Warum nicht?“, erwiderte sie mit dem trotzigen Ton eines kleinen Kindes. „Weil…“ Er suchte nach Worten. „Die Dinge verändern sich nun einmal. Ich fühle mich nicht mehr wohl…“, gestand er. Vielleicht reagierte sie so heftig, weil sie angetrunken war. Er wusste es nicht, denn sie hatte immerhin nur eine Dose Bier getrunken. Vielleicht hatte sie die ganze Zeit in sich hineingefressen – wie sie es so oft schon aus Rücksicht getan hatte. Manchmal war sie viel zu rücksichtsvoll. „Ich bin egoistisch“, murmelte sie dann auf einmal. Wieder senkte sie den Blick und sah auf Taichis Brust. „Aber…“, begann sie leise. „Wir waren doch immer zusammen, erinnerst du dich?“ Er schwieg, wie auch Piyomon, das noch immer unsicher neben ihren Füßen stand. „Seid ich in den Fußball verein kam, waren wir zusammen.“ Ihre Stimme wurden von ihrem eigenen leisen schluchzen unterbrochen. „Wir waren immer in derselben Klasse. Haben die Nachmittage zusammen verbracht. Weißt du noch wie oft ich damals bei dir war?“ Natürlich wusste er das noch. Sie waren damals, als sie acht oder neun waren, so oft zusammen mit Hikari zum Spielplatz im Park gegangen. Und in der Schule hatten sie immer nebeneinander gesessen. Sie lachte leise und etwas gequält auf. „Die anderen Jungen haben uns immer geärgert, weißt du noch?“ „Ja“, murmelte er. „Sie haben immer so getan als wären wir ein Paar. Oder Geschwister.“ „Und du hast sie dann immer angeschrieen“, lächelte er matt. Tatsächlich hatten einige ihrer Klassenkameraden in der Grundschule die Theorie aufgestellt, dass sie seelenverwandt wären, da man sie selten ohne den jeweils anderen sah. Aber das hatte sich geändert, als sie auf die Mittelschule gekommen waren. Und das wusste auch Sora. Kurz sah sie ihn noch einmal an, dann lehnte sie den Kopf gegen seine Schulter und verharrte so, während er noch immer zögerte. Schließlich jedoch legte er vorsichtig die Arme um sie, nicht sicher, was er von der Situation halten sollte. Er spürte ihre Wärme, die durch das dünne Kleid drang. Ihr Geruch erinnerte ihn an die Zeit, die sie früher zusammen verbracht hatten. Doch anders als damals, waren sie heute keine Kinder mehr. Ungezwungen miteinander spielen – das war schon so lange her. Sie waren beste Freunde, waren es auch – so kam es ihm manchmal vor – schon immer gewesen. Aber zumindest für ihn war sie mehr als eine gute Freundin und das wusste sie eigentlich auch. Genau deshalb hatte er es nicht mehr gewagt allein zu ihr zu gehen, hatte er weniger mit ihr gemacht, seit sie mich Yamato zusammen war; mit seinem besten Freund. Es war beinahe schon etwas ironisch gewesen, als er es am Heiligabend vor fünf Jahren herausgefunden hatte. Und jetzt? Jetzt fragte er sich einmal mehr, was er für sie war. „Sora“, flüsterte er nach einer gefühlten Ewigkeit und strich über ihren Rücken. „Sora?“ Mittlerweile schluchzte sie nicht mehr, sondern lag einfach ruhig in seinen Armen, als ob sie schlafen würde. Doch das tat sie nicht. Langsam richtete sie sich auf und sah ihn an. „Es tut mir leid“, flüsterte sie dann. „Taichi…“ Was im nächsten Moment geschah wusste er selbst nicht so genau, als sich seine Lippen gegen die ihren drückten. Noch im selben Moment, zuckte er zurück und bereute, was er gerade getan hatte. Sie war Yamatos Freundin. Seine beste Freundin war mit seinem besten Freund zusammen und er hatte sie trotzdem einfach geküsst. „Taichi?“ Das war Piyomon, das wahrscheinlich nicht alles verstand, aber mehr als Agumon je verstanden hätte. „Sora?“ „Es tut mir leid“, war es nun an ihm sich zu entschuldigen. Er wusste, dass das Digimon Sora auch gegen ihn im Notfall verteidigen würde. Immer noch sah sie ihn an, ehe ein reumütiges Lächeln ihre Lippen umspielte. „Es ist okay“, erwiderte sie. „Ist es nicht“, murmelte er und wollte aufstehen. „Ich werde besser gehen.“ „Nein!“ Damit schloss sich ihre Hand um seine und zog ihn sanft zurück, noch bevor er richtig stand. Und er wusste, dass er wirklich gehen sollte, doch trotzdem saß er nun wieder neben ihr und sah sie an, als sie sich zu ihm beugte und ihn nun ihrerseits küsste. Was hatte das zu bedeuten? Obwohl er nicht verstand wanderte seine Hand nun über ihre Schulter und strich kurz darauf, durch ihre Haare, während er den Kuss sanft erwiderte. Er wusste, dass es nicht richtig war und er wusste, dass es nur zu Streit und einem schlechten Gewissen führen würde, doch im Moment konnte er sich nicht dagegen wehren. Zu lange hatte er sich gewünscht, dass sie sich doch so entscheiden würde, dass sie ihn so küssten würde. „Sora, was…?“, erklang Piyomons Stimme noch einmal unsicher. „Yamato ist doch…“ Ihre Lippen lösten sich von Taichis und sie schüttelte seicht den Kopf, ehe sie ihren Digimonpartner ansah. „Es ist so okay. Yamato…“ Ein leises Seufzen entfuhr ihr, während sie traurig lächelte. „Es ist nicht okay“, murmelte Taichi. „Du wirst es bereuen… Du bist dir nicht sicher.“ „Doch.“ Sie sah ihn an. Zwar wollte er ihr glauben, doch er schüttelte den Kopf. „Nein, du bist nicht sicher.“ Bei diesen Worten umschloss er ihre Hände mit den seinen. „Sora… Egal was du jetzt machst, ich werde trotzdem nach Osaka gehen. Und wenn du dich von Yamato trennst, wirst du es irgendwann dann, wenn du einsam bist, bereuen.“ Für eine Weile sahen sie sich schweigend an und ihm wurde klar, dass sie es wusste. Genau so, wie sie wusste, dass es unvernünftig war, und dass sie Yamato liebte. Aber Taichi liebte sie auch – konnte das sein? „Taichi“, flüsterte sie und erneut flossen einzelne Tränen über ihre Wangen. „Er ist dein Freund“, antwortete er, wobei ein Teil von ihm sich dafür hasste. „Du magst ihn sehr. Er ist dir wichtig.“ Er zögerte kurz. „Ich möchte nicht, dass ihr euch meinetwegen streitet.“ „Aber du bist mir auch wichtig“, erwiderte sie ebenfalls zögerlich. „Du bist mir sehr wichtig. Ich brauche dich, Taichi. Ich brauche dich…“ Und erneut trafen sich ihre Lippen. Den Kuss erwidernd wusste der Junge nicht mehr, was er tun sollte. Sein Herz klopfte und er wusste, dass es falsch war, er wusste es so genau… Doch das hinderte ihn nicht daran, sie nun wieder und wieder zu küssen. Seine Hand strich über ihre Wange, die noch immer tränenfeucht war, während ihre Hände durch sein krauses Haar strichen. Auch Piyomon sagte nichts mehr, so dass er es beinahe vergaß. Stand es überhaupt noch neben ihnen? Als er kurz blinzelte konnte er es nicht entdecken und irgendwie verschwand es aus seinem Bewusstsein, wenngleich er froh war, dass Agumon schlief und sie nicht mit Fragen überhäufte. Vielleicht hätte ihn das zur Vernunft gebracht… Doch nun lag er mit ihr auf der Couch und küsste sie noch immer, mittlerweile sicher, dass sie zumindest angetrunken war. Immer und immer wieder versuchte er sich selbst dazu zu drängen, aufzustehen, doch ein Teil seines Verstandes wollte darauf nicht hören. Selbst nicht, als ihre Hände unter sein T-Shirt glitten und es hochschoben. Dabei waren sie nicht einmal allein. Die Digimon waren noch hier, waren immer bei ihnen. Und er nutzte es aus – so kam es ihm vor – das sie gerade sauer war. Vielleicht auch, dass sie angetrunken war. Wieso tat er nicht? Wieso stand er nicht auf? Sie wollte ihm das T-Shirt überstreifen, doch da richtete er sich ein Stück auf. „Hör auf“, flüsterte er. Verwirrt hielt sie inne. „Was ist?“ „Es ist nicht gut so“, erwiderte er leise. „Ich will nicht, dass du etwas machst, was du nicht wirklich willst.“ Ich will nicht die Kontrolle verlieren, fügte er in Gedanken hinzu und wollte sich etwas aufrichten, als sie die Arme um seinen Hals legte. Sie sagte nichts, weshalb auch er erst einmal schwieg und sie dann vorsichtig küsste. Im nächsten Moment schrak er auf, als ein Klicken ihm verriet, dass die Tür zur Wohnung geöffnet wurde und kurz darauf das Licht anging. Sein Verstand schaltete sich wieder vollständig ein, doch es war zu spät um noch irgendwie zu reagieren. Man konnte vom Flur aus ins Wohnzimmer sehen und einen Augenblick später, traf Taichis Blick auf den Yamatos. Diesem folgte Gabumon, das nun ebenfalls stehen blieb, während sein Partner weiterhin zu seinem Freund hinübersah. Im Moment sah er nur Taichi, doch er schien bereits zu begreifen, was gerade geschah. „Was ist los?“, fragte er mit trockener Stimme. „Yamato“, war alles was der andere herausbrachte, während der Sänger näher kam. „Was…“, flüsterte er und war nun auch nahe genug an ihnen heran, als dass er auch seine Freundin sehen konnte. „Sora…“ Taichi setzte sich soweit zurück, dass auch sie sich aufrichten konnte. Keiner von ihnen sagte etwas, weil es nichts zu sagen gab. Noch versuchte er dem Blick Yamatos standzuhalten, doch schließlich sah er weg. „Wieso…“ Yamato bewegte einige Male den Mund, ohne ein Wort hervorzubringen. Es war offensichtlich, dass er nicht glauben konnte oder wollte, was er sah. „Sora… Ich… Taichi, du…“ Dann – plötzlich – trat er auf sie zu und versetzte Taichi einen Schlag ins Gesicht, der diesen vom Sofa warf. Wortlos stand er wieder auf, während nun auch Agumon wieder wach wurde. „Taichi, was ist?“, fragte es schläfrig und scheinbar nicht verstehend was vor sich ging. „Nichts“, murmelte der Junge, als die Wut Yamatos plötzlich ausbrach. „Nicht?“, schrie er. „Du bezeichnest das hier als nichts?“ Er ging auf ihn zu und wollte erneut zuschlagen, doch dieses Mal packte Taichi seine Hand und hielt sie fest. „Yamato, hör mir zu“, brachte er hervor. Doch sein Gegenüber reagierte nicht, sondern riss sich einfach nur los und starrte ihn fassungslos und voller Wut an. „Wieso soll ich dir zuhören? Es gibt nichts zu sagen, oder?“ „Yamato…“, flüsterte Sora und sah ihn an. Für einen Moment änderte sich Yamatos Gesichtsausdruck. „Du warst mein bester Freund, Taichi.“ Damit wandte er sich von ihm ab. Nun war auch Gabumon zu ihnen getreten. „Yamato?“, begann es fragend, als der Junge an ihm vorbeiging. „Wir gehen“, murmelte er dabei und ging zur Tür. Dann öffnete er diese und trat hinaus, ehe die Tür krachend ins Schloss fiel und Taichi, Agumon, Piyomon und Sora allein in der Wohnung zurückließ. Wieder herrschte Stille, denn auch Agumon spürte, dass es besser war nichts zu sagen. Schließlich überwand Taichi sich und schüttelte leicht den Kopf. „Es tut mir leid, Sora…“, flüsterte er und merkte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. „Das hab ich nicht gewollt.“ „Taichi“, begann sie, brachte aber auch nicht mehr hervor. „Es ist besser, wenn ich gehe…“ Die Halle war rappelvoll und Yamato hörte die Rufe der Jungendlichen, die auf die Hauptband warteten. Die auf sie – die Teenage Wolves – warteten. Sie warteten auf ihn. Es war ihr erster Liveauftritt als eine Hauptband – hier, in der Daiba-Halle – und es hatten sogar Plakate an der U-Bahnstation gehangen. Es war eine Ehre, vielleicht ihr erster Schritt zu einem Durchbruch, doch er war sich nicht einmal sicher, ob er einen Ton herausbekommen würde. „Komm schon, Yamato, wir müssen raus“, zischte Akira und klopfte ihm auf die Schulter. Er sah ihn ausdruckslos an, stand dann jedoch auf und griff nach der Gitarre, die neben ihm an der Wand des Aufenthaltsraums hinter der Bühne gelehnt hatte. Pfiffe hallten durch die Halle, als Yamato zusammen mit Akira, Takashi und Yutaka die Bühne betrat, doch er nahm alles nur durch einen nebeligen Vorhang wahr. Er wusste, dass er singen musste. Er wusste, dass er spielen musste. Aber er wusste auch, dass weder Sora noch Taichi hier waren. Seine bester Freund und seine Freundin. Sein ehemaliger bester Freund und sein Exfreundin war wahrscheinlicher. Taichi hatte ihn verraten. Sie beide hatten ihn verraten. Warum? Natürlich hatte er gewusst, dass er sie enttäuschte, weil er zu spät kam. Er hatte ein schlechtes Gewissen seinem besten Freund gegenüber gehabt, der bereits morgen den Zug nach Osaka nehmen würden. Aber eigentlich hatte er gedacht, dass Taichi verstand, wie wichtig ihm das hier war. Wie wichtig war es ihm eigentlich? Er begann die ersten Takte auf der Gitarre zu spielen. Nein, auch wenn er zu spät gekommen war. Das war keine Entschuldigung, für das, was er gesehen hatte. Es gab dafür keine Entschuldigung. Sie hatten ihn verraten, ihn betrogen. Beide. Sora und Taichi. Seine besten Freunde. Doch all das verschwand aus seinem Kopf, als er begann zu singen. „Totsuzen yatte kuru shoutai fumei no fuan…“ Sein kleiner Bruder und Hikari waren hier. Ebenso seine Eltern. Er würde für sie singen und für Gabumon, das hinter der Bühne auf ihn wartete, wenn er keine besten Freunde – keine Freundin – mehr hatte, für die er singen konnte. „Itsumo bokura wo neratteru – Uke uri no chishiki kudaranai joushiki bokura wo madowaseru…“ Es war Sonntagmorgen, fast elf Uhr, als Taichi am Bahngleis stand und auf den Shinkansen nach Osaka wartete. Es regnete. Es hatte bereits in der Nacht angefangen zu regnen. „Taichi“, flüsterte seine Schwester die neben ihm stand, während er sich bereits zu Hause von seinen Eltern verabschiedet hatte. „Es ist okay“, murmelte er und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Ich werde dich besuchen kommen, keine Angst. Ich bleibe ja nicht ewig fort.“ Sie nickte und sah ihn an. „Was ist mit dir?“ „Wieso?“, fragte er. „Du hast geweint“, flüsterte sie. „Und du warst gestern nicht auf Yamatos Konzert.“ Er schwieg. Hikari würde sich nur unnötige Sorgen um ihn machen, wenn er erzählte was vorgefallen war – es würde sie belasten, wenn er weg war. Deswegen hatte er auch Agumon, dass nun leise „Taichi“ murmelte eingeschärft, nichts zu erwähnen. „Es ist nichts“, murmelte er. „Weißt du, ich werde sie nur irgendwie vermissen.“ Damit sah er voller Reue in den Regen, während seine Schwester seine Hand ergriff. Es war besser, wenn sie nichts wusste. Es war besser, wenn er jetzt fortging. Vielleicht hatte sich alles beruhigt, wenn er wiederkam. Vielleicht würde Yamato Sora verzeihen. Dann konnte zumindest sie glücklich sein und er würde nicht damit leben müssen, sie unglücklich gemacht zu haben. Seine besten Freunde. „O-nii-san“, flüsterte Hikari noch einmal, als ein schrilles Geräusch auf den Schienen verkündete, dass der Zug einfuhr. Er drehte sich um und drückte seine Schwester kurz an sich. „Bild bald“, flüsterte er und bemühte sich sie aufmunternd anzulächeln. „Ich werde dich anrufen.“ „Ja“, murmelte sie als der Zug hielt. „Bis bald, O-nii-san. Bis bald, Agumon.“ Und er sah, wie sich Tränen in ihren Augen bildeten. „Auf Wiedersehen“, verabschiedete sich auch Agumon. „Macht’s gut“, erwiderte Tailmon und schob seine Pfote in Hikaris Hand. Dann wandte Taichi sich ab und stieg, einen Koffertrolli hinter sich herziehend, in den Zug der ihn fortbringen würde von Tokyo und seinen Freunden… Der Regen prasselte ans Fenster, vor dem Sora wie gelähmt saß den Kopf an das kühle Glas gelegt. Es war elf und somit der Zeitpunkt, an dem der Shinkansen aus Tokyo abfahren und Taichi nach Osaka bringen würde. Sie hatte das Gefühl, sie würde ihn sehr lange nicht wieder sehen. Sie hatte ihren besten Freund verloren, das war ihr klar. Wieso hatte sie ihn auch geküsst? Aber sie wusste auch noch etwas anderes: Sie liebte ihn. Vielleicht schon die ganze Zeit – liebte ihn mehr als Yamato, brauchte ihn. Und jetzt fuhr er fort und ließ sie alleine zurück. Alleine, denn auch Yamato sprach nicht mit ihr, hatte zumindest gestern jeden Anruf von ihr abgewiesen. Ihre Augenlieder waren schwer. Sie hatte in den letzten beiden Nächten kaum geschlafen und hatte stundenlang geweint. Es war ihre Schuld… „Sora“, versuchte Piyomon erneut seine Partnerin zu erreichen. „Sora, sag doch etwas.“ Das Mädchen sah auf das Digivice, dass auf ihrem Schreibtisch direkt neben dem Fenster lag. Sie hatten damals dieses Abenteuer erlebt, dass ihr Leben verändert hatte, aber wären sie nicht in die Digiwelt gekommen hätte sie Yamato vielleicht nicht kennen gelernt. Was wäre dann gewesen, als sie auf die Mittelschule gekommen waren? Wäre sie dann mit Taichi zusammen? Schließlich seufzte sie und schwang sich von der Fensterbank. „Sora?“, fragte Piyomon leise. „Komm“, meinte das Mädchen und klappte ihren Laptop auf. „Lass uns in die Digiwelt gehen.“ Dort würde es zumindest nicht regnen. ♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠ Es war Sommer, als sich unsere Wege trennten. Ein Sommer, wie der, als wir uns trafen. Es war Sommer, doch der Himmel war grau, zuweit entfernt um ihn zu erreichen. Es war Sommer, als wir uns trennten - und nun warte ich auf den Winter… ♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠♣♥♠ ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)